Eine Beziehung hat meiner Meinung nach immer zwei Seiten. In einer guten Beziehung besteht eine Verbindung zwischen Gefühlen und Verstand.
Zu einer guten Beziehung gehört Leidenschaft genauso wie Disziplin. Ebenso gehören Verrücktheit und Ernsthaftigkeit dazu, genauso wie Zärtlichkeit und Nachdenken.
Dazu gehört das Wissen, dass ich mit meinen Fehlern angenommen bin. Gleichzeitig gehört jedoch auch dazu, dass ich mir selbst auferlege, an diesen Fehlern zu arbeiten.
Zu einer guten Beziehung gehört auf der einen Seite ein uneingeschränktes Ja zu meiner Frau. Das bedeutet, dass meine Frau in gewissem Sinn mein Leben dominiert. Auf der anderen Seite, obwohl sie mein Leben dadurch auch einengt und ausrichtet, gibt es die zweite Seite. Dort merke ich, dass ich in derselben Beziehung den Ort habe, an dem ich angenommen werde und mich entfalten kann. Dort erlebe ich Freiheit.
Zwei Seiten einer Beziehung, die in einer guten Beziehung zusammenlaufen.
Die doppelte Seite des Glaubenslebens
Hier sagt man, dass Christsein eine Beziehung zu Gott ist. Ich denke, das stimmt.
Von daher hat Christsein auch zwei Seiten. Auf der einen Seite steht die Seite, auf der man gefordert ist. Es geht um Einsatz, Disziplin, Hingabe und auch um Leistung. Auf der anderen Seite gibt es die Seite, die Gott tut. Dort begegnet mir seine Liebe, ich finde Gnade, Vertrauen, Vergebung, Hilfe und werde getragen.
Diese beiden Seiten sind zwei Seiten ein und derselben Medaille, nämlich meiner Beziehung zu Gott. Nachfolge ist die eine Seite, und ich nenne die zweite Seite einfach mal Gnade: Nachfolge und Gnade.
Ich werde heute nur über eine Seite sprechen, nämlich nur über die Nachfolge. In zwei Wochen wird Stefan dann die zweite Seite darstellen. Das heißt, diese Predigt wird absolut einseitig sein, die andere auch. Ihr müsstet sie eigentlich immer zusammennehmen, damit ihr beide Seiten zusammen habt. Erst dann ergibt sich das ganze Bild.
Ich möchte euch zu dem ganzen Thema ein Buch zeigen, das heißt „Wahre Jüngerschaft“ von William MacDonald. Es ist ein Buch, das beschreibt, was ich heute predigen möchte. Ein Buch, das ebenfalls einseitig ist, herausfordernd und komplett ohne Weichzeichner geschrieben wurde. Es stellt in aller Kürze dar, was es eigentlich heißt, Jesus nachzufolgen, was es heißt, ein Jünger zu sein – einseitig, wie gesagt.
Herausforderung und Ernsthaftigkeit im Glauben
Bevor wir uns dem Thema von der Bibel her nähern, möchte ich einen Artikel vorlesen. Dieser Artikel wurde von einem Atheisten geschrieben. Der Mann hält Folgendes über uns Christen fest:
Er sagt: „Wenn ich fest daran glaubte – was ich nicht tue –, also wenn ich fest daran glaubte, wie es Millionen vorgeben, dass das Wissen um und das praktische Ausleben der Religion in diesem Leben das Schicksal im anderen Leben beeinflusst, dann würde mir die Religion alles bedeuten.
Ich würde irdische Vergnügungen als Unrat abtun, irdische Sorgen als Torheiten und irdische Gedanken und Gefühle als Eitelkeiten. Die Religion würde mein erster Gedanke beim Erwachen sein und mein letztes Bild vor Augen, ehe mich der Schlaf ins Unbewusste sinken lässt.
Ich würde ausschließlich zu ihrem Zweck leben. Ich würde allein für die Ewigkeit Gedanken fassen. Ich würde eine für den Himmel gewonnene Seele, ein ganzes Leben voller Leiden, für wert erachten.
Irdische Folgen würden niemals mein Tun aufhalten noch meine Lippen verschließen. Die Welt mit ihren Freuden und Leiden würde keinen Augenblick meine Gedanken in Beschlag nehmen.
Ich würde danach streben, nur auf die Ewigkeit und auf die unsterblichen Seelen um mich herum zu schauen, die so kurz davor stehen, entweder für ewig glücklich oder aber ewig elend zu sein.
Ich würde in die Welt hinausgehen und predigen, zur Zeit und zur Unzeit. Mein Text würde sein: Was nützte es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewönne und verlöre seine Seele?
Da schreibt ein Atheist. Und das Problem an dem Text ist: Er hat Recht.“
Zwei Aspekte der Nachfolge
Zwei Punkte zur Nachfolge: Nachfolge ist die erste Seite der Medaille.
Der erste Punkt lautet: Echte Nachfolge kostet dich dein selbstbestimmtes Leben. Das ist mein erster Punkt.
Der zweite Punkt heißt: Echte Nachfolge ist eine Entscheidung für Verbindlichkeit und Disziplin.
Zusammengefasst: Echte Nachfolge kostet dich dein selbstbestimmtes Leben.
Echte Nachfolge kostet dich dein selbstbestimmtes Leben
Hernando Cortes, vielleicht vielen aus dem Geschichtsunterricht bekannt, wollte in seinem Leben etwas Besonderes leisten – und er hat es geschafft. Er wurde für die spanische Krone zum Eroberer von Mexiko.
Man kann über solche Persönlichkeiten immer geteilter Meinung sein, ich selbst auch. Aber eines kann man ihnen nicht vorwerfen: dass sie etwas halbherzig angegangen wären. So war es auch bei ihm.
Er geht zum spanischen Gouverneur, erklärt ihm seinen Plan, der begeistert zustimmt. Er erhält elf Schiffe und siebenhundert Mann Besatzung. Im Jahr 1519 landet er an der mexikanischen Küste. Dann schickt er ein Boot zurück nach Spanien, um dem König mitzuteilen, dass er angekommen ist und das Land jetzt besetzt. Anschließend lässt er die anderen Schiffe entladen und verbrennt sie.
