Herr Präsident! Guten Morgen!
Ich habe gesehen, dass Sie zu einem internationalen Café einladen. Außerdem habe ich bemerkt, dass draußen an Ihrem Haus ein Schild angebracht ist, das darauf hinweist, dass hier eine Gemeinde ist. Auch Ihre Homepage im Internet habe ich gefunden. So kann jeder weltweit erfahren, dass sich hier Christen treffen und was sie ungefähr tun.
Besonders mutig finde ich, dass Sie zu einem Kidstreff einladen. Ich habe das Gefühl – ich weiß es nicht genau, denn ich kenne Sie natürlich nicht so gut – dass die wenigsten von Ihnen dabei wirklich Bauchschmerzen oder richtige Angst haben, in irgendein Arbeitslager zu kommen.
Die Freiheit und Herausforderung des Glaubens heute
Wir leben in einem Land, das uns immer noch unglaublich viele Freiheiten gibt – trotz einer Atmosphäre, die sich teilweise gegen das Christentum entwickelt, zumindest in der Art und Weise, wie wir es verstehen. Geschichtlich betrachtet befinden wir uns in einer absoluten Ausnahmesituation.
Früher war es viel häufiger der Fall, dass Menschen, die ihren Glauben an Jesus Christus lebten und verbreiteten, in großer Gefahr waren, dafür getötet zu werden. Es gibt auch heute noch Beispiele und Länder, in denen das so ist. Ein berühmtes Beispiel ist die Zeit der Kulturrevolution in China. Dort wurden viele Missionare ausgewiesen, und vor allem einheimische Christen kamen in Arbeitslager, wo viele von ihnen starben.
In unserem Land gab es in der Zeit der Reformation und kurz davor die Täuferbewegung. Diese wurde von beiden großen Kirchen verfolgt, und viele ihrer Verkündiger wurden getötet – sowohl von katholischer als auch von reformierter Seite. In vielen Ländern und zu verschiedenen Zeiten der Geschichte bestand zumindest die Gefahr, Nachteile zu erleiden, wenn man sich zum Glauben an Jesus und zur Bibel bekannte.
Ich denke an die Geschichte des Ostblocks, wo man als bekennender Christ oft nicht studieren durfte oder bestimmte Fächer nicht wählen konnte. Man musste reale Nachteile in Kauf nehmen, weil man Christ war und sich zu Christus bekannte. Wenn man nicht nur im privaten Raum lebte, sondern seinen Glauben öffentlich zeigte, entstanden ganz reale materielle und bildungsmäßige Nachteile.
Auch heute ist es oft so, dass man, selbst wenn man nicht um sein Leben fürchten muss und auch keine materiellen Nachteile hat, durch das Bekenntnis zum Glauben zum Außenseiter wird. Das betrifft die eigene Umgebung. Das ist etwas, wovor ich mich wirklich fürchte und womit ich umgehen muss, auch in meinem Umfeld.
Es fällt mir inzwischen nicht mehr schwer, mich mit einem Büchertisch in einer Fußgängerzone aufzustellen und mit Leuten über den Glauben zu sprechen – solange niemand vorbeikommt, der mich kennt. In der Familie ist es auch nicht so schwierig, denn dort wissen es ohnehin alle. Man redet vielleicht nicht mehr viel darüber, weil schon alles gesagt ist.
Aber gerade am Arbeitsplatz, wo man weiß, dass man noch lange mit den Kollegen zusammenarbeiten muss, oder in der Nachbarschaft, da finde ich es richtig schwierig, mich zum Glauben zu bekennen. Es fällt mir schwer, mich zu bestimmten Dingen zu bekennen, an die ich glaube und von denen ich überzeugt bin.
Ich habe das tiefe innere Bedürfnis, kein Außenseiter zu sein, nicht als Sektierer zu gelten, zu dem man nur höflich ist – und das war es dann auch. Ich möchte dazugehören, ich möchte ein Stück weit integriert sein in die Gemeinschaft der Kollegen oder Nachbarn.
Das wird heute zunehmend schwieriger, weil die Stimmung gegen das Christentum und gegen manche Themen, an die wir glauben, wächst. Natürlich ist es nicht immer klug, zum Beispiel in der Kantine am Tisch mit einer Gruppe über die Ehe zwischen Homosexuellen zu diskutieren. Natürlich können wir uns auch unklug verhalten.
Aber Gelegenheiten zu finden und zu ergreifen, sich zum Glauben zu bekennen, finde ich persönlich nicht einfach. Wir haben nicht die großen Herausforderungen, dass wir um unser Leben, unseren Besitz oder unsere Bildung fürchten müssen. Trotzdem leben wir in einer Gesellschaft, in der Glaube nicht mehr unbedingt als etwas Positives wahrgenommen wird.
Rückblick auf die Situation im zweiten Timotheusbrief
Aber wie gesagt, in vielen Ländern dieser Erde und in vielen Situationen der Geschichte war die Lage ganz anders. Ich möchte heute noch einmal mit euch in die Situation zur Zeit des Zweiten Timotheusbriefs eintauchen. Vor einigen Monaten haben wir schon einmal darüber gesprochen, und ich möchte euch noch einmal abholen.
Wie war damals die Situation? Sie war etwas anders als bei uns heute. Gemeinden waren an verschiedenen Orten rund um das Mittelmeer entstanden. Paulus und sein Team hatten in vielen Gegenden nach und nach Gemeinden gegründet. Doch nun hatte sich die Stimmung gewandelt. Die Tendenz war, dass sich die politische und gesellschaftliche Haltung gegen das Ganze richtete.
Paulus war auf einer seiner Missionsreisen verhaftet worden und saß in Rom im Gefängnis. Er war sich sehr sicher, dass er dieses Gefängnis nicht lebend verlassen würde. Für uns ist das eine geschichtliche Situation, die zweitausend Jahre zurückliegt, und Paulus ist ein Mensch, den wir nie persönlich gesehen haben. Aber es war eine schwierige Lage – nicht nur für ihn persönlich, sondern auch für seine Mitarbeiter und die Gemeinden.
