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Jairus und die blutflüssige Frau – Teil 5

Jesu Leben und Lehre, Teil 301/653
17.08.2023Matthäus 9,18-25
SERIE - Teil 301 / 653Jesu Leben und Lehre

Einführung in die Fragestellung und Evangelientexte als theologische Erzählungen

Gott wird Mensch – Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter, Weg, Wahrheit und Leben ist.

Episode dreihundert: Jairus und die blutflüssige Frau, Teil fünf.

Ich habe euch in der letzten Episode mit einer Frage entlassen. Die Frage lautete ungefähr so: Warum erzählen Matthäus, Markus und Lukas die Ereignisse rund um die blutflüssige Frau und die Auferweckung der Tochter des Jairus alle gleich? Gleich im Sinne von in der gleichen Reihenfolge.

Es sind ja zwei Ereignisse, und man müsste sie nicht unbedingt am Stück erzählen. Klar, sie gehören chronologisch zusammen, aber die Chronologie spielt für die Schreiber der Evangelien eine untergeordnete Rolle. Sie haben auch an anderer Stelle kein Problem damit, ihr Material thematisch zu sortieren.

Bevor ich die Frage beantworte, möchte ich noch einmal wiederholen, wie Evangelientexte funktionieren. Wir lesen sie häufig als kleine biografische Episoden. Doch gedacht sind diese Erzähleinheiten als ein Mittel, um Theologie zu transportieren.

Hört euch gern noch einmal die Episode zweihundertsiebenundvierzig an oder lest das Skript. Damals ging es um das Thema „Erzähltexte verstehen“. Ich hatte gesagt, dass die Evangelien als antike Biografien genau solche Erzähltexte sind.

Ich hatte erklärt, dass Erzähltexte aus kleinen Erzähleinheiten bestehen und dass jede Erzähleinheit – also jede in sich geschlossene kleine Geschichte – durch die Art der Beschreibung und durch ihren Höhepunkt eine theologische Aussage transportieren will. Vielleicht nicht nur, aber auch.

Die Autoren der Evangelien benutzen reale Geschichte, um theologisch zu arbeiten. Es geht ihnen also nicht nur darum, dass wir etwas über das Leben Jesu lernen. Ihre Biografien wollen mehr sein als eine Geschichtsstunde.

Deshalb wählen sie bewusst aus der Summe der Ereignisse nur bestimmte aus. Die Jünger haben viel mehr mit Jesus erlebt, als wir in den Evangelien lesen. Die Geschichten, die sie uns erzählen, dienen dazu, dass wir Jesus als Person kennenlernen, aber noch mehr, dass wir seine Mission verstehen.

Wie gesagt: Wenn euch das Thema mehr interessiert, hört noch einmal in Episode zweihundertsiebenundvierzig rein.

Die Verknüpfung der Heilungsgeschichten und ihr theologischer Schwerpunkt

Aber kommen wir zu unserem Text. Bei der Heilung der blutflüssigen Frau und der Auferweckung der Tochter des Jairus fällt zunächst Folgendes auf: Die Geschichte wird stets als eine Einheit erzählt. Sie beginnt mit Jairus, dann folgt die blutflüssige Frau, und schließlich wird die Tochter auferweckt. Keiner der Evangelisten trennt diese Ereignisse, obwohl dies durchaus möglich gewesen wäre. Beide Ereignisse sind für sich genommen interessant.

Warum werden sie also immer zusammen erzählt? Die Antwort liegt darin, dass es dem theologischen Schwerpunkt dient. Dieser Schwerpunkt geht weit über die bloße Aussage hinaus, dass Jesus Kranke heilen und Tote auferwecken kann. In den Evangelien werden Krankenheilungen und Totenauferweckungen nämlich auch dazu genutzt, das Thema Errettung zu thematisieren.

Noch etwas fällt auf: Die beiden Geschichten sind miteinander verzahnt, und zwar nicht nur im Ablauf. Ich habe das an anderer Stelle bei der Auferweckung des Jünglings von Nein in Episode 252 erklärt. Man kann zwei Erzähleinheiten entweder durch Gleichartigkeit oder durch Kontrast miteinander verbinden. Im Fall des Jünglings von Nein war es der Kontrast, der die beiden Geschichten verband: Zuerst der reiche, einflussreiche heidnische Mann, dann die arme, auf sich gestellte jüdische Witwe.

Wenn wir die blutflüssige Frau mit der Tochter des Jairus vergleichen, fällt etwas anderes auf. Diesmal geht es nicht um einen Kontrast, sondern um Gleichartigkeit. Es handelt sich in beiden Fällen um Frauen. Beide befinden sich in einer ausweglosen Situation. Und auch wenn ich bei der symbolischen Auslegung von Zahlen sehr vorsichtig bin, fällt doch auf, dass die eine zwölf Jahre krank ist, die andere zwölf Jahre alt.

Die Länge des Leidens und die Länge des Lebens sind identisch – fast so, als würde jemand das natürliche Leben mit Leid vergleichen. Für den Verlauf der Ereignisse und den Spannungsbogen wäre diese Information nicht nötig gewesen. Sie ist bewusst eingefügt.