Für ihn und seine gesamte Mannschaft gibt es nun nur noch den Weg nach vorne – ein Zurück gibt es nicht mehr. Dieses Bild vom Verbrennen der Boote ist ein gutes Symbol für die Bekehrung.
Wenn jemand sagt, er möchte mit Gott leben, dann bedeutet das, dass er es ernst meint. Es heißt, dass er keine Hintertürchen mehr offenlässt, die alten Sicherheiten aufgibt und sich wirklich auf etwas Neues einlässt. „Ich will diesmal mit Gott und für Gott leben.“ Das ist Bekehrung.
Mit diesem Schritt beginnt etwas ganz Neues: ein Leben in der Nachfolge.
Biblische Grundlage der Nachfolge
Wir wollen uns jetzt in der Bibel einen Text anschauen, hauptsächlich, dazu noch zwei, drei weitere Stellen ringsherum. Der zentrale Text findet sich im Lukas-Evangelium, Kapitel 14.
Dieser Text behandelt das Thema Nachfolge und bringt auf den Punkt, was es eigentlich bedeutet, ein Jünger zu sein. Die entsprechende Stelle steht in Lukas 14, Verse 25 bis 27. Dort lautet die Überschrift, die in vielen Bibeln eingedruckt ist, „Kosten der Nachfolge“.
In Lukas 14,25-27 heißt es: Als Jesus weiterzog, begleiteten ihn viele Menschen. Er drehte sich zu ihnen um und sagte: „Wenn jemand zu mir kommen will, muss ich ihm wichtiger sein als sein eigener Vater, seine Mutter, seine Frau, seine Kinder, seine Geschwister und selbst sein eigenes Leben. Sonst kann er nicht mein Jünger sein. Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, kann nicht mein Jünger sein.“
Die Forderung der Priorität Jesu
Nachfolge bedeutet hier zwei wesentliche Punkte:
Um ein Jünger Jesu zu sein, muss Jesus in meinem Leben das Allerwichtigste werden. Er muss mir sogar wichtiger sein als ich selbst. Wenn der Herr Jesus davon spricht, dass er Herr sein will, dann meint er genau das. Er möchte mit seiner Person und mit seinen Zielen tatsächlich mein Leben beherrschen.
Er möchte bestimmen. Er möchte wichtiger sein als meine Familie, wichtiger als die lieben Kinder oder der Ehepartner. Er möchte komplett in meinem Leben vorgeben, wo es langgeht. Er möchte sich in meine Lebensplanung und in meine Lebensgestaltung einmischen.
Außerdem möchte er, dass ich lerne umzudenken und die Frage einfach umzudrehen. Nicht mehr: „Was gefällt mir?“, sondern dass im Zentrum meines Lebens die Frage steht: „Wie gefalle ich ihm?“ Das möchte er einfach umdrehen.
Ich kann kein Jünger Jesu sein – und das Wort Jünger bedeutet vielleicht so viel wie Schüler, wir würden vielleicht auch Azubi sagen – wenn ich nicht bereit bin, ihn an die erste Stelle in meinem Leben zu setzen. Ganz praktisch: vor meinem Traummann, vor meinem Traumberuf, vor meinem Traumurlaub, vor meinem Traum-XY, was auch immer man da einsetzen möchte.
Er möchte ganz an die erste Stelle.
Die Last des Kreuzes in der Nachfolge
Und der zweite Punkt, das ist das Erste: Jesus möchte die wichtigste Person in meinem Leben sein.
Die zweite Sache lese ich noch einmal vor: Wenn jemand zu mir kommen will, muss ich ihm wichtiger sein als sein eigener Vater, seine Mutter, seine Frau, seine Kinder, seine Geschwister und selbst sein eigenes Leben. Sonst kann er nicht mein Jünger sein. Wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachfolgt, kann nicht mein Jünger sein.
Der zweite Punkt, das mit dem Kreuz, betont, dass Nachfolge nicht leicht ist. Nachfolge hat mit einem Kreuz zu tun, also irgendwie mit Schwierigkeiten. Diesen Punkt möchte ich ein klein wenig ausführlicher erklären, damit wir ihn so weit verstehen, dass wir bereit sind, entsprechend zu leben.
Leiden als Gnade und Berufung
Deswegen müssen wir an eine andere Stelle gehen, die mir immer ein bisschen Probleme bereitet hat, bis ich verstanden habe, worum es eigentlich geht. Es gibt nämlich manche Bibelstellen, bei denen man sich am Hinterkopf kratzt und denkt: „Oh je, was steht denn da alles?“ So eine Stelle ist das hier.
Doch wenn man anfängt, darüber nachzudenken, kommt man irgendwann zu dem Schluss: „Brillant, wirklich brillant!“ Diese Stelle finden wir im ersten Petrusbrief, hier auf Seite 430 in den Grünen. Es ist der erste Petrusbrief, Kapitel 2. Lasst euch nicht davon abschrecken, dass hier gläubige Sklaven angesprochen werden. Das Prinzip ist nämlich genau dasselbe, egal ob wir Sklaven oder frei sind – das spielt keine Rolle.
1. Petrus 2,18: „Ihr Sklaven in den Häusern, gehorcht euren Dienstherren mit aller Ehrbietung, und zwar nicht nur den Guten und Gerechten, sondern auch den Launischen.“ Dabei sollten wir im Hinterkopf behalten, was im Lukasevangelium zum Kreuztragen stand. Warum müssen wir ein Kreuz tragen? Was hat das Leid zu bedeuten?
