Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus! Amen!
Einführung: Müdigkeit im Alltag und geistliche Erschöpfung
Liebe Gemeinde, jeder hat seine eigene Technik. Wenn der Tag beginnt und der Schlaf einem noch in den Gliedern steckt, braucht man ein Mittel gegen die Müdigkeit.
Ich war in der letzten Woche viel unterwegs. Oft war ich morgens früh im Zug, und für mich war ein Becher frischen Kaffees ein gutes Mittel gegen die Müdigkeit. Nach der Mittagspause, wenn wir so richtig schön gegessen haben, brauchen wir wieder ein Mittel gegen die Müdigkeit. Nach dem Essen sollst du ruhen oder tausend Schritte tun.
Abends, wenn die Mühe des Tages hinter uns liegt, die Arbeit anstrengend war und wir wissen, dass wir eigentlich noch einen Besuch machen sollten oder am Donnerstag zur Bibelstunde gehen wollen, brauchen wir auch wieder ein Mittel gegen die Müdigkeit. Jeder hat seine eigene Taktik, um die Trägheit zu überwinden.
Die körperliche Müdigkeit ist ganz normal. Wir wissen auch von Jesus, dass er müde wurde. Schwieriger als die körperliche Müdigkeit ist jedoch eine andere Form der Müdigkeit: die geistliche Müdigkeit. Jeder Christ kennt das. Diese geistliche Müdigkeit zeigt sich mitunter in sehr unterschiedlichen Spielformen und Facetten.
Das Wort, das im Neuen Testament dafür verwendet wird, heißt „enkakeo“. Es kann bedeuten: müde werden, nachlässig werden. Es kann aber auch heißen: verzagen und mutlos werden. Enkakeo hat also einmal den Aspekt der Lustlosigkeit, der Müdigkeit und Nachlässigkeit, aber auch den Aspekt der Resignation, der Erschöpfung, des Mutlosseins und Verzagtseins.
Ursachen geistlicher Müdigkeit und die Gefahr der Resignation
Es gibt viele mögliche Ursachen für geistliche Müdigkeit, Nachlässigkeit und Verzagtheit.
Eine lange Krankheit kann dazu führen, dass wir müde werden. Auch die Anstrengungen des Alltags – im Beruf, in der Familie und mit all den Herausforderungen, die ständig auf uns zukommen – können uns geistlich ermüden.
Manchmal sind wir so sehr mit weltlichen Interessen beschäftigt, dass unsere Gedanken täglich in vielen verschiedenen Bereichen umherschwirren. Dadurch sind wir für geistliche Dinge einfach müde.
Ein weiterer Grund für Müdigkeit ist oft, dass man sich intensiv für eine Sache einsetzt, kämpft und sich bemüht, aber keine Frucht sieht. Kein Erfolg, keine Wirkung – das macht müde.
Ich weiß von vielen Pastoren, dass sie sich ihre Seele aus dem Leib gepredigt haben, aber wenig Frucht gesehen haben. Sie durften kaum erleben, dass Menschen kamen und die Botschaft hörten. Oder sie verzweifelten daran, dass die Hörer über viele Jahre hinweg so unverändert in ihren Herzen blieben. Auch das macht müde: intensiver Einsatz ohne sichtbare Ergebnisse.
Hinzu kommen geistliche Angriffe, Verfolgung von außen und Diffamierung. All das kann uns müde machen.
Wenn Sie heute Morgen an einer anonymen Umfrage teilnehmen würden, wie würden Sie sich selbst auf einer nach oben offenen Müdigkeitsskala einordnen?
Unser Thema heute Morgen lautet: Mittel gegen Müdigkeit.
Paulus als Vorbild im Umgang mit Müdigkeit
Paulus war ein erfahrener Seelsorger. Er kannte sich selbst gut, er kannte das Leben und viele Gemeinden. Er wusste um die Gefahr und kannte die vielfältigen Ursachen von Müdigkeit. Außerdem war ihm bewusst, dass Müdigkeit der Hauptgrund ist, warum Mission scheitert.
In unserer Predigtreihe kommen wir heute zu der Stelle, an der Paulus die Sache ganz offen anspricht. Das sehen Sie im dreizehnten Vers, also gewissermaßen am Zielpunkt unseres Predigthtextes. Dort sagt Paulus: „Darum bitte ich, dass ihr nicht müde werdet wegen der Bedrängnisse, die ich für euch erleide, die für euch eine Ehre sind.“ Er bittet also darum, dass sie nicht müde werden.
Der Grund für die Müdigkeit war in diesem Fall seine eigene Gefangenschaft. Wir hatten ja letzten Sonntag gesehen, dass Paulus aus dem Gefängnis schreibt. Es hatte öffentlichen Aufruhr wegen seiner Predigt gegeben. Daraufhin wurde er erstmals in Sicherheitsgewahrsam genommen und von Instanz zu Instanz gebracht. Nun sitzt er dort, entweder bei der Zwischenstation Caesarea oder schon in Rom, wo er auf seinen Prozess wartet. Trotzdem lässt er sich von den äußeren Umständen nicht den Mund verbieten. Er schreibt uns diesen wunderbaren Epheserbrief.
Wie ein guter Briefschreiber hat er dabei seine Adressaten im Herzen und vor Augen. So sieht er die Gefahr der Ermüdung und Entmutigung. Die Leute könnten denken: „Paulus hat doch Gott gedient, warum lässt Gott zu, dass seine eigenen Leute eingekerkert werden? Warum lässt Gott das so geschehen?“
Möglicherweise droht auch uns bald ein ähnliches Schicksal. Wenn wir uns zu Jesus stellen, könnten auch wir um seines Namens willen eingekerkert werden. Wie wird es weitergehen? Werden wir Verfolgung erleben? Und warum greift Gott jetzt bei Paulus nicht sichtbarer und dramatischer ein? Es gab also manchen Grund zur Ermüdung und Entmutigung.
Paulus kennt unsere Neigung – ich denke, unsere aller Neigung – dass wir in unserem geistlichen Leben oft abhängig sind von den Umständen. Die Perspektive, mit der wir an die Dinge herangehen, wird von den äußeren Umständen bestimmt, anstatt dass es umgekehrt ist. Statt dass unsere Perspektive die äußeren Umstände dominiert.
