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Die Schattenseiten des Glaubens

08.01.1998Apostelgeschichte 14,19-22

Einleitung

Im Jahr 111 n. Chr. das sind ca. 80 Jahre nach der Kreuzigung von Jesus, schreibt Plinius (1) dem Kaiser in Röm einen Brief und fragt ihn, wie er sich gegenüber den Christen verhalten sollte. Dabei schildert er, wie er es bis jetzt handhabt. Er schreibt: Ich habe sie gefragt, ob sie Christen seien. Die Geständigen fragte ich unter Androhung der Todesstrafe ein zweites und ein drittes Mal. Diejenigen, die hartnäckig darauf beharrten, liess ich zur Hinrichtung abführen. Denn darüber bestand für mich kein Zweifel: Was es auch sein mochte, das sie zu gestehen hatten – ihr Starrsinn und ihre trotzige Verstocktheit verdienten auf jeden Fall Bestrafung. (2)

Wir könnten die ganze Menschheitsgeschichte durchqueren und ich weiss nicht ob die Zentralbibliothek die Bücher fassen, die es ergäbe, wenn wir alle Folterungen und Hinrichtung aufschreiben würde, die begangen wurden, weil Menschen an Jesus glaubten. Und es werden immer noch Geschichten geschrieben. Die Verfolgung von Christen ist noch nicht abgebrochen.

Kein schönes Thema. Es ist die Schattenseite unseres Glaubens, der wir nicht so gern in die Augen sehen und doch gehört es zur grundlegenden Unterweisung der Gläubigen. Paulus ist auch ein Beispiel für diese Tatsache. Paulus befindet sich mit Barnabas auf der ersten grossen Missionsreise. Die Reise führt von Antiochia in Syrien ausgehend über Zypern in das Gebiet Pisidien u. Pamphylien, der heutigen Türkei. In Ikonien predigen sie und es kommen viele Menschen zum Glauben an Jesus. Doch hetzte eine starke Schar gegen die Christen und vor allem gegen die Apostel. Es kam soweit, dass sie Paulus und Barnabas misshandeln und steinigen wollten (Apg.14,5). Als sie das merkten flohen sie und kamen nach Lystra. Auch dort predigten sie das Evangelium. Paulus heilte einen gelähmten Mann. Als das die Menschen sahen hoben sie an, Paulus und Baranbas als Götter zu verehren. Und sie nannten Barnabas Zeus und Paulus Hermes, weil er das Wort führte. Apg.14,12. So wollten sie ihnen Opfer darbringen. Sie wehrten sich und erklärten, sie seien wirklich sterbliche Menschen, sie würden ihnen gerade die Botschaft bringen, dass sie sich von Göttern abwenden sollen. Und obwohl sie das sagten, konnten sie kaum das Volk davon abbringen, ihnen zu opfern. Apg.14,18. In diese Situation hineinkamen Juden aus Antiochia und Ikonien und das gab diesem Geschehen eine ganz tragische Wende. Text lesen: Apg.14,19-22

I. Geschlagen und Gedemütigt (19-21)

Man kann sich das kaum vorstellen. Zuerst verehrten sie sie als Götter und dann kommen Leute und machen Stimmung in eine andere Richtung und plötzlich sehen sich die Gefeierten als Opfer bei einer Hinrichtung. Wie unberechenbar Menschen sein können! Sie steinigen Paulus und schleifen ihn vor die Stadt. Steinigung ist keine schöne Todesart. Jede Art von Folter ist schlimm und brutal ist. Man stirbt dabei an Steinen, mit denen man beworfen wird. Wie scherzhaft das ist, kann sich jeder selber ausmalen. Jedenfalls wurde Paulus dermassen massiv mit Steinen beworfen, dass sich alle sicher waren, er sei jetzt Tod und sie hätten das Problem aus der Welt geschafft.

Die Christen bleiben – und vermutlich sehr fassungslos – um den Leichnam Paulus stehen. Wie müssen sie traurig und frustriert gewesen sein. Vielleicht auch verzweifelt: soll es das gewesen sein? Ist das das Resultat unseres neuen Glaubens? Und als sie dastanden, erhob sich Paulus plötzlich. Was muss das für eine Freude gewesen sein. Nun steht er auf. Vermutlich wurden die Wunden noch etwas behandelt und sie kehrten in die Stadt zurück. Ich weiss nicht, ob ich das gemacht hätte, oder ob ich nicht das Weite gesucht hätte. Jetzt habe ich mein Pensum erfüllt. Nein, Paulus geht zurück in die Stadt und zieht am anderen Tag weiter nach Derbe, um auch dort das Evangelium zu verkündigen. Hat das Paulus denn alles so mit links bewältigt? Machte ihm das nichts aus? Gehört er vielleicht sogar zu den Menschen, die gerne leiden? Nein – Paulus liebte es nicht zu leiden. Wenn er konnte, wich er dem Leiden aus. Aber er war auch bereit sich dem Leiden zu stellen, wenn es nicht anders ging. Eine Aussage des Paulus gegenüber den Korinthern macht deutlich, wie schwer solche Situationen Paulus zusetzten. Er schrieb:

 2Kor 1,8 Denn wir wollen euch, Brüder, nicht in Unkenntnis lassen über die Bedrängnis, die uns in Asien widerfahren ist, daß wir übermäßig schwer zu tragen hatten, über Vermögen, so daß wir selbst am Leben verzweifelten;  2Kor 1,9 ja wir hatten bei uns selbst schon das Todesurteil über uns gefällt, damit wir nicht auf uns selbst vertrauten, sondern auf den Gott, der die Toten auferweckt.

