Einleitung: Das Experiment mit den Ballons als Bild für Gottes Gaben
Also, ihr werdet die Bibelstelle gleich hier sehen. Was ich ganz toll finde, ist, dass ihr hier vorne sitzt. Normalerweise muss man in Gemeinden hinten anbauen, weil es dort immer weitergeht. Vorne setzt sich fast keiner hin. Das finde ich ganz klasse.
Natürlich heute ganz besonders, weil ich gedacht habe, jetzt ziehe ich mal einen raus. Ich wollte ein kleines Experiment machen. Vielleicht lächelt Robin schon so. Ist überhaupt nicht schlimm, komm doch mal nach vorne.
Also, ich wollte einfach mal ausprobieren, wie viele Ballons du aus meiner Hand nehmen kannst. Außer hier darfst du nicht anfassen, sonst darfst du überall anfassen. Ich gebe sie dir einfach mal, und du sagst irgendwann Stopp. Du kannst sie irgendwo verstauen.
Also, ihr zählt mit, schon gut, oder? Einer geht noch. Wie viele hat er? Eins, zwei, drei, vier, sechs, oder? Du kannst dich noch bewegen, okay? Und jetzt lass sie fallen.
Wer will noch mal versuchen? Kriegt jemand mehr Ballons aus meiner Hand? Kann jemand mehr Ballons aus meiner Hand nehmen als Robin? Willst du mal versuchen? Versuch mal, es ist größer, vielleicht kriegt er drei, ja. Okay, irgendwie geht noch was. Also acht, super. Okay, kannst fallen lassen. Genau.
Hätte jemand noch eine andere Strategie? Die Aufgabe war, die Ballons aus meiner Hand zu nehmen. Ja? Ja? Es war aber die Maßgabe – das habe ich nicht gesagt – sie dürfen nicht auf die Erde fallen. Nein, kaputt machen ist auch schlecht, es erschreckt so viele Leute hier. Auf den Stuhl legen, elektrisch aufladen – jetzt kommen die Physiker.
Es ist gut, ich hatte gehofft, gut, dass ich dich nicht nach vorne geholt habe. Wenn man sich das am Schreibtisch ausdenkt, dann hoffen wir, dass die Leute so reagieren, wie ich denke. Und ihr habt so reagiert, vielen Dank. Es war nicht abgesprochen.
Die Maßgabe war nur, den Ballon aus meiner Hand zu nehmen. Wenn sich hier jemand hinstellt und den Ballon nimmt und ihn einfach weitergibt, hat er ihn aus meiner Hand genommen. Dann könntet ihr hunderte Ballons aus meiner Hand nehmen. Aber ihr habt diese Balance festgehalten. Hätte ich wahrscheinlich auch so gemacht.
Gottes Gnade und Gnadengaben als Geschenk und Auftrag
Es geht heute um Römer 12, Verse 3 bis 8. In diesem Abschnitt geht es um Gottes Gnade. Aber nicht nur um Gottes Gnade allgemein, sondern speziell um Gottes Gnadengaben.
Oft verhalten wir uns so, dass Gott uns seine Gaben schenkt, und wir halten sie fest. Dabei hat er uns diese Gaben gegeben, damit wir sie weitergeben. Wir sollen sie immer wieder neu von ihm empfangen und dann weitergeben – ein ständiger Kreislauf.
Doch das gelingt uns oft nicht, weil wir alle Hände voll zu tun haben. Wir sind beschäftigt damit, unsere Gaben festzuhalten, sie in eine Glasvitrine zu stellen und zu zeigen: „Schaut mal, wie begabt ich bin!“ So ähnlich wie es die Korinther getan haben.
Genau deshalb wollen wir uns diesen Text genauer ansehen. Er hat sehr viel mit unserem Leben zu tun. Dabei müssen wir uns natürlich die Frage stellen: Wie gehe ich eigentlich mit Gottes Gnade und mit Gottes Gnadengaben in meinem Leben um?
Ich habe die Zielrichtung der Predigt schon in die Überschrift aufgenommen: „Freu dich über Gottes Gnade – aber gib sie weiter!“ Die Gnade Gottes bleibt also nicht nur bestehen, um freudig empfangen zu werden. Sie soll auch weitergegeben werden.
Einführung in den Predigttext: Römer 12,3-8
Und wir wollen jetzt aus Römer 12 diese Verse lesen.
Wir hatten letztes Mal, als ich gepredigt habe, bei Vers 2 aufgehört. Deswegen geht es jetzt bei Vers 3 weiter. Da heißt es:
„Denn ich sage durch die Gnade, die mir gegeben wurde, jedem, der unter euch ist, nicht höher von sich zu denken, als zu denken sich gebührt, sondern darauf bedacht zu sein, dass er besonnen sei, wie Gott einem jeden das Maß des Glaubens zugeteilt hat.“
Denn wie wir in einem Leib viele Glieder haben, aber die Glieder nicht alle dieselbe Tätigkeit haben, so sind wir, die vielen, ein Leib in Christus, einzeln aber Glieder voneinander.
Da wir aber verschiedene Gnadengaben haben nach der uns gegebenen Gnade, so lasst sie uns gebrauchen: Es sei Weissagung in der Entsprechung zum Glauben, es sei Dienst im Dienen, es sei der Lehrt in der Lehre, es sei der ermahnt in der Ermahnung, der mitteilt in Einfall, der vorsteht mit Fleiß, der Barmherzigkeit übt mit Freudigkeit.
Die Bedeutung von Gnade und Gnadengaben im Leben des Christen
Also, das ist der Text von heute Morgen, und wir kehren zunächst zum dritten Vers zurück. Wenn unser Text mit den Worten beginnt: „Mir ist die Gnade gegeben“, kann man ihn auf den Punkt bringen. Paulus meint hier nicht – und das ist wichtig, wenn man solche Verse betrachtet – das Geschenk der Vergebung.