Onisiphorus, der in 2. Timotheus 1,16-18 erwähnt wird, war wahrscheinlich einer der Verantwortlichen in der Gemeinde in Ephesus. Er hatte die Gelegenheit genutzt, Paulus im Gefängnis zu suchen und zu besuchen. Ob es einen direkten Zusammenhang gab oder nur einen indirekten, wissen wir nicht. Aber zumindest ist es ziemlich sicher, dass auch er nun im Gefängnis saß und auf seine Verhandlung wartete.
Es war schwierig, sich zum Evangelium zu bekennen. Ebenso schwer war es, zu bestimmten Brüdern und Schwestern zu stehen, die öffentlich für das Evangelium eintraten. Paulus sagt, dass sich alle in Kleinasien – der römischen Provinz, deren Hauptstadt Ephesus war – von ihm abgewandt hätten. Wahrscheinlich meinte er vor allem die Verantwortlichen, die offiziell für die Gemeinden sprachen. Sie sagten: „Nein, wir sind nicht auf der Linie mit Paulus.“ Vermutlich aus Angst um ihr Leben und vor allem um die Gemeinden distanzierten sie sich von Paulus.
So entstand eine sehr schwierige Situation für Menschen, die sowohl loyal zum Evangelium und zu den Grundlagen, auf denen sie standen, sein wollten, als auch loyal zu denen, die dieses Evangelium verbreitet hatten und für diese Lehre und als Personen einstanden. Es war eine angespannte Lage, in der man mit Schwierigkeiten rechnen musste, wenn man sich bekannte.
Jemand war ins Gefängnis gekommen, weil er sich zu Paulus bekannt hatte. Auch in der Gemeinde musste man mit Problemen rechnen, denn die Tendenz war, lieber Abstand zu halten, um die eigene Sicherheit zu bewahren. Diese Tendenz gefährdete man, wenn man einen anderen Kurs einschlug.
Timotheus, an den dieser Zweite Timotheusbrief von Paulus aus dem Gefängnis gerichtet ist, war zu dieser Zeit in Ephesus, der Hauptstadt von Kleinasien. Paulus sagt, dass sich alle von ihm distanziert hatten. Timotheus war ein Stück weit verantwortlich für diese Gemeinde und die Umgebung.
Wie sollte er sich verhalten? Was hätte man ihm geraten?
Ermutigung zur Standhaftigkeit und Mut
Paulus war wirklich wichtig. Er sagt von Timotheus: „Das ist mein geliebtes Kind.“ Dabei war Timotheus natürlich nicht sein leibliches Kind, aber Paulus war sein Mentor. Timotheus war ihm sehr ans Herz gewachsen.
Paulus war sicher nicht jemand, der gesagt hätte: „Timotheus, dein Schicksal ist mir egal.“ Er war auch nicht bereit, ihn einfach aufzugeben. Trotzdem schreibt Paulus in 2. Timotheus 1, Vers 8 – und das ist sozusagen der Kernvers des Abschnitts, den ich heute mit euch anschauen möchte –, wir wollen heute 2. Timotheus 1,6-14 betrachten. In Vers 8 sagt Paulus Folgendes: „So schäme dich nun nicht.“ Damit meint er nicht nur, dass Timotheus sich nicht peinlich fühlen soll. Er fordert ihn auf, sich nicht zurückzuziehen.
Paulus sagt: „Schäme dich nicht des Zeugnisses unseres Herrn.“ Das heißt, schäme dich nicht dafür, für den Herrn einzustehen und zu sagen: „Das ist es, was Gott verkündet.“ Und er fügt hinzu: „Schäme dich auch nicht meines Gefangenseins, sondern leide Trübsal mit dem Evangelium nach der Kraft Gottes.“
Das ist die Botschaft, die Paulus an sein geistliches Kind richtet: Sei bereit, für das Evangelium einzustehen. Sei bereit, zu mir zu stehen. Sei bereit, auch Leiden und Schwierigkeiten in Kauf zu nehmen – mit der Kraft, die Gott dir gibt. Das ist die Kernbotschaft.
Doch Paulus schreibt in diesem Abschnitt nicht nur diesen Vers. Er erklärt ausführlich, warum ihm das so wichtig ist. Er gibt Gründe dafür, warum Timotheus nicht zu vorsichtig sein soll. Der Titel meiner Predigt heute lautet deshalb: „Sei nicht übervorsichtig.“
Natürlich gibt es Situationen, in denen wir vorsichtig sein sollen, und darauf werde ich noch eingehen. Aber das Hauptthema ist, dass Paulus Timotheus davor warnt, zu übervorsichtig zu werden. Offensichtlich hat Paulus das Gefühl, dass Timotheus in dieser Situation dazu neigen könnte, zu defensiv zu sein, zu vorsichtig.
Sicherlich nicht so extrem wie andere, die sich ganz offen von Paulus distanziert haben. Demas zum Beispiel hätte sich vermutlich nie offen von Paulus distanziert, wenn er direkt darauf angesprochen worden wäre. Aber Paulus befürchtet, dass Timotheus in dieser Situation zu vorsichtig wird. Und dass das den Gemeinden und der Verkündigung des Evangeliums schadet.
Diese Befürchtung bringt Paulus dazu, einen ganzen Abschnitt darüber zu schreiben, warum es wichtig ist, Rückgrat zu zeigen, mutig zu sein und bei aller Besonnenheit nicht übervorsichtig zu werden.
Das ist etwas, das ich aus diesem Abschnitt für meinen Alltag mitnehme. Darum richtet sich die Predigt heute natürlich auch an mich: Nicht übervorsichtig zu sein.