1. Petrus 2,18-21: „Es ist nämlich eine Freundlichkeit Gottes, wenn jemand Kränkungen erträgt und unschuldig leidet, weil er in seinem Gewissen an Gott gebunden ist. Denn was wäre das für ein Ruhm, wenn ihr wegen einer Verfehlung Misshandlungen ertragt? Wenn ihr aber Gutes tut und dafür leiden müsst, dann ist das eine Gnade von Gott, denn genau dazu seid ihr berufen worden.“
Vielleicht versteht ihr, was ich meine, wenn ich das so lese und sage: Wenn ich berufen bin, warum ist es dann bitteschön eine Gnade? Das klingt ja schon nach etwas Positivem. Aber warum ist es eine Gnade, wenn ich quasi bestraft werde für etwas, das ich gut gemeint habe? Das Ganze wirkt irgendwie widersprüchlich.
Warum ist es so, dass Leid nicht eine schlimme Sache ist, sondern sogar etwas zutiefst Gutes? Wie kann ich diese beiden Dinge zusammenbringen? Die Antwort folgt im Text noch weiter. Wahrscheinlich will uns der Text im ersten Moment gar nicht schmecken.
Wir lesen einfach weiter: „Wenn ihr aber Gutes tut und dafür leiden müsst, dann ist das eine Gnade von Gott, denn genau dazu seid ihr berufen worden. Auch Christus hat für euch gelitten und euch ein Beispiel gegeben, damit ihr seinen Fußstapfen folgt.“
Jesus als Vorbild im Leiden
Wenn wir um des guten Willens leiden, dann sind wir im eigentlichen Sinn Nachfolger Jesu. Stellen wir uns kurz die Frage: Wie hat Jesus eigentlich gelebt?
Wir lesen weiter in Vers 22: Er hat keine Sünde begangen, und kein unwahres Wort ist je über seine Lippen gekommen. Er wurde beleidigt und schimpfte nicht zurück. Er litt und drohte nicht mit Vergeltung, sondern überließ seine Sache dem, der gerecht richtet. In seinem eigenen Körper hat er unsere Sünden auf das Holz hinaufgetragen, damit wir, die für die Sünden gestorben sind, nun so leben, wie es vor Gott recht ist. Durch seine Striemen seid ihr heil geworden.
Jesus hat sein Leben eingesetzt, um Menschen zu retten. Und genau in dieser großen Sache wird er uns zum Vorbild. Ich habe lange darüber nachgedacht, warum es eine Gnade Gottes ist, wenn man für Gutes leiden muss. Ich denke, die Antwort lautet ungefähr so:
Jesus hat ein Leben geführt, das ihm idealerweise zeigt, was es aus Gottes Augen bedeutet, ein Mensch zu sein. Menschsein ist mehr als nur irgendwie zu atmen und zu vegetieren. Jesus hat Menschsein aus der Sicht Gottes vorgelebt. Er hat uns gezeigt, welche Prioritäten wir haben sollen, wie ein Mensch mit Leid, Ablehnung, Enttäuschung und dem ganzen Wust des Lebens umgehen soll. Jesus hat uns das ein für alle Mal vorgemacht.
In der ganzen Menschheitsgeschichte gibt es genau eine Person, die als Maßstab und Norm für vollendetes Menschsein herangezogen werden kann – und das ist Jesus. Wenn ich in Jesu Leben hineinschaue, wofür schlägt sein Herz? Ich stelle fest: Für Menschen, immer wieder für Menschen.
Wenn er weint, warum weint er? Weinen ist ein Ausdruck tiefer Betroffenheit. Worin ist er betroffen? In Menschen. Menschen, die in ihrer Verborgenheit die Lüge mehr lieben als die Wahrheit und sich gar nicht retten lassen wollen, die einfach an diesem Angebot vorbeiziehen.
Warum lässt Jesus uns hier noch auf der Erde? Weil er möchte, dass wir Menschen retten. Er hat uns eine Aufgabe gegeben, und diese Aufgabe heißt eigentlich, wir sollen sein Leben nachleben. Wir sind hier, um zu den Menschen zu gehen und ihnen zu sagen: Hört her, es gibt einen Neuanfang. Das, was du erlebst, muss nicht alles sein. Da ist einer auf Golgatha für dich persönlich gestorben.
Diese Aufgabe, hinzugehen und jemandem zu sagen, dass es Rettung gibt, ist in meinen Augen nicht nur das Zentrum allen Christseins, sondern eigentlich der Inbegriff von Menschsein schlechthin. Du möchtest wissen, was ein Mensch ist? Du möchtest wissen, wie ein hochwertiges, qualitativ wertvolles Leben aussieht, das Gott als Leben und Menschsein in Vollendung ansieht? Dann kannst du dir Jesus anschauen und überlegen, ob du dieses Vorbild nachahmen möchtest.
Du darfst jemand sein, der zu den Menschen geht und ihnen etwas bringt, was sie mehr brauchen als die Luft zum Atmen: den Frieden Gottes. Das ist ein Vorrecht. Und dieses Vorrecht, oder wie der Text es ausdrückt, diese Gnade, muss erkauft werden. Sie gibt es nicht umsonst. Und der Preis ist derselbe wie bei Jesus.
Der Preis der Nachfolge
Da kommt der Retter der Welt – ein Retter, den die Welt wirklich dringend braucht. Er kommt in diese Welt hinein, doch was macht die Welt mit ihm? Sie kreuzigt ihn.
Jesus bringt Frieden, und was erntet er? Spott, Hass und Ablehnung. Am Ende legt man ihm ein Kreuz auf und treibt ihn durch die Straßen Jerusalems. Das Volk steht links und rechts, grölt, lacht, spuckt und spottet. Alle sollen sehen, was von diesem Jesus zu halten ist.
Aber Vorsicht! Siebenhundert Jahre vor Jesus sagt der Prophet Jesaja: Er wird ein Mann der Schmerzen sein, dieser Wanderprediger aus Galiläa. Ein Mann der Schmerzen, mit Leiden vertraut. Jesaja sagt auch, dass wir ihm nicht geachtet haben.