Wer jetzt die Bibel hat, ist eindeutig im Vorteil gegenüber dem Bima. Wenn ihr nämlich in Vers sechs hineinschaut, dann seht ihr, dass es dort auch um Begabungen geht, die Gott mir geschenkt hat. Auch in diesem Vers werden sie Gnade genannt. Die Balance sind also die Gaben, die Gott mir gegeben hat. Deshalb kann ich sie annehmen und weitergeben, sodass andere davon profitieren.
Das ist bei dem Geschenk der Vergebung nicht so. Gott gibt mir die Vergebung, und das ist ein Ticket, das auf meinen Namen ausgestellt ist. So ist es auch bei hochklassigen Fußballspielen: Du hast ein Ticket, das auf deinen Namen ausgestellt ist. Dieses Ticket kannst du zwar jemand anderem geben, aber für diese Person ist es wertlos. Genauso wenig kann ich Gottes Vergebung in meinem Leben weitergeben.
Aber ich kann die Gaben, die Gott mir gegeben hat, einsetzen und weitergeben. Trotzdem, wenn es auch um diese Gaben geht, möchte ich ein paar Minuten nutzen, um über Gottes vergebende Gnade nachzudenken.
Paulus hat im Römerbrief häufig davon gesprochen. Letztendlich ist diese vergebende Gnade die Grundlage dafür, dass Gott mir Gaben in meinem Leben gegeben hat. Ich denke zum Beispiel an Paulus, als er den ersten Timotheusbrief schrieb. Man merkt ihm seine Begeisterung an, wenn er schreibt, dass die Gnade und die Liebe Gottes in seinem Leben überströmend waren.
Ihr kennt diesen Text: Er sagt, Jesus Christus sei in die Welt gekommen, um Sünder zu retten, und dann fügt er hinzu, von denen er der Schlimmste sei. Aber Gott hat ihn gerettet, und deswegen staunt Paulus darüber.
Dann spricht Paulus über etwas, das jeder Christ unterschreiben kann: Er sagt, er war dazu verurteilt, ewig von Gott getrennt zu sein, und jetzt darf er mit Gott leben. Man spürt diesen Mann, der vor Freude in die Luft springt und gar nicht weiß, wohin mit dieser Freude, weil er Gottes Gnade erlebt hat.
Das wünsche ich uns heute Morgen: dass wir beeindruckt sind von Gottes Gnade in unserem Leben. Dass wir nicht sagen: „Na ja, Gott hat mir seine Gnade geschenkt, nächste theologische Aussage bitte“, sondern dass uns das wirklich packt.
Die persönliche Erfahrung und Bedeutung von Gottes Gnade
Wer Jesus kennt, der weiß: Mein Führungszeugnis im Himmel ist ohne Eintrag. Stell dir das mal vor – auch wenn es unglaublich klingt.
Denn alle Einträge, die in meinem Führungszeugnis stehen, hat Jesus in sein eigenes Führungszeugnis schreiben lassen. Und er ist dafür gestorben. Deshalb darf mein Führungszeugnis ohne Eintrag sein.
Das ist eine Hoffnung, die einzigartig ist. Diese Hoffnung kann nur Jesus geben. Niemand sonst kann sie mir geben, weil er der einzige Weg zum Vater ist.
Gottes Gnade zu erleben – ich sage es noch einmal – bedeutet, eine Freikarte für den Himmel auf deinen Namen zu haben. Deshalb muss ich auch keine Angst vor dem haben, was nach dem Tod kommt. Denn ich weiß – oder besser gesagt, ich weiß hundertprozentig – wer mir dann entgegenkommt: Das ist mein Herr.
Mit offenen Armen wird er mich empfangen, weil ich mich auf sein Wort verlassen kann. Er hat es mir zugesagt. Es gibt nichts Größeres, als Gottes Gnade persönlich zu erleben.
Wenn du es noch nicht erlebt hast, wenn du heute Morgen hier sitzt und es noch nicht erfahren hast, dann wünsche ich dir, dass du aus deiner Ecke herauskommst und sagen kannst: Ja, ich brauche diese Gnade Gottes. Ich brauche Vergebung meiner Schuld.
Du darfst zu Jesus kommen und im Gebet ihm deine Sündenschuld bekennen. Dann will er dir vergeben. Es reicht nicht, nur zu wissen, dass Gott mir vergibt. Es ist wichtig, dass ich zu ihm komme, ihn darum bitte und sage: Herr, ich brauche deine Gnade. Dann werde ich auch erleben, dass er mir vergibt.
Gottes Gnade als Anleitung zum Leben
Noch ein Vers, bevor wir auf diesen Vers aus dem Römerbrief zurückkommen: Der Apostel Paulus schreibt einmal dem Titus, dass Gottes Gnade erschienen ist. Das meint er buchstäblich so.
Glaube bezieht sich auf Tatsachen. In Jesus Christus ist Gottes Gnade erschienen. Gott hat sein Versprechen ernst gemacht. Diese Gnade, sagt Paulus im Titusbrief, bringt uns Heil. Das heißt, sie macht eine kaputte Beziehung wieder heil. Die Bibel sagt: Gott ist mein Feind, aber durch die Gnade wird er zu meinem Freund.
Dann schreibt Paulus an Titus einen sehr interessanten Satz. Er sagt in Kapitel 2, Vers 12: „Die Gnade unterweist uns, die Gottlosigkeit und die weltlichen Begierden zu verleugnen und besonnen, gerecht und gottesfürchtig zu leben.“
Erst als ich diesen Vers auswendig gelernt habe, fiel mir auf, dass dieser Satz eigentlich komisch ist. Ich würde eher erwarten, dass dort steht: „Das Gesetz unterweist mich, die Gottlosigkeit in meinem Leben nicht zuzulassen.“ Aber hier steht: „Die Gnade unterweist mich.“
Das heißt, wenn ich verstanden habe, dass Gottes Gnade einzigartig ist und das Beste, was mir passieren konnte, dann werde ich doch nicht auf die Idee kommen, diese Gnade auszunutzen.