Das kann eine finanzielle Situation sein, äußere Umstände, der Beruf oder bestimmte Anforderungen familiärer Art. Dann fixieren wir uns auf die Umstände. Wir fragen nicht nach Gottes Ziel, wir sagen nicht: „Herr, was willst du jetzt eigentlich von mir?“ Stattdessen arbeiten wir gewissermaßen die äußeren Umstände ab. Wir verfangen uns in unseren kleinen Schritten im Alltag. Und was dann noch übrig bleibt, verwenden wir vielleicht für Gott. Dann fragen wir vielleicht nach ihm.
Aber wo die Umstände unsere Perspektive bestimmen, da wartet die Ermüdung schon hinter der nächsten Ecke. Gott hat einen anderen Plan für uns. Wir sollen lernen, aus Gottes Perspektive zu leben und von dort aus die Umstände anzugehen.
So hat es uns Paulus vorgemacht. Wir haben das letzten Sonntag gesehen in Epheser 3,1, wo er sich als Gefangenen Jesu Christi bezeichnet. Er sagt: „Egal, auch wenn ich unter römischer Herrschaft jetzt letztlich gefangen bin, auch wenn ich keine äußere Macht über mein Schicksal habe, ich bin der Gefangene Jesu Christi, weil er mein Herr ist und weil er weiß, warum er das zulässt und weil er mein Leben unter seiner Kontrolle hält.“
Die Perspektive ist wichtiger als die Umstände. Das zeigt Paulus uns vor. Er will, dass auch wir diesen Blick bekommen. Er möchte, dass wir trotz der äußeren Schwierigkeiten nicht müde werden, nicht verzagen, sondern Gott von ganzem Herzen dienen und lernen, aus seiner Perspektive zu leben.
Die Mittel gegen Müdigkeit im Glauben: Eine Einführung
Und darum schreibt er uns jetzt diese Zeilen, die Sie vor sich haben, als Mittel gegen die Müdigkeit – gegen ihre Müdigkeit und meine.
„Darum bitte ich“, sagte er in Vers 13, „dass ihr nicht müde wärt.“ Wenn Paulus so etwas sagt, wenn er deshalb „darum“ (im Griechischen „dio“) verwendet, dann hat er immer vorher einen Grund genannt. Diese logischen Verknüpfungen bei Paulus sind nie zufällig.
Wenn Paulus also sagt: „Darum bitte ich euch, dass ihr nicht müde wärt“, fragen wir uns: Warum bittet Paulus darum? Welche Gründe gibt es, damit wir nicht müde werden müssen? Wir können mit Sicherheit davon ausgehen, dass wir im Text davor die Gründe dafür finden. Und in der Tat wird er sie uns auch heute zeigen, wenn Gott das will. Er wird uns zeigen, dass es ein Mittel gegen die Müdigkeit im Glauben gibt.
Es ist, als ob Paulus sagen würde: „Leute, wisst ihr eigentlich, welchem großartigen Unternehmen ihr da angehört, wenn ihr zur Gemeinde Jesu Christi gehört?“ Letzten Sonntag hatten wir gesehen, dass Paulus in diesem ganzen Abschnitt das Geheimnis der Gemeinde Jesu Christi beschreibt. Er sagte ja in Vers 5: „Das war in früheren Zeiten den Menschenkindern nicht kundgemacht, wie es jetzt offenbart ist seinen heiligen Aposteln und Propheten durch den Heiligen Geist.“
Was war denn das Besondere an der Gemeinde? Auch das haben wir letzten Sonntag gesehen: In dieser neuen Familie, die durch Jesus Christus entsteht, durch den Glauben an Jesus, befinden sich die Heidenchristen auf gleicher Augenhöhe mit den Judenchristen. Bei Jesus gibt es keine geistliche Zweiklassengesellschaft mehr. In dieser neuen Familie sind die alten Trennungen überwunden, die alten Zäune abgerissen. Diese Gemeinde ist eine neue Schöpfung Gottes.
Paulus kann an anderer Stelle sagen: „Hier ist nicht Jude noch Grieche, nicht Sklave noch Freier, nicht Mann noch Frau, sondern ihr seid allesamt einer in Christus.“ Wer zur Gemeinde gehört, hat Anteil an einer doppelten Versöhnung: Er ist mit dem heiligen Gott versöhnt und mit all den anderen versöhnt, die zu dieser Gemeinde gehören – Heiden mit Juden, obwohl zwischen ihnen zeitweise eine starke Feindschaft bestand.
All das war natürlich im Alten Testament schon vorbereitet, und Jesus hatte es auch schon auf den Weg gebracht. Aber erst durch Paulus offenbart Gott dieses spezielle Geheimnis der Gemeinde: Wie Juden und Heiden in einer gleichberechtigten Familie zusammenleben, als Glieder am Leib Jesu Christi, als Kinder Gottes, die dadurch Geschwister geworden sind, dass sie durch Jesus zu Gottes Familie gehören.
Das ist das Geheimnis der Gemeinde. So weit waren wir letzten Sonntag gekommen.
Die Ausbreitung des Geheimnisses der Gemeinde und ihre Bedeutung
Und nun, in den nächsten Versen, die Sie vor sich haben, erzählt Paulus, wie der lebendige Gott diese Wahrheit offenbart hat. Er beschreibt, wie Gott sie immer weiter über die ganze Welt verbreiten lässt. Das wollen wir jetzt lesen, Verse 8 bis 13:
„Mir, dem allergeringsten unter allen Heiligen, ist die Gnade gegeben worden, den Heiden den unausforschlichen Reichtum Christi zu verkündigen und für alle ans Licht zu bringen, wie Gott seinen geheimen Ratschluss ausführt, der von Ewigkeit her in ihm verborgen war – in dem, der alles geschaffen hat. Damit soll nun die mannigfaltige Weisheit Gottes den Mächten und Gewalten im Himmel durch die Gemeinde kundwerden.“
Diesen ewigen Vorsatz hat Gott in Christus Jesus, unserem Herrn, ausgeführt. Durch ihn haben wir Freimut und Zugang in aller Zuversicht, durch den Glauben an ihn.
Darum bitte ich, dass ihr nicht müde werdet wegen der Bedrängnisse, die ich für euch erleide – sie sind für euch eine Ehre.
Liebe Gemeinde, es lohnt sich, sehr genau hinzuschauen, denn hier finden wir wirkungsvolle Mittel gegen Mutlosigkeit und Müdigkeit. Vers 13 ist der Zielpunkt; alles läuft darauf zu, dass Paulus sagt: „Darum bitte ich, dass ihr nicht müde werdet.“
Darum habt ihr allen Grund, wach zu bleiben und wach zu werden.
