Die ernste Botschaft der Gerechtigkeit vor Gott
Viermal, liebe Gemeinde, hier im Saal und drüben im Altenzentrum, ist dieser eine Satz der Bibel an zentralen Stellen zitiert worden: Der Gerechte wird aus dem Glauben leben.
In dem biblischen Predigtfundament, das uns heute mit vielen Gemeinden unseres Landes verbindet, ist es sogar noch ganz persönlich formuliert: Mein Gerechter wird durch den Glauben leben. Und dann folgt dieser Satz, voll Ernst: Wenn er aber zurückweicht, dann hat meine Seele keinen Gefallen an ihm. An ihm spricht Gott der Herr. Da hört dann der Spaß auf.
So habe ich es vor einiger Zeit in der Stuttgarter Zeitung gelesen. Es war nicht die Rede von Pöbeleien im Weindorf in Stuttgart, auch nicht von Stuttgart 21. Da hört der Spaß auf. Es ging um die Bibel – etwas, was man sonst in der Stuttgarter Zeitung ziemlich selten liest.
Es wurde dargestellt, dass im Augenblick die Christenheit unterwandert und durchdrungen wird von einer Strömung, in der es heißt: „Ha, sprecht doch nicht so viel von Gerechtigkeit und von Jesus und von Gnade und von Sünde. Macht es doch ein bisschen fröhlicher, erträglicher, ohne Ecken und Kanten, gefälliger.“
Und dann hieß es in der Zeitung: Wer die Bibel ernst nimmt, besonders den Apostel Paulus, der merkt: Da hört der Spaß auf. Weil die Bibel uns eigentlich dauernd daran erinnert, lieber Mensch, wie ist es denn, wenn du vor dem Gott stehst, vor dem wir gesungen haben: „Heilig, heilig!“ – „Heilig ist Gott der Herr, alle Lande sind seiner Ehre voll.“ Bin ich auch der Ehre Gottes voll? Kann ich überhaupt vor ihm bestehen? Da hört der Spaß auf.
So etwas liest man ja selten in der Zeitung, und deshalb hat es mich gefreut. Im Sinn habe ich es hier noch einmal zitiert. Der Artikel sagte, die Christenheit muss aufpassen, dass es nicht bloß um Späßchen und Tralala geht, sondern dass diese Frage wachgehalten wird, die einmalig der Christenheit anvertraut ist als einziger gesellschaftlicher Gruppe.
Wir sollten stolz darauf sein: Wie kann ich als fehlbarer Mensch – Sie sind ja auch, wie ich, wahrscheinlich nicht so schlimm, aber fehlbare Menschen – wie kann ich vor dem heiligen Gott bestehen? Da hört der Spaß auf.
Freude und Ernst im Christsein
Aber zuerst möchte ich etwas sagen, wo der Spaß nicht aufhören muss. Es ist schade, dass oft angenommen wird, Christsein sei eine bierernste Angelegenheit. Nikolaus Ludwig von Zinzendorf hat in die Christenheit hineingerufen: Wir sind des Heilands fröhliche Leute.
Das war nicht seine Erfindung, sondern er hat den Apostel Paulus ernst genommen. Man kann sich nur freuen, dass der große heilige Jesus, der Erbarmer, mich bei sich haben will. Das ist schöner als alle Weihnachtsbescherungen zusammen. „Freut euch im Herrn alle Wege“, sagt Apostel Paulus.
Ein Besucher im jungen Korntal im Jahr 1820, der eigentlich erwartet hatte, dort nur traurige Finsterlinge anzutreffen, sagte zu Gottlieb Wilhelm Hofmann: „Gottlob, Sie lachen ja. Ich habe gedacht, das dürfte man in Korntal gar nicht.“
Ich habe mich gefreut, als vor 14 Tagen ein Korntaler Geschäftsmann zu mir sagte: „Die von der Brüdergemeinde erkennt man eigentlich daran, dass sie immer freundlich grüßen. Ich weiß nicht, ob Sie zur Brüdergemeinde gehören, aber wenn das unser Ausweis ist, dann strahlt eine Freude aus uns.“
Und wenn sogar die anderen das merken, so wie bei Johannes Kulln, dem ersten Institutsvorsteher. Er hatte viele Sorgen um das finanzielle Durchkommen seines Instituts. Man wusste: Wenn er Loblieder sang, die durchs ganze Haus schallten – dort, wo jetzt nur noch eine Ruine steht –, dann hatte er finanzielle Sorgen.
