Hinweisschilder, damit wollte ich einsteigen. Hinweisschilder fand ich bisher immer extrem hilfreich, bis ich vergangenes Jahr in Korea war und gemerkt habe, wenn die Hinweisschilder voller asiatischer Schriftzeichen sind, dann verlieren sie für mich ihren Wert. So, dann funktioniert die Kommunikation nicht mehr ganz so gut. Alles schön wunderbar beschriftet, aber wenig hilfreich für mich.
Und das hat mich noch mal ins Nachdenken gebracht. Wenn wir heute gemeinsam drüber nachdenken, ja, lass mal reden, lass mal über Jesus reden, lass mal Hinweisschilder sein für Jesus, wie ist das mit der Kommunikation? Funktioniert es? Denn die Herausforderung ist ja, dass wir in einer Zeit leben und wir waren jetzt mal ne kurz in Afrika und auf den Philippinen. Ähm, ich rede jetzt über den deutschen Kontext. Wir leben in einem Kontext, wo die meisten Menschen, mit denen wir über Jesus reden wollen, überhaupt kein Interesse haben an dem, was uns so sehr bewegt.
Also, wir wollen reden, wir wollen hinweisen auf etwas, was die meisten Leute überhaupt nicht juckt. Es gibt eine neue Statistik, eine große Untersuchung im vergangenen Jahr rausgekommen. 56% der deutschen Bevölkerung gelten als säkular, also komplett ohne Kontakt zu Religion, Religiosität in jeder Form. 25% sind religiös distanziert. Jetzt, wenn ihr rechnen könnt, das sind zusammen 81%, die einfach nicht juckt, was uns bewegt, die keinerlei religiöses Bedürfnis haben, die einfach aus Gewohnheit nicht glauben. Also nicht, dass sie da lange drüber nachgedacht hätten. Sie glauben aus Gewohnheit nicht.
Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist für sie überhaupt keine Frage mehr. Sie haben, so hat es mal jemand ausgedrückt, vergessen, dass sie Gott vergessen haben. Wenn wenn Gott in ihrem Leben fehlt Dann fehlt ihnen nichts. Ihnen fehlt nichts.
Und wir finden uns jetzt also auf einmal in einer wissenschaftlich akademisch ausgedrückt einer nachchristentümlichen Welt wieder, in der wir fremd sind und die Welt ist uns fremd. In einer Welt, wo die Leute kein Interesse mehr haben an dem, was uns bewegt, wo wir eine Minderheit sind von gläubigen Jesusnachfolgerinnen und Nachfolgern, wo unsere Glaubensinhalte immer un verständlicher werden. Der christliche Grundwasserspiegel sinkt immer mehr. Und heute haben viele sogar den Eindruck, dass unsere Ethik, unsere Werte abstoßend vielleicht sogar gefährlich sind. Das ist die fremde neue Welt, in der wir leben.
Und deshalb drängt sich die Frage auf und darüber möchte ich heute Nachmittag mit euch in aller gebotenen Kürze nachdenken. Die Frage drängt sich auf, wie können wir in dieser fremden neuen Welt zu aussagekräftigen und verständ Hinweisschildern auf Jesus werden. Und dazu schauen wir uns ein paar Verse an aus Apostelgeschichte 17.
Paulus in Athen: Eine Lektion für heute
Da ist Paulus in Athen und ich habe mir jetzt mal nur so ein paar Verse ausgesucht, die Stories ein bisschen länger. Könnt ihr ja dann heute Abend zu Hause noch mal im Detail nachlesen. Apostelgeschichte 17, wenn ihr eure Bibeln dabei habt, ab Vers 16. Während Paulus nun in Athen auf die beiden wartete, sah er sich in der Stadt um. Empört und erschüttert stellte er fest, dass ihre Straßen von zahllosen Götterstatuen gesäumt waren und er begann mit den Leuten Gespräche zu führen.