Zehn Impulse für Mut und Verantwortlichkeit
Ich möchte heute kurz zehn Punkte ansprechen, die Paulus in diesem Abschnitt oder in den Versen davor bereits andeutet. Er merkt selbst an, dass die Zeit knapp ist. Deshalb können wir hier nur anreißen, was Paulus sagt.
Der erste Punkt beginnt schon ganz am Anfang dieses Briefes, im ersten Vers. Paulus schreibt: Wer hat den Brief verfasst? Er selbst, Paulus, Apostel Christi Jesu, durch Gottes Willen.
Wenn Paulus in diesem Brief von sich spricht, sind das immer Signalaussagen für Timotheus. Wisst ihr, was ich meine? Paulus schreibt von sich und möchte damit immer etwas in Gang setzen bei Timotheus.
Wenn Paulus sagt: „Ich bin Apostel durch Gottes Willen“, dann fragt er Timotheus: Warum bist du eigentlich gerade in Ephesus verantwortlich? Hast du dir das ausgesucht? Hat dich jemand geschickt? Timotheus, du bist dort, wo du bist, weil es Gottes Wille ist.
Du bist auch das, was du bist, durch Gottes Willen. Du trägst die Verantwortung, die du hast, weil es Gottes Wille ist. Es ist nicht einfach dein Platz, den du dir ausgesucht hast, oder eine Aufgabe, die du mal so und mal so gestalten kannst. Du bist da durch Gottes Willen.
In Vers 9 heißt es: „Der uns errettet hat“ – das ist unsere Rettung, das ist großartig. Und dann folgt: „und berufen zu einer heiligen Berufung.“ Timotheus, du bist da, weil du eine Berufung Gottes hast, gerade an diesem Ort.
Du hast Aufgaben und Verantwortung, weil du eine Berufung Gottes hast, das zu tun, was du tun sollst. Vergiss das nicht. Das ist kein Job, den du einfach kündigen kannst. Du bist da durch Gottes Willen.
Das ist Punkt eins.
Gewissen und Mut im Dienst
Punkt zwei: Ich lese mal Vers drei. Vers drei bis fünf sind die Stellen, in denen Paulus an Timotheus denkt und einfach für ihn dankt. Interessant ist, dass darin wieder Aussagen enthalten sind, die Paulus über sich selbst macht und die Timotheus zum Nachdenken anregen sollen.
Paulus sagt: „Ich danke Gott, dem ich von meinen Vorfahren her mit reinem Gewissen diene.“ Wir haben Schwierigkeiten, uns vorzustellen, warum Paulus mit reinem Gewissen am Anfang Christen verfolgen konnte. Paulus sagt nämlich, dass er all das, was er getan hat, mit reinem Gewissen gemacht hat. Er war überzeugt, dass dies der Weg Gottes ist.
Aber Timotheus, so mahnt Paulus, soll aufpassen, wie er seinen Dienst tut. Pass auf, dass du nicht übervorsichtig wirst. Pass auf, dass du das, was du tust, noch mit einem guten Gewissen tun kannst. Auch das, was du lässt oder wo du schweigst, soll dein Gewissen nicht belasten.
Paulus betont: Ich habe alle meine Fehler und alles, was ich Gutes getan habe, letzten Endes mit einem guten Gewissen gemacht. Demut ist ein guter Maßstab. Bleib auf einem geraden Weg. Habe ein bisschen Mut, damit du das, was du tun kannst, mit gutem Gewissen tun kannst.
Es ist interessant, dass Paulus immer wieder solche Selbstzeugnisse einfügt, die zum Nachdenken anregen sollen. Timotheus soll nicht zu politisch korrekt sein und nicht an manchen Stellen von der Wahrheit abweichen, weil sich das letztlich auf sein Gewissen auswirkt.
Das war Punkt zwei.
Eine kleine Nebenbemerkung zu Vers fünf: Paulus erinnert sich an den ungeheuchelten Glauben in Timotheus, der zuerst in seiner Großmutter Lois und seiner Mutter Eunike wohnte. Paulus ist überzeugt, dass dieser Glaube auch in Timotheus selbst lebt.
Wisst ihr, Paulus hätte diesen Brief nicht an jeden geschrieben. Er schrieb ihn an Timotheus, weil er überzeugt war, dass Timotheus psychisch stabil ist und in seinem Glauben fest steht. Timotheus stammt aus einem gläubigen Elternhaus, das vom Glauben geprägt war. Sein Vater war wahrscheinlich nicht gläubig, aber er wuchs in einem Umfeld gläubiger Frauen auf.
Er hatte also wirklich Wurzeln im Glauben. Paulus war überzeugt, dass er Timotheus nicht überfordert, wenn er von ihm ein bisschen Mut fordert.
Wir müssen hier ein bisschen weise sein. Ich glaube, Paulus war weise. Er hat genau überlegt, was Timotheus verkraften kann, damit dieser nicht menschlich und psychisch Schaden nimmt durch die Verantwortung, die er auf seine Schulter gelegt bekommt.
Manchmal muss man das überlegen, und das ist eine kleine Nebenbemerkung an dieser Stelle.
Die Gnadengabe anfachen und Verantwortung übernehmen
Nun kommen wir zu unserem eigentlichen Abschnitt, den ich nach und nach mit euch durchgehen möchte. Vers 6: „Aus diesem Grund erinnere ich dich daran, die Gnadengabe Gottes anzufachen.“
Irgendwie hatte Paulus das Gefühl, dass Timotheus schon ein bisschen defensiv war. Es war, als ob etwas vorhanden war, was man wieder anfachen musste. Timotheus war nicht in Ephesus, wahrscheinlich war es nur so ein Eindruck. Die Gnadengabe, die in dir ist, soll durch das Auflegen meiner Hände entfacht werden.