Erstes Mittel gegen Müdigkeit: Der unausforschliche Reichtum Christi
Und das erste Mittel gegen die Mutlosigkeit – der erste Grund gegen die Mutlosigkeit – steht in Vers 8: „Denn wir haben den unausforschlichen Reichtum Christi.“
Das ist das erste Mittel gegen ihre Mutlosigkeit. Paulus schreibt in Vers 8: „Denn wir haben den unausforschlichen Reichtum Christi.“ Wieder beginnt er, wie schon in Vers 1, mit einer persönlichen Bemerkung. Er sagt: „Mir, dem allergeringsten unter allen Heiligen, ist die Gnade gegeben worden, den Heiligen den unausforschlichen Reichtum Christi zu verkünden.“
„Mir, dem allergeringsten“ – das sagt ausgerechnet Paulus. Im griechischen Text steht ein seltsames Wort: „Elachistoteros“. Das ist so, als wenn man einen Superlativ noch einmal steigert. Es ist also ein Super-Superlativ. Dieses Wort gibt es im normalen Griechisch eigentlich gar nicht. Vergleichbar wäre es im Deutschen vielleicht mit „der schnellsteste“, also „der Allerschnellste“. Oder beim Wort „gering“: man könnte sagen „der Geringsteste“ oder „der Allergeringste“. Dieses Wort gibt es eigentlich nicht, und auch „Elachistoteros“ ist kein übliches Wort.
Damit will Paulus sagen, wie gering er vor Gott ist. Warum? Er sagt es an anderen Stellen auch: weil er die Christen verfolgt hat, weil er gegen Jesus Christus vorging, weil er den lebendigen Gott, der seinen Sohn in die Welt gesandt hat, nicht anerkannt und nicht angebetet hat und seine Anhänger verfolgt hat. Paulus war sich seiner Unwürdigkeit so sehr bewusst. Umso mehr staunte er über Gottes Auftrag.
Dieser Kontrast ist schreiend: „Mir, dem allergeringsten unter allen Heiligen, ist ausgerechnet mir gegeben worden, den Heiden den unausforschlichen Reichtum Christi zu verkünden.“ Was für ein Kontrast! Paulus war natürlich besonders glaubwürdig, um den Heiden das Evangelium zu bringen, weil er sich besonders gegen Christus gesträubt hatte und weil er als klassischer Vertreter des alten rabbinischen Judentums galt.
Er sagt: Leute, ich evangelisiere, und evangelisieren heißt, ich mache euch den Reichtum Jesu Christi zugänglich.
Dann steht hier noch ein großartiges Wort, das kaum zu übersetzen ist: „unausforschlich“ ist dieser Reichtum. Manche haben es mit „unaufspürbar“ oder „unergründlich“ übersetzt. Paulus will damit sagen, dass der Reichtum Christi so groß und umfassend ist, dass kein Sterblicher ihn jemals ganz ausloten oder erfassen kann. Niemand von uns kann ganz begreifen, wie reich das ist, was Christus hat und was er uns schenkt.
Was gehört zu diesem Reichtum? Dass er uns unsere Schuld vergibt, dass er bewirkt, dass wir von der Verdammnis gerettet werden, dass wir Gottes Kinder werden dürfen, dass wir Mitglieder der Gottesfamilie sind, dass wir die Auferstehung erwarten dürfen, dass wir am ewigen Leben teilhaben, dass wir versiegelt werden, wie Paulus sagt, mit dem Heiligen Geist, und dass wir täglich unter seinem Schutz stehen. All das gehört zum Reichtum Jesu Christi.
Man könnte den Reichtum Jesu Christi auch an den sogenannten „Ich bin“-Worten deutlich machen. Das will ich heute nur andeuten: Wenn Jesus sagt, „Ich bin das Wasser des Lebens“ (Johannes 4), oder „Ich bin das Brot des Lebens“ (Johannes 6), oder „Ich bin das Licht der Welt“ (Johannes 8), oder „Ich bin der gute Hirte“ (Johannes 10), „Ich bin die Auferstehung und das Leben“ (Johannes 11), „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“ (Johannes 14), „Ich bin der Weinstock für euch“ (Johannes 15) – das ist der Reichtum Jesu Christi. Wer ihn hat, hat all das durch ihn.
Und das schreibt Paulus den Ephesern. Er sagt: Ihr wart Heiden, ihr habt diese Verkündigung gehört, ihr habt Jesus als euren Retter angerufen, und nun gehört euch dieser ganze unausforschliche Reichtum Christi (Epheser 3,8).
Darum bittet Paulus: Werdet nicht müde! Schaut mal, wie reich ihr seid. Vergesst nicht, wer ihr seid, vergesst nicht, was ihr habt, und lebt jetzt aus eurem Reichtum. Ihr seid unermesslich reich.
Und ihr tragt eine Verantwortung, richtig mit diesem Reichtum umzugehen. Das ist das erste Mittel gegen Müdigkeit: der unausforschliche Reichtum Christi.
Zweites Mittel gegen Müdigkeit: Teilhabe am göttlichen Masterplan
Und dann nennt Paulus ein zweites Mittel, einen zweiten Grund gegen die Müdigkeit. Er sagt: „Darum bitte ich, dass ihr nicht müde werdet, denn ihr seid ein Teil von Gottes Masterplan“ (Verse 9-11).
Für uns alle will Paulus ans Licht bringen, wie Gott seinen geheimen Ratschluss ausführt, der von Ewigkeit her verborgen war. Dieser Ratschluss liegt in ihm, der alles geschaffen hat. So soll jetzt die mannigfaltige Weisheit Gottes den Mächten und Gewalten im Himmel durch die Gemeinde kundwerden. Diesen ewigen Vorsatz hat Gott in Jesus Christus, unserem Herrn, ausgeführt.
Paulus sagt: „Ich bitte euch, dass ihr nicht müde werdet, denn ihr seid ein Teil von Gottes Masterplan.“ Das ist ein Vorwurf, der oft neuen Regierungen gemacht wird – auch der jetzigen –, nämlich dass man sagt: Sie haben gar keinen Masterplan. Sie haben kein großes Konzept, sondern machen nur Stückwerk, immer eins nach dem anderen. Es fehlt der Masterplan.