Doch dann passiert das Unglaubliche: Er stirbt – er stirbt für die Sünde der Welt. Wie sagt Petrus das? „Durch seine Striemen seid ihr heil geworden.“
Nachfolge im Alltag
Und jetzt kommen wir zu unserer Geschichte. Wir stehen da und merken vielleicht, dass unsere Aufgabe darin besteht, dieses Leben in unserem Umfeld nachzuleben – wahrscheinlich ohne ein Kreuz im wörtlichen Sinne auf unseren Schultern. Trotzdem müssen wir den gleichen Preis bezahlen, wenn wir bereit sind, Menschen zu retten.
Wenn du Menschen nahekommst – ich meine ganz normale Sünder mit ihrer Sündhaftigkeit –, dann wirst du persönliches Leid erfahren. Ein Leid, das du nur deshalb erfährst, weil du Jesus nachfolgst. Ein Leid, das irgendwie damit zusammenhängt, dass du den Plan Gottes für die Menschheit – und zwar für die Menschheit ganz persönlich – in deinem Leben erfüllst. Und das ist Gnade.
Deshalb sagt Petrus, es ist eine Gnade, wenn du ein Leben führen darfst, das darauf ausgerichtet ist, die Ewigkeit zu verändern. Ich glaube, dass wir viel zu oft in der Gegenwart leben, um noch zu begreifen, was das bedeutet: ein Leben heute zu führen, dessen Errungenschaften und größte Erfolge nicht in dem Moment erledigt sind, wenn ich tot bin.
Ein Leben zu führen, das die Ewigkeit verändert, das Dinge wagt und tut, die an Wichtigkeit und Bedeutung nie übertroffen werden können – das ist irgendwie das Größte. Und das ist Menschsein im eigentlichen Sinn.
Zu diesem Menschsein springen wir jetzt wieder zurück in Lukas 14. Zu diesem Menschsein sind wir berufen. Und um dieses Menschsein, dieses qualitativ hochwertige Leben unter Gott führen zu können, müssen wir Jesus nachfolgen.
Ich lese noch einmal Lukas 14, Seite 147, Vers 26 und 27 vor:
„Wenn jemand zu mir kommen will, muss ich ihm wichtiger sein als sein eigener Vater, seine Mutter, seine Frau, seine Kinder, seine Geschwister und selbst sein eigenes Leben, sonst kann er nicht mein Jünger sein. Und wer nicht sein Kreuz trägt und mir nachkommt, kann nicht mein Jünger sein.“
Jesus hat ein Kreuz getragen, das konnten alle sehen. Er ist auf der sozialen Leiter ganz nach unten gestiegen, hat sich als einen Verbrecher hinrichten lassen. Und er verlangt von seinen Jüngern genau diesen Einsatz.
Wir können nicht – und das ist das Radikale an dieser Aussage – Jesus nachfolgen, wenn wir nicht bereit sind, Leid und das Kreuz in Kauf zu nehmen. Es geht nicht.
Du kannst nicht den Willen Gottes erfüllen und ein Menschenretter werden, wenn du sagst: „Ich möchte das tun, aber ohne dass es mir wehtut.“ Es geht nicht. Du kannst nicht das Gute in diese Welt hineintragen, ohne dass diese Welt in ihrer Schlechtigkeit versucht, dich kaputtzumachen. Es geht nicht.
Wenn ich das, was Jesus hier sagt, als eine Haltung verstehe, dann bedeutet diese Haltung: Ich bin vorbehaltlos bereit, ihm zu folgen – durch Dick und Dünn, durch Freud und Leid, in guten und in schlechten Zeiten, bis der Tod uns vereint.
Das ist die Frage, die Jesus uns stellt. Manchmal denke ich, in Deutschland hat sich die Haltung durchgesetzt, man könnte Christ sein und auch christlich leben, ohne dass sich das Leben wesentlich verändert. Das stimmt nicht. Es geht einfach nicht.
Echtes Christsein ist im innersten Kern Nachfolge. Der Rest ist Christlichkeit, christliche Kultur oder Religiosität.
Selbstverleugnung als Kern der Nachfolge
Lasst mich dazu noch eine Stelle vorlesen aus Lukas Kapitel 9, ein paar Seiten davor: Lukas 9,23, Seite 133.
Lukas 9,23: Und zu allen sagte er: „Wenn jemand mir folgen will“ – wieder dieser Begriff der Nachfolge – „dann muss er sich selbst verleugnen. Er muss täglich sein Kreuz aufnehmen und hinter mir hergehen. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren. Wer aber sein Leben wegen mir verliert, der wird es retten.“
Christsein hat tatsächlich mit Verleugnung zu tun. Es hat mit dem Kreuz zu tun, mit Leiden. Wenn jemand Jesus folgt, dann teilt er seine Ziele. Und dann teilt er auch sein Schicksal. Aber er wird dadurch auch sein Leben retten.
Wenn jemand sagt: „Nein, ich möchte das nicht. Ich möchte eigentlich diesen Preis, den Jesus hier für Jüngerschaft beschreibt – nämlich sich selbst verleugnen, das Kreuz aufnehmen – den möchte ich nicht bezahlen, der ist mir zu hoch“, dann zeigt so jemand am Ende, dass er in seinem Leben die Nummer eins bleiben möchte. Dass er sich nicht wirklich Gott untergeordnet hat.
In diesem Fall gilt, was hier steht: Er wird am Ende sein Leben nicht gewinnen, obwohl er vielleicht für eine Weile besser dasteht und weniger Probleme hat. Sondern er wird am Ende sein Leben verlieren.
Das ist mein erster Punkt. Mein erster Punkt heißt: Echte Nachfolge kostet dich dein selbstbestimmtes Leben, weil sie Jesus an die erste Stelle, an den ersten Platz in deinem Leben setzt. Und dann übernimmst du sein Lebensprinzip des Leidens und Rettens.
Das ist der erste Punkt.