In der Synagoge redete er mit den Juden und mit denen, die sich zur jüdischen Gemeinde hielten. Und auf dem Marktplatz unterhielt er sich tag für Tag mit denen, die er dort antraf. Dabei kam es auch zu Diskussionen mit epikureäischen und stoischen Philosophen, also der Bildungselite der damaligen Zeit und dann wird es kurz geschildert, was da passiert und dann folgt Vers 19: Schließlich nahmen sie Paulus in ihre Mitte und führten ihn vor den Areopag, den Stadtrat von Athen, also von den Intellektuellen, ja, zur politischen Elite. Und dann Vers 22, da trat Paulus vor die Ratsmitglieder, also wir stellen uns sowas wie den Bundestag vor und alle anderen, die zusammengekommen waren und begann.
Dann sagt Paulus: "Bürger von Athen, ich habe mit eigenen Augen davon überzeugen können, dass ihr außergewöhnlich religiöse Leute seid. Als ich nämlich durch die Straßen eurer Stadt ging und mir eure Heiligtümer ansah, stieß ich auf einen Altar mit der Inschrift für einen unbekannten Gott. Ihr verehrt also ein göttliches Wesen, ohne es zu kennen. Nun, gerade diese euch unbekannte Gottheit verkündige ich euch."
Und dann kommt eine spannende Predigt von Paulus, die wir uns nicht im Detail anschauen und dann noch am Ende des Kapitels. Die Reaktion auf die Predigt von Paulus. Vers 32. Als Paulus von der Auferstehung der Toten sprach, brach ein Teil der Zuhörer in Gelächter aus. Und andere sagten, über dieses Thema wollen wir zu einem späteren Zeitpunkt mehr von dir erfahren. Damit endete die Anhörung und Paulus verließ die Ratsversammlung. Doch einige Leute schlossen sich ihm an und kamen zum Glauben. So z. B. Dionysios, ein Mitglied des Stadtrats und eine Frau namens Damaris. Und es gab noch andere, die zusammen mit diesen beiden an Jesus glaubten.
Drei Perspektiven auf den Hinweis auf Jesus
Drei Perspektiven auf diese Verse aus Apostelgeschichte 17. Wir schauen uns zweitens an, wie wir weise, verständnisvoll auf Jesus hinweisen. Wir schauen uns drittens an, wie wir geduldig hoffnungsvoll auf Jesus hinweisen. Und wenn ihr jetzt nicht komplett im Mittagskoma wart, habt ihr gemerkt, ich habe erstens vergessen. Das ist nämlich das Allerwichtigste und das Allererste. Wie weisen wir leidenschaftlich und liebevoll hin, also leidenschaftlich liebevoll, weise verständnisvoll und geduldig hoffnungsvoll.
Das Erste, was in Apostelgeschichte 17 deutlich wird, ist, dass wir, um auf Jesus hinzuweisen, nicht in erster Linie etwas tun müssen, sondern dass es viel, viel wichtiger ist, wer und was wir sind. Es geht also nicht in erster Linie um die Ebene des Tuns, sondern es geht um unsere Person, um unser Herz, um das, was wir als Personen sind. Es geht um unsere Leidenschaft und Liebe.
Und wir werden gleich noch sehen, warum es so bedeutsam ist, dass Paulus sich in der Stadt umsieht. Aber worum es mir zunächst mal geht, ist das innere Gefühl, das in Paulus entsteht, als er sich in der Stadt umsieht und als er durch dieses prunkvolle Athen der Antike spaziert mit offenen Augen und er redet mit Leuten und kommt mit ihnen ins Gespräch. Und dann entsteht in ihm ein Gefühl, als er diese Straßen sieht, von Götterstatuen gesäumt, die antiken Tempel, und manche lesen dann diesen Text und haben das Gefühl, Paulus wurde wütend und wurde zornig.
