Ich weiß nicht, ob du schon einmal im Gottesdienst eingeschlafen bist oder vielleicht während deiner Schulzeit im Unterricht. Falls ja, dann sicherlich zur Belustigung deiner Sitznachbarn und bestimmt nicht zur Freude des Predigers oder des Lehrers, der vorne steht.
Solltest du heute Morgen während meiner Predigt einschlafen, werde ich dich nicht tadeln, solange es klingt wie Amen, Amen.
Vielleicht nutzen einige von euch das Losungsbuch. Wir als Familie tun das immer. Wir lesen den Tagesvers, den Wochenspruch und denken darüber nach. Über dem Monat März steht ein Monatswort. Das ist wahrscheinlich der kürzeste Monatsspruch, der möglich ist. Er steht in Markus 13,37: „Wacht“.
Das ist der Monatsspruch für März 2012, also einsilbig: „Wacht“, sagt Jesus.
Wenn wir die Bibel durchgehen, dann gibt es schon so manche Begebenheit, die tragisch wurde, nachdem Menschen eingeschlafen waren.
Simson zum Beispiel fällt uns ein. In Richter 16 schlief er bei seiner Geliebten Delila ein. Danach wurde er kahlgeschoren und geschlagen.
Oder Jona, der Prophet, von Gott beauftragt. Er schlief auf dem Schiff, als er auf der Flucht war. Kurz darauf wurde er über Bord geworfen.
Oder Eutychus – kennt ihr ihn? In Apostelgeschichte 20 schlief er in Troas während eines Gottesdienstes ein. Dann stürzte er aus dem Fenster und starb.
Diese Geschichte möchte ich heute Morgen gerne ein bisschen näher mit euch untersuchen. Ich will euch den Text aus Apostelgeschichte 20,7 vorlesen.
Apostelgeschichte 20, Vers 7: „Am ersten Tag der Woche aber, als wir versammelt waren...“ Der Autor Lukas war ganz offensichtlich mit dabei, denn er schreibt: „als wir versammelt waren, um Brot zu brechen, unterredete sich Paulus mit ihnen, da er am folgenden Tag abreisen wollte, und er zog das Wort hinaus bis Mitternacht.“ Es brannten viele Lampen in dem Obersaal, wo wir versammelt waren. Ein junger Mann namens Eutychus saß im Fenster.
Zunächst einmal möchte ich hervorheben, dass Eutychus anwesend war, als die Christen in Troas zusammenkamen, um Brot zu brechen – also das Abendmahl zu feiern. Er war dabei, als das Wort Gottes durch Paulus weitergegeben wurde und die Predigt gehalten wurde.
Heutzutage schlafen junge Leute in vielen Gottesdiensten unseres Landes nur noch selten – weil sie es lieber zu Hause tun. Sie können sich oft nicht einmal am Sonntagmorgen aufraffen, aus welchen Gründen auch immer. In den meisten Fällen liegt es wahrscheinlich an Desinteresse, sodass viele gar nicht erst zum Gottesdienst kommen.
Es gibt viele Kirchen und Gemeinden, in denen Jugendliche nur noch selten anzutreffen sind. Ich habe oft den Satz gehört: „Ich glaube an Gott, aber ich kann mit der Kirche, ich kann mit Gemeinde nichts anfangen.“ Natürlich muss man das zunächst auseinanderhalten.
Auf der einen Seite haben wir es mit Gott zu tun, der absolut vollkommen ist und dem solche Lieder, wie wir sie gerade gesungen haben, gebühren. Auf der anderen Seite stehen viele Menschen, die enttäuschen und durch und durch fehlerhaft sind. Vielleicht wurde man von gewissen Leuten enttäuscht, die sich fromm geben, aber in Wirklichkeit nicht so sind.
Dann sagt man vielleicht: „Ich lasse es sein.“ Oder man hat einen guten Grund, sonntags morgens lieber liegenzubleiben. Man meint, man könne seinen Glauben und sein Bekenntnis zu Gott auch so aufrechterhalten: „Ich glaube an Gott, kann aber mit Kirche oder Gemeinde nichts anfangen.“
Diese Haltung ähnelt der von Leuten, die sagen: „Ich liebe meine Freundin, aber verschone mich mit der Ehe.“ Es soll nicht zu nahe kommen, nicht verbindlich werden.