Beispiel für die Herausforderung der Nachfolge
Und vielleicht kennt ihr die Geschichte von dem kleinen Jungen, der am Sonntagmorgen von seinem Papa zwei Eurostücke bekommt. Dann sagt der Vater: „Hör mal zu, das eine Eurostück nimmst du und steckst in die Opferkiste. Das zweite Eurostück kannst du nach dem Gottesdienst für ein leckeres Eis ausgeben.“
Der Vater geht zum Gottesdienst, und während der ganzen Zeit spielt natürlich der Junge mit den zwei glitzernden Münzen. Wir kennen die Geschichte ja schon und wissen, was passiert: Die Münzen fallen runter. Eine kullert ganz unglücklich in den Gulli, und da ist nichts mehr zu machen.
Der Sohn versucht erst, die Münze herauszufischen. Doch als er merkt, dass er nicht dran kommt und die Münze wirklich weg ist, fängt er an zu weinen. Er rennt zu seinem Vater und sagt: „Papa, Papa, ich habe gerade den Euro verloren, den du mir für Gott gegeben hast.“
Das ist genau die hässliche Tendenz, die wir in unserem Leben oft finden: Das Beste unseres Lebens behalten wir erst einmal für uns. Wenn dann noch etwas übrigbleibt, geben wir den „Schrott“ für Gott her. Aber das ist eine hässliche Tendenz.
Jesus kehrt dieses Denken radikal um. Er sagt: „Ich möchte das Beste deines Lebens als Opfer. Ich möchte dich als Person ganz. Ich möchte, dass du mir folgst und mir vertraust, damit eine Welt gerettet wird.“ Das ist Jesu Anspruch.
Punkt zwei: Echte Nachfolge ist eine Entscheidung für Verbindlichkeit und Disziplin.
Echte Nachfolge ist eine Entscheidung für Verbindlichkeit und Disziplin
Man könnte sich wirklich die Frage stellen, warum Jesus die Messlatte so hoch hängt. Wäre es nicht klüger, den Menschen mehr vom Himmel zu erzählen, wie es dort sein wird? So von all den christlichen Nettigkeiten und die unangenehmen Themen wie Nachfolge und Leid ins Kleingedruckte zu verbannen – also später darüber zu reden, wenn man schon unterschrieben hat.
Manchmal habe ich den Eindruck, dass das Christentum so verkauft wird. Ich möchte es nicht so tun. Jesus hat sein Angebot nicht als eine Mogelpackung formuliert.
Schauen wir noch einmal bei Lukas 14 nach, Seite 148, wo wir schon waren. Lukas Kapitel 14, wir lesen einfach weiter ab Vers 28:
„Wenn jemand von euch ein hohes Haus bauen will, muss er sich doch vorher hinsetzen und die Kosten überschlagen, um zu sehen, ob sein Geld dafür reicht.“
Das klingt logisch. Sonst hat er vielleicht das Fundament gelegt, kann aber nicht weiterbauen. Und alle, die das sehen, fangen an zu spotten. Sie sagen: „Das ist der, der ein Haus bauen wollte und es nicht weitergebracht hat.“
Oder stellt euch einen König vor, der gegen einen anderen König Krieg führen muss. Wird er sich nicht vorher hinsetzen und überlegen, ob er mit zehntausend Mann stark genug ist, sich seinem Gegner zu stellen, der mit zwanzigtausend Mann anrückt? Wenn nicht, wird er, solange der andere noch weit weg ist, eine Gesandtschaft schicken und Friedensbedingungen aushandeln.
Logisch: Bevor ich ein Haus baue, denke ich darüber nach, ob ich es mir leisten kann. Und wenn ich denke, in einer kriegerischen Auseinandersetzung habe ich keine Chance zu gewinnen, dann lasse ich uns doch gleich über Friedensverhandlungen nachdenken.
Ich denke vorher nach, was ich tun will, bevor ich es tue. So funktioniert Leben immer, zumindest im Normalfall. Ich überlege, schaffe ich das? Wenn ich denke: „Jo, das klappt“, dann fange ich an.
Jesus sagt: Genau so, wie ich es mir nicht leisten kann, einfach mal mit dem Hausbau anzufangen, ohne zu wissen, ob das Geld reicht, genauso kannst du es dir auch nicht leisten, die Bedingungen der Nachfolge zu ignorieren.
Wenn Boris jetzt sagt: „Ich probiere es mal“, und er hat nur 150 Euro auf dem Konto, und wir fangen einfach mal an – das ist Quatsch. So macht man das nicht.
Und jetzt kommt Jesus und sagt: Die gleiche Haltung möchte ich im Blick auf Nachfolge. So wie du es dir bei einem Hausbau oder einem Krieg nicht leisten kannst, nicht über die Konsequenzen nachzudenken, genauso kannst du es dir auch nicht leisten, dir über die Bedingungen der Nachfolge keine Gedanken zu machen.
Wenn du Jesus nachfolgen willst, dann mach dir vorher über die Konditionen bitte genug Gedanken.
Jesus sagt dasselbe im nächsten Vers, in Vers 33, Lukas 14,33:
„Darum kann auch keiner von euch mein Jünger sein, der nicht bereit ist, auf alles zu verzichten, was er hat.“
Meine Predigt heute ist einseitig, bitte, ja? Aber das steht da.
Du möchtest Jünger Jesu sein? Und es gibt in deinem Leben irgendetwas, an dem dein Herz hängt – wo du mehr an dieser Sache hängst als an Jesus? Dann sagt Jesus hier: Du bist für Jüngerschaft, für Nachfolge nicht tauglich.
Ich weiß, das klingt radikal. Es ist radikal, was Jesus hier von uns verlangt.
Jesus gibt sich nicht damit zufrieden, in unserem Leben ein Untermieter zu sein oder so eine Art geistlicher Lebensabschnittsgefährte. So ein bisschen ist er drin und doch ein bisschen nicht.
Wenn wir den lebendigen Gott als echten Beziehungspartner in unser Leben einladen, wenn das unser Leben ist, dann müssen wir damit rechnen, dass er die Spielregeln diktiert. Dann müssen wir uns entscheiden.
Ich denke, die meisten von euch kennen Luciano Pavarotti, einen der bekanntesten Tenöre der Welt. Der Mann hatte einen Bäcker zum Vater und hat von ihm die Liebe zur Musik gelernt. Sein Vater hat ihn gefördert, sich bei seiner Stimmausbildung wirklich reinzuknien.