Man kann den Kummer sich vom Herzen singen. Und er hat auch gesagt: Christen sind fröhliche Leute. Sie singen, wie die Vögel fröhlich singen, umgeben von Gottes Gnade.
Dieter, manchmal bin ich fast neidisch auf dich und manche andere Glieder der Brüdergemeinde, dass ihr so fröhlich strahlen könnt. Ich schaffe das nicht. Eigentlich gehört es zu jedem richtigen amerikanischen Pfarrer, dass die Predigt mit einem Späßle beginnt. Das schaffe ich auch nicht, aber ich bin ja kein Konrad Eisler.
Aber wir müssen die Freude nicht abgeben wie einen nassen Schirm an der Garderobe, wenn wir Christen sind. Wir sind keine Kopfhänger. Deshalb ist es ein Ort, wo der Spaß nicht aufhören muss, wenn wir zu Jesus gehören wollen.
Die Notwendigkeit der Demut vor Gott
Aber es gibt auch Gelegenheiten, bei denen man den Kopf hängen lassen muss. Besonders eindrücklich ist das Beispiel des großen Soldatenkönigs Friedrich I. Er stand in seelsorgerlicher Verbindung mit Nikolaus Ludwig von Zinzendorf. Zinzendorf bemühte sich darum, dass der große Soldatenkönig einen echten Jesusglauben finden würde.
Friedrich schrieb an den Grafen: „Ein Kopfhänger bin ich nicht geworden und möchte auch kein Kopfhänger werden, denn ich denke nicht, dass wahres Christentum darin besteht.“ Darauf antwortete Zinzendorf mit großem Respekt: „Aber klar, ein Kopfhänger bin ich auch nicht und gedenke es auch nicht zu werden. Ich versuche, so gerade wie möglich zu gehen.“
Doch es gibt Gelegenheiten, da müssen auch Könige krumm und gebeugt gehen – nämlich wenn die Sünden über ihr Haupt gehen. So heißt es in Psalm 38,4: „Ich bin gebückt, denn meine Sünden gehen über mein Haupt.“
Etwas weniger kraftvoll, sondern eher schwäbisch schlicht, hat ein schwäbischer Stundenmann gesagt: Man sagte zu ihm: „Karle, guck doch nicht immer so traurig! Die Freude am Herrn ist unsere Stärke. Immer fröhlich, immer fröhlich!“ Er antwortete: „Ich kann doch nicht fröhlich gucken, wenn ich an meine Sünden erinnert werde.“
Nicht ständig, aber wenn wir plötzlich vor die Wirklichkeit des heiligen Gottes gestellt werden, dann kommt die Frage auf. Ich möchte dazu die Stichworte aus unserem Bibelwort verwenden: Kann denn Gott Gefallen an mir haben? Kann er sich mit mir sehen lassen? Kann Gott Freude daran haben, dass ich mich auf ihn berufe, oder ist es ihm peinlich? Kann ich vor Gott leben, oder weist er mich zurück?
Die Begegnung mit dem heiligen Gott
In der Bibel wird erzählt von Mose, der plötzlich einen feurigen Busch sieht. Er war im Grunde genommen Naturschützer und musste darauf achten, dass das Feuer nicht ausgeht, bevor es die Steppe erreicht. Plötzlich merkt er: Das ist Gott! Er wirft seine Schuhe ab, denn das ist heiliges Land. Mose verbirgt sein Angesicht und zittert, denn er spricht: „Wie kann ich leben, wenn ich Gott begegne?“ Aus dem tätigen Naturschützer ist plötzlich ein Häuflein Elend geworden, als er dem heiligen Gott begegnet.