Paulus sagt: Du hast eine Aufgabe und du hast Gaben. Du bist verantwortlich, diese Gaben einzusetzen. Das ist hier ganz interessant. Ich kann jetzt keinen Vortrag über die Gaben Gottes halten und darüber, welche verschiedenen Geistesgaben und Gnadengaben ein Christ haben kann.
Es wird oft in diesem Zusammenhang gesagt, dass es ähnlich ist wie bei der menschlichen Geburt: Wir kommen mit bestimmten Genen und in einer bestimmten Familie zur Welt. Das bestimmt ein Stück weit von Anfang an, welche Fähigkeiten und Gaben wir haben. Dann wird gesagt, dass es bei Christen genauso ist. Im Moment, in dem sie gerettet werden, bekommen sie bestimmte Gaben.
Hier steht jedoch, dass Timotheus manche Gaben zumindest in dem Maße, in dem er sie jetzt hat, erst bekommen hat, als er eine bestimmte Aufgabe erhalten hat. Das geschah durch das Auflegen der Hände von Paulus. Paulus beschreibt es hier sehr persönlich. Wahrscheinlich hat es damit zu tun, dass Timotheus eine bestimmte Aufgabe bekommen hat – vielleicht die Aufgabe in Ephesus, vielleicht auch schon vorher die Aufgabe, als Missionar hinauszugehen.
Paulus sagt: „Ich habe dir die Hände aufgelegt, ich habe dir diese Aufgabe von Gott her gegeben.“ Manche Gaben bekommen wir durch eine Aufgabe. Das passiert nicht immer. Natürlich ist es weise, Menschen Aufgaben zu geben, bei denen sich zeigt, dass sie dafür begabt sind.
Jemanden Kinderarbeit machen zu lassen, der mit Kindern gar nichts anfangen kann, und zu hoffen, dass dadurch plötzlich die Gabe entsteht, ist vielleicht ein bisschen naiv. Gewisse Ansätze sind natürlich wichtig. Aber ich glaube, die Bibel sagt, dass manchmal Gaben in dem Maß zum Vorschein kommen, weil man eine bestimmte Aufgabe bekommt und diese einfach tun muss. Dann stellt sich Gott dazu und gibt einem die Gabe in einem höheren Maß, als man sie bisher hatte.
Es ist interessant, dass Paulus mehrfach darauf zurückkommt. Schon im ersten Timotheusbrief hat er das geschrieben, wenn auch aus einer etwas anderen Perspektive. 1. Timotheus 1,18: „Dieses Gebot vertraue ich dir an, mein Kind Timotheus, gemäß den vorher über dich ergangenen Weissagungen, damit du durch diese den guten Kampf kämpfst, indem du den Glauben bewahrst und ein gutes Gewissen.“
Da haben wir wieder das gute Gewissen. Es wurde ihm eine Aufgabe gegeben und vorausgesagt, wie er diese Aufgabe ausfüllen soll. In 1. Timotheus 4,14 steht: „Vernachlässige nicht die Gnadengabe in dir, die dir gegeben worden ist durch Weissagung und das Auflegen der Hände der Ältestenschaft. Bedenke dieses sorgfältig, damit deine Fortschritte alle offenbar seien.“
Auch hier steht: Du hast eine Gabe, weil die Ältestenschaft dir eine Aufgabe gegeben hat. Das ist der nächste Punkt. Nicht nur bist du da, weil es Gottes Wille ist, dass du da bist. Nicht nur sollst du so leben, damit dein Gewissen rein ist. Timotheus, du hast eine Aufgabe. Und mit dieser Aufgabe hast du eine Befähigung bekommen. Wahrscheinlich ist diese Befähigung in der Aufgabe gewachsen.
Das ist das Schwierige: Je mehr Befähigung wir haben, desto mehr Verantwortung haben wir, diese Befähigung auch zu leben. Timotheus, du bist fähig. An dir hängt vieles. An dir hängt vieles in der Gemeinde, in der du gerade bist. Und was Paulus hier nicht ausdrücklich ausspricht, aber mitschwingt: An dir hängt vieles in dieser Bewegung.
Paulus wird bald sterben. Wer von seinen Mitarbeitern kann in seine Fußstapfen treten? Wer kann diese Bewegung voranbringen? Du bist sicher eine der Schlüsselfiguren, Timotheus. Du hast deine Aufgabe und du hast Gaben von Gott. Fache sie an, benutze sie. Sei nicht übervorsichtig, vergrabe deine Gaben nicht, sondern fache sie an und lebe sie. Sei nicht zu zurückhaltend.
Timotheus, du bist verantwortlich. Du bist verantwortlich für andere. Das ist eine spezielle Situation – verantwortlich zu sein in deiner Gemeinde, verantwortlich für eine Bewegung. Mut hat auch Vorbildcharakter. Timotheus, du musst ein bisschen mutig sein, weil du ein Vorbild bist. Menschen schauen auf dich.
Viele von uns haben Verantwortung für andere, für Menschen in ihrer Umgebung. Viele sind Schlüsselfiguren für eine kleine Gruppe von Menschen, sei es Familie, Freunde oder ein spezielles Umfeld. Das dürfen wir nicht vergessen.
Manchmal müssen wir ein bisschen mutig sein, weil andere auf uns schauen, sich an uns orientieren und uns zum Vorbild nehmen. Wenn es nur ein oder zwei sind, Timotheus, du hast eine Verantwortung.
Der Geist der Kraft, Liebe und Besonnenheit
Vers 7
Demotius, du hast nicht nur eine Aufgabe bekommen, sondern auch Fähigkeiten, die teilweise mit dieser Aufgabe zusammenhängen. Timotheus, Gott hat dir nicht nur einen Platz gegeben, an dem du nach seinem Willen lebst, und ein Gewissen. Gott hat dir auch seinen Geist gegeben. Du besitzt nicht einfach nur einen menschlichen Charakter. Manche Menschen sind etwas forscher, andere eher scheu. Aber Timotheus, du hast den Geist Gottes – vergiss das nicht.