Das ist ein schwacher Vergleich: Wenn der Mann oder die Frau meines Lebens sagt: „Mit dir will ich alt werden“, dann denke ich doch nicht Sekunden danach: „Okay, das habe ich jetzt sicher. Wie weit kann ich gehen, damit ich sie oder ihn vielleicht verletze, aber es noch im tolerablen Bereich ist?“ Da wird doch die Beziehung mich unterweisen, es nicht zu tun.
Genauso ist es, dass die Gnade mich unterweist, auf den Wegen zu leben, die Gott mir zeigt. Und weil Gottes Gnade so großartig ist, freue ich mich immer wieder darüber. Deshalb will ich auch den verführerischen Rufen der Sünde in meinem Leben kein Ohr leihen.
Ich begreife: Das, was diese Welt mir anbieten kann, sind echt nur Mogelpackungen. Verglichen mit Gottes vergebender Gnade kannst du das echt alles abhaken und in die Tonne klopfen.
Aber Gott hat mir – und jetzt kehren wir zum Römerbrief zurück – seine vergebende Gnade nicht geschenkt, damit ich sie genieße, Däumchen drehe und sage: „Na ja, einmal komme ich schließlich im Himmel an.“ Gottes Gnade will mich in Bewegung setzen.
Ich bin dazu bestimmt, Jesus zu dienen und diese Balance, die er mir hier gibt, wirklich auch einzusetzen und weiterzugeben.
Der Auftrag, Gottes Gaben einzusetzen und weiterzugeben
Gott hat mir seine Gnade nicht geschenkt, damit ich sie nur genieße. Ich diene dem Herrn Jesus, indem ich Menschen diene und in einer Gemeinde mitarbeite. Dafür hat Gott mir seine Gnade gegeben.
Paulus beschreibt das sehr anschaulich in Römer 12. Wenn du zu Jesus umgekehrt bist und Christ geworden bist, dann hast du eine Gabe bekommen. Das kannst du in 1. Petrus 4 nachlesen. Die Frage ist nur: Was mache ich mit diesen Gaben?
Noch einmal: Es geht nicht darum, sich nur über Gottes Gnade zu freuen, wie es in dem Titel oben steht, sondern darum, sie aus Dankbarkeit weiterzugeben. Gott will dich in seinem großen Plan gebrauchen.
Ich finde das sehr spannend. Gott ist doch nicht auf mich angewiesen. Er könnte doch einen Lautsprecher an den Himmel hängen, das wäre doch gar kein Problem. Heute Morgen waren wir in der GBS, da ging es um die Wunder Jesu. Das wäre das Kleinste.
Er könnte direkt zu den Menschen sprechen und sagen: „Du musst zu mir umkehren, wenn du ewiges Leben haben willst, sonst bist du ewig verloren.“ Macht Gott aber nicht. Er will meine Hände gebrauchen, meine Füße und meinen Mund.
Er will mich benutzen, um die beste Nachricht weiterzusagen, die es in dieser Welt gibt: Wenn Menschen das von mir hören und Gottes Vergebungsangebot annehmen, sind sie für alle Zeiten gerettet.
Und du darfst dabei sein. Gott will dich bei seinem Plan dabei haben.
Persönliche Erfahrungen mit dem Dienst an anderen
Ich finde das sehr spannend. Für mich war das einmal eine sehr eindrucksvolle Erfahrung. In meinem früheren Leben war ich Krankenpfleger, und da gab es eine ältere Frau, die hatte keine Ahnung vom Evangelium. Wir kamen ins Gespräch über das Evangelium, und sie war bereits sterbend. Trotzdem hat sie es verstanden, sie hat es erfasst und Jesus angenommen.
Man konnte deutlich sehen, dass sie Hoffnung hatte. Sie sagte: „Hey, jetzt kann ich sterben.“ Auf ihrem Sterbebett zeigte sie sogar einen missionarischen Eifer. Sie wünschte sich, dass ihre Kinder das Evangelium auch erleben und ihr Sohn es hört. Das war wirklich beeindruckend.
Und du darfst dabei sein. Gott hätte das auch ganz alleine machen können; er ist nicht auf uns angewiesen. Aber er bezieht uns mit ein. Er gibt uns Gaben, um uns in seinen Plan zu integrieren. Damit sollten wir viel mehr rechnen.
Wenn wir jedoch mit der Einstellung durch die Gegend laufen, dass die Leute sowieso nichts von Jesus wissen wollen, ist es kein Wunder, dass Gott uns kaum gebrauchen kann. Manchmal tut er es trotzdem, und dann sind wir ganz überrascht und fragen uns: „Eigentlich hätte er sich gar nicht bekehren dürfen. Warum hat er es trotzdem getan?“
Weil Gott größer ist als du. Er spannt dich ein. Das ist also ein Privileg.
Die Vielfalt der Gaben und die Gefahr des Vergleichens
Die Gaben, die du hast, sind entweder natürliche Fähigkeiten, die du jetzt Jesus zur Verfügung stellen darfst, oder es sind Gaben, die Gott dir in dem Moment gegeben hat, als du Christ geworden bist. Du kannst also Gaben erhalten, die du vorher gar nicht hattest.
Nehmen wir als Beispiel natürliche Fähigkeiten: Vielleicht bist du musikalisch, hast immer gespielt und dachtest dabei: „Hoffentlich merken die Leute, was für ein toller Hecht ich bin.“ Dabei ging es um dich selbst. Wenn du nun Jesus nachfolgst und deine Gaben ihm zur Verfügung stellst, ändert sich die Motivation. Jetzt geht es darum, dass andere Jesus erkennen und eine Verbindung zu ihm bekommen. Meine Motivation ist also ganz anders geworden.