Und es gibt tatsächlich einige Bibelübersetzungen, je nachdem, was ihr gerade aufgeschlagen habt, die gehen von der Übersetzung auch so ein bisschen in diese Richtung. Die Neue Genfer, aus der ich eben vorgelesen habe, da steht: Paulus war empört und erschüttert. Wörtlich steht hier: "Sein Geist geriet in ihm in Erregung." Und dann könnte man auch sagen, sein Geist ergrimmte in ihm. Und interessanterweise ist das ein Ausdruck, der im Alten Testament üblicherweise für Gott verwendet wird. Es ist das Gefühl, dass Gott selbst hat, wenn er sieht, wie Menschen Götzen und Götter anbeten. Dieses Gefühl, das sich in Gott regt, wenn er merkt, dass die Geschöpfe, die er ins Leben gerufen hat, ihr Herz an Dinge hängen und nicht an ihn. Dieses Gefühl, das Gott hat, wenn Leute sich von ihm entfernen und ihre ganz eigenen Wege gehen. Die Bibel übersetzt das meistens mit Eifersucht. Weiß nicht, ob ihr das auf dem Schirm habt, aber Gott ist ein eifersüchtiger Gott. Gott ist ein eifersüchtiger Gott.
Und hier reagieren Leute oft negativ, wenn sie mit der Eigenschaft Gottes konfrontiert sind, weil sie an eine sehr menschlich engherzige Eifersucht denken. Das ist diese Eifersucht, die wir haben, weil wir neidisch sind auf andere, auf ihr Aussehen, auf ihre Fähigkeiten, auf ihre Erfolge, auf ihre Intelligenz. Das ist eine neidische Art von Eifersucht. Aber es gibt auch eine sehr reine und sehr gesunde Form der Eifersucht. Wenn ihr euch vorstellt, eine dritte Person versucht, sich in meine Ehe zu drängen, dann ist es eine sehr gesunde und nachvollziehbare Reaktion, wenn ich mit Eifersucht reagiere. Wenn ich dann nicht mit Eifersucht reagiere, wisst ihr, was dann der Fall ist? Dann ist mir meine Frau egal, dann bin ich gleichgültig. Eifersucht und Gleichgültigkeit schließen sich aus. Gott ist ein eifersüchtiger Gott, weil er seinen Geschöpfen gegenüber nicht gleichgültig ist. Er liebt uns so sehr, dass er unser Glück und unsere Freude will. Und er weiß, dass wir dieses tiefste Glück und die tiefste Freude nur bei ihm finden, und deshalb ist er leidenschaftlich eifersüchtig besorgt um uns, um uns Menschen.
Und der Punkt ist jetzt folgender. Dieser Mix aus leidenschaftlicher Eifersucht und großer mitfühlender Liebe ist das, was sich in Paulus regt, als er durch Athen spaziert. Paulus ist in seinem Geist innerlich tief bewegt von der Verlorenheit der Menschen und von der Tatsache, dass sie als Geschöpfe Gottes ihren Schöpfer nicht kennen, nicht persönlich kennen. Ein Kommentator der Apostelgeschichte hat es mal so ausgedrückt: Paulus war innerlich verwundet und eifersüchtig wegen des Namens Gottes, innerlich verwundet und eifersüchtig wegen des Namens Gottes.
Und die erste Frage, die ich uns heute Nachmittag stellen will, euch und mir, ist: Ist das bei uns der Fall? Bist du innerlich verwundet? Ich möchte ganz offen mit euch sein. Im Vergleich zu Paulus empfinde ich unser Christsein. Und ihr müsst jetzt selber entscheiden, ob ihr euch den Schuh anzieht. Aber ich stell mich da drunter. Ich empfinde mein Christsein oft als furchtbar routiniert, abgeklärt, übersättigt, bequem, träge, lauwarm, aber wenig leidenschaftlich.
Wann hast du das letzte Mal innerlich verwundet Tränen vergossen über den Zustand dieser Welt? Tränen vergossen über die Tatsache, dass so viele Menschen in unserem Land nicht glauben können und nicht glauben wollen. Jemand hat mal gesagt: Der Weg zur Erweckung ist gepflastert mit Tränen. Und wenn das stimmt, dann sollten wir vielleicht heute Nachmittag anfangen und Gott bitten, dass er uns mehr Tränen schenkt und dass die Seiten unserer Bibeln häufiger benetzt sind von Tränen, weil wir leidenschaftlich besorgt sind um die Menschen um uns herum, leidenschaftlich besorgt um die Ehre Gottes und weil wir eine innere Herzenshaltung haben, die angetrieben ist von dieser leidenschaftlichen Liebe zu unseren Mitmenschen.