Ich will das jetzt politisch nicht bewerten. Auf alle Fälle sagt Paulus: Gott hat einen Masterplan für die Weltgeschichte. Und dieser Masterplan Gottes wird schrittweise entfaltet. Er ist genau abgestimmt.
Und jetzt passt auf: „Ihr Gemeinde“, sagt Paulus, „habt in diesem Masterplan Gottes eine herausragende Stellung.“ Ihr seid, ja man könnte fast sagen, ein Filetstück dieses Masterplans. Das ist der Kern dieses Geheimnisses: Die Gemeinde ist nicht durch Zufall entstanden, sondern hinter ihr steht von Ewigkeit her ein ausgefeilter Masterplan Gottes.
In Vers 9 sagt Paulus: „Von Ewigkeit her war das verborgen in ihm, der alles geschaffen hat.“ Es stand also schon fest. Gott wusste schon, was er tun würde. Und er hat genau dieses Ziel durch die Geschichte hindurch erreicht.
In Vers 11 heißt es: „Diesen ewigen Vorsatz“, nämlich dass es eine Gemeinde geben würde, in der Juden und Heiden auf Augenhöhe gemeinsam durch Christus zu Gottes Familie gehören, in der der Zaun abgerissen ist. Das war Gottes ewiger Vorsatz.
„Leute“, sagt Paulus, „ihr seid ein herausgehobener Teil von Gottes Masterplan.“ Dabei denkt man unwillkürlich an Hebräer 11, diese lange Liste der sogenannten alttestamentlichen Glaubenshelden – all der großen Männer, von denen da die Rede ist: Noah, Abraham, Mose, Gideon und wie sie alle heißen.
Wissen Sie, wie dieses Kapitel über die alttestamentlichen Glaubensvorbilder endet? Es endet so, da heißt es in Hebräer 11, Vers 39: „Diese alle haben durch den Glauben Gottes Zeugnis empfangen.“ Sie sind also von Gott angenommen worden, weil sie dem geglaubt hatten, was er bis dahin offenbart hatte.
Und dann geht es weiter: „Aber sie haben noch nicht erlangt, was verheißen war, weil Gott etwas Besseres für uns vorgesehen hat, denn sie sollten nicht ohne uns vollendet werden.“
Verstehen Sie? Das ist die Würde der Gemeinde, diese ganz besondere Stellung, die wir im Masterplan Gottes einnehmen dürfen.
Darum sagt Paulus heute: „Ihr habt keinen Grund, müde zu sein, denn ihr seid die Gemeinde. Ihr seid ein wichtiger Bestandteil in Gottes Masterplan. Er hat euch eine ganz besondere Stellung und Aufgabe gewürdigt.“
Drittes Mittel gegen Müdigkeit: Der unvertretbare Auftrag der Gemeinde
Und mit der besonderen Stellung kommt auch die besondere Aufgabe. Das ist der dritte Grund gegen die Müdigkeit. Paulus sagt darum: „Das bitte ich, dass ihr nicht müde werdet, drittens, denn wir haben einen unvertretbaren Auftrag.“
Schauen Sie: Wenn Gott uns schon als Kinder in seine Familie aufgenommen hat und uns beschenken will, könnte man fragen, warum er uns dann überhaupt noch auf der Erde lässt. Er könnte uns doch gleich in den Himmel rufen. Der lebendige Gott will Gemeinschaft mit uns haben. Für uns wäre es im Himmel viel besser als hier. Warum nimmt Gott uns nicht sofort zu sich? Den Enoch hat er ja auch entrückt, zum Beispiel.
Wissen Sie, warum? Darauf gibt es nur eine Antwort: Wir haben einen unvertretbaren Auftrag noch hier auf dieser Erde. Jesus hat schon gesagt: „Wem viel gegeben ist, von dem wird viel gefordert.“ Jesus hat uns seinen unausforschlichen Reichtum geschenkt, damit wir uns daran erfreuen. Aber nicht, um uns darauf auszuruhen.
Darum beschreibt Paulus seine Mission hier nicht im Sinne eines Alleinunterhalters. Wenn er in Vers 8 sagt: „Mir dem Allergeringsten ist gegeben, den Heiden zu verkünden und für alle ans Licht zu bringen, wie Gott seinen Ratschluss ausführt“, meint Paulus nicht „Ich mache das schon und ihr könnt ruhig sitzen bleiben.“
Paulus war dafür zuständig, die Grundlagen zu formulieren, gewissermaßen die Strategie und die theologische Ausrichtung im Namen Gottes festzulegen. Aber das, was Paulus hier schreibt und lehrt, muss jetzt unter die Leute gebracht werden. Das liegt ja schon in der Natur des Begriffs „Geheimnis“, den ihr hier in diesem dritten Kapitel immer wieder verwendet.
Wir haben ja letztes Mal gesehen: Was ist ein Geheimnis im Neuen Testament? Es ist eine neue Offenbarung. Bisher war es nicht bekannt. Jetzt hat Gott es aufgedeckt im Laufe der fortschreitenden Offenbarung. Und jetzt ist dieses Geheimnis dazu bestimmt, hinausposaunt zu werden.
Geheimnis bedeutet in der Bibel immer, es soll ausgerufen werden, es soll weitergesagt werden. Es soll gerade nicht im geheimen Zirkel bleiben. Das hat Jesus mal so schön gesagt in Matthäus 10, Vers 26: „Es ist nichts verborgen, was nicht offenbar werden wird, und nichts geheim, was man nicht wissen wird. Was ich euch sage in der Finsternis, das redet im Licht, und was durchgesagt wird ins Ohr, das redet auf den Dächern.“
Das ist unsere Aufgabe. Es gehört zu Gottes Masterplan, dass dieser Auftrag jetzt von seiner Gemeinde, also von uns, ausgeführt wird. Wir haben einen unvertretbaren Auftrag. Die Frage an Sie und an mich ist: Wo lasse ich mich in diesen Plan hineinnehmen?
Paulus ist uns ein großes Vorbild. Er hat jede erdenkliche Situation genutzt, um diesen Auftrag auszuführen. Ob er als Gefangener an Bord eines Schiffes war und plötzlich keiner mehr weiterwusste. Dann durfte er mit Gottes Hilfe den Überblick bewahren und hat das sofort genutzt, um eine kleine Predigt zu halten.