Parallel zu seiner musikalischen Ausbildung hat er ein Lehramtsstudium absolviert. Und irgendwann, nachdem er das Studium abgeschlossen hatte, stand er an dem Punkt, wo er sich überlegen musste: Was mache ich jetzt?
Dann ist er zu seinem Vater gegangen und hat ihn gefragt: „Papa, was soll ich jetzt machen? Soll ich Lehrer werden oder Sänger?“
Sein Vater antwortete: „Luciano, wenn du versuchst, auf zwei Stühlen gleichzeitig zu sitzen, wirst du irgendwann in der Mitte zwischen ihnen durchplumpsen. Im Leben musst du einen Stuhl wählen.“
Und genau das ist der Punkt, den Jesus hier bringt. Das ist die Botschaft. Er will, dass wir uns auf seinen Stuhl setzen.
Für Pavarotti bedeutete das, dass er weitere sieben Jahre, zum Teil unter frustrierenden Bedingungen, studierte, bevor er sein erstes größeres Engagement, also seinen ersten großen Auftritt hatte. Bevor er in der Öffentlichkeit auftauchte, hat er also sieben weitere Jahre investiert.
Es hat noch einmal sieben Jahre gedauert, bis er sein Engagement an der Metropolitan Opera bekam, also bis er ganz oben war. Er hat insgesamt vierzehn Jahre richtig investieren müssen.
Aber von ihm stammt auch dieser Satz, den ich mal vorlesen möchte: Er sagt, also Pavarotti,
„Ich denke, egal was ich tue – ob ich eine Wand mauere oder ein Buch schreibe – egal, was wir uns vornehmen, wir müssen uns in die Sache investieren. Hingabe ist der Schlüssel.“
Such dir einen Stuhl aus. Nachfolge ist eine Entscheidung. Du suchst dir einen Stuhl aus, auf den du dich hinsetzt – und zwar den Stuhl, auf dem Jesus sitzt, den Stuhl, den Jesus dir als Option hinstellt.
Verbindlichkeit und Disziplin als Grundlage
Nachfolge ist eine Entscheidung – eine Entscheidung, die mit Verbindlichkeit und Disziplin verbunden ist. In der Bibel finden sich viele Stellen, die uns auffordern, ernsthaft, nüchtern und diszipliniert in unserem Leben zu sein. Dabei werden Bilder verwendet, wie das eines fleißigen Ackerbauers oder eines Soldaten, der sich engagiert und für seinen Kriegsherrn lebt.
Ich habe drei Beispiele herausgesucht, die alle im Lukasevangelium zu finden sind, genauer in Lukas 9. Dort kommen Menschen zu Jesus und sagen, sie wollen ihm nachfolgen, oder sie werden zur Nachfolge eingeladen.
Ich zitiere aus Lukas 9, Vers 57: „Als sie weitergingen, wurde Jesus von einem Mann angesprochen: ‚Ich will dir folgen, wohin du auch gehst.‘“ Eine beeindruckende Aussage. Doch die Antwort von Jesus ist ebenso wichtig: „Die Füchse haben ihren Bau, und die Vögel haben ihre Nester, aber der Menschensohn hat keinen Platz, wo er sich ausruhen kann.“
Nachfolge ist tatsächlich eine unstete Angelegenheit. Wenn du sagst: „Ich will meine Kuscheldecke“, oder: „Ich brauche meinen Platz zum Wohlfühlen“, oder: „Ich hätte gern mein Häuschen mit Garten“, oder: „Ich bin jemand, der ein besonderes Ruheplätzchen braucht“ – dann kann ich dir das nicht versprechen. Viele Christen wünschen sich das, aber hier steht klar: Nachfolge bedeutet, dass dir kein Ort zum Ausruhen garantiert wird. Bequemlichkeit, Ruhe und ein beschauliches Leben sind keine Zusagen.
Eigentlich müsste ich es sogar anders formulieren: Nachfolge ist oft hektisch, unbequem und unvorhersehbar. Weißt du warum? Weil du auf andere Menschen triffst, die anders sind und dein Leben oft enttäuschend beeinflussen, weil sie selbst Enttäuschungen mitbringen. Wenn du also sagst, ich brauche mein ruhiges Plätzchen, dann tut es mir leid – das kann ich nicht garantieren. Im Gegenteil, ich garantiere dir das Gegenteil.
Und genau das sagt Jesus.
Prioritäten in der Nachfolge
Der Nächste, Lukas 9,59-60
Ein anderes Mal sagte Jesus zu einem Mann: „Komm, folge mir nach.“ Doch dieser antwortete: „Herr, erlaube mir zuerst, nach Hause zu gehen und meinen Vater zu begraben.“
Jesus entgegnete ihm: „Lass die Toten ihre Toten begraben.“ Damit meinte er: Lass die geistlich Toten ihre körperlich Toten begraben. Deine Aufgabe ist es, die Botschaft vom Reich Gottes zu verkünden.
Das klingt hart, doch es ist natürlich kein Verbot, an einer Beerdigung teilzunehmen. Es geht vielmehr um das Prinzip. Es gibt Aufgaben, die jetzt einfach nicht dran sind. Sie wirken zwar dringlich, sind aber unterm Strich nur das Zweitwichtigste.
Was Jesus hier anspricht, ist eine Frage der Prioritäten im Leben eines Jüngers. Wenn du Jesus nachfolgen willst, dann stellt sich die Frage: Bist du bereit, gesellschaftliche Konventionen und vielleicht auch den Erwartungsdruck, der da ist, hintenanzustellen und das zu tun, was Jesus von dir will?
Dabei denke ich an viele Menschen, die ich persönlich kenne, oder an Biografien von Missionaren. Diese haben zum Teil brillante Karrieren aufgegeben, um irgendwo hinzugehen und ihren ganzen Einsatz zu investieren, damit Menschen das Evangelium hören.