Wie könnte sich das auswirken, wenn wir das jetzt um Gottes Willen mehr und mehr in uns formen lassen? Wie sähe das aus, wenn wir diesen Charakter hätten, den Paulus hat? Das Erste wäre, wir würden anfangen, für mehrere konkrete Personen aus unserem eigenen Umfeld zu beten, eifersüchtig darum besorgt, dass Gott in ihrem Leben verherrlicht wird und dass sein Name geheiligt wird. Seht, das Hinweisen auf Jesus beginnt nicht mit Reden, sondern beginnt mit Gebet. Und jetzt, die zweite Sache ist, wir würden für Menschen beten und wir würden bewusste Beziehungen pflegen zu einigen Menschen, die noch nicht glauben, Zeit mit ihnen verbringen. Eines der höchsten Güter unserer Zeit ist die Zeit, die wir anderen schenken. Sie können uns beobachten, und wir werden zu Hinweisschildern, weil man uns beobachten und sehen kann, weil wir in enger Verbindung mit Menschen leben, die Jesus noch nicht kennen: Nachbarn, Arbeitskollegen, Freunde, Bekannte, Familienmitglieder.
Weise und verständnisvoll hinweisen
Und das bringt uns zweitens zu diesem Punkt: Wie können wir, wenn wir leidenschaftliche Liebe haben, wie können wir weise und verständnisvoll hinweisen? Und wie Paulus das in die Tat umsetzt, das sehen wir ebenfalls in Apostelgeschichte 17. Und ich lese euch noch mal die Verse. Vers 17: Während Paulus nun in Athen auf die beiden wartete, sah er sich in der Stadt um. Empört und erschüttert stellte er fest, dass ihre Straßen von zahllosen Götterstatuen gesäumt waren, und er begann mit den Leuten Gespräche zu führen. In der Synagoge redete er mit den Juden und mit denen, die sich zur jüdischen Gemeinde hielten. Auf dem Marktplatz unterhielt er sich tag für Tag mit denen, die er dort antraf.
Seht ihr, Paulus sieht sich mit offenen Augen in der Stadt um, und er beginnt Gespräche zu führen mit den Menschen, mit unterschiedlichsten Menschen. Warum? Weil Paulus unter die Oberfläche blicken will, weil er verstehen will, wie die Menschen ticken, weil er verstehen will, was sie bewegt, weil er weiß: Ich kann sie nur dann wirksam auf Jesus hinweisen, wenn ich weiß, welche Anknüpfungspunkte ich habe, wenn ich ihre Kultur verstehe, wenn ich ihre Sehnsüchte verstehe.
Paulus sieht die unzähligen Götterstatuen in dieser Stadt stehen, und er fragt sich: Okay, das sind jetzt ja nicht nur architektonische Schönheiten, sondern seine Frage ist: Warum glauben die Menschen das, was sie glauben? Was ist an diesen Tempeln? Was ist an diesen Statuen für sie so attraktiv? Was treibt sie in diese Tempel? Was treibt sie zur Anbetung dieser Statuen? Was macht ihre Religiosität aus?
Seht ihr? Wenn wir nicht erkennen, welche Sprache der andere spricht, dann passiert genau das, was ich am Anfang geschildert habe. Dann werden wir zu Hinweisschildern, die irgendwelche asiatischen Schriftzeichen tragen, aber der andere versteht's nicht. Wir connecten nicht, würden wir heute sagen. Ich habe ein paar gute Freunde, die gründen in Ostdeutschland Gemeinden, und die machen am Anfang ihres Dienstes was Ähnliches wie Paulus. Die laufen erst mal durch die Städte und machen eine Kontextanalyse, so heißt es, und schauen sich um und reden mit Menschen und versuchen zu verstehen, wie die Leute in Ostdeutschland ticken.