Nach meiner Überzeugung geht es im Glauben erst in der Gemeinde richtig zur Sache. Alleinchristentum ist problematisch. Das ist wie im Fußball: Alleine erreicht man nichts, der Gegner ist viel zu stark.
Dieser Norweger Haaland beim BVB ist ein super Spieler. Aber was wäre er ohne die zehn anderen? Gegen Mönchengladbach zum Beispiel, wie gestern, hat er ja auch kein Tor geschossen.
Einer alleine mag sich stark fühlen und die nötige Ausrüstung haben, aber wir brauchen einander. Christsein ist sozusagen ein Mannschaftssport. Gott will, dass wir zusammenwirken und uns ergänzen – je nachdem, wie er uns begabt und ausgestattet hat.
Bei all den vielen Einflüssen, denen du dich in dieser Welt aussetzt – durch Medien, Meinungen und Meldungen – ist der Einfluss aus Gottes Wort der weitaus beste. Dort haben wir es mit dem vollkommenen Gott und seinem vollkommenen Wort zu tun. Es enthält absolute, verbindliche und vertrauenswürdige Aussagen.
Psalm 119 sagt: „Wodurch hält ein Jüngling seinen Pfad rein? Indem er sich bewahrt nach deinem Wort.“
Der Jüngling Eutychus war also dabei, als Paulus mit der Gemeinde über dieses Wort sprach. Es gab viel zu sagen. Paulus hatte tiefen Einblick in das Wort Gottes. Es war ein Dialog, in dem Fragen gestellt wurden und Paulus Antworten geben konnte. Für jeden war etwas dabei, solange Paulus unter ihnen war.
Es war Paulus’ letzter Besuch in Troas. Er musste am nächsten Tag weiterreisen, wie wir gelesen haben. Deshalb gab es noch einiges zu sagen, und niemand wollte etwas verpassen.
Das sind Menschen, vor denen ich gerne predige – egal wie spät es ist. Sie sind dabei, sie wollen die Bibel verstehen. Das ist ein großer Unterschied zu Situationen, in denen man vor Leuten steht, zum Beispiel im Unterricht, die eigentlich nur da sein müssen.
Da schlummern manche vielleicht, oder sind gedanklich ganz woanders, auch wenn die Augen offen sind. Aber wenn du vor Leuten stehst, die jedes Wort aufsaugen, weil sie mit Erwartung da sind – hier habe ich es mit Gott zu tun. Ich kann diesem Gott begegnen, wie du es am Anfang gesagt hast.
Das kann mein Leben verändern und positiv prägen. Ich will mein Leben verbindlich diesem Gott zur Verfügung stellen. Hier kann ich auftanken. Vor solchen Leuten zu stehen und zu predigen, das ist gut.
Wer schon einmal in einem Fußballstadion oder auf einem Musikfestival war, der weiß: Es gibt kaum etwas Schöneres, als gemeinsam mit anderen Fans für eine Sache zu jubeln. Man teilt ein gemeinsames Anliegen und ist gemeinsam begeistert – das ist gut.
Allerdings verlieren sich die Fans nach der Veranstaltung oft wieder an der S-Bahn oder auf dem Parkplatz aus den Augen. Man hat einige Stunden miteinander verbracht, aber das war es meistens.
Gemeinde ist anders. Gemeinde ist beständig, anbetend und anregend. Sie ist die beste Gemeinschaft, die dir auf deinem Weg durch diese Welt begegnen kann.
Gemeinde ist sozusagen ein Reiseunternehmen, das Gruppen zusammenstellt, Bergführer organisiert sowie Sauerstoffzelte und Lazarette bereithält. Es ist die Gemeinschaft der Gläubigen, in der es heißt, sich einander unterzuhaken, sich gegenseitig anzufeuern, dort Mut zu machen, wo es nötig ist, Schwache mitzuschleppen, Starke nachzuklettern und gemeinsam unterwegs zu sein auf dem Weg zum Himmel.
Die besten Begegnungen und die tiefsten Freundschaften sind mir im Gemeindekontext geschenkt worden. Und damit stehe ich heute Morgen ganz sicher nicht alleine da.