Paul formuliert es hier sehr interessant. Gott hat uns nicht einen Geist der Furchtsamkeit gegeben, sondern der Kraft. Demotius, lass den Geist Gottes wirken. Der Abschnitt beginnt sozusagen mit Vers 6 und 7 und endet in Vers 14 mit der Aufforderung: Bewahre das schöne, anvertraute Gut durch den Heiligen Geist, der in uns wohnt.
Demotius, du hast den Geist Gottes, der dir Kraft gibt. Du kannst das schaffen. Du musst das nicht allein tun und bist nicht einmal abhängig von deinen menschlichen Veranlagungen. Da ist ein Geist, der dich befähigt und in uns wohnt – das steht in Vers 14.
Paulus sagt es ganz interessant: Du hast nicht einen Geist der Furchtsamkeit, sondern der Kraft. Ich hätte gesagt, es ist ein Geist des Muts. Im Gegensatz zur Furchtsamkeit steht Mut, oder? Paulus sagt, wir haben nicht einen Geist der Furchtsamkeit, sondern der Kraft. Warum verwendet er diesen Ausdruck? Weil es ein Zitat ist aus Apostelgeschichte 1,8. Jesus sagt zu seinen Jüngern, als er sie verlässt: „Aber ihr werdet Kraft empfangen, wenn der Heilige Geist auf euch herabkommt, und ihr werdet meine Zeugen sein, sowohl in Jerusalem als auch in ganz Judäa und Samaria und bis ans Ende der Erde.“
Timotheus, vergiss die Wurzel nicht. Das ist das, was Jesus als Letztes seinen Jüngern gesagt hat, als er zum Himmel gegangen ist und ihnen die Aufgabe gegeben hat, mutig Zeuge zu sein – in Jerusalem, Judäa, Samaria und bis ans Ende der Erde. Kraftempfang, wenn der Geist auf euch kommt.
Wir haben nicht einen Geist der Furchtsamkeit, sondern der Kraft, sagt Paulus. Timotheus, sei nicht zu vorsichtig, sei ein bisschen mutig. Da ist ein Geist der Kraft. Das war noch nie einfach. Denk zurück an die Geschichte vom Anfang der Apostelgeschichte und an das, was du alles erlebt hast. Timotheus hat schon viel Verfolgung erlebt, sein Geist ist kräftig.
Dann macht Paulus noch etwas Nettes: Er lässt das nicht einfach so stehen. Das wäre ja eigentlich ein Gegensatz, oder? Nicht ein Geist der Furchtsamkeit, sondern der Kraft. Und jetzt macht Paulus einen Einschub: Er sagt „und der Liebe, und der Besonnenheit.“ Er mildert die Aussage ein wenig ab. Ich weiß nicht, ob er das wirklich für Timotheus tut oder für uns im Verlauf der Geschichte.
Er lässt Kraft und Mut nicht einfach so stehen. Denn das griechische Wort für Kraft, dynamis, enthält das Bild von Dynamit. Das kann sehr zerstörerisch sein, oder? Man kann viel kaputt machen, wenn man nur darauf schaut, dass wir einen Geist der Kraft haben. Wir können Menschen plattmachen, Beziehungen zerstören.
Darum sagt Paulus hier: Denk daran, wir haben nicht einen Geist der Furchtsamkeit, sondern der Kraft – aber auch der Liebe und der Besonnenheit. Das sind Geister der Liebe. Natürlich motiviert diese Liebe uns, Menschen die Wahrheit zu sagen, die sie brauchen, um gerettet und gesund zu werden.
Jemand hat mal gesagt: Wir sagen unserer Umgebung etwas vom Glauben, weil wir damit das Gebot erfüllen, „Liebe deinen Nächsten.“ Wir sind überzeugt, dass das essentiell ist, was sie brauchen. Aber Liebe hat auch eine andere Seite. Liebe bedeutet, den anderen nicht zu überfordern. Ich sage ihm wirklich das, was ihm gerade hilft, was er braucht, um den nächsten Schritt zu tun.
Ich kann auch Wahrheit verkündigen und verbreiten, weil ich stolz bin, etwas zu wissen, oder weil ich meine Überzeugungen durchsetzen will. Vielleicht möchte ich, dass alle in meiner Umgebung sich mir unterordnen und dieselbe Überzeugung annehmen wie ich. Dann fange ich an, mit Ungläubigen über die biblische Stellung der Frau zu diskutieren, weil es wahr ist.
Aber ehrlich gesagt brauchen sie das gerade nicht, und es hilft ihnen auch nicht. Wahrscheinlich führt es sie in dem Moment eher davon weg, mir zuzuhören, wenn ich ihnen vom Glauben erzähle. Natürlich, wenn sie mich direkt darauf ansprechen, muss ich Farbe bekennen. Man kann sich an vielen Stellen nicht drum herum mogeln.
Aber das ist nicht das, womit wir auf die Straße gehen oder zu unseren Kollegen. Wir haben nicht nur einen Geist der Kraft. Wir haben die Wahrheit, aber auch einen Geist der Liebe und einen Geist der Besonnenheit. Ein Geist der Besonnenheit führt uns dazu, nachzudenken, bevor wir handeln und reden.
Trotzdem stellt Paulus die Kraft an den Anfang und sagt im nächsten Vers: Sei mutig, bekenne dich zu Gott, bekenne dich zu mir. Sei nicht zu vorsichtig. Und trotzdem sagt uns der Herr in Vers 7 auch, dass wir an manchen Stellen vorsichtig sein müssen.
Mutig sein heißt nicht, mutwillig alles kaputt zu machen. Wir wollen Beziehungen aufbauen und Menschen helfen, den Herrn kennenzulernen. Dazu gehören Mut, Liebe und manchmal auch etwas Nachdenken und Besonnenheit.