Oder als er im Gefängnis war und plötzlich das Erdbeben einsetzte, da haben sie sofort den Gefängniswärter missioniert. Oder wenn er vor Gericht stand und sich verantworten sollte, dann hat er das immer auch genutzt, um das Evangelium weiterzugeben.
Er ist also ein großes Vorbild für die Ausführung dieses Auftrags. Nicht jeder von uns hat die gleichen Begabungen wie Paulus, nicht jeder von uns hat die gleiche Art. Wir müssen alle unseren eigenen Weg finden.
Aber Sie glauben doch auch, dass Gott Ihr Leben führt. Sie glauben doch auch, dass es nicht nur den universalen Masterplan Gottes gibt, sondern auch den persönlichen Masterplan für Ihr Leben. Vielleicht haben Sie monatelang um eine Wohnung gebetet, und dann hat Gott Ihnen eine Wohnung finden lassen. Damit hat Gott Sie in ein bestimmtes Umfeld geführt. Ja, was meinen Sie wohl, warum?
Oder vielleicht haben Sie monatelang um einen Studienplatz gebetet oder für einen Arbeitsplatz. Dann hat Gott Ihnen einen Studienplatz oder einen Arbeitsplatz finden lassen. Und damit hat er Sie in ein bestimmtes Umfeld geführt. Was meinen Sie wohl, warum?
Sie haben einen unvertretbaren Auftrag, einen, den kein anderer wahrnehmen kann als die Jünger Jesu Christi. Darum bitte ich, sagt Paulus, dass ihr nicht müde werdet, dass ihr euch nicht kleinkriegen lasst von euren Umständen oder von euren eigenen Schwächen, Zweifeln und Vorbehalten. Denn wir haben einen unvertretbaren Auftrag.
Viertes Mittel gegen Müdigkeit: Die Gemeinde als Demonstration göttlicher Weisheit vor der unsichtbaren Welt
Das ist schon das dritte Mittel. Wir haben also den unausforschlichen Reichtum Christi, wir sind ein Teil von Gottes Masterplan, und wir haben einen unverzichtbaren Auftrag.
Jetzt zum vierten Mittel gegen die Müdigkeit – und das ist wirklich ganz, ganz seltsam. Darauf wäre man auch nicht von selbst gekommen. Viertens: Denn wir werden beobachtet von der unsichtbaren Welt.
Das steht in Vers 10. Man muss lange forschen, um diesen Vers zu verstehen. Paulus sagt dort: „Damit jetzt kund werde, die mannigfaltige Weisheit Gottes, wem? Den Mächten und Gewalten im Himmel durch die Gemeinde.“ Das soll also die Gemeinde bewirken.
Wir haben eine Aufgabe gegenüber der unsichtbaren Welt, gegenüber der Engelwelt, gegenüber den Mächten und Gewalten im Himmel. Das heißt, die Gemeinde hat eine kosmische Bedeutung, sagt Paulus hier. An der Gemeinde demonstriert Gott seine Macht, seine Gnade und seine Weisheit vor der unsichtbaren Welt.
Die Bibel sagt sehr deutlich, dass es nicht nur diese sichtbare Welt gibt, sondern auch die unsichtbare Welt. Dort gibt es Engel, Geister, die dem lebendigen Gott dienen. Vor ihnen soll an der Gemeinde die Weisheit Gottes aufscheinen – die mannigfaltige Weisheit Gottes. Diesen Aspekt hebt Paulus hier hervor.
Sie können sich das so vorstellen, wie die Weisheit eines Lehrers an seinen Schülern deutlich werden soll. Das funktioniert manchmal mehr und manchmal weniger. Dann weiß man nicht, ob es an der Weisheit des Lehrers oder an der der Schüler liegt. Aber jedenfalls: Wie die Weisheit eines Lehrers an seinen Schülern deutlich werden soll, so soll die Weisheit Gottes vor der unsichtbaren Welt an seiner Gemeinde deutlich werden. Das ist hier gemeint.
Wir sind dazu da, als öffentliche Demonstration der Weisheit Gottes zu dienen. Das ist unsere Aufgabe. Genauer noch: der vielfältigen Weisheit Gottes. Und das müssen Sie unbedingt wissen, weil „vielfältig“ da mit einem ganz wunderbaren griechischen Wort steht: Polypoikilos.
Polypoikilos bedeutet „vielfarbig“. Man verwendet es, um Blumen in ihrer Farbenpracht zu beschreiben. Wenn Sie zum Beispiel einen riesigen, herrlichen Strauß bekommen, können Sie sagen: Polypoikilos – also herrlich, mehrfarbig, strahlend, bunt.
Dieses Wort wird auch für Kronen verwendet, die mit herrlichen bunten Steinen besetzt sind. Das einfachere Wort, nicht Polypoikilos, sondern nur Poikilos, findet sich in der griechischen Übersetzung des Alten Testaments. Dort wird es verwendet für den wunderschönen Mantel, den Jakob seinem jüngsten Sohn Joseph schenkte – diesen besonders farbigen, strahlenden Mantel, der dafür sorgte, dass die Brüder alle neidisch wurden.
So soll die mannigfaltige Weisheit Gottes, Polypoikilos, an der Gemeinde deutlich werden – erkoren aus allen Völkern, doch als ein Volk gezählt.
Und das beginnt doch schon kurz nach Pfingsten. Sehen Sie, was alles in der Apostelgeschichte beschrieben wird. Mannigfaltig sind die Farben derer, die zu Gott kommen.
Wir haben von Bruder Norzig gehört, die Lesung aus Apostelgeschichte 8: Der Finanzminister aus Äthiopien, dunkelhäutig, ein Afrikaner gewissermaßen, kommt zur Gemeinde Gottes.
Im nächsten Kapitel, Kapitel 9, wird die Bekehrung von Paulus beschrieben – Paulus, der Jude, Paulus, der Spitzentheologe. Auch er kommt zur Familie Gottes.
Im darauf folgenden Kapitel, Kapitel 10, wird von einem römischen Hauptmann, Cornelius, gesprochen. Er findet das Evangelium Jesu Christi und kommt ebenfalls zur großen Familie Gottes – erkoren aus allen Völkern.
Jemand hat gesagt: Der erste war Politiker, also der Finanzminister in Apostelgeschichte 8, der zweite war ein großer Theologe, und der dritte, Cornelius, gehörte dem Soldatenstand an. Von diesen drei Berufsgruppen würden manche sagen, das sind die Menschen, die gewöhnlich am schwierigsten mit dem Evangelium zu erreichen sind. Und sie alle finden den Weg in die Gemeinde Jesu Christi.