Fast sämtliche Bücher des Neuen Testaments sind an Gemeinden adressiert. Es beginnt mit der Gemeinde und den kleinen Hausgemeinden in Rom, der interessanten und nicht ganz einfachen Gemeinde in Korinth, den Gemeinden in Galatien und so weiter.
Das letzte Buch des Neuen Testaments, die Offenbarung, ist gleich an sieben Gemeinden mit Ortsnamen gerichtet. Dabei fällt eine siebenfache Formulierung auf: Jedes Mal heißt es: „Wer ein Ohr hat, der höre, was der Geist den Gemeinden sagt.“
Das ist ein ganz großes Anliegen des Neuen Testaments, ein großes Anliegen Gottes, zu den Gemeinden im Plural zu sprechen. Fast das ganze Neue Testament ist an „euch“, also im Plural, gerichtet.
Gott spricht sein Volk gerne gemeinsam an und legt extremen Wert auf diese Gemeinschaft, diese Verbundenheit untereinander und eben das gemeinsame Lernen.
Im Hebräerbrief steht, dass wir aufeinander achten sollen und unser Zusammenkommen nicht versäumen dürfen (Hebräer 10,25). Davor heißt es, dass wir uns zur Liebe anspornen und dazu, Gutes zu tun.
Es geht nicht nur darum, eine Stunde oder anderthalb im Gottesdienst zu sitzen, sondern vor allem um die Liebe untereinander, die zum Ausdruck kommt.
Anders ist das bei einem Fernsehgottesdienst, bei dem ich diese Gemeinschaft nicht spüren kann. Dort kann ich hinterher nicht nach vorne gehen, meine Fragen loswerden oder ähnliches.
Gut, dass es solche Angebote gibt und dass sie auch genutzt werden. Es gibt Menschen, die nicht mehr aus dem Haus können. Das will ich keinesfalls abwerten.
Aber ich bedaure eigentlich diejenigen, die zu keiner Gemeinde gehören, zu der sie hingehen können – wo sie es mit Brüdern und Schwestern im Glauben zu tun haben, die ihnen guttun.
Welcher Christ will schon behaupten, dass er es ein für allemal geschafft hat? Dass ihm das, was er einmal angenommen hat, keiner mehr nehmen kann?
Wer von euch meint, niemals zweifeln zu werden oder dass ihn die Sünde nicht wieder vereinnahmen kann? Christen sind schließlich auch nur Schafe.
Und ein Schaf, das sich von der Herde trennt, begibt sich in Lebensgefahr. Ein Schaf, das auf sich alleine gestellt ist – zumindest damals zur biblischen Zeit, als es Wölfe oder Löwen gab.
Simson musste sich zum Beispiel einem Löwen entgegenstellen, David war als einzelnes Schaf aufgeschmissen.
Ohne Weggefährten des Glaubens steht man viel stärker in der Gefahr, dem Teufel zum Opfer zu fallen.
Was schreibt Petrus in 1. Petrus 5,8? „Seid nüchtern und wacht! Euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlingen kann.“
Das sind die gefährlichen Situationen eines einzelnen Schafes. Deswegen sucht der Hirte Jesus dich und will dich zurückbringen.
Bald allerdings nur noch körperlich, wie wir sagen.
Jetzt lesen wir noch einmal Vers neun vollständig: Ein junger Mann mit Namen Eutychus saß im Fenster und wurde von tiefem Schlaf überwältigt, während Paulus noch weiterredete.
Das, was wir erfahren, ist nicht besonders positiv, eher ein bisschen peinlich: Eutychus nickt im Gottesdienst weg. Das kann ja mal passieren.
Draußen ist es bereits dunkel, drinnen hat man alle verfügbaren Lichter angezündet. Es waren viele, wie in Vers acht betont wird – ein Saal, der gut ausgeleuchtet war. Der Typ im Fenstersims schlummert, vom Kirchenschlaf überwältigt, trotz der Festbeleuchtung selig ein.
Eutychus heißt auf Deutsch übrigens „der Glückliche“ oder „der Selige“ – selig eingeschlafen.
Wie kann das passieren? Und was ist das Problem, was steckt hier dahinter?