Wenn es dann so ist, warum lädt sich Paulus das auf. Er könnte doch ein anderes Leben führen. Er wäre genug gebildet gewesen, um in seiner Zeit Karriere zu machen. Ein interessanten und erfülltes Leben zu führen. Die Weltsicht des Paulus war nicht einzig von dem Bestimmt, was ihm diese Welt geben könnte. Vielmehr war er darauf ausgerichtet, was in der Ewigkeit bestand hat. So schreibt er im selben Brief an die Konrither:  2Kor 4,16 Darum werden wir nicht entmutigt; sondern wenn auch unser äußerer Mensch zugrunde geht, so wird doch der innere Tag für Tag erneuert.  2Kor 4,17 Denn unsere Bedrängnis, die zeitlich und leicht ist, verschafft uns eine ewige und über alle Maßen gewichtige Herrlichkeit,  2Kor 4,18 uns, die wir nicht sehen auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare; denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig. Paulus lebte für dieses unsichtbaren und ewigen Werte.

Evangelisation

Kennt Dein Leben diese Ausrichtung? Oder bist Du einzig darauf ausgerichtet in diesem Leben, in dieser Wirklichkeit, alles herauszuholen, was man holen kann. Dann bist Du eigentlich ein bedauernswerter Mensch, denn diese Welt kann Dir nur scheinbar viel geben, am Ende wird Dir alles aus den Händen gerissen. Wer die ewigen Werte kennt, der weiss, dass es sich lohnt für diese Werte sein Leben zu investieren. Jesus sagt:  Lk 12,4 Ich sage aber euch, meinen Freunden: Fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten und nachher nichts weiteres tun können.  Lk 12,5 Ich will euch aber zeigen, wen ihr fürchten sollt: Fürchtet den, welcher, nachdem er getötet, auch Macht hat, in die Hölle zu werfen! Ja, ich sage euch, den fürchtet! Respektierst du Gott mehr als alles andere? Gott will dich nicht ins Verderben bringen. Er möchte dass Du Dein Leben auf festen Grund baust. Und es gibt nur einen festen Grund, wie Paulus sagt: Einen andern Grund kann niemand legen als den, der gelegt ist, welcher ist Jesus Christus. 1.Kor.3,12. Wenn Dein Leben nicht in Jesus gründet, so komm heute Morgen zu ihm. Warte nicht länger. Gott liebt Dich und möchte Dich retten. Deshalb gab er seinen Sohn in den Tod. Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Joh.3,16.

II. Ermutigung zum Glauben (22)

Paulus zieht nochmals durch die Städte und es heisst hier: Sie stärkten die Seelen der Jünger und ermahnten sie, im Glauben zu bleiben, und sagten: Wir müssen durch viele Bedrängnisse in das Reich Gottes eingehen. 22. Diese Botschaft, dass der Christ durch viele Bedrängnisse, durch Leiden in das Reich Gottes eingehen muss ist eine grundlegendes Thema in der damaligen Verkündigung. Es war auch schon ein Thema, das von Jesus aufgegriffen wurde, so sagte er als er die Jünger auf die kommende Zeit vorbereitete:  Mt 24,9 Alsdann wird man euch der Bedrängnis preisgeben und euch töten; und ihr werdet gehaßt sein von allen Völkern um meines Namens willen.  Mt 24,10 Und dann werden viele Anstoß nehmen und einander verraten und einander hassen. Unweigerlich kommt die Gemeinde immer wieder in Bedrängnis. Und gerade in solchen Zeiten sorgten sich die Apostel um die Gemeinden, denn sie fürchteten, sie würden sich unter diesem Druck vom Glauben abwenden. So wie wir das aus dem Gleichnis vom Sämann kenne, wo Jesus erklärt:  Mt 13,20 Auf den felsigen Boden gestreut aber ist es bei dem, welcher das Wort hört und alsbald mit Freuden aufnimmt;  Mt 13,21 er hat aber keine Wurzel in sich, sondern ist wetterwendisch. Wenn nun Bedrängnis oder Verfolgung entsteht um des Wortes willen, so nimmt er alsbald Anstoß.