Das ist die wirkliche multikulturelle Gesellschaft. Polypoikilos, bunt und vielfarbig bedeutet eben nicht, unter einem Dach viele verschiedene Überzeugungen und lauter widersprüchliche Stimmen zu haben, die irgendwie zusammengehalten werden. Nein, polypoikilos, vielfarbig, bedeutet viele verschiedene Menschen, die alle dem einen Herrn dienen, die durch eine gemeinsame Wahrheit miteinander verbunden sind.
Deshalb hat man die Gemeinde zu Recht immer wieder mit einem Orchester verglichen. In diesem Orchester kommen viele verschiedene Stimmen und Instrumente vor. Wir Menschen in der Gemeinde sind so unterschiedlich: Wir haben so verschiedene Charaktere, unterschiedliche Traditionen, die uns prägen mögen, viele verschiedene Begabungen, unterschiedliche Hautfarben und kommen aus vielen verschiedenen Bereichen.
Aber wie ist das in einem Orchester? All die verschiedenen Stimmen und Instrumente richten sich an einer gemeinsamen Partitur aus. Diese Partitur folgt denselben musikalischen Absichten. Sie spielen alle in derselben Tonart und folgen alle dem einen Dirigenten. Es dirigiert immer nur einer.
Das meint Polypoikilos: Das Wunder der Gemeinde ist das Wunder des Leibes Christi. Wo immer heute an irgendeiner Stelle der Welt ein Mensch den Weg zurück zu seinem Schöpfer findet, durch Jesus Christus, da wird er ein Teil dieses Orchesters, dieser großen göttlichen Familie.
Als solche gebraucht Gott uns nun, um vor der Engelwelt gewissermaßen zu musizieren – als Orchester, um zu demonstrieren. Verstehen Sie? Diese vielfarbige Truppe Gemeinde soll die vielfarbige, gewaltige Weisheit Gottes widerspiegeln.
So werden wir als Gemeinde zum Anschauungsunterricht für die Engel. Das ist unsere Aufgabe: Wir sollen Anschauungsunterricht für die unsichtbare Welt sein.
John Stott hat das so beschrieben: Er sagte, die Kirchengeschichte sei wie ein großes Drama. Die Weltgeschichte ist das Theatergebäude, die Welt ist die Bühne, die Christen und die Gemeinde sind die Schauspieler, die Akteure, und der Autor und Regisseur dieses Stückes ist Gott selbst.
Während Akt für Akt, Szene für Szene die Kirchengeschichte über die Bühne geht, ist sie eine einzige großartige Demonstration der Macht und Weisheit Gottes.
Wer sind die Zuschauer? Die Zuschauer sind die Mächte und Gewalten in der unsichtbaren Welt.
Darauf sehen wir auch, dass die Engel offensichtlich nicht allwissend sind. Offensichtlich war auch den Engeln nicht der ganze Masterplan Gottes für die Welt bekannt.
Darum sollen die Engel an der Gemeinde – also an uns, an unserer Existenz und an unserem Pilgerweg – Gottes überlegene Weisheit erkennen. An uns, der Gemeinde, sollen die Engel zugleich die überlegene Macht Jesu erkennen.
Denn Paulus sagt, all dies wurde nur möglich in Vers 11 durch Jesus. Diesen Vorsatz hat Gott ausgeführt in Christus Jesus. Das wurde nur möglich, weil Jesus für unsere Schuld gestorben ist, weil er den Tod besiegt hat und auferstanden ist, weil er uns nun sein Evangelium zurufen lässt und weil wir durch ihn, durch diese Tür hindurch, alle zur Gemeinde Jesu Christi kommen können.
Was für eine Aufgabe!
Erst als ich diese Predigt vorzubereiten hatte und Epheser 3, Vers 10 zum ersten Mal richtig verstanden habe, habe ich auch noch einen anderen Vers verstanden, der mir vorher in seiner letzten Konsequenz nie so ganz klar war, nämlich 1. Petrus 1, Verse 10-12.
Dort sagt der Apostel Petrus, auch die Propheten hätten das Geheimnis der Gemeinde noch nicht gekannt. Sie wussten es noch nicht in allen Einzelheiten.
Dann heißt es dort: Nach dieser Seligkeit haben gesucht und geforscht die Propheten, die von der Gnade geweissagt haben, die für euch bestimmt ist. Sie haben geforscht, auf welche und was für eine Zeit der Geist Christi deutete, der in ihnen war, als er ihnen ihre Prophezeiungen eingab.
Zuvor hat er bezeugt die Leiden, die über Christus kommen sollten, und die Herrlichkeit danach.
Ihnen, den Propheten, ist offenbart worden, dass sie nicht sich selbst, sondern euch dienen sollten – mit dem, was euch nun verkündigt ist durch die, die das Evangelium verkündigt haben, durch den Heiligen Geist, also durch die Apostel, der vom Himmel gesandt ist.
Und dann kommt der Zusatz: „Was auch die Engel begehren zu schauen.“
Diesen Nachsatz habe ich immer überlesen, wenn ich diese Stelle las.
Petrus sagt also: Selbst die Propheten wussten, dass das, was sie verkündeten und voraussagten, nicht in seinem ganzen Umfang verstanden wurde. Sie haben Dinge vorausgesagt, die erst jetzt in eurer Zeit durch die Predigt der Apostel richtig klar werden.
Worauf das alles hinausläuft, ist letztlich für euch bestimmt, und ihr könnt es verstehen. Ihr seid damit in ein Projekt einbezogen, das auch die Engel begehren zu schauen.
Es ist der Eindruck, als ob die Engel sich ganz weit aus dem Fenster legen, um mitzukriegen, was da mit der Gemeinde Jesu Christi läuft.
Das ist die Aussage hier.
Liebe Brüder und Schwestern, wenn wir solch einen Auftrag haben – in dieser kosmischen Dimension vor der unsichtbaren Welt –, wie könnten und dürften wir da müde werden? Wie könnten und dürften wir uns hängen lassen und uns von den Dingen dieser Welt beschlagnahmen lassen?
Der heilige Gott hat uns als seine Gemeinde geschaffen – eine völlig neue Schöpfung.
Wir sollen vor der sichtbaren Welt ein Licht sein, die Stadt auf dem Berge, und vor der unsichtbaren Welt ein vielfarbiges Beispiel der machtvollen Weisheit Gottes.