Es gibt aber auch Gaben, die man als Geburtstagsgeschenk Gottes betrachten kann. Darauf komme ich später noch zurück. Paulus warnt mich in diesem Vers und sagt: „Denke nicht höher von dir, weil du eine bestimmte Begabung von Gott bekommen hast.“ Das ist eine typisch menschliche Krankheit. Man vergleicht sich mit anderen, um den eigenen Wert festzustellen. Ich weiß nicht, ob du das kennst, ich kenne das gut.
Im Sommer kommt Michael Kotsch zu uns, das habt ihr vielleicht schon im Übersichtsplan gelesen. Vor einigen Monaten habe ich mit ihm zusammen eine Bibelschule für junge Leute gemacht, die Jugendferien-Bibelschule, für die ich kürzlich geworben habe.
Wenn ich mit Michael Kotsch zusammen bin, bekomme ich immer Minderwertigkeitskomplexe. Er braucht kein Konzept, muss sich kaum etwas aufschreiben. Am Ende kannst du ihn fragen: „Könntest du mir die Fußnoten sagen?“ – und er nennt sie dir einfach so. Er weiß über Dinge Bescheid, die ich nicht einmal buchstabieren kann. Er kann einen Vortrag halten, der beeindruckt. Ich habe gehört, er war einmal auf einem absoluten Fachtreffen, einem Experten-Treffen, und als ein Experte krank wurde, hat er spontan dessen Vortrag übernommen. Wow, das ist Michael.
Vielleicht kennt ihr das: Man vergleicht sich mit den Gaben anderer und bekommt dann Frust. Interessanterweise sieht man immer bei anderen, was man selbst nicht hat, und übersieht dabei, dass Gott einem selbst so vieles geschenkt hat. Das schiebt man dann zur Seite und denkt: „Ah, das hätte ich aber gerne.“
Ich muss mich persönlich immer wieder daran erinnern: Ich will Gott mit den Gaben dienen, die er mir gegeben hat. Es bringt nichts, grün vor Neid zu sein und zu denken: „Na ja, wenn ich die Gaben des anderen hätte, dann könnte ich Gott dienen.“ Immer mit den Gaben des anderen könnte ich Gott dienen, aber mit denen, die er mir geschenkt hat, die sind so normal. So zu denken ist Quatsch.
Es geht nicht darum, sich mit anderen zu vergleichen. Es geht darum zu verstehen, welchen Auftrag der Herr Jesus mir gegeben hat. Diesen Auftrag will ich leben. Das hilft mir auch immer weiter, wenn ich denke: Michael hat einen ganz anderen Auftrag als ich. Ich muss ihm nicht hinterherhetzen. So viel unterwegs wie er möchte ich gar nicht sein.
Wenn Paulus in Vers 3 warnt: „Denke nicht höher von dir, als du denken solltest“, dann ist das einerseits eine Mahnung: Bilde dir nicht ein, dass du mehr wert bist als jemand anderes, nur weil du bestimmte Gaben hast.
Andererseits steckt in dieser Aussage auch, dass es sich durchaus gebührt, zu seiner Gabe zu stehen. Du darfst sagen: „Ja, das hat Gott mir geschenkt, das kann ich, super!“ Das ist manchmal gar nicht so üblich, so etwas zu formulieren. Aber wenn ich darüber nachdenke, dass Gott mir Begabungen gegeben hat, dann müssen auch Gaben in meinem Leben da sein.
Wenn ich aber sage: „Ich kann nichts und ich bin nichts“, dann ist das eine Beleidigung Gottes. Stell dir vor, du könntest Klavier spielen. Für mich sind das utopische Vorstellungen, aber für manche von euch ist das richtig greifbar. Du hast einen super Klavierlehrer, der dir das Spielen beibringt. Du bist begabt und kannst super Klavier spielen.
Aber dann gibt es jemanden wie André Hamelin, einen der besten Pianisten heute, so habe ich gelesen. Und du sagst: „Ich kann kein Klavier spielen.“ Wenn ich mich mit ihm vergleiche, kann ich das nicht. Deswegen ist es besser, dass die Leute in der Gemeinde Acapella singen, anstatt dass ich meine Gabe nicht zur Verfügung stelle.
Das wäre eine ziemlich heftige Beleidigung für deinen Klavierlehrer, der sich jahrelang angestrengt hat und dachte: „Ich kriege das hin.“ Und der es eigentlich auch relativ gut geschafft hat. Wenn jemand die Einstellung hat, das zu sagen, ist das dumm. Aber so leben wir manchmal.
Paulus sagt hier in diesem Vers: Hör auf, dich zu vergleichen. Fang endlich an, dich zu fragen: Welche Gabe hat Gott mir geschenkt? Und welchen Auftrag habe ich von ihm bekommen?
Der Auftrag Jesu und die Entdeckung der eigenen Gaben
Ich finde, das ist ein unheimlich starkes Gebet in Johannes. Da betet Herr Jesus und sagt: „Vater, ich habe das Werk vollendet, das du mir gegeben hast.“ Also nicht das Werk, das die Menschen wollten, oder irgendein Werk, sondern das Werk, das du mir gegeben hast. Und dazu hast du mir die Gaben gegeben.
Das ist der Auftrag, und den habe ich getan. Die anderen Dinge habe ich nicht getan.
Wenn Gott zum Beispiel von mir möchte, dass ich einen Teil seiner Gemeinde leite – eine Teenie-Gruppe, eine Kindergruppe oder etwas anderes –, dann brauche ich Leitungsgaben. Ohne diese geht es nicht. Oder wenn ich Menschen seelsorgerlich begleiten soll, dann brauche ich ein seelsorgerliches Gespür, ein seelsorgerliches Verständnis und einen Blick für Menschen.