So bemüht sich Paulus, die Christen mit dieser Schattenseite des Glaubens, leben zu lernen. Er macht ihnen deutlich, dass es sich lohnt, um des Glaubens willen zu leiden. So bangte Paulus auch um die Gemeinde in Thessaloniki. Er schreibt, warum er ihnen Timotheus sandte: 1Thes 3,2 und sandten Timotheus, unsren Bruder, der Gottes Diener und unser Mitarbeiter am Evangelium ist, daß er euch stärke und ermahne in betreff eures Glaubens, 1Thes 3,3 damit niemand wankend werde in diesen Bedrängnissen; denn ihr wisset selbst, daß wir dazu bestimmt sind. 1Thes 3,4 Denn als wir bei euch waren, sagten wir euch voraus, daß wir Bedrängnisse würden leiden müssen, wie es auch gekommen ist und ihr wisset. 1Thes 3,5 Darum hielt ich es auch nicht mehr länger aus, sondern ließ mich nach eurem Glauben erkundigen, ob nicht etwa der Versucher euch versucht habe und unsre Arbeit umsonst gewesen sei. Es musste also der Gemeinde immer wieder gesagt werden, dass der Glaube Leiden mit sich bringt. Der Preis für unseren Glauben kann sehr hoch sein. Bei uns in der Schweiz sind wir ja noch sehr frei. Doch scheuen wir uns oft schon in unserem Umkreis Farbe zu bekennen, weil wir uns nur schon ab den einfachsten Reaktionen fürchten. Wir haben Angst um unseren Ruf. Aber eben, auch einen sogenannten guten Ruf, können wir nicht in die Ewigkeit retten.

Anwendung

Weil es uns so gut geht, vergessen wir oft wieviele Christen heute noch unter Verfolgung leiden. Im Juli erhielt ich einen Brief von Missionaren, dort war folgendes zu lesen:

Liebe Freunde,
in den vergangenen Tagen haben wir schlechte Nachrichten aus dem Sudan erhalten. Unsere Freunde Farouk und Joy sind von der Geheimpolizei unter starken Druck gekommen. Sie befinden sich in einer sehr schwierigen Lage und wir bitten Euch, legt diesen Brief nicht aus der Hand, bevor ihr nicht für sie und ihre Kinder um Bewahrung gebetet habt. Noch ernster ist die Nachricht, dass zwei uns bekannte Konvertiten im Sudan inhaftiert sind und einer von ihnen wahrscheinlich zum Tod verurteilt wurde. Er soll noch zwei Monate Zeit haben, um wieder zum Islam zurückzukehren... (3)

Ja, wie würde ich mich wohl entscheiden, wenn ich zwei Monate Zeit hätte, um mich vom Glauben zu lösen, damit ich mein Leben davon bringe? Manchmal überlege ich, ob uns nicht unser Wohlstand leidensscheu macht. Denn wenn ich viel habe, meine ich, ich könnte viel verlieren. Wenn ich nichts als mein Leben habe, so kann ich nur gewinnen. Wie auch immer. Wir müssen uns fragen, wieviel wir bereit sind für das Reich Gottes zu opfern. Wie hoch ist unser Leidensbarometer?

Schluss

Bei uns ist dieses körperliche Leiden noch nicht aktuell. Wir werden auch nicht besonders bedrängt. Trotzdem müssen wir uns immer wieder vor Augen führen, dass dies vorkommen kann. Und wenn es vorkommt nichts aussergewöhnliches ist. Wenn wir eine Arbeitsstelle nicht erhalten, weil wir bekennende Christen sind, ist das nichts aussergewöhnliches.

Sorgen, ob wir zum Leiden die nötige Kraft haben werden, müssen wir uns nicht machen. Das hat keinen Sinn. Corrie ten Boom, die mit Leiden sehr vertraut ist, erzählt von sich: Corrie ten Boom erzählt: Als ich ein kleines Mädchen war, sagte ich zur meinem Vater: "Papa, ich habe Angst, ich werde nie stark genug sein, um ein Märtyrer zu werden." Da fragte mich der Vater: "Sag mal, wann gebe ich dir das Fahrgeld, wenn du eine Reise machst? Drei Wochen früher?" "Nein, Papa, an dem Tag, an dem ich verreise!"
"Genau. Und siehst du, deshalb gibt dir dein himmlischer Vater nicht heute die Kraft, Verfolgung zu ertragen, wenn dich niemand verfolgt und du diese Kraft gar nicht brauchst. In dem Augenblick, wo du für Jesus leiden musst, wird er dir die nötige Kraft geben. Im Augenblick brauchst du sie nicht." (4)

Wir werden im richtigen Zeitpunkt die nötige Kraft bekommen. Und doch müssen wir uns selber dazu entscheiden. Das Lied "Ich bin entschieden zu folgen Jesus" drückt dies in der zweiten Strophe schön aus: Ob niemand mit mir geht, doch will ich folgen, ob niemand mit mir geht, doch will ich folgen, ob niemand mit mir geht, doch will ich folgen. Niemals zurück, niemals zurück.

----------------------- (1) Plinius Secundus der Jüngere (62-113 n.Chr.)

(2) Plinius: Der Briefwechsel mit Kaiser Trajan, X, 96.

(3) Rundbrief Nr.20, Juli 1998, Reinhold & Marie-Luise S., Missionare in Sudan.

(4) Bsp.859.