Und dann sagen meine Freunde zu mir: Philip, das Erste, was uns aufgefallen ist, das Allererste war: Wir haben großartige Antworten auf Fragen, die kein Mensch stellt. Wir haben großartige Hinweise und Dinge, die wir zu sagen haben, die alle wahr und richtig sind. Die koreanischen Straßenschilder waren auch richtig und haben in die richtige Richtung gezeigt. Ich habe sie trotzdem nicht verstanden, außer da, wo es in normaler Schrift eine Übersetzung gab. Wir haben Antworten auf Fragen, die kein Mensch gestellt hat. Wir haben häufig keinen blassen Schimmer, was die Menschen um uns herum unter der Oberfläche umtreibt, und was sie antreibt, und was sie bewegt, und was sie in Wallung bringt.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir ein Verständnis dafür entwickeln, was unsere Freunde, Bekannten, Arbeitskollegen und Nachbarn wirklich bewegt. Was ist ihnen wirklich wichtig im Leben? Was ist ihr größtes Glück, und woraus ziehen sie ihre tiefste Zufriedenheit? Was sind ihre größten Hoffnungen, ihre Ängste, ihre Sehnsüchte? Was sind ihre tiefen Überzeugungen? Und was sind ihre bohrenden Fragen? Und dann vor allem: Warum fällt es ihnen eigentlich so schwer zu glauben? Was ist so schwer daran für den normalen Deutschen unserer Zeit, an Jesus zu glauben? Warum fällt es ihnen so schwer zu glauben? Was sind ihre Vorurteile gegen die Kirche? Warum ist das Nicht-Glauben für sie so normal und so plausibel? Versucht mal, mit Menschen in eurem Umfeld über diese Frage ins Gespräch zu kommen. Fragt sie danach und hört erst mal zu. Okay, das Yumiko-Thema ist: Lass mal reden. Und ich würde euch gerne einprägen: Heute, bevor wir reden, sollten wir fragen und zuhören. Für Missionsausbildung eine völlig normale Sache. Ich glaube, wir müssen das neu lernen für unseren fremdgewordenen Kontext hier in unserem Land: Fragen und zuhören, damit wir dann weise und verständnisvoll auf Jesus hinweisen können.
In Apostelgeschichte 17 sehen wir, wie Paulus seine leidenschaftlich liebevollen Hinweise auf Jesus sehr weise und sehr verständnisvoll mit dem verknüpft, was er bei den Athenern beobachtet hat. Er bringt es zusammen. Und dann steht hier in Vers 23: "Bürger von Athen, ich habe mich mit eigenen Augen davon überzeugen können, dass ihr außergewöhnlich religiöse Leute seid. Als ich nämlich durch die Straßen eurer Stadt ging und mir eure Heiligtümer ansah, stieß ich auf einen Altar mit der Inschrift: Für einen unbekannten Gott. Ihr verehrt also ein göttliches Wesen, ohne es zu kennen. Nun gerade diese euch unbekannte Gottheit, den verkündige ich euch."
Was Paulus heute sagen würde
Stellt sich für uns die Frage: Was würde Paulus denn zu uns heute sagen, wenn er uns und unsere Gesellschaft, unsere Kultur hier in diesem Land beobachten würde, wenn er sich bei uns umsehen würde? Vermutlich würde er sagen: Liebe Bürger von Stuttgart, liebe Bürger von ..., ich vermute, die meisten von euch sind Schwaben. Ähm ja, liebe Schwaben, ich habe mich bei euch umgesehen. Ich habe mich mit eigenen Augen und Ohren davon überzeugen können, dass die meisten von euch sich für gar nicht mehr so religiös halten. Das würde er sagen. Vielleicht seid es in der Tiefe noch, in der Art, wie ihr Fragen stellt und wie ihr euch nach Erlösung und Sicherheit sehnt, aber ihr denkt, ihr seid nur noch sehr, sehr wenig religiös.