Das ist das, was der Geist uns vermitteln will und was Paulus Timotheus sagt: Der Geist hilft ihm, das zu tun.
Das Zeugnis nicht scheuen trotz Leid
Jetzt sind wir wieder bei Vers 8. Paulus sagt: „So schäme dich nur nicht des Zeugnisses unseres Herrn, noch meiner, seines Gefangenen.“ Schäm dich also nicht meiner, obwohl ich jetzt im Gefängnis bin.
Diese Aussage ist eine kleine Signalaussage. Er betont: Schau mal, ich bin der Gefangene des Herrn. Ich bin im Gefängnis, weil ich zum Herrn stehe. Aber ich bin auch im Gefängnis, weil ich nicht anders kann, als zum Herrn zu stehen. Ich bin nicht nur Gefangener in den Ketten Roms, ich bin auch gefangen in meinem Herzen für Gott, für meinen Herrn.
Und das bist du auch, Timotheus, oder? Du bist auch irgendwie ein Gefangener des Herrn, auch wenn du momentan noch frei herumläufst. Du musst zu manchem stehen, weil der Herr dich einfach gekauft hat, weil er dein Herz gewonnen hat und dich auf seine Weise gefesselt hat.
Was nehmen wir von diesen kleinen Selbstaussagen, die Paulus macht, um Timotheus zum Nachdenken zu bringen? „So schäme dich nun nicht des Zeugnisses unseres Herrn, noch meiner, seines Gefangenen, sondern leide Trübsal, leide mit dem Evangelium nach der Kraft Gottes.“
In Vers 9 heißt es weiter: „Der uns errettet hat und berufen mit heiligem Ruf, nicht nach unseren Werken, sondern nach seinem eigenen Vorsatz.“ Timotheus, Jesus hat dich zu diesem Dienst berufen, weil er das wollte, nach seinem eigenen Vorsatz.
Erinnere dich an Vers 1: „Ich bin Apostel durch Gottes Willen.“ Gott will dich genau da, wo du bist, und möchte, dass du in Kraft und Weisheit den Mund aufmachst, weil du da bist, wo er dich haben will. Und der Gnade, die uns in Christus Jesus vor ewigen Zeiten gegeben, jetzt aber offenbart worden ist.
Paulus sagt dann noch zwei, drei Sätze über dieses Evangelium: „Für was stehst du eigentlich da, Timotheus? Was ist deine Botschaft, die uns geoffenbart worden ist durch die Erscheinung unseres Heilands Jesus Christus, der den Tod zunichte gemacht, aber Leben und Unverweslichkeit ans Licht gebracht hat durch das Evangelium, zu dem ich bestellt worden bin – als Herold, Apostel und Lehrer.“
Timotheus, vielleicht ist das der Hauptgrund, warum du nicht zu vorsichtig sein darfst. Da ist ein Retter. Wir haben eine Botschaft des Lebens. Was ist zunichte gemacht worden? Der Tod ist zunichte gemacht worden. Was ist ans Licht gekommen? Leben und Unverweslichkeit.
Durch was? Durch das Evangelium, durch deine Botschaft, Timotheus, durch die Botschaft, die du kennst. Durch deine Botschaft ist Leben ans Licht gekommen. Du hast eine Botschaft, die die Menschen brauchen. Eine Botschaft von Leben, von Überwindung des Todes.
Vergiss nicht, Timotheus, was wir für eine Botschaft haben. In Vers 1 heißt es: Paulus, Apostel Christi Jesu, durch Gottes Willen, nach der Verheißung des Lebens. Timotheus, das ist unsere Grundbotschaft. Wir verkündigen Leben. Wir verkündigen keine schädliche Botschaft. Wir schädigen nicht Kinder durch das, was wir ihnen vermitteln.
Wir sind nicht einfach nur ein Anstoß, wir sind nicht nur eine Gruppe, keine Sekte, keine Bewegung, die unangenehm geworden ist. Timotheus, die Menschen brauchen diese Botschaft. Das ist eine Botschaft vom Leben.
Und wie oft vergesse ich das im Alltag, dass die Menschen in meiner Umgebung nicht nur Harmonie mit mir brauchen und nicht nur Harmonie untereinander, sondern dass sie Leben brauchen und dass ich eine Botschaft vom Leben habe. Timotheus, das ist unsere Botschaft.
Vers 12: „Aus diesem Grund leide ich dies auch, aber ich schäme mich nicht.“ Aus diesem Grund leide ich, aber ich schäme mich nicht. Weil ich berufen bin – als Herold, als jemand, der es rausrufen soll, als Apostel, als jemand, der Verantwortung hat, der gesandt ist, als Lehrer, der all diese Dinge nachhaltig lehren und festigen soll.
Und weil es eine Botschaft vom Leben ist, schäme ich mich nicht. Timotheus, diese Botschaft ist ans Licht gekommen. Wie denn? Als Jesus auf die Erde gekommen ist? Ja. Als Jesus gestorben ist? Ja. Als Jesus auferstanden ist? Ja.
Da ist diese Botschaft vom Leben ans Licht gekommen. Aber die Menschen in deiner Umgebung, für die du verantwortlich bist, waren nicht dabei. Sie waren nicht an der Krippe, nicht am Kreuz persönlich und nicht am Ostermorgen am Grab.
Wie kommt denn diese Botschaft ans Licht für diese Leute? Du bist in deiner Umgebung in einer Schlüsselposition. Für eine bestimmte Gruppe von Menschen bist du der einzige, der diese Botschaft ans Licht bringen kann – diese Botschaft vom Leben.
Timotheus, du darfst nicht zu vorsichtig sein. Weißt du, Timotheus, ich ziehe mich nicht zurück. Ich bin nicht zu defensiv, sagt Paulus, weil ich weiß, welche Bedeutung diese Botschaft hat.