Wenn Gott mich wirklich begabt hat zu leiten, dann werden Menschen erleben, dass sie in ihrem Leben weiterkommen, wenn jemand mit dieser Gabe sie leitet. Auch eine Gemeinde bleibt so auf einem guten Weg. Wenn Gott mich seelsorgerlich begabt hat, dann werde ich immer wieder im Gespräch mit Menschen sein. Menschen werden das Gespräch mit dieser Person suchen.
Es gibt ja Gabentests, bei denen man ankreuzen kann, was man alles kann. Ich finde das nicht nur schlecht, aber ich bin immer noch der Überzeugung, dass das Beste ist, wenn ich mich einsetze und diene. Im Dienst werde ich feststellen, welche Gaben ich habe und welche nicht. Und wenn ich dann auch feststelle, dass etwas nicht meine Gabe ist, dann bin ich doch auch weitergekommen, oder? Anstatt dass Leute unter mir leiden müssen.
Gott hat mir nach Vers drei ein Maß des Glaubens zugeteilt, und dieses Maß passt zu meiner Begabung. Wer zum Beispiel Leitung ausübt, der muss davon überzeugt sein, was Gott tun kann und was Gott tun will. Wer seelsorgerlich unterwegs ist, der braucht Glaubensmut für andere.
Ich weiß von einem Mann in einem bekannten Missionswerk, der hatte immer wieder den Blick dafür, was Gottes nächster Schritt mit unserem Werk ist. Er konnte die Leute nicht leiten, er konnte sie nicht führen, aber er hatte eine Vision: das ist Gottes Schritt. Und es hat sich immer wieder bewahrheitet, dass es richtig war, genau in diese Richtung zu gehen. Das war seine Gabe, aber er brauchte die anderen, die es umsetzen konnten.
Er war der Impulsgeber nach dem Maß des Glaubens. Gott hat ihm Glauben geschenkt, auch wenn andere vielleicht gesagt haben: „Aber jetzt spinnst du. Also das glaube ich nicht, dass wir das umsetzen können.“ Doch er sagte: „Du wirst sehen, Gott wird uns dahin führen.“ Und sie haben gesehen, dass Gott sie dahin geführt hat.
Alle Christen sind herausgefordert, Gott zu vertrauen. Du kannst ja nicht sagen: „Jetzt steht hier Maß des Glaubens, das sind die Einzelnen, ich muss Gott jetzt nicht vertrauen.“
Die Bedeutung von Besonnenheit im Glaubensleben
Aber es gibt Menschen, die für ihre Gabe ein besonderes Maß des Glaubens besitzen.
Übrigens musst du jetzt auf deinem Stuhl nicht unruhig hin und her rutschen und denken: „Komm doch endlich zu Vers vier, wir haben schließlich schon fünf nach halb!“ Keine Angst, die anderen werden kürzer. Also, zurück zu unserem Thema: Besonnenheit.
Besonnenheit bedeutet, eine zurückhaltende, selbstbeherrschte Gelassenheit zu leben. Es heißt, sich nicht in den Mittelpunkt zu stellen und nicht impulsiv zu reagieren. Du kannst das gerne mal ausprobieren: Gib in dein Bibelprogramm das Wort „besonnen“ ein, und du wirst erstaunt sein, wie oft im Neuen Testament von Besonnenheit die Rede ist.
Es ist eine Eigenschaft, die ganz wesentlich ist, eine Eigenschaft, die reife Christen auszeichnet. Reife Christen haben gelernt, nicht immer sofort loszulegen und erst im Nachhinein zu überlegen. Stattdessen überlegen sie zuerst und handeln dann. Sie reagieren besonnen.
Wer besonnen ist, bleibt bewahrt vor übereilten Handlungen. Das Problem ist, dass wir uns oft nicht vom Gebet und von der Stille leiten lassen, sondern von der Hektik. Da muss etwas passieren, und dann passiert auch etwas.
Bei mir war es gestern so: Ich kam von einem Besuch nach Hause und wollte eine Abkürzung nehmen. Das ist immer so, wenn ich Abkürzungen fahre. Ich war auf einem Feldweg, dachte, ich schaffe es noch, bis die Straße plötzlich zu Ende war und ich vor einem Acker stand. Da habe ich gesagt: „Okay, jetzt muss ich umdrehen.“
So machen wir das oft in unserem Leben: „Ja, es muss ja irgendwo weitergehen“, anstatt erst einmal zu überlegen, wohin wir eigentlich fahren wollen.
Das Bild des Leibes als Grundlage für die Vielfalt der Gaben
Jetzt folgt schon die nächste Folie. Paulus verwendet hier das Bild unseres Körpers. Die Glieder haben nicht alle dieselbe Aufgabe, lesen wir. Und das stimmt.
Auch deine Glieder sind verschieden. Deine Hände sehen ganz anders aus als deine Füße, oder? Und deine Augen sind anders gebaut als deine Ohren. Das hat mit den Aufgaben der Glieder zu tun.
Ich kann natürlich auf den Händen laufen, das funktioniert. Aber es ist nicht natürlich. Und ich glaube auch, dass ich nicht so weit komme wie auf den Füßen. Aber die Füße können nicht sehen, wohin sie laufen. Dazu brauchen sie die Augen. Und die Augen brauchen die Füße, sonst würden sie ein Leben lang immer dasselbe sehen, weil sie sich eben nicht bewegen.
Das ist das Bild, das Paulus gebraucht. Gott hat uns als Christen ganz verschieden gemacht. Er hat uns unterschiedlich begabt. Und zwar – ich sage es noch einmal – nicht, damit wir immer überlegen: Bin ich denn mehr wert als der andere? Das könnt ihr im 1. Korinther 12 nachlesen, da waren sie so drauf.