Ich habe hier eine Stelle aus einem Buch herausgesucht, das etwa 150 Jahre alt ist. Es stammt von einem britischen Prediger, Charles Spurgeon, und heißt „Ratschläge für Prediger“. Vor einigen Jahren habe ich diese Stelle gelesen, in der er über Pastoren spricht, also über Menschen, die das geistliche Amt anstreben:
„Wer das Zeug zu einem tüchtigen Pfarrer hat, würde wahrscheinlich auch ein guter Kaufmann oder Jurist sein. Ein wirklich guter Pfarrer würde sich in jedem Beruf auszeichnen. Einen Mann, der eine Gemeinde jahrelang zusammenhalten und viele hundert Sonntage nacheinander erbauen kann, ist eigentlich nichts unmöglich. Er darf kein Dummkopf sein und kein Tunichtgut. Jesus verdient es, dass sich die besten Männer der Predigt vom Kreuz widmen, nicht die Strohköpfe.“
Diese Worte haben mich damals sehr angesprochen, weil ich dachte: Ja, genau das ist es irgendwie. Es passiert so leicht, dass man in ein gesellschaftliches Fahrwasser gerät und das Zweitwichtigste mit aller Kraft tut, während man das Wichtigste vernachlässigt.
Wenn du ein Nachfolger Jesu bist, dann denk immer daran: Die Toten können ihre Toten begraben. Aber es gibt Dinge, die die geistlich Toten, weil sie nie neues Leben empfangen haben, niemals tun können – und das ist, das Reich Gottes durch die Predigt zu den Verlorenen hinauszubringen.
Konsequente Entscheidung für die Nachfolge
Ein dritter Punkt, der hier folgt, findet sich in Lukas 9,61-62. Dort heißt es: Ein anderer sagte: „Herr, ich will gerne mit dir gehen, aber erlaube mir doch erst noch, von meiner Familie Abschied zu nehmen.“ Doch Jesus antwortete: „Wer seine Hand an den Pflug legt und dann nach hinten sieht, der ist für das Reich Gottes nicht brauchbar.“
Es geht hier nicht um das Wörtliche, sondern um das Prinzip. Es ist nichts Verwerfliches daran, wenn du einmal eine Abschiedsparty feierst – das ist durchaus in Ordnung. Aber hier geht es um eine Spannung, die entsteht zwischen dem alten Leben, dem Leben mit der Familie, und dem neuen Leben.
Wenn du merkst, dass du in diese Spannung gerätst, dann bedeutet das: Da ist das Alte, das noch einen Anspruch auf dein Leben hat, und hier ist das Neue. Heute lautet dieser Anspruch vielleicht: „Ich muss mich noch verabschieden.“ Morgen kann es etwas ganz anderes sein. Doch immer befindest du dich in dieser Spannung.
Dann sagt der Herr Jesus: Du bist wie jemand, der hinter dem Pflug steht. Du musst dich dazu etwa zweitausend Jahre zurückversetzen. Vor dir sind zwei Ochsen, und du läufst hinten mit deinem Pflug hinterher. Was passiert, wenn du dich ständig beim Pflügen umdrehst? Du verlierst den Punkt vorne, den du eigentlich anstrebst – die gerade Furche. Diesen Punkt verlierst du aus dem Blickfeld, du kannst dich nicht umdrehen.
Wenn du das tust, wirst du Schlangenlinien pflügen. Du bist unbrauchbar. Das ist es, was der Herr Jesus hier sagt.
Wenn du jemand bist, der sich nicht entscheiden kann, der ein unentschlossener Mensch mit falscher Sentimentalität ist, wenn du nicht wirklich weißt, was du willst, wenn du immer noch träumst: „Ach, wie schön wäre es gewesen, wenn ich damals dies oder das gemacht hätte, wenn ich nicht so ins Christsein abgedriftet wäre“, und wenn deine Gedanken ständig blockiert werden von „Was wäre wenn“, dann sagt der Herr Jesus: Du hast vielleicht nicht verstanden, was zu einer Beziehung dazugehört. Du hast das radikale Element nicht begriffen, das ganz und gar notwendig ist.
Du hast tatsächlich noch nicht gelernt, auf dem einen Stuhl Platz zu nehmen, auf dem du sitzen sollst.
Zusammenfassung der Anforderungen an Nachfolge
Beziehung hat immer zwei Seiten. Die eine Seite ist die, dass ich gefordert bin. Dabei geht es um Einsatz, Disziplin, Hingabe und Leistung.
Ich muss natürlich aufpassen, dass ich nicht gleich verzweifle, wenn ich am Anfang meines geistlichen Lebens stehe und noch nicht alles richtig mache. Das ist ja bei allen anderen Beziehungen auch so. Wer frisch verheiratet ist, denkt oft, er wisse alles über Ehe. Doch schon eine Woche später stellt er fest, dass dem nicht so ist. Dann beginnt das Lernen, und das ist völlig in Ordnung.
Was Jesus immer wieder will, ist, dass wir bereit sind, in die Verantwortung hineinzuwachsen, die wir haben. Diese Radikalität, die zum geistlichen Leben dazugehört, soll ein klares Ja von uns bekommen. Wir sollen sagen: Jesus über alles.
Wenn das meine Bequemlichkeit kostet, dann kostet es meine Bequemlichkeit. Wenn es meine gute Versorgung kostet, dann kostet es meine gute Versorgung. Wenn es der Ruf in der Nachbarschaft ist, dann ist es eben der Ruf in der Nachbarschaft. Wer weiß, was da noch auf uns zukommt?
Wir müssen uns nur darüber im Klaren sein, dass das die Realität ist.
Kommen wir zum Schluss: Christsein ist keine Mogelpackung. Christsein ohne Nachfolge ist Selbstbetrug.