Nicht weniger.
Spätestens an dieser Stelle fährt einem das Schrecken in die Glieder, und man sagt sich: Meine Zeit, was geben wir den Engeln manchmal für ein Schauspiel!
Ich habe gedacht, wie gut, dass Gott die Engel bestimmt auch über den Sündenfall informiert hat. Es war ja auch einer der ihren maßgeblich daran beteiligt.
Sonst wäre es überhaupt nicht einzuordnen, was die Engel manchmal an uns, an der Gemeinde, sehen.
Aber schauen Sie: Es ist ja nicht unsere Weisheit, die da demonstriert werden soll, sondern Gottes. Es geht nicht um unsere Macht und unsere Gnade, sondern um seine.
Und hier, in Vers 10, sagt Gott uns doch: Du magst dich unwürdig fühlen, wie du willst – in meinem Ensemble, in meiner vielfarbigen Mannschaft dienst auch du mit dazu, dass meine Weisheit vor der Engelwelt gepriesen wird. Du dienst auch mit dazu.
Es kommt nur darauf an, dass du drin bist in der Gemeinde. Rein in die Gemeinde kommst du allein durch Jesus Christus, wie Vers 11 sagt, indem du an ihn glaubst, allein durch ihn.
Wenn du aber drin bist, wenn du Kind Gottes bist, dann hast du Anteil an all den Privilegien und Aufgaben.
Unwürdig war auch Paulus, hat er ja in Vers 8 gesagt: „Ich bin der allergeringste.“ Aber die Unwürdigkeit des Paulus konnte Gottes Gnade nicht daran hindern, den Paulus zu einem Werkzeug seiner Ehre zu machen.
Und das ist das Großartige.
Fünftes Mittel gegen Müdigkeit: Freier Zugang zum Vater durch Christus
Ein Tourist kaufte einst in Paris eine preisgünstige Bernsteinhalskette. Er wurde dann ganz neugierig und auch ein bisschen ärgerlich, als er am Zoll in New York eine sehr hohe Summe dafür entrichten musste – für diese eigentlich preisgünstige Bernsteinkette. Was sollte das?
Dann ging er in New York zu einem Juwelier, ließ die Kette schätzen, und man bot ihm dafür 25.000 Dollar. Anschließend ging er weiter, um das zu überprüfen. Der nächste Juwelier bot ihm sogar 35.000 Dollar. Da fragte er: Wie ist das möglich?
Der Juwelier nahm eine Lupe und sagte: „Schauen Sie mal genau hin, was hier steht. Das ist echt. Vom Schriftzug her sieht das jeder Kenner, das ist echt.“
Da stand nämlich: „Für Josephine von Napoleon Bonaparte.“ Es war der Namenszug Napoleons, der diese eigentlich nicht sehr wertvolle Kette zu einem unendlich großen Wert machte.
Es ist klar, was ich damit sagen will: Wenn du zur Gemeinde Jesu Christi gehörst, dann trägst du seinen Namen. Und das macht dich würdig und wertvoll. Wenn du seinen Namen trägst, gibt es nichts, was ihn und dich auseinanderreißen könnte.
Genau das ist der letzte Grund, den Paulus hier gegen unsere Müdigkeit und Resignation anführt. Wir fühlen uns vor all den Aufgaben manchmal wie ein einsamer Schüler in der Mathearbeit. Wahrscheinlich gibt es nur wenige Momente, in denen sich manche so einsam fühlen.
Das Arbeitsblatt liegt da, man darf niemanden fragen, alles ist schwierig, kein Lösungsansatz – ganz einsam und allein. So fühlen wir uns manchmal auch.
Aber es ist, als ob Paulus hier am Ende sagen wollte: Du bist nicht allein. Darum bitte ich dich, werde nicht müde. Denn – und das ist der fünfte Grund – wir haben jederzeit freien Zugang zum Vater.
Es ist kein Zufall, dass das hier am Schluss steht, in Vers 12: „Durch Christus, durch den wir Freimut und Zugang haben, in aller Zuversicht durch den Glauben.“
Paulus sagt: Du bist nicht allein, du bist nicht abgeschnitten von deiner Kraftquelle. Du hast Freimut, das heißt, du kannst frei und froh dich diesem Dienst stellen – also dem Dienst, das Evangelium weiterzugeben und Gottes Plan für diese Welt zu verkünden.
Warum? Denn du hast Zugang. Das heißt, du hast die direkte Verbindung zu Gott als deinem Vater durch den Glauben an Jesus. Du hast Zugang.
Schauen Sie, was für ein Unterschied das zu den Religionen ist: Im Buddhismus gibt es überhaupt keinen persönlichen Gott. Dort soll der Einzelne in sich selbst das Göttliche finden.
Im Hinduismus gibt es 300 Millionen Gottheiten. Dort kennt man auch keinen persönlich, und das oberste Göttliche, das Brahman, ist unpersönlich.
Im Islam gibt es zwar einen persönlichen Gott, aber er ist so unheimlich fern, undurchdringbar und unberechenbar, dass man ihn nicht als Vater anruft und ihm nicht vertrauen kann.
Sogar im Judentum, das doch auf eine Offenbarung des lebendigen Gottes zurückgeht, gab es keinen direkten Zugang zum Allerheiligsten, keinen direkten Zugang zum lebendigen Gott. Ein dicker Teppich hing davor, und selbst der Hohepriester durfte nur einmal im Jahr dort hineingehen.
Und jetzt sagt Paulus: Aber wir, durch Jesus, wir haben Freimut und Zugang. Das heißt Zugang zu Gott, Zugang zu ihm selbst, der unser Vater ist.
Darum brauchen wir nicht allein zu bleiben, wir brauchen nicht müde und verzagt zu sein. Er ist da, und wir dürfen immer zu ihm kommen. Er sorgt für uns.
Schlussgedanken: Die erste Liebe bewahren und die Gemeinde als Kraftquelle
Liebe Gemeinde,
das ist eine aufrüttelnde Wahrheit, die der Apostel Paulus uns in diesen Versen entgegenruft. Er sagt nämlich: Wenn du zur Gemeinde Jesu gehörst, wenn du den Namen Jesu trägst, dann hast du nicht den geringsten Grund, in deiner Müdigkeit hocken zu bleiben. Du hast auch nicht den geringsten Grund, an deiner Mutlosigkeit zu verzweifeln.