Jahrzehnte später, als das Volk Israel durch Mose herausgeführt wurde und am Horeb angekommen war, wollte Gott seinem Volk noch einmal bestätigen und festigen: „Ich bin der Herr, dein Gott.“ Für Israel war es, als würden plötzlich alle erschreckenden Elemente zusammenkommen. Sie hielten sich die Ohren zu und schrien: „Mose, rede du mit uns, aber lass nicht Gott mit uns reden. Von dem können wir nicht mehr existieren.“
Wir können über lange Zeit hinweg so tun, als sei verhältnismäßig mit uns alles in Ordnung, auch wenn wir ein waches Gewissen haben. Doch etwas ganz anderes ist es, wenn wir plötzlich vor dem heiligen Gott stehen und er uns begegnet. Luther hat Gedichte geschrieben, in denen er seine Angst ausdrückt: „Die Angst, mich zu verzweifeln, trieb das Nichts, denn Sterben bei mir blieb, zur Hölle musste ich sinken. Ich kann nicht mehr.“
Kann sich Gott denn über mich freuen? Kann er Gefallen an mir haben? Das ist ein Ausdruck aus Hebräer 10. Die Frage lautet: Bin ich denn vor Gott gerecht? Bin ich Gottes gerecht? Man kann sich natürlich fragen, was das für ein seltsamer Ausdruck ist. Warum eigentlich? Wenn wir zum Beispiel von familiengerechten Wohnungen sprechen, können wir uns etwas darunter vorstellen. Oder wenn Sturgoy schreibt, es sei höchste Zeit, dass die Verkehrsführung unserer Straßen verkehrsgerecht ist und nicht dem Trampelpfad folgt, dann verstehen wir, was gemeint ist.
Aber wenn wir gefragt werden: „Bin ich denn gottgerecht, vor Gott gerecht?“, dann hilft kein einfaches „So sei es“. Wir können es nicht einfach machen, auch wenn wir es gern wären. Wie oft haben wir uns an Silvester vorgenommen, ab sofort soll es anders werden mit uns – geduldiger, liebevoller. Oder wenn es zu Hause Streit gab, haben wir gesagt: Ab sofort soll es anders werden. Aber wurde es anders? Wir können es doch gar nicht.
Die Unmöglichkeit eigener Gerechtigkeit
Beim besten Willen schaffen wir es nicht. Unsere Gerechtigkeit – ich habe es vor vier Wochen schon einmal zitiert – ist vor Gott wie ein beflecktes Gewand.
Kann Gott Gefallen an mir haben? Eigentlich hätten wir längst selbst darauf kommen können, dass das die Menschheitsnot ist. Ist Ihnen klar, wenn der Apostel Paulus sagt, es sind allesamt Sünder, und der gerechte Gott möchte Menschen gerecht machen?
Das ist nicht der Absolutheitsanspruch der Christenheit, dass sie eine Botschaft für die ganze Welt hat, sondern dass die Botschaft global, universal ist – ohne Rücksicht auf Hautfarbe oder Alter.
Wie kann ich gerecht werden vor Gott? Es ist ein Vorrecht für die Christenheit, dass uns diese Frage anvertraut wurde.
Es ist bedauerlich, dass manche auch heute wieder in der Christenheit sich genieren, weil die Bibel so nachbohrt nach Sünde und Gerechtigkeit. Sie würden das Thema gerne etwas abschwächen, weil sie meinen, so könnte man die Botschaft besser unter die Leute bringen.
Wer aber zurückweicht, dem wird meine Seele keinen Gefallen haben, spricht Gott der Herr. An der Abschwächung hat Gott keine Freude. Er hat auch keine Freude, wenn wir die Frage wegschieben und sagen: „Ach, immer diese todernste Frage, ob ich gerecht bin. Es gibt doch Wichtigeres in der Welt.“
Die Freude an der Gerechtigkeit durch Glauben
Genug davon, sich den Kopf darüber zu zerbrechen, dass wir es nicht schaffen, aber es Gott gefällt. Man kann geradezu einen intimen Ton aus dem grundlegenden Bibelwort heraushören: „Der Gerechte wird durch den Glauben leben“, im Hebräerbrief, Hebräer 10.
„Mein Gerechter“, spricht Gott. Hören Sie diesen intimen, jubelnden Ton, wie nach dem sechsten Schöpfungstag: Alles ist perfekt, meine Welt! Meine Schöpfung, nichts ist nachzubessern, vollkommen. So soll es auch bei der Gerechtigkeit vor Gott sein.
Wir trauen Gott zu, dass er uns in Krankheitsnot helfen kann, dass er uns in Trübsal trösten kann und dass er uns in unwegsamem Gelände leiten kann. Aber Gerechtigkeit?