Ja, natürlich steckt hier drin, Timotheus: Es gibt ein Leben. Und es gibt etwas, das weit über dein Schicksal hier in dieser Zeit hinausgeht. Es gibt ein ewiges Leben.
Nicht nur, dass du den Ungläubigen dieses Leben als Angebot verkündigen darfst, es gibt natürlich auch ein ewiges Leben für die Diener Gottes. Und es gibt eine Dimension, die so viel wichtiger ist, als ob du jetzt anerkannt bist in deiner Umgebung, ob du materiellen Schaden nimmst oder ob deine Familie vielleicht allein bleibt, wie bei Onisesphorus.
Ja, sogar wichtiger als der Verlust deines Lebens, wie ich es bald tun werde oder nicht. Es gibt Leben.
Noch einmal Vers 12: „Aus diesem Grund leide ich dies auch, aber ich schäme mich nicht.“
Vorbilder und die Bewahrung der gesunden Lehre
Timotheus, du hast Vorbilder. Das ist ein Refrain, eine Wiederholung von Vers acht, oder? Dort heißt es: „So schäme dich nun nicht des Zeugnisses unseres Herrn noch meiner, seines Gefangenen.“
Und hier in Vers zwölf sagt Paulus: „Ich schäme mich nicht.“ Demotios, wie sieht es bei dir aus? Ich schäme mich nicht. Jahrelang bist du mir gefolgt als Vorbild – wirst du das weiter tun?
In Vers sechzehn spricht Paulus von Essephorus: Er hat sich nicht geschämt, mich zu suchen. Demotius, du hast Vorbilder. Du hast Mich als Vorbild, du hast Ines Sepphorus als Vorbild. Menschen, die sich nicht zurückgezogen haben, Menschen, die das Risiko auf sich genommen haben.
Demotius, die Familie von Ines Sepphorus ist auf sich allein gestellt. Sie muss ohne ihn auskommen, weil er im Gefängnis ist. Vielleicht muss sie auf Dauer ohne ihn auskommen, wenn er verurteilt wird. Weißt du, was das für sie bedeutet, wenn ihr Vater, ihr Ehemann den Mut hatte und die Konsequenzen trägt – und sie diese Konsequenzen tragen müssen?
Und jetzt gibt es Verantwortliche in den Gemeinden, die sich zurückziehen und den Mut nicht haben. Weißt du, wie weh das ihnen tut? Demotius, du hast Vorbilder. Schau sie an.
Immer noch Vers zwölf: „Ich schäme mich nicht, denn ich weiß, wem ich geglaubt habe.“ Er sagt nicht: „Ich weiß, was ich geglaubt habe“ – und das wäre des Wertes. Timotheus, ich weiß, wem ich geglaubt habe. Weißt du noch, wem du geglaubt hast? Glaubst du noch an eine bestimmte Anzahl von Lehrsätzen, von denen du überzeugt bist und die mehr oder weniger wichtig sind für alle? Oder weißt du noch, wem du geglaubt hast? Dass ein lebendiger Herr da ist, der etwas will, dem du dienst und der ein Retter der Menschen ist?
Weißt du, mit wem du unterwegs bist? Dass du nicht nur einen Heiligen Geist in dir hast, sondern einen Herrn, für den du einstehst und der mit dir geht? Timotheus, ich schäme mich nicht, weil ich weiß, wem ich geglaubt habe. Ich kenne meinen Herrn. Und hoffentlich ist das nicht nur Vergangenheit: „wem ich geglaubt habe“, sondern „wem ich glaube“. Ich glaube immer noch und habe immer noch eine Verbindung zu dem lebendigen Herrn.
Das ist wichtig, denn sonst verbreiten wir nur noch eine tote Ideologie. Immer noch Vers zwölf: „… und bin überzeugt, dass er mächtig ist, das ihm von mir anvertraute Gut auf jeden Tag zu bewahren.“
Hier kippt dieser Abschnitt, denn bisher hatte man den Eindruck, es geht um Evangelisation. Ab hier, in der zweiten Hälfte von Vers zwölf bis Vers vierzehn, wird deutlich, dass es Paulus nicht nur um Evangelisation geht. Denn plötzlich spricht er nicht mehr von Ungläubigen. Hier spricht er vom Wort Gottes und von Gemeinden.
Offensichtlich hat Paulus die Befürchtung, dass es sehr bald – wahrscheinlich schon zu dieser Zeit – nicht mehr nur um den Mut geht, das Evangelium nach draußen zu verkündigen und wie mutig und offensiv man das tut. Er hat den Eindruck, dass es Menschen in der Gemeinde gibt, die, auch wenn sie das nicht offen aussprechen oder vielleicht nicht einmal offen für sich denken würden, relativ froh sind, dass Paulus und sein Team an Einfluss verlieren.
Das liegt daran, dass Paulus im Gefängnis ist und seine Leute ihnen vielleicht an manchen Stellen zu konsequent sind und zu viel einfordern. Sie hätten eigentlich gerne ein anderes Christentum. Paulus befürchtet, dass vieles von dem, was sie geistlich aufgebaut haben – an Gemeinden und an Gemeindebewegung – auf der Kippe steht. Dass es sich zerstreut, an Kraft, Niveau und Inhalt verliert.
Er hat wirklich die Befürchtung. Er spricht von einem seiner Mitarbeiter, der ihn verlassen hat, weil er die Welt liebgewonnen hat. Dieser Mitarbeiter ist ja nicht vom Glauben abgefallen, sondern hat gesagt: „Dieses Christentum, wie wir es bisher gelebt und verkündigt haben, ist mir zu extrem. Ich möchte ganz nett mit meiner Familie leben.“ Ob er eine Frau hat, weiß man nicht, aber in seinem Umfeld ist das sicher nicht nur bei Demass so gewesen.