Und dann würde er verschiedene Dinge nennen, die er wahrnimmt. Gebe euch ein paar Beispiele. Er würde z. B. sagen: Liebe Schwaben, liebe Deutschen, ich sehe, dass viele von euch eine tiefsitzende Abneigung gegen die Institution Kirche haben, weil ihr sie als heuchlerisch empfindet. Und ihr abgestoßen seid von Missbrauchsskandalen und vielem Unrecht, dass die Kirche in der Vergangenheit begangen hat. Das würde er sagen. Und dann würde Paulus daran anknüpfen und würde zunächst mal demütig zugeben und sagen: "Ja, die Kirche und Christen, die haben viel Mist gebaut, und man kann von ihnen enttäuscht sein aus guten Gründen." Aber dann würde er eben auch versuchen, Menschen klarzumachen, dass die Kirche gerade dort auf Abwege geraten ist, wo man sich zu wenig an der Lehre und am Wesen von Jesus orientiert hat. Und er würde sagen, die Kirche war gerade dort kein Vorbild, weil sie Jesus nicht ähnlich genug war. Das wäre sein Versuch, an der Stelle einzuhaken.
Eine zweite Sache, die er beobachten würde, er würde sagen: Ich sehe, dass ihr ganz selbstverständlich davon ausgeht, dass ihr Gott nicht braucht, um ein erfülltes Leben mit Bedeutung und Zufriedenheit zu führen. Und Paulus würde verständnisvoll zugeben, sagen: Ja, das stimmt. Es gibt Dinge in diesem Leben, die können einem Leben Bedeutung geben und die können einen zufriedenstellen. Aber dann würde er liebevoll zurückfragen und sagen: Aber was ist denn, wenn die Dinge, die deinem Leben Halt und Bedeutung geben, wegbrechen durch Krankheit, durch Tod? Was ist, wenn du das verlierst, was deinem Leben Sinn gibt? Was bleibt da noch? Und er würde vielleicht auch zurückfragen und sagen: Warum habt ihr als säkulare Deutsche trotzdem nie das Gefühl, wirklich zufrieden zu sein? Warum kommt ihr nie wirklich an? Fehlt nicht doch etwas? Muss es nicht doch in dieser Welt mehr geben als alles, was ihr vor Augen habt?
Eine dritte Sache, die er beobachten würde, Paulus würde sagen: Ich sehe, dass ihr das Christentum für eine Zwangsjacke haltet und euch nichts wichtiger ist, als die Freiheit so zu leben, wie ihr das wollt. Ihr wollt euch selbstbestimmt ausleben. Ihr wollt das Leben, was ihr innerlich fühlt. Ihr wollt frei sein von allen Zwängen. So wie Elsa, die Disney-Eiskönigin. Kennt ihr? Ja. "Ich bin frei, nur die Kraft in mir treibt mich voran." Ja, ich will frei sein von allen Zwängen. Paulus würde sagen: Cooler Song. Ja, cooler Song. I can feel it. Ich kann ihn fühlen. Ich verstehe das. Wisst ihr, Freiheit ist ein zutiefst christlicher Wert. Interessant, dass ihr, die ihr euch für so wenig religiös haltet, so tief christlich geprägt seid. Und dann würde er weiter ins Gespräch kommen, würde daran anknüpfen und sagen: Ich kann den Wunsch nach Freiheit gut nachvollziehen. Aber dann würde er fragen: Hey, wohin hat euch denn die Loslösung von allen Zwängen gebracht? Er würde uns den Spiegel vorhalten unserer Gesellschaften, würde sagen: Wisst ihr was? Ich erlebe euch als sehr versklavt und gebunden. Ihr seid versklavt an euer Smartphone. Ihr seid versklavt an irgendwelche Algorithmen. Ihr seid versklavt und gebunden an eure Arbeit und an vieles mehr. Seid ihr sicher, dass ihr so frei seid, wie ihr denkt?
Und dann würde Paulus seine Gesprächspartner herausfordern und zeigen, dass absolute Freiheit sowieso eine Illusion ist. Er würde vielleicht sagen: Freunde, ein Fisch braucht das Wasser. Ein Fisch ist nicht frei, an Land zu leben. Habt ihr vorgestern oder gestern diesen Autounfall gesehen, wo dieser Fischlaster irgendwie ins Schleudern geriet und die ganzen Forellen auf der Autobahn verteilt hat? So. Keine dieser Forellen hat auf der A1 oder wo auch immer das war überlebt. Ist einfach nicht das Umfeld, in dem sie sich frei entfalten können. Also stellt euch einen Fisch vor, der sagt: Ich brauche das Wasser nicht. So, ich habe jetzt einfach, ich fühle einfach einen anderen Kontext. Ja, das wird nicht funktionieren.
