Die Suche nach einem erfüllten Leben in der modernen Gesellschaft
Sie sagen, wir müssen das Leben mit Dingen füllen. Peter Grossheim hat in seinem Buch „Multioptionsgesellschaft“ geschrieben: Auf der Suche nach mehr gründet die Moderne auf dem Prinzip „better, faster, bigger“ – also besser, schneller, größer, immer mehr. So wie bei Ihnen.
Das hat angefangen mit den beiden Handys, dann kam die Freisprechanlage, danach die neuen Kleider in Pink und Blitzblau. Es folgten der Hundertdreißiger, der Dreiundzwanziger, dann die Badewanne mit Whirlpool, der elektrische Garagenöffner, das Bio-Bett – ganz toll – und schließlich die neue Dienstwohnung mit Dienstauto. Jeder will immer mehr und mehr, hat Anna gesagt.
Aber herausgekommen ist kein Leben – nicht immer mehr und mehr, sondern immer weniger und weniger, geschweige denn ein erfülltes Leben. Ein erfülltes Leben ist dann gegeben, wenn es wirklich gefüllt wird.
Die andere Möglichkeit ist das Rezept des Rentners. Er sagt, wir müssen das Leben mit Reisen füllen. Gegenwärtig erleben wir eine Völkerwanderung der Rentner zu Land, zu Wasser und in der Luft.
So war ich ja auch in den letzten drei Wochen drüben in Brasilien. Die Freunde und Geschwister dort hatten für ähnliche Vorträge die Messehalle in der wunderschönen Stadt Blumenau gemietet.
Wissen Sie, hier in Pforzheim bin ich nur der Vorboxer, der Schauboxer. Die Champions, wie Felden und Barzani, die kommen später. Heute habe ich gelesen, heute Morgen beim großen Weltmeisterschaftskampf im Deck, wenn die Amerikaner Holle fehlen und irgendwie unter anderen Namen gegeneinander kämpfen, dann darf der Glitschko, dieser Boxer aus der Ukraine, der jetzt eben unseren Schulz zusammengehauen hat, vorher einmal kurz in den Ring steigen – so wörtlich, um Appetit zu machen und die Leute auf den Geschmack zu bringen.
Wenn Sie so wollen, bin ich der Glitschko von Pforzheim. Die Besseren kommen erst.
In Blumenau war ich der Champion, dachte ich. Nach dem ersten Vortrag kam eine Dame in gebrochenem Deutsch und sagte: „Ihr Vortrag war schön. Die Übersetzung war noch schöner, aber am schönsten war Ihr Dialekt. Ich höre Ihren Dialekt so gerne, meine Mutter kommt auch aus Russland.“
Erfülltes Leben – Mann, oh Mann, du! Erfülltes Leben ist dann, wenn es gefüllt wird.
Die Suche nach Sinn: Ideologien und Freiheit
Die dritte Möglichkeit ist das Rezept des Funktionierens. Alexander Solschenizyn hat in seinem beeindruckenden Buch „Die Krebsstation von Jefrim“ von jenem vitalen, lebenshungrigen Bossen aus der Taiga erzählt. Dieser kannte das Wort Krankheit nur aus dem Wörterbuch. Eines Tages wurde er jedoch in die Krebsklinik eingeliefert. Zuerst glaubte er an einen üblen Scherz, dann an eine Fehldiagnose, und schließlich an ein plötzliches Wunder. Doch die gefährlichen Metastasen fraßen weiter.
In diesen schweren Wochen, inmitten seiner Depressionen, stieß er auf ein Buch von Leo Tolstoi mit dem Titel „Wovon lebt der Mensch?“. Dieses Buch ergriff ihn zutiefst. Immer wieder fragte er sich: Wovon lebt der Mensch? Mit diesem Titel konfrontierte er auch seine Leidensgenossen. Der eine sagte: vom Arbeitslohn, der andere vom Essen, der dritte von der Luft. Der neu eingelieferte Funktionär jedoch sagte etwas, das ihn überzeugte: Das kann doch gar keine Frage sein – der Mensch lebt von Ideologien.
Unsere Erfahrungen mit Ideologien, ob westlich oder östlich, zeigen jedoch, dass sie nicht mehr Leben bringen, sondern immer weniger. Erfülltes Leben ist dann gegeben, wenn es gefüllt ist.
Die vierte Möglichkeit ist das Rezept des berühmt-berüchtigten jungen Mannes. Er sagte, wir müssen das Leben mit Freiheit füllen. Die Bibel erzählt von ihm, doch leider wird er immer wieder als der sogenannte verlorene Sohn abqualifiziert. Nein, nein, er war kein sturer Revoluzzer, der Marx und Lenin studierte, der sich einen Bart wachsen ließ, eine Lederjacke besorgte und den Umsturz der häuslichen Verhältnisse suchte. Nein, ihm gefiel es zu Hause zunächst gar nicht schlecht.
Er war auch kein verspäteter Aufklärer, so ein Fußkranker des achtzehnten Jahrhunderts, der seinen Vater und seinen Gott für tot erklärte. Er wusste, dass er einen Vater hat und mit ihm zu reden ist. Er gehörte auch nicht zum Jet Set, der irgendwo in Monaco wohnte, in Las Vegas spielte und im Golf von Mexiko surfte.
Nein, dieser junge Mann war ein Denker, der seinen Kopf nicht nur zum Kopfballspiel einsetzte, sondern auch zum Nachdenken. Dabei kam er zu drei Denkschlüssen. Und...