Ich habe für vieles schon in meinem Leben gebetet und viel Erhöhung gefunden. Es hat lange gedauert, bis ich gemerkt habe, dass ich Gott auch meine ganze Unvollkommenheit, die vielen Pannen, hinlegen darf und sagen kann: „Du gerechter Gott, schaffe mich gerecht!“
Wirke du in mir in Schöpferkraft, so wie du aus dem Tohuwabohu das Vollkommene geschaffen hast. Wirke in mir, armseliger Existenz, deine Gerechtigkeit!
Warum tun wir uns so schwer, Gott das zuzutrauen? „Mein Gerechter wird durch den Glauben leben.“
Das Angebot Gottes im Glauben an Jesus Christus
Was ist denn damit gemeint?
Ich durfte vor 14 Tagen in Eisdlingen bei einem Bibelkurs über den Römerbrief einspringen. Dabei ist mir, wie noch nie zuvor, klar geworden, welches zentrale Wort in der Bibel steht – beim Apostel Paulus, aber auch sonst: Gott hat uns diesen Jesus für den Glauben hingehalten. Nehmt ihn doch!
Paulus sagt, wie in der Apostelgeschichte 17 berichtet wird, den Athenern: Er hat Jesus von den Toten auferweckt und uns zum Glauben hingehalten, vorgehalten, hingestreckt – als Angebot Gottes. Natürlich ist das ein Bild. Wir können das ganze Wesen und Wirken Gottes mit unserem begrenzten Verstand gar nicht fassen. Aber dieses Bild kommt der Sache so nahe. Gott hat ihn uns hingehalten zum Glauben.
Deshalb hat sich der heilige Gott seinen Sohn vom Herzen gerissen und in die durcheinandergeratene Weltgeschichte gesandt. Den braucht ihr doch, wenn ihr überhaupt etwas braucht: den Heilenden, den Erbarmer, den Tröster. Hier ist euer Jesus – folgt ihm! Deshalb hat der Vater im Himmel den Weg Jesu bestimmt, den Weg ans Kreuz.
Im Römerbrief 3,24 heißt es, dass er uns als Sühne vorgehalten wurde in seinem Blut. Er hat sich hineingestellt in all eure Schuld. Vielleicht begreift ihr es nicht mit eurem Verstand, wie das funktioniert, aber ich habe es euch vorgehalten: ihn am Kreuz. Und ihr habt immer wieder das Zeichen des Gekreuzigten als Erinnerung daran. Ich habe etwas für euch getan, was ihr nicht schaffen konntet – das große Pluszeichen Gottes. Lasst es doch für euch gelten!
Deshalb hat Gott diesen Jesus aus den Toten auferweckt. Wir sollen nicht bloß Erinnerungen an Jesus haben, nicht bloß ein Vorbild. So dürfen wir jeden Tag morgens beginnen: Jesus, mit dir! Ich darf mich an dich ankoppeln, andocken bei dir, ich brauche dich. Der Vater hat mir ihn gegeben, hingehalten zum Glauben.
Deshalb hat der Vater seinen Sohn erhöht in die Herrlichkeit, zur Rechten des Vaters, damit er dort für uns eintritt. Wenn wir keine Kraft mehr haben, keine Konzentration, auch nur einen Gebetssatz zusammenzubringen – er ist vor dem Vater und tritt für uns ein.
Diesen Jesus hat Gott uns im Glauben vorgehalten, zum Glauben. Darüber kann man sich freuen, dass wir gar nichts anderes machen müssen, als – wir unvollkommenen Menschen – jetzt einfach zu sagen: Herr Jesus, mit dir will ich es gelten lassen. Wir dürfen uns an ihn ankoppeln, wenn wir sagen: Jesus, mit dir! Ich will den Vater ernst nehmen in seinem Wort, dass dieser Jesus der Gerechte ist, der mir gegeben ist zur Erlösung.
Daran hat Gott unvorstellbare, unbeschreibliche Freude: "Mein Gerechter wird leben, weil er glaubt." Wir brauchen gar nicht die verschiedenen Punkte aufzuzählen, wo wir meinen, einigermaßen richtig gehandelt zu haben. Die Freude Gottes ist da, wenn er sagt: Er hat meinen Jesus angenommen. Ein Wohlgefallen Gottes an uns hat nun nicht groß Fried – ohne Unterlass!
Liebe Schwestern und Brüder, das ist mehr als alles Beste! Amen!