Der Apostel Paulus hat Ihnen und mir heute fünf starke Mittel, fünf Gründe gegen die Müdigkeit und die Resignation genannt. Er lässt sie uns in Erinnerung rufen. Er sagt:
Darum bitte ich, dass du nicht müde wirst, denn wir haben den unausforschlichen Reichtum Christi. Zweitens: Wir sind ein Teil von Gottes Masterplan. Drittens: Wir haben einen unvertretbaren Auftrag. Viertens: Wir werden beobachtet von der unsichtbaren Welt. Und fünftens: Wir haben jederzeit freien Zutritt zum Vater.
Paulus hat von diesen Mitteln gegen die Müdigkeit rege Gebrauch gemacht. Darum konnte Paulus auch unter schwierigen Umständen schreiben in 2. Korinther 4,1: "Weil wir diesen Auftrag haben nach der Barmherzigkeit, die uns widerfahren ist, werden wir nicht müde."
Viele in Ephesus haben das genauso erfahren, und viele unter uns auch bis heute. Gerade an der Geschichte dieser Gemeinde in Ephesus sehen wir, wie wichtig es ist, dieses Mittel gegen die Müdigkeit auch immer wieder einzunehmen. Denn einige Jahrzehnte später, nachdem dieser Brief geschrieben worden war – Paulus war da schon längst im Himmel – drohte wieder eine lähmende Müdigkeit, sich in Ephesus breitzumachen.
So um 95 nach Christus brach in dieser Gemeinde in Ephesus Nachlässigkeit ein. Jesus selbst hat dieser Gemeinde in Ephesus dann durch seinen Apostel Johannes einen Brief schreiben lassen, das sogenannte erste Sendschreiben der Offenbarung, Offenbarung 2. Dort sagt Jesus:
"Ich sehe, dass du versuchst, treu deine Sache zu machen und dich auch an die Wahrheit zu halten, und du hast dein Bekenntnis nicht verleugnet. Aber ich habe eins gegen dich: Ich habe gegen dich, dass du deine erste Liebe verlassen hast."
Dann fügt Jesus hinzu: "So denke nun daran, wovon du abgefallen bist, und kehre um."
Verstehen Sie, das war der Ausdruck dieser Müdigkeit, dass sie ihre erste Liebe zu Gott und Jesus Christus verlassen hatten und in ihrer Müdigkeit eingeschlafen waren.
Darum ist die wichtigste Frage, die wir uns heute stellen müssen: Wie steht es um deine erste Liebe zu Jesus Christus? Und wie steht es um deine Liebe zu seiner Gemeinde?
Es ist gut, dass die Kinder zur Gemeinde gehören, sie sollen ja in der Gemeinde sein. Wir wollen nur noch einmal den letzten Gedanken festhalten: Das Problem in Ephesus war, dass sie die erste Liebe zu Christus verlassen hatten. Das war die Auswirkung dieser geistlichen Müdigkeit, dieses geistlichen Schlendrians, der bei ihnen eingezogen war.
Darum die Frage an uns: Wie steht es um deine erste Liebe zu Jesus Christus? Das ist keine Emotionsfrage. Es geht nicht einfach um den äußeren Schwung der ersten Entdeckung, dass Jesus lebt. Es ist eine sehr persönliche Frage: Wie ernst nimmst du deinen Herrn? Wie lebst du mit ihm in deinem Alltag? Wie steht es um deine Liebe zu ihm und zu seiner Gemeinde?
Im Epheserbrief zeigt dir Gott, wie wichtig ihm seine Gemeinde ist und welche Verantwortung seine Gemeinde hat. Darum ist es wichtig für dich, dass du dabei bist in seiner Gemeinde. Dass du nicht in die Rolle eines distanzierten Zuschauers, Betrachters oder Randsiedlers gerätst, der darauf achtet, dass die Gemeinde ihn möglichst wenig stört in seinem sonstigen Lebensvollzug. Sondern dass du dabei bist, dass du ein Teil der Gemeinde bist.
Nutze die Mittel eifrig und gerne, die der lebendige Gott seiner Gemeinde gegeben hat: Sein Wort, das Gebet, die Lehre, das Miteinander hören, Gott loben und Gott dienen.
Denn wenn du zur Gemeinde Jesu gehörst, dann ist ihre Verantwortung auch deine Verantwortung. Dann schauen die Engel auch auf dich. Das ist klar: Weder sie noch ich sind auch nur im Entferntesten würdig, diese Verantwortung zu schultern. Aber seine Gnade hat uns zu dem gemacht, was wir sind.
Seine Gnade – wir tragen seinen Namen, wie die Kette den Namen Napoleons trug. Darum haben wir direkten Zugang zu ihm, und den sollen wir nutzen. Wir sollen uns immer wieder freimachen lassen von aller Müdigkeit und Verzagtheit.
Dann wird Gott uns immer wieder neuen Schwung geben, immer wieder neue Kraft. Denn er sagt im Jesaja: "Die auf den Herrn harren, kriegen neue Kraft, dass sie auffahren mit Flügeln wie Adler, dass sie laufen, ohne matt zu werden, dass sie wandeln, ohne müde zu werden."
So schließlich mit dem alten, bekannten amerikanischen Prediger Dr. William Sangster. Er gehörte zum Berufungskomitee seiner Kirche. Vor diesem Komitee mussten sich immer wieder Predigerkandidaten vorstellen. Dann hatte das Komitee zu entscheiden, ob sie zum Prediger taugen oder nicht, ob sie berufen werden sollen oder nicht.
Ein junger Mann kam, der war etwas nervös und wollte besonders bescheiden wirken. Er sagte: "Ach, wissen Sie, ich bin nicht der Typ Prediger, der jemals die Themse in Flammen setzen könnte durch seine Predigt."
William Sangster sah ihn freundlich an und sagte: "Mein lieber junger Bruder, mich interessiert überhaupt nicht, ob du mit deiner Predigt die Themse in Flammen setzen könntest. Was mich vielmehr interessiert, ist Folgendes: Wenn ich dich jetzt am Genick packen und in die Themse hineinwerfen würde, würde es dann zischen?"
Die Frage ist nicht, ob du so machtvoll predigen kannst, dass du die Welt oder die Themse in Flammen setzt. Die Frage ist, ob du selber brennst – für Jesus. Dein Leben ihm gehört. Denn genau das will Jesus dir schenken, nicht weniger.
Amen.