Freiheit als Grundlage für ein erfülltes Leben
Er sagte zuerst: Ein erfülltes Leben ist kein vertrotteltes Leben. Das ewige Einerlei kann es doch nicht sein. Aufstehen, essen, arbeiten, essen, Feierabend essen, schlafen – dann wieder aufstehen, essen, arbeiten, essen, Feierabend essen, schlafen, aufstehen, essen, arbeiten, essen. Das ist ja der Rhythmus einer Ameise.
Und Glück und Behagen als Selbstzweck hat Albert Einstein, der glücklichste Mann der Welt, so beschrieben: Glück und Behagen als Selbstzweck sind das Ideal eines Schweinehirten. Nein, ein vertrotteltes Leben ist es nicht.
Der zweite Denkschluss lautet: Ein erfülltes Leben ist kein arbeitsreiches Leben. Ich weiß, was ich sage, besonders im süddeutschen Raum. Ich kenne Arbeit gut, aber ich muss Ihnen noch meine schönste Geschichte überhaupt erzählen.
Ich bin von Stuttgart weggezogen, nachdem ich meinen Dienst vollendet hatte. Ich halte den Pfarrer immer noch für den schönsten Beruf der Welt. Allerdings hat er einen Nachteil: Wenn man mit 62 in den Ruhestand geht, wird einem plötzlich das Dach über dem Kopf weggezogen. Man steht auf weiter Flur allein.
Ich hatte nichts geerbt und besaß kein Grundstück, meine Frau auch nicht. Ich sagte zu meiner Frau: „Du, ich habe falsch geheiratet, du hast nichts mitgebracht.“ Und sie antwortete: „Konrad, ich auch.“ So fanden wir schließlich doch ein kleines Häuschen auf der Schwäbischen Alb, bezahlbar für einen Rentner im Neubaugebiet.
Als wir einzogen, passierte etwas Nettes: Der Nachbar, vielleicht dreißig Jahre alt, kam über die Straße und sagte: „Ich heiße Norbert, wie heißt du?“ Ich erwiderte: „Nicht schlecht, nicht schlecht, ich heiße Konrad.“
Er sagte: „Konrad, ich habe eine Frage. Als dein Haus gebaut wurde, habe ich dich nie auf der Baustelle gesehen! Unmöglich, oder? Hast du so viel Geld, dir dein Haus bauen zu lassen?“
Ich antwortete: „Nein, Freund, dieses Haus gehört nicht mir. Ich wohne hier zur Miete.“
Dann trat er zwei Meter zurück, schaute mich von unten nach oben und von oben nach unten an und sagte: „Konrad, hast du nichts geschafft? Immerhin habe ich es nach Pforzheim geschafft. Ich hoffe, dass Sie nicht so geschafft sind, dass Sie überhaupt noch zuhören können.“
Ich weiß, was Arbeit ist. Wilhelm Busch wies immer darauf hin, wenn er sagte: „Nur Arbeit war dein Leben, nie dachtest du an mich.“ So wie wir es in Todesanzeigen lesen: „Nur Arbeit war dein Leben, nie dachtest du an dich.“ Das ist kein Spruch für einen Menschen, sondern für einen alten Karrengaul.
Liebe Freunde, Leben ist doch nicht nur ein arbeitsreiches Leben.
Der dritte Denkschluss lautet: Ein erfülltes Leben ist kein narkotisiertes Leben. Das Gefühl der Sinnlosigkeit, das gegenwärtig ohne Pause jede Grenze überschreitet, erzeugt Fluchtgedanken. Nur weg aus diesem Einerlei, nur weg aus diesem ganzen Getriebe – hinein in die Disco, in den Alkohol, in die Rhythmen, in die Drogen und schließlich in den Selbstmord.
Aber man lebt doch nicht, um sein Leben zu zerstören. Man lebt doch nicht, um nicht zu leben.
Ein erfülltes Leben ist kein vertrotteltes Leben. Deshalb sagte er sich, und an diesen Problemen saß er: Ein erfülltes Leben ist dann gegeben, wenn es mit Freiheit gefüllt ist. Freiheit beinhaltet das Grundrecht auf Leben und das Selbstbestimmungsrecht des Lebens.
Freiheit als Grundrecht und Selbstbestimmung
Einmal das Grundrecht des Lebens, liebe Freunde – es geht doch nicht an, dass wir einem acht oder zehn Wochen alten Kind, das unter dem Herzen der Mutter wächst, sagen: „Mein liebes kleines Kind, du störst uns den Kreis. Jetzt kann die Mama nicht mehr arbeiten, wir können nicht mehr in den Urlaub fahren. Du bist einfach ein Querschläger, dich brauchen wir nicht, du bist fehl am Platz.“
Schauen Sie doch einem Kind in die Augen und sehen Sie, wie gerne dieses Kind lebt – genauso wie Sie. Jeder hat ein Grundrecht auf Leben.
Es geht doch nicht an, dass wir einem alten Mann im Altenheim, der mit 90 Jahren am Tropf hängt, sagen: „Nun, mein lieber Alter, du hast genug gelebt. Einmal muss Schluss sein. So viel Geld haben wir nicht, und so viel Pflegepersonal können wir nicht aufbringen, um dich hier weiter zu ernähren. Wer so viel erlebt hat, der kann jetzt gehen. Du gehörst weg vom Tropf.“ Wir sind ja nicht Richter über Leben und Tod!
Jeder hat ein Grundrecht auf Leben und ein Selbstbestimmungsrecht über sein Leben.
Es geht doch nicht an, dass der eine nur in Favelas, Elendsvierteln und Ghettos leben darf. Es geht nicht an, dass der eine nur in ideologischen Rastern denken darf. Es geht nicht an, dass man seinen Glauben nicht leben darf.