Es ist der erste Tag der Woche, haben wir gelesen, also der Sonntag, so wie heute der erste Tag der Woche ist – nicht der Samstag, nicht der Sabbat, der damals bei den Juden als besonderer Feiertag geheiligt wurde. Der erste Tag der Woche damals war noch ein Arbeitstag. Das ist der Grund, warum man hier abends zusammenkam.
Die Leute haben also tagsüber auf dem Feld oder in der Werkstatt geschuftet. Es kann sein, dass sich Eutychus den ganzen Tag über abgerackert hat und verständlicherweise fix und alle ist. Aber er wollte unbedingt dabei sein und hat sich eben doch noch aufgemacht, um abends dort zu sein, wo die Christen versammelt sind.
Vielleicht ist er wegen seiner Arbeit auch zu spät gekommen. Dann war alles schon besetzt, und er musste eben irgendwo am Rand Platz nehmen. Oder vielleicht hat er auch aus Respekt vor den Älteren auf der Fensterbank Platz genommen.
Das kann alles gut sein, und in dem Fall werde ich den schlafenden Eutychus bestimmt nicht kritisieren.
Wer weiß schon, warum er so platt war? Was wissen wir schon? Es wird ja gar nicht weiter erzählt, wer dieser Eutychus war und was an dem Tag passiert ist.
Vielleicht war tatsächlich die räumliche Enge der Grund, warum Eutychus auf die Fensterbank auswich.
Erfahrungsgemäß gibt es aber auch bei vielen freien Plätzen in einem Gottesdienstraum wie hier solche, die möglichst weit am Rand sitzen.
In Kinderstunden ist das anders, ja, da fühlt sich ein Raum von vorne nach hinten, bei Erwachsenen eher von hinten nach vorne. Man möchte sich lieber ein bisschen hinten oder an der Seite halten.
Ich habe manchmal den Eindruck, dass es Leute gibt, die deshalb so weit am Rand sitzen, weil sie bewusst oder unbewusst mit ihrer Platzwahl eine gewisse Distanz ausdrücken.
Versteht ihr, was ich meine?
Ich glaube, dass solche Leute jede Gemeinde kennt. Sie sind nicht so richtig dabei. Sie hängen mit einem Bein in der Gemeinde, mit dem anderen Bein hängen sie draußen in der Welt.
So sitzt Eutychus am Rande der Gemeinde, an einer Schnittstelle, an der man sagen kann: zwischen Licht und Dunkelheit.
Es kann auch sein, dass ihn das, was im Gottesdienst passiert, gar nicht interessiert. Vielleicht ist er seinen Eltern zuliebe da. Viele in der jungen Generation sagen: „Okay, komm, damit wir keinen Stress haben, gehst du nochmal mit.“
Vielleicht ist er auch wegen der Mädchen da – junger Mann und ganz interessante Frauen, die da so zusammenkommen.
Vielleicht ist er aber auch da, um sein Gewissen zu beruhigen. So Leute gibt es auch, die einfach ein schlechtes Gewissen haben, und das ist der Grund, warum sie dann kommen.
Hat er vielleicht vor lauter Langeweile Schafe gezählt, statt auf den Hirten zu hören? So wird er jedenfalls zum ersten Fall, bei dem sich jemand in der Kirche buchstäblich zu Tode gelangweilt hat.
Gehörst du zu denen, die es nicht abwarten können, bis so ein Gottesdienst zu Ende ist? Das Wort, das dich am meisten aufbaut, ist das Amen am Ende des Gottesdienstes. Danach weißt du: Jetzt kann ich wieder raus ins Freie.
Bald ist Frühling und so frische Luft.
Fakt ist, dass Eutychus trotz der hellen Erleuchtung eingeschlafen ist. In Vers 8 wird betont, dass er trotz der frischen Luft am Fenster eingenickt ist. Damals gab es nämlich keine Fensterscheiben. Außerdem fand die Predigt mit apostolischer Vollmacht statt – es war also nicht irgendeiner, der vorne stand und predigte. Trotz dieser besten Voraussetzungen ist er eingedöst.
Ebenso ist Fakt, dass manche Jünglinge und auch viele junge Frauen schließlich einschlafen. Es ist eine Tatsache, dass trotz der günstigsten Bedingungen, trotz allen lebendigen Christentums um uns herum und trotz einer Initiative, die sich der Gemeindegründung und Evangelisation widmet und für die Gelder gesammelt werden, viele einschlafen.