Beispiel eines lebenslangen Einsatzes für die Nachfolge
Ich möchte euch eine Geschichte erzählen von jemandem, der mich sehr fasziniert. Ich mag Überflieger, also Menschen, bei denen ich denke: Boah, ja, interessanter Kerl. So einer ist er auch. Er hat einen etwas merkwürdigen Namen: Adoniram Judson. Ich weiß nicht genau, wie man Adoniram ausspricht, man muss es wohl auf Englisch sagen, aber das kann ich nicht. Nennen wir ihn einfach Eddie Judson.
Eddie ist ein Überflieger, also jemand, der ziemlich clever ist, eine christliche Erziehung genossen hat, sehr interessiert und begabt ist. Er geht aufs College, und nach seinem Studium reist er ein wenig umher. Dabei erlebt er etwas, das ihn tief bewegt: Er übernachtet in einem Landgasthof und hört im Nachbarzimmer einen Mann stöhnen. Er merkt, dass dieser Mann im Sterben liegt und hört die ganze Nacht lang, wie er leidet.
Am nächsten Morgen fragt Eddie den Wirt, wer dieser arme Mann war. Der Wirt nennt ihm den Namen – und in diesem Moment läuft Eddie ein eiskalter Schauer über den Rücken. Es war sein bester Studienfreund, der Mann, der ihm mit seiner Philosophie den Glauben ausreden wollte. Von genau diesem Mann hat er erfahren, wie er gestorben ist.
Nachdem Eddie das verinnerlicht hat, dauert es nicht lange, bis er sich bekehrt. Er merkt: So möchte ich nicht sterben. Kurz nach seiner Bekehrung spürt er eine Last für die Mission.
Wir müssen sagen, dass das alles im Jahr 1808 geschieht, also vor langer Zeit – in einer Zeit, in der Mission kaum Bedeutung hatte. Damals war Mission etwas, das es kaum gab. Es gab nur ein paar Verrückte, die sich dafür engagierten.
Jetzt kommt ein junger Mann Anfang zwanzig und sagt: Ich möchte in die Mission. An der theologischen Fakultät, an der er studiert, gibt es einige Freunde, die ebenfalls eine Last für die Mission spüren. Sie treffen sich regelmäßig zum Beten in einem Heuschober.
Drei Jahre später, seine Ausbildung ist abgeschlossen, ist Eddie gerade sieben Tage verheiratet. Gemeinsam mit seiner Frau reist er Richtung Indien. Es geht los.
Sie kommen in Indien an und wollen den Hindus das Evangelium predigen. Damals gab es die Ostindische Handelskompanie, die sie einfach wieder vertrieb. Er durfte dort nicht bleiben.
Es folgen Wochen voller Verwirrung, Angst und Ungewissheit. Sie wissen nicht, wie es weitergehen soll, sind frustriert. Schließlich öffnet sich eine Tür in Rangun, das heute in Myanmar liegt – damals hieß das Land Burma. Ich nenne es auch Burma, weil es vielen noch geläufiger ist.
Sie kommen nach Burma. Zu dieser Zeit gibt es dort keinen einzigen Christen. Das Land ist geprägt von Kriminalität und Götzendienst. Das Ehepaar steht ohne Freunde und Bekannte da und beginnt etwas ganz Neues.
Ihr erstes Kind wird kurz darauf geboren, doch nach acht Monaten müssen sie den kleinen Roger William Judson unter einem Mangobaum begraben.
Man könnte denken, wenigstens evangelistisch geht es voran, aber es bekehrt sich niemand. Im ersten Jahr nicht, auch im zweiten, dritten, vierten und fünften Jahr nicht.
Erst im sechsten Jahr, im Jahr 1819, haben sie ihren ersten Bekehrten und Täufling.
In den folgenden Jahren wird es etwas besser, es bekehren sich einige Menschen. Doch mit den Täuflingen wächst auch der Widerstand.
Unter anderem wird Eddie einmal wegen Spionageverdachts ins Gefängnis geworfen, zum Tode verurteilt, aber schließlich doch nicht hingerichtet. Er wird wieder freigelassen.
Es geht ständig auf und ab.
Eddie bleibt 38 Jahre in Burma. Er erlernt die burmesische Sprache, die als eine der schwierigsten der Welt gilt – vielleicht die zweitschwerste nach Chinesisch. Das ist allerdings Geschmackssache.
Er lernt diese Sprache, übersetzt die Bibel ins Burmesische und stirbt 1850 im Alter von 62 Jahren.
Kurz danach zählt man in Burma über 200.000 Christen.
Das ist der Unterschied, den ein Leben ausmachen kann.
Ein Leben für die Nachfolge
Warum ist Adoniram Judson ein so beeindruckendes Vorbild? Ich möchte eine einzelne Episode aus seinem Leben herausgreifen.
An dem Tag, an dem er seine Frau nach Hause schicken musste, weil sie gesundheitlich nicht mehr in der Lage war, weiterzumachen, zeigte sich seine besondere Haltung. Die Bedingungen waren so schwer, dass seine Frau irgendwann gesundheitlich so angeschlagen war, dass sie für eine Weile nach Amerika zurückkehren musste.
An diesem Tag, an dem er wusste, dass er seine Frau für mindestens zwei Jahre nicht sehen würde, vertraute er seinem Tagebuch einen Satz an. Darin heißt es: „Wenn wir doch nur einen Ort der Ruhe auf dieser Erde finden könnten, wo wir den Rest unseres Lebens in Frieden verbringen könnten.“
Dann fügte er eine weitere Zeile hinzu: „Das Leben ist kurz, Millionen von Burmesen gehen verloren. Ich bin vielleicht der Einzige, der ihre Sprache gut genug beherrscht, um ihnen den Weg der Rettung erklären zu können.“
Während all der Jahre, die er in Burma lebte, sah er nie ein Schiff davonsegeln, ohne den brennenden Wunsch zu verspüren, nach Amerika zurückzukehren. Aber er blieb.
Hier haben wir einen Mann, der auf Bequemlichkeit verzichtet, einen Mann, der Jesus an die erste Stelle in seinem Leben setzt, einen Mann, der das Evangelium verkündet und sich nicht den Blick zurück erlaubt. Das ist wahre Nachfolge Christi.