Gott hat uns so verschieden gemacht, damit wir einander brauchen. Damit ich weiß, der andere ergänzt mich. Das ist Gottes Absicht. Deshalb hat er uns verschieden begabt, damit wir sagen können: Ach, das ist der Grund. Sonst hätte er uns immer das gleiche Paket geben können, wie bei der Bundeswehr, da gibt es EPA, Einheitsessen, immer dasselbe Paket. Hat er aber nicht gemacht.
Wir haben alle unterschiedliche Gaben. Paulus benutzt diesen Gedanken jetzt als Grundlage für das, was er ausführt. Denn jetzt versucht er, in die einzelnen Gaben hineinzugehen. Das ist kein vollständiger Katalog, aber er skizziert einzelne Gaben.
Die verschiedenen Gaben im Dienst der Gemeinde
Zunächst spricht Paulus hier von Weissagung, manche übersetzen auch prophetische Verkündigung, was eine sehr korrekte Übersetzung ist. Dabei sollte man sich daran erinnern, dass die Propheten im Alten Testament im Wesentlichen die Vergangenheit und nicht die Zukunft thematisierten. Theologisch sagt man, die Propheten waren Vorhersager und Hervorsager. Das sind Sätze, aus denen man nichts streichen kann.
Der Schwerpunkt liegt auf dem Hervorsagen, das heißt, sie haben Gottes Wort auf die aktuelle Situation übertragen. Deshalb sagt Paulus hier, die Weissagung muss dem Glauben entsprechen. Damit meint er nicht, dass man den Glauben für diese Weissagung haben muss, damit sie eintrifft. Vielmehr argumentiert er ähnlich wie in Judas 3: Der Glaube ist hier die Grundlage, auf die sich die Weissagung bezieht. Er könnte auch sagen, die Weissagung muss dem Wort Gottes entsprechen, sie muss der Bibel entsprechen.
Im Grunde genommen bedeutet Weissagung in diesem Zusammenhang, die Weisheit aus dem Wort Gottes zu haben und sein Wort auf die jetzige Situation anzuwenden, in der ich stehe. Das ist eine Begabung, die Gott manchen geschenkt hat: Gottes Wort verständlich weiterzusagen und genau zu schauen, was im Text steht und was nicht. Diejenigen, die bei den Vorträgen von Jakob Thiessen dabei waren, haben das bemerkt. Es ist oft gar nicht so einfach, die wirkliche Bedeutung des Wortes Gottes im Kontext zu erfassen.
Bei vielen Sätzen ist die Bedeutung klar und es besteht keine Diskussionsnotwendigkeit. Aber es gibt auch einige Sätze, bei denen man wirklich überlegen muss, was gemeint ist und was nicht. Diese Arbeit am Text ist das tägliche Brot derjenigen, die Gottes Wort auslegen. Auch in der Kinderstunde muss ich oft zweimal überlegen, wie ich das Wort so rüberbringe, dass ein Kind es versteht.
Wenn ich Gottes Wort verkünde, muss ich genau hinschauen: Was sagt der Text und was sagt er nicht? Ich habe unter Leuten, die Gottes Wort regelmäßig auslegen, nachgefragt, wie lange sie für eine Predigt brauchen. Weissagung ist zwar eine Gabe, aber das schließt nicht aus, dass man sich Zeit nehmen muss. Das denken wir oft. Musiker sind da schlauer: Sie sagen nicht, weil ich die Gabe des Klavierspielens habe, muss ich nicht üben. Man muss üben, auch wenn man die Gabe hat.
Die Leute, die sich auf eine Predigt vorbereiten, haben mir gesagt, sie brauchen etwa zehn Stunden. Vor ein paar Monaten habe ich mit Alexander Strauch gesprochen, dessen Bücher ihr am Büchertisch findet. Er ist sehr begabt im Predigen und hat viele Bücher geschrieben. Ich fragte ihn, wie lange er für eine Predigtvorbereitung braucht. Er antwortete, dass er für eine normale Predigtvorbereitung zwölf bis fünfzehn Stunden benötigt, obwohl er eindeutig die Gabe hat.
Manche überlegen sich, wie lange ich brauche. Das muss ich nicht alles verraten. Mir war wichtig zu betonen: Wenn jemand begabt ist, heißt das nicht, dass er nicht in sich investieren muss. Ich glaube, das ist ein Prinzip bei jeder Gnadengabe. Gott schenkt mir die Gabe, aber ich muss Zeit investieren, damit diese Gabe im Alltag zum Einsatz kommt. Von Gott eine Gabe bekommen zu haben, heißt nicht, dass ich die Aufgabe, die mit dieser Gabe zusammenhängt, mit links erledige.
Wir lesen auch von der Lehre, das seht ihr in Vers 7, „der lehrt“. Die Frage ist, wie man das von Weissagung abgrenzt. Das finde ich nicht so einfach. Ich glaube, jemand, der predigt und weissagt, spricht eher das Herz und das Leben an. Das ist herausfordernd. Jemand, der lehrt, versucht eher, Zusammenhänge zu zeigen. Da blicke ich plötzlich auf Gottes Heilsgeschichte. Das berührt mich vielleicht nicht sofort, aber es hilft mir, wenn ich das nächste Mal die Bibel aufschlage und Zusammenhänge erkenne.
Ihr merkt schon, es ist wichtig, sich mit der eigenen Gabe zu beschäftigen. Dann gibt es eine weitere Gabe, den Dienst. Das heißt, den Blick für andere zu haben, die Idee zu haben, wie ich den anderen ermutigen und ihm dienen kann. Einige in unserer Gemeinde haben diese Gabe. Ich finde es toll, den Blick dafür zu haben: „So kann ich den anderen ermutigen, so kann ich ihm dienen.“ Manchmal denke ich, bei manchen Geschwistern, die anderen helfen, hätte ich auch auf diese Idee kommen können, aber es dauert bei mir deutlich länger.