Und Paulus würde das aufzeigen und sagen: Du brauchst die Beziehung zu Gott wie der Fisch das Wasser. Der Glaube engt dich nicht ein, sondern er befreit dich letztlich aus ganz vielen Gebundenheiten. Der Glaube an Jesus, das Evangelium von Christus, macht frei.
Sprachfähig und voller Liebe
Das waren jetzt nur in Ansätzen einige der zentralen Denkmuster, die Menschen heute davon abhalten, an Jesus zu glauben. Das sind die Gründe, warum sie den Glauben für wenig einleuchtend und völlig unplausibel halten. Und mein Punkt ist jetzt einfach folgender: Wenn wir in unserer Zeit Menschen in unserem Umfeld auf Jesus hinweisen wollen, dann können wir uns die Mühe nicht ersparen, darüber nachzudenken, wie sie ticken, was sie umtreibt, was ihre Hoffnungen, Sehnsüchte und Ängste sind.
Wir müssen sprachfähiger werden in unserer Zeit, und ich glaube persönlich, dass das für die Kirche Jesu Christi in unserem westlichen Kontext vielleicht eine der größten Herausforderungen ist, vor denen wir stehen in den nächsten Jahren: sprachfähig zu werden. Aber was ich nicht sagen will, ist, dass wir alle jetzt zu den Hardcore, wie hast du gesagt, "Holy moly", die Kulturanalysten werden müssen und zu Chefpsychologen unserer Zeit. Manche von uns sollten das tun und sollten die Gemeinde Jesu damit segnen. Aber denkt an den ersten Punkt dieser Predigt: Wichtiger als unsere Kulturanalyse ist unser Herz und unsere leidenschaftliche Liebe für die Menschen um uns herum. Aber am Ende brauchen wir beides: das leidenschaftlich Liebevolle und das Weise und Verständnisvolle.
Und das bringt uns drittens und zum Schluss zu einer letzten Perspektive heute, und die wird wirklich kurz. Als Menschen, die im 21. Jahrhundert in Deutschland auf Jesus hinweisen, brauchen wir zwei Dinge. Wir brauchen Geduld und wir brauchen Hoffnung. Geduld und Hoffnung.
Wir sehen das bei Paulus an der Reaktion. Die einen lachen ihn aus. Okay, das wird auch uns passieren. Und die anderen sagen: "Hey, muss ich später noch mal nachdenken. Ja, bin noch nicht ganz so weit." Und dann gibt's aber auch einige, die kommen zum Glauben. Und genau dasselbe passiert in unseren Kontexten, passiert bei uns in unserem Land, in unseren Städten, an unseren Orten.
Wir brauchen Geduld und Hoffnung. Wir brauchen erstens Geduld, weil wir nicht mehr in einer christlich geprägten Kultur leben, sondern in einer fremden neuen Welt. Wir leben in einer nachchristlichen Zeit, und viele sind vom Glauben mega weit weg. Und deshalb sind es, das ist ja nichts Neues, was ich euch sage, oft sehr, sehr lange Prozesse, bis Menschen sich Jesus, seinem Wort, der Gemeinde annähern. Es dauert lange. Bei vielen dauert es Jahre, bis sie sich annähern. Und wir weisen auf Jesus hin, und wir bleiben an ihnen dran, und wir verbringen Zeit mit ihnen, und wir lieben sie, und wir laden sie ein in unsere Gottesdienste und Alphakurse und Entdeckergruppen und was auch immer wir machen. Das dauert Jahre. Ich habe im pastoralen Dienst so viele Menschen so lange begleitet. Die haben so lange gebraucht, manche bis heute.