Warum wird eine Zahl betont, die in der Bibel eng mit Gottes Ordnung und Errettung verbunden ist? Ich denke an die zwölf Stämme Israels, die zwölf Apostel, die zwölf Grundsteine und Tore des himmlischen Jerusalems oder den Baum des Lebens in der Offenbarung, der zwölfmal im Jahr Frucht bringt.

Theologische Deutung der Doppelgeschichte als Lektion über Errettung

Wenn es also stimmt, dass die Evangelisten mit ihren Geschichten Theologie vermitteln wollen, wenn Heilungen und Totenauferweckungen häufig das Thema Errettung symbolisieren, wenn das Thema Errettung durch die Zahl zwölf betont wird und wenn diese beiden Ereignisse immer zusammen erzählt werden, dann können wir vorsichtig folgende Übertragung wagen.

Die Geschichte von der blutflüssigen Frau und der Auferweckung der Tochter des Jairus möchte uns eine Lektion über Errettung vermitteln. Diesmal geht es jedoch nicht primär um das „Wie“ der Errettung. Natürlich geschieht Errettung immer durch Glauben, und auch diesmal spielt der Glaube eine Rolle, aber er steht nicht im Mittelpunkt.

Das Besondere an dieser Erzähleinheit ist die Tatsache, dass zwei Rettungen eine Einheit bilden. Thematisch geht es, ausgehend von der Zahl zwölf, um die Ordnung der Errettung eines Menschen.

Ich weiß, das klingt ungewöhnlich, aber was ich meine, ist Folgendes: Wenn wir das Phänomen der Errettung, die Jesus uns bringt, genauer betrachten, dann stellen wir fest, dass wir zweimal gerettet werden. Unsere Errettung geschieht immer durch Glauben und beginnt stets damit, dass wir am Ende sind.

Hoffnungslosigkeit verbindet die blutflüssige, inzwischen verarmte Frau mit der Tochter des Jairus, die kaum noch Leben in sich trägt. Doch genau das ist nicht das, was diese Erzählung besonders macht. Besonders wird sie durch den Ablauf, der wiederum die Erfahrung jedes Gläubigen widerspiegelt.

Die doppelte Errettung: Von der Gottesferne und vom Tod

Errettung gibt es nämlich nur als Doppelpack: Wir müssen zweimal gerettet werden.

Erstens werden wir von unserer Unreinheit befreit, die ein Bild für die Gottesferne ist, in der wir leben. So wie die blutflüssige Frau nicht in den Tempel gehen durfte, um Gott zu begegnen, lebt jeder sündige Mensch ohne Hoffnung auf Besserung in der Gottesferne. Unsere Sünde macht Gemeinschaft mit Gott unmöglich, und wir können daran auch nichts ändern.

Was wir brauchen, ist eine Begegnung mit dem Einzigen, der uns helfen kann: Jesus. Es ist die Kraft, die von ihm ausgeht, die eine Beziehung mit Gott herstellt. Es ist die heilende Begegnung mit dem Messias, durch die wir Frieden, Schalom, finden – und zwar mit Gott.

Doch es reicht nicht aus, dass der Herr Jesus uns von der Schuld der Sünde reinigt und damit Gemeinschaft mit Gott möglich macht. Wir haben noch ein weiteres Problem: den Tod. Nach Paulus ist der Tod der Lohn der Sünde. Er ist mit Römer 5 zu allen Menschen durchgedrungen, auch zu uns.

Deshalb brauchen wir eine zweite Errettung: eine Auferweckung zu neuem Leben. Errettung bedeutet nämlich mehr als nur Gemeinschaft mit Gott im Hier und Jetzt. Errettung hat eine ewige Dimension.

Diese ewige Dimension erschließt sich dem Gläubigen erst mit der Auferstehung – dann, wenn Jesus uns zuruft: „Steh auf!“

Zusammenfassung und abschließende Gedanken

Fazit

Worum geht es bei der Heilung der blutflüssigen Frau und der Auferweckung der Jairustochter? Es geht darum, dass wir die Ordnung der Errettung verstehen. Jeder Mensch braucht zwei Rettungen: eine von seiner Gottesferne und eine vor dem Tod. Beides bedeutet Gemeinschaft mit Gott und die Auferstehung zum ewigen Leben.

Das volle Programm der Errettung gibt es genau bei Jesus und nur bei ihm allein.

Was könnte man jetzt tun? Man könnte sich Zeit nehmen, um Jesus dafür anzubeten, dass er uns eine umfassende Errettung geschenkt hat – das volle Programm.

Das war's für heute.

Bete für die Politiker unseres Landes. Gott möchte nicht, dass wir schlecht über sie reden, sondern dass wir viel für sie beten. Mir scheint, sie können es gerade gut gebrauchen.

Der Herr segne dich. Erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.

Vielen Dank an Jürgen Fischer, dass wir seine Ressourcen hier zur Verfügung stellen dürfen!

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