Das war eine Tendenz, die Paulus in den Gemeinden gesehen hat. Er hatte Angst, dass vieles von der Wahrheit, die wichtig ist, verloren geht. Und manchmal haben wir deshalb keinen Mut, weil wir eigentlich resigniert haben.
Wir haben aufgegeben, dass Menschen in unserer Umgebung noch gerettet werden. Warum sollten wir also den Mut haben, das Evangelium zu verkündigen? Wir haben aufgegeben, dass es in unseren Gemeinden vorwärtsgeht, dass geistlicher Tiefgang wächst. Wir haben uns irgendwie aufgegeben, uns mit einem bestimmten Niveau zufrieden gegeben oder würden uns sogar mit einem niedrigeren Niveau zufrieden geben, weil wir resigniert haben.
Und das ist es, was Paulus hier anspricht: „Ich weiß, wem ich geglaubt habe, und ich weiß, dass er mächtig ist.“ Gott hat mir etwas anvertraut, sagt Paulus. Kann ich es bewahren? Nein, ich persönlich kann es nicht bewahren, sagt Paulus, ich bin im Gefängnis, und demnächst bin ich tot.
Aber ich bin überzeugt, dass Gott mächtig ist, das anvertraute Gut zu bewahren. Damit meint er das anvertraute Gut, dieses ganze Lehrgebäude. Wir kommen gleich darauf: Es sind nicht nur fünf oder zehn Lehren, die sich als Regeln jedes Christentums herauskristallisieren, sondern es gibt ein Bild.
Paulus sagt: Das hat Gott mir eigentlich anvertraut, um es zu verkündigen. Aber jetzt bin ich in der Lage, dass ich es ihm anvertrauen muss. In diesem Vers wird nicht deutlich, wer es wem anvertraut. Wahrscheinlich ist beides wahr: Gott hat es Paulus anvertraut, und jetzt sagt Paulus: Letzten Endes muss ich es wieder Gott anvertrauen, weil er mächtig ist, es zu bewahren. Ich selbst bin nicht mächtig, es zu bewahren.
Timotheus, resigniere nicht in deiner Gemeinde, resigniere nicht in Kleinasien, auch wenn momentan vieles in den Gemeinden auf dem falschen Weg ist. Vergiss nicht, wem du geglaubt hast und dass er mächtig ist, dieses Gut zu bewahren.
Die gesunde Lehre, wirklich das ganze Wort Gottes in den Gemeinden, die Gemeinden selbst, die Menschen, die in der Gemeinde sind, die Gemeindebewegung selbst – Gott ist mächtig, das zu bewahren, auch in dieser Situation. Vergiss das nicht.
Das ist ein Grund, warum du mutig sein kannst. Du musst nicht resignieren. Das ist für uns in vielen Situationen wichtig: Wir können mutig sein, weil wir einen mächtigen Gott haben und nicht resignieren müssen.
Verantwortung für die Bewahrung der Lehre
Und jetzt kommen fast dreizehn und vierzehn, und dann bin ich gleich am Ende. Paulus sagt: Du hast nur eine Verantwortung, Timotheus. Ich habe kaum noch eine, weil ich demnächst nicht mehr auf dieser Erde bin. Ich kann nur noch sagen, Gott wird es bewahren.
Aber Timotheus, du hast noch eine Verantwortung: mitzuarbeiten und das zu bewahren, was es zu bewahren gilt. Auch darum musst du mutig sein. Mutig sein innerhalb der Gemeinde, auch innerhalb der Gemeinden, weil du eine Verantwortung hast.
In Vers 13 heißt es: Halte fest das Bild gesunder Worte. Das ist das, was ich gerade gesagt habe: die ganze Lehre, alles, was Gott uns vermittelt hat, müssen wir festhalten. Wir können uns nicht unsere Lieblingslehren raussuchen. Ja, Gott ist nicht nur nett und will uns nur im Alltag unterstützen. Gott ist schon noch viel mehr.
Halte fest das Bild, das Gesamtbild, ausgewogen, der gesunden Worte. Das ist gesund. Halt es fest, Timotheus. Die du von mir gehört hast in Glauben und Liebe den Christus Jesus. Bewahre das Schöne, das anvertraute Gut.
Timotheus, du musst ein bisschen mutig sein, denn es geht um etwas Schönes, das uns anvertraut worden ist. Es geht um eine schöne, gesunde Lehre. Menschen, die zum Herrn kommen, sind für Gott schön, gerade wenn sie ihm wirklich folgen und ihn ganz sehen wollen, ohne bestimmte Dinge auszublenden.
Die Gemeinde ist für Gott schön. Er sagt mal – ich habe das vor ein paar Jahren geschrieben – Timotheus, erinnerst du dich noch an die Epheser? Die Gemeinde ist die Braut Jesu, und diese Gemeinde ist dir anvertraut. Diese Gemeinden werden dir ein Stück weit anvertraut, als anvertrautes Gut durch den Heiligen Geist, der in uns ruht.
Timotheus, du darfst nicht zu zurückhaltend sein, weil es um etwas Schönes geht. Es geht um viele schöne Dinge und um viele schöne Menschen, die Gott uns anvertraut hat. Ja, mir fällt es oft schwer, mutig zu sein, aber Paulus sagt, es gibt viele gute Gründe, nicht übervorsichtig, sondern ein bisschen mutig mit der Wahrheit zu sein.
Und wenn ihr diesen Vers diese Woche auswendig lernen wollt – oder wenn ihr ihn eh schon auswendig könnt – würde ich euch Vers 7 empfehlen: Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Furchtsamkeit gegeben, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit.
Gott hat uns nicht einen Geist der Furcht gegeben, sondern der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit. Wenn wir diesen Vers im Kopf haben, dann werden wir mutig genug sein und vorsichtig genug, um unserer Verantwortung gerecht zu werden.
Das wünsche ich uns sehr, das wünsche ich mir für mich und das wünsche ich euch.