Übrigens kann man diese Gabe üben. Wisst ihr, wie? Man läuft einfach im Foyer an dem weißen Brett vorbei und übersetzt die Mitteilungen in Aufgaben. Wenn da steht, „Ich ziehe um“, heißt die Rückübersetzung: „Hey, da könnte jemand Hilfe brauchen.“ Wenn da steht „TFM“, ist die Rückübersetzung: „Brauchen die noch jemanden zum Kochen?“ Und wenn da steht, jemand sei krank, dann heißt das: „Hey, da könnte jemand Besuch gebrauchen.“ So kann man ganz praktisch Dienst einsetzen.
Dann gibt es eine spannende Gabe, die hier die Ermahnung genannt wird. Manche glauben, sie hätten die Gabe, andere zu ermahnen. Wenn du denkst, du hast die Gabe der Ermahnung und daraus das Recht ableitest, dem anderen mal so richtig deine Meinung zu sagen, dann habe ich die leise Vermutung, dass das nicht deine echte Gabe ist. Es gibt vieles, was angeblich im Auftrag des Herrn Jesus gesagt wird, was er aber niemals von mir wollte.
Der Heilige Geist hat ein Kennzeichen: Er macht mich nie fertig. Wenn er Sünde anspricht, dann immer, um mich konkret zur Umkehr zu bewegen und mir zu zeigen, wie ich nach Gottes Wort anders leben kann. Es ist wichtig, dass wir uns als Gemeinde auch untereinander ermahnen. Denn daran wird deutlich: Es ist mir nicht egal, wie du lebst. Es ist mir nicht egal, dass du vielleicht auf einem Weg bist, der von Jesus wegführt.
Ermahnung ist ein Zeichen lebendigen Christseins. Sie geschieht vielleicht nicht immer taktvoll. Wenn du ermahnt wirst, sieh das einfach als kostenlose Lebensberatung an. Auch wenn die Korrektur nicht so liebevoll ist oder sehr rechthaberisch rüberkommt, bleib nicht bei dem Stil stehen. Frag dich, wo du dich jetzt korrigieren lassen solltest. Aber wenn du ermahnst, dann mach es besser. Zeige immer gleich, wie Dinge auch anders werden können. Der Anspruch und der Zuspruch sollten in einer Waage sein, sodass man sagt: „Das ist der Weg, das kannst du tun.“
Paulus spricht eine weitere Gabe an, die hier mit „mitteilt“ dargestellt wird. Selbst Geld oder andere Dinge weiterzugeben, ist natürlich ein Auftrag an alle Christen. Für einige ist es aber ein besonderer Dienst. Paulus sagt in dem Zusammenhang gleich, sie sollen es in Einfalt tun, also von Herzen, nicht mit Hintergedanken, dass sie denken, „ah, da kommt ja der Lohn im Himmel etwas stärker heraus.“
Dann redet er von einer weiteren Gabe, die er vorhin schon kurz angesprochen hat: der Vorsteherschaft. Das heißt, jemand leitet eine Gemeindegruppe oder eine Gemeinde. Das sollen wir nicht nachlässig tun. Wenn ich eine Leitung habe, muss ich mich damit beschäftigen, was der Herr mit den Leuten vorhat, die mir anvertraut sind. Ich muss überlegen, wie ich ihnen helfen kann, dieses Ziel zu erreichen.
Ich darf auch darüber nachdenken, wie ich denen helfen kann, die erst einmal den entgegengesetzten Weg gehen. Das ist nervig, aber trotzdem sollte ich überlegen: Warum machen sie das? Wie komme ich hier weiter? Wenn du vom Herrn eine Leitungsgabe bekommen hast, musst du verstehen, dass Menschen sich nicht leiten lassen, indem du hinter ihnen stehst und mit einem Megafon rufst: „Bitte da vorne links!“ Du musst vorangehen. Dein Leben muss von dem reden, was du erzählst.
Dann sind die Leute auch bereit, dir nachzufolgen. Ganz vorne, so sagt Paulus in 1. Korinther 11,1, muss der Herr Jesus laufen, damit wir auf ihn ausgerichtet sind. Eine Leitungsgabe ist eine Dienstgabe, eine Gabe, die anderen hilft. Paulus sagt einmal, du bist Gehilfe der Freude der anderen, du bist nicht der Chef über ihren Glauben.
Wenn du diese Gabe hast, sprich mit anderen, die sie auch haben, und ermutigt euch gegenseitig. Es ist immer gut, nicht zu denken, man wisse alles. Ich saß letztens neben jemandem in einem Treffen, der für eine Gemeinde verantwortlich ist, die deutlich über tausend Gottesdienstbesucher hat. Ich habe ihn letzte Woche angerufen, um von ihm zu lernen. Ich wollte einfach hören, was es für ihn bedeutet, Hirte zu sein, und wie er das umsetzt, damit Menschen Jesus nachfolgen. Das ist das Ziel.
Wenn du merkst, dass du eine Gabe hast, such dir jemanden, der sie auch hat, damit du von ihm lernen kannst. Und wenn andere nach dir kommen, versuche, sie zu entdecken und mitzuziehen. Das ist Gottes Gedanke, wie wir Gaben in der Gemeinde umsetzen können.
Leitung ist nichts anderes, als Menschen mit Jesus in Kontakt zu bringen, damit sie auf ihn schauen, ihm nachfolgen und mündig werden. Sie sollen mit der Bibel in der Hand ihren Weg erkennen und andere motivieren.