Wir befinden uns hier im Lahn-Dill-Kreis, der von der Erweckung in Wuppertal über das Siegerland bis in den Westerwaldkreis und weiter bis nach Gießen beeinflusst wurde. Diese Erweckung hat unglaubliche geistliche Bewegungen ausgelöst. Wir sind gewissermaßen die Enkel dieser Erweckung und haben das Privileg, dass es hier, anders als in vielen anderen Teilen unseres Landes, viele Gemeinden und Freikirchen gibt. Wir haben beste Voraussetzungen.
In unseren Kreisen gibt es fundierte Wortverkündigungen. Trotzdem versinkt mancher in geistlichem Schlaf, weil er sich zu sehr an die Situation gewöhnt hat oder weil ihm alles langweilig geworden ist. Dabei verliert er das Bewusstsein für die damit verbundene Gefahr.
Paulus warnt in 1. Thessalonicher 5,6: "Also lasst uns nicht schlafen wie die übrigen, sondern wachen und nüchtern sein."
Wenn man unterwegs ist und den Himmel vor sich hat, dann öffnet man die Augen. Vorgestern ist meine Schwiegermutter heimgegangen. Vor einer Woche erlitt sie einen schweren Schlaganfall. Sie war nicht mehr in der Lage zu schlucken oder sich zu äußern. Durch Handbewegungen zeigte sie jedoch, dass sie bei klarem Verstand war. In den letzten Tagen war abzuspüren, dass sie Sehnsucht nach der Heimat hatte. Sie wurde 71 Jahre alt. Wir hatten nicht damit gerechnet, doch sie wollte heimgehen und hat lebensverlängernde Maßnahmen abgelehnt.
Wenn wir noch einmal Lieder mit ihr gesungen haben, wurden ihre Augen ganz wach. Wenn du weißt, dass du unterwegs bist auf dem Weg zum Himmel, dann reißt du die Augen auf. Du machst sie nicht zu und schläfst nicht einfach vor dich hin.
Wenn du weißt, dass dieser brüllende Löwe hinter dir her ist, wer geht denn so seinen Weg gemütlich und schläfrig, wenn er weiß, dass dieser Löwe in der Nähe sein kann? Da reißt du die Augen auf und musst hellwach sein.
Wenn neben dir jemand in Gefahr ist einzudösen und schon schwer atmet, dann gibst du ihm vielleicht einen kleinen Anstoß, damit es nicht peinlich wird. Vielleicht kann dieser Vormittag für dich so ein Anstoß sein, weil du schläfrig geworden bist.
Ein Christ soll nicht schlafen wie ein toter Stein. Ein Christ soll sich wie ein lebendiger Stein bearbeiten und aufbauen lassen zu einem geistlichen Tempel. Das ist unsere Bestimmung.
Keith Green hat wie kaum ein anderer Musiker vor einem hingabelosen Glauben gewarnt. Er verstarb leider früh, im Jahr 1982, bei einem Flugzeugabsturz. Dennoch verdient seine Botschaft es, immer wieder gehört zu werden. Seine Worte sind beeindruckend.
Keith Green sagte: „Die Welt schläft im Dunkeln, und die Kirche tut nichts, weil sie im Licht schläft. Wie kannst du so tot sein, wenn du doch so wohl genährt wurdest? Jesus ist von den Toten auferstanden, und du kommst nicht mal aus dem Bett heraus? Wie kannst du so gefühllos sein und dich nicht darum kümmern, dass Menschen verloren gehen? Verschließe deine Augen nicht und tu nicht so, als wäre schon alles getan.“
Im weiteren Verlauf wird eine Szene beschrieben, die mitten in Vers neun steht: „Schlafüberwältigt fiel er vom dritten Stock hinunter und wurde tot aufgefunden. Paulus aber ging hinab, warf sich über ihn und umfasste ihn. Dabei sagte er: Macht keinen Lärm, denn seine Seele ist in ihm.“ Danach stieg Paulus wieder hinauf, brach das Brot, aß und sprach lange bis zum Anbruch des Tages. Dann reiste er ab. Den Jungen brachten sie lebend zurück, was sie sehr tröstete.