Und natürlich fangen wir nicht irgendwann an, ungeduldig Druck zu machen und zu manipulieren. Wenn es lange dauert, werden wir sehr schnell ungeduldig und dadurch häufig frustriert und lieblos. Und das darf nicht passieren. Wir brauchen Geduld. Ihr könnt jetzt oder nachher mal ein Bild googeln, wenn ihr eingebt "Johannes der Täufer, Isenheimer Altar". Vielleicht kennen das manche, ist ein Bild von Johannes dem Täufer, der ungefähr so eine Handbewegung macht. Das sieht ein bisschen komisch aus, ja, aber soll sagen: Johannes der Täufer ist der Hinweis auf Jesus. Sein Finger zeigt auf Jesus. Johannes 1: "Ich bin nicht der Christus." Und das ist das, was uns geduldig macht, was uns entlastet. Wir müssen es am Ende nicht tun. Wir sind nur, in Anführungsstrichen, die leidenschaftlich liebevollen Hinweisschilder auf unseren Herrn.
Wir können niemanden zum Glauben tragen. Wir können niemanden zwingen. Wir können niemanden manipulieren. Wir können die entscheidenden Glaubensschritte bei Menschen nicht auslösen. Wir sind nicht der Retter der Welt, auch nicht der Retter unserer Freunde und Nachbarn und Arbeitskollegen. Aber wir sind wie Johannes, hinweisende auf Christus. Das entlastet, weil du geduldig warten kannst auf das, was Gott tut.
Geduld und Hoffnung
Also, erstens: Wir brauchen Geduld, weil das Zum-Glauben-Kommen heute meistens nicht über Nacht passiert. Und zweitens: Wir brauchen Hoffnung, weil wir die Erfahrung machen, dass in unserer Zeit viele trotz unserer Hinweise Jesus gegenüber gleichgültig bleiben. Sie bleiben gleichgültig und ablehnend. Sie kommen vielleicht mit, wie gesagt, in unsere Gottesdienste, in unsere Alphakurse, in unsere Kleingruppen. Sie verbringen Zeit mit uns, ne? Sie grillen mit uns, ne? Sie gehen mit uns irgendwie an den Baggersee oder wo auch immer hin. Aber die Veränderung, die Hinwendung zu Jesus, die passiert nicht.
Und wenn wir dann nicht unsere Leidenschaft und Liebe verlieren wollen, dann brauchen wir Hoffnung auch dann, wenn weniger unserer Freunde und Bekannten zum Glauben kommen, als wir uns das wünschen. Und ich möchte euch zum Schluss noch ein Wort Gottes mitgeben, das meine Hoffnung immer wieder anfacht an der Stelle. Und dieses Wort steht ein Kapitel nach Apostelgeschichte 17, also Apostelgeschichte 18. Da ist Paulus jetzt schon in Korinth. Und dann heißt es: "In einer nächtlichen Vision sagte der Herr zu Paulus: Du brauchst dich nicht zu fürchten. Verkünde das Evangelium und lass dich durch nichts zum Schweigen bringen." Also in unserer Yumiko-Terminologie: Lass einfach mal weiterreden. Ja, lass weiterreden, lass weiter hinweisen. Verliere nicht die Hoffnung. Mach den Mund auf für Jesus. Warum? Dann steht hier: "Denn mir, sagt Gott, gehört ein großes Volk in dieser Stadt."
Mir gehört ein großes Volk in dieser Stadt. Ich kann euch nicht sagen, wie groß das Volk ist in deinem Dorf, in deiner Stadt, an deiner Uni, an deiner Schule, an deinem Arbeitsplatz, in Stuttgart, in Deutschland. Wir können das nicht direkt übertragen. Wir wissen es nicht. Aber dieses Wort erinnert uns daran, dass Gott auch an unserem Ort Menschen zu sich ziehen will. Gott wird Menschen dort, wo du wohnst, arbeitest, bist, zu sich ziehen. Gott will dort Menschen zu sich ziehen.
Und das entlastet und gibt Hoffnung. Und es macht mir deutlich, was für ein großes Vorrecht es ist, dass wir, dass du und ich, diese Menschen auf Jesus, den Gekreuzigten und Auferstandenen, den Sohn Gottes, den Retter, den Erlöser hinweisen dürfen. Und wie tun wir das? Erstens: leidenschaftlich, eifersüchtig, liebevoll. Und zweitens: weise und verständnisvoll, so gut wir können. Und drittens: geduldig und hoffnungsvoll.
Amen.