Die Gabe der Barmherzigkeit mit Freude ausüben
Ja, und ihr seht, wir sind schon beim letzten Vers angekommen: Barmherzigkeit soll ich mit Freudigkeit ausüben. Das ist ein typisch evangelikales Wort. Habt ihr zum Beispiel Freudigkeit, das Zimmer aufzuräumen? Oder Freudigkeit, mir zu helfen? Ich muss euch sagen, diese Freudigkeit habe ich nicht immer.
Aber ich darf dafür beten, dass ich sie bekomme. Und wisst ihr was? Ich muss nicht warten, bis sie mein Herz erreicht. Ich darf es schon vorher tun. Ich darf mich vorher schon einsetzen, egal ob ich Freudigkeit spüre oder nicht.
Wer Barmherzigkeit lebt, der öffnet sein Herz für fremde Not. Es ist interessant, dass Jesus in seiner berühmtesten Predigt, der Bergpredigt, sagt: „Glücklich“ heißt es eigentlich „selig“. Glücklich sind die Barmherzigen, weil Gott auch barmherzig mit ihnen umgehen wird.
Dieser Satz wäre noch einmal eine eigene Predigt wert. Er meint damit: In einer Zeit, in der es nur um noch mehr Profit geht, in der Firmen alles richtig machen, aber die Erwartungen der Anleger enttäuscht wurden und deshalb die Aktie noch weiter fällt – da braucht es Barmherzigkeit.
Barmherzigkeit ist kein Werk, das mich in den Himmel bringt. Aber wenn ich Gottes Vergebung erlebt habe, dann kann das eine Gabe sein, die Gott mir geschenkt hat. Eine Gabe, die mich nicht an der Not des Anderen vorbeigehen lässt, die mich sehen lässt und dazu befähigt, dieser Not zu begegnen.
In der Regel gibt es diese Gabe der Barmherzigkeit zusammen mit anderen Gaben, wie zum Beispiel Seelsorge, Geben oder anderen Dingen.
Weitere Bibelstellen zu Gaben und die Einladung zum Dienst
Es gibt auch andere Bibelstellen, die von den Gaben sprechen. Ich möchte euch empfehlen, diese Stellen einfach einmal durchzulesen. Man kann sie sich ganz einfach merken.
Wir sind hier bei Römer 12. Dann gibt es den 1. Korinther 12, das ist die zweite Stelle. Außerdem haben wir einen weiteren Abschnitt, der ebenfalls von Gaben spricht: 1. Petrus 4 und Epheser 4. Damit habt ihr schon einen guten Überblick über die Gaben, die in der Bibel genannt werden.
Fragt einfach mal: Herr, wo kann ich dir mit diesen Gaben dienen? Wenn du Gemeindeglied bist, darfst du auch gerne auf die Ältesten zugehen, um vielleicht gemeinsam Zeit zu finden, um darüber zu sprechen. Das ist ein ganz wichtiges Thema: Welche Gabe hat Gott mir gegeben? Welche Aufgabe soll ich übernehmen? Was tue ich bereits?
Das sind Fragen, die unser Text, wenn auch nur indirekt, stellt.
Heute Morgen ging es um das Thema „Freu dich über Gottes Gnade“. Das ist wunderbar – all diese Gaben sind wie Ballons, die du nicht horten, sondern weitergeben sollst. Gott hat sie dir gegeben, damit du sie einsetzt und anderen dienst. Ganz gleich, ob es die Gabe der Verkündigung ist, die Gabe der Barmherzigkeit, eine seelsorgerliche Begabung oder etwas anderes.
Ganz wichtig ist: Vergleiche dich nicht mit anderen, sondern frage nach deinem Auftrag, den Gott dir gegeben hat. Achte immer darauf, dass du es nicht für dich selbst tust, um im Mittelpunkt zu stehen, sondern zuerst für den Herrn Jesus. Gib die Gaben an andere weiter, damit sie sich an ihnen freuen können.
Vergiss nie: Ich diene dem Herrn Jesus nicht, damit er sich bei mir bedankt oder weil er auf mich angewiesen ist. Es ist ein Privileg, dabei sein zu dürfen, wenn Gott seinen Plan umsetzt.
Einladung zum Glauben und Abschlussgebet
Und ich sage zum Schluss noch einmal: Wenn du Jesus noch nicht gehörst, kannst du auch nach einem normalen Gottesdienst wie diesem auf die Leute zugehen, die hier vorne gestanden haben. Du kannst sagen: „Ich brauche einmal grundsätzlich Gottes Gnade. Ich will zu ihm kommen, weil er so viel für mich getan hat.“
Dann kannst du einen Weg mit Jesus beginnen. Es bringt nichts, sich viele Gedanken über Gaben zu machen oder in der Gemeinde zu dienen, wenn dieses Fundament nicht da ist.
Deshalb, um das einfach abzurunden: Wir haben am Anfang gesungen „Gott baut sein Haus Stein auf Stein“. Darum ging es in dieser Predigt. Zum Schluss wollen wir noch einmal ein Lied singen, das Gottes große Gnade, die die Grundlage ist, so in den Mittelpunkt stellt.
Dieses Lied kennt ihr, es heißt „Unverdient“, denn das ist Gottes Gnade. Amen.
Ich bete vorher noch zum Schluss: Herr Jesus, wir wollen dir danken, dass wir unverdient zu dir gehören dürfen, weil wir gekommen sind, weil wir unsere Hände ausgestreckt haben und weil du uns deine Gnade geschenkt hast.
Ich wünsche mir, dass das, was wir singen, ein Bekenntnis von Herzen sein darf. Und für denjenigen, für den es kein Bekenntnis ist, möchte ich dich bitten: Gib du die Sehnsucht, ein Leben mit dir zu beginnen.
Danke, wie du dir Gemeinde gedacht hast. Danke, dass wir einander ergänzen dürfen und dass wir einander helfen dürfen auf dem Weg in dein Reich. Amen.