Als Eutychus aus dem Fenster fällt, nimmt die Szene eine dramatische Wendung. Wäre er aus dem ersten Stock gefallen, hätte das Gelächter ausgelöst. Doch er stürzt aus dem dritten Stock – damals ein hohes Haus. Das ist keine Komödie, sondern eine Tragödie. Eutychus verliert zuerst das Bewusstsein, dann das Gleichgewicht und schließlich das Leben.
Dieses Bild wiederholt sich immer wieder: Aus schlafenden Christen werden fallende Christen – das ist das Problem. Wenn jemand einschläft oder ein paar Wochen nicht zur Gemeinde kommt, fällt das vielleicht noch nicht so sehr auf. Doch das eigentliche Problem ist, dass aus schlafenden Christen schnell fallende Christen werden.
Dann ist man nicht mehr ganz dabei. Man verliert das Bewusstsein dafür, wie schön das Leben mit Jesus ist. Man verkriecht sich in irgendeine Nische und fällt plötzlich aus der Gemeinschaft heraus. Viele, die einst mitgegangen sind und dazugehören wollten, verlieren den Kontakt zur Gemeinde. Sie finden die Zusammenkünfte todlangweilig, vernachlässigen sie und fallen irgendwann hinten runter. Manche steigen bewusst aus und sagen: „Reicht mir, ich melde mich ab.“
Eine Zeit lang funktioniert das. Was das persönliche Wohlbefinden betrifft, macht es vielleicht keinen großen Unterschied, ob mit oder ohne Gemeinde.
Ich denke an einen Mann, der im christlichen Elternhaus aufgewachsen ist. Als Kind hat er eine Entscheidung für Jesus getroffen. Später saß er bei der Steps-Konferenz in Dillenburg neben mir. David Kröker predigte gerade vorne und stellte die Frage: „Kannst du ohne Gott leben?“ Der Mann neben mir murmelte leise: „Ja, kann ich.“
Ein Jahr später zerbrach seine Ehe. Als ich ihm dann sagte, dass Mimi, meine Frau, und ich jeden Tag für ihn beten, murmelte er nur „Danke“. Doch dieses „Ja, kann ich“ ist eine maßlose Selbstüberschätzung. Was kann ich schon? Hier zeigt sich der Verlust der christlichen Tradition.
Tradition ist nicht nur negativ. Traditionalismus lehne ich ab; das ist der tote Glaube derer, die noch leben. Aber Tradition ist der lebendige Glaube derer, die gestorben sind. Das möchte ich mitnehmen. In diesem Fall hat der Verlust der in der Familie vorhandenen Tradition den Verlust von Lebenshalt nach sich gezogen.
Wie schnell verliert ein Mensch den Halt im Leben! Deshalb fordert Jesus in diesem Monatsspruch aus Markus 13,37 auf: „Wacht!“ Wenn jemand nicht mehr wacht, ist das ein Warnsignal. Übrigens geht es in dem Zusammenhang, in dem Jesus das sagt, um seine Wiederkunft.
Jesus kann jederzeit wiederkommen. Auch wenn du sagst, du bist nicht schlaganfallgefährdet, Sport machst und dich gesund ernährst, oder keine Angst vor Corona hast – Jesus kommt wieder. Dabei wird nicht gefragt, ob du gesund bist oder ob es dir gerade passt.
Vielleicht hast du gerade noch ein Projekt vor dir oder willst eine Familie gründen. Doch Jesus kommt in dem Moment, in dem niemand damit rechnet. In diesem Zusammenhang sagt Jesus: „Wacht!“ Wenn jemand nicht mehr wacht und betet, muss man das Schlimmste befürchten.
Wie oft sind schläfrige Christen zu unserem Entsetzen und zur Freude der Welt abgestürzt! Die Welt draußen freut sich und sagt: „Schau, war auch mal einer von denen.“ Das ist ein guter Grund, wieder einmal über die Gemeinde nachzudenken.
Eutychus bedeutet, wie gesagt, Glück. Das Ende vom Sturz des Eutychus kann man ohne weiteres als Glücksfall bezeichnen. Der Apostel unterbricht seine Rede, was auch nötig ist, denn die ganze Gemeinde ist plötzlich nicht mehr da. Die Bestürzten schauen auf den Gestürzten.
Mitten im nächtlichen Gottesdienst ist die Gemeinde auf dem Weg nach unten vom Festsaal in den Hinterhof. Die Gemeinde schaut nicht nur auf den Bedauernswerten, sondern rennt nach unten, weil da ein Mensch am Boden liegt.
Wir reden oft über Leute, bei denen wir nicht genau wissen, ob sie noch dabei sind. Man ärgert sich vielleicht über den einen oder anderen, der nicht mehr kommt oder sich von der Gemeinde abgesetzt hat. Aber es ist doch beeindruckend, was wir hier sehen: Wenn eine Gemeinde bereit ist, nachts auf die Straße zu gehen, um einen Menschen zu suchen, egal wo er gelandet ist.
Sie gehen alle nach unten. Paulus sagt dann zu ihnen: „Mach nicht so einen Lärm“, denn sie stehen alle um ihn herum. Als sie dann runterkommen, müssen sie feststellen, dass er kein Lebenszeichen mehr von sich gibt.
Als Arzt ist Lukas autorisiert, den Tod festzustellen. Eutychus war tot. Er war doch noch so jung. Sicher weinen einige laut. Andere machen sich Vorwürfe, weil sie ihn auf der Fensterbank zwar beobachtet, aber nicht gewarnt haben.
Wieder andere regen sich vielleicht über die Gemeinde auf, diskutieren ein neues Sicherheitskonzept und fordern vergitterte Fenster. Noch einmal andere sind sowieso der Ansicht, dass die Gemeinde zu offen ist und Fenster grundsätzlich überflüssig sind.
Dann tritt Paulus vor. Er diskutiert nicht, sondern handelt. Er legt sich auf den leblosen Körper, bittet die Leute, sich zu beruhigen. Man wird an eine Geschichte aus dem Alten Testament erinnert: Elija hat den Sohn einer Witwe auf ganz ähnliche Weise wieder zum Leben erweckt.
Das sehen wir in 1. Könige 17. Dort wird deutlich, dass die äußere Handlung, sich auf den Körper des Jungen zu legen, von intensivem Gebet des Propheten begleitet war. Ganz sicher hat Paulus auch gebetet. Die Kraft Gottes ließ schließlich das Leben des Jungen zurückkehren.
Leider neigen wir als Christen eher dazu, viel Lärm um Personen zu machen, von denen wir hören, dass sie abgestürzt sind. Statt wie Paulus zu handeln, uns zu ihnen niederzubeugen und für oder mit ihnen zu beten.
Die Anwendung heute ist nicht, dass Predigten gefährlich sind und man sich deshalb lieber fernhalten sollte. Ich glaube, das habt ihr verstanden. Ganz im Gegenteil: Ohne Gemeinde lebst du gefährlich. Bleib nicht am Rand, schlaf nicht ein und stürz nicht ab. Komm zur Mitte, komm zu Jesus.
Die Mitte der Gemeinde bildet Jesus. Dort ist es am wärmsten und du bist am sichersten – bei ihm.
Sie brachten den Jungen lebend zurück und wurden dadurch sehr getröstet. Von bleibenden Schäden ist nichts bekannt. Für die Gemeinde in Troas war es ein großer Trost, dieses Wunder in den eigenen Reihen erlebt zu haben.
Ein wesentlicher Punkt ist, dass uns Gläubigen versichert wird, dass der Tod nicht das Ende ist. So wie in der Geschichte der Tod nicht das Ende war, wird er auch in deiner und meiner Lebensgeschichte sowie in der Geschichte meiner lieben Schwiegermutter nicht das Ende sein.
Meine Schwiegermutter lebt. Ihren Körper werden wir am Dienstag zu Grabe tragen, aber das ist wie ein alter Mantel, den sie abgelegt hat. Den neuen trägt sie bereits.
Eutychus hatte Glück. Der Apostel Paulus hat ihn mit Gotteskraft zum Leben erweckt. Und wenn du an Jesus glaubst und wenn die Mitte deines Lebens Jesus ist, dann hast auch du Glück. Denn auch dein Tod wird dann nicht das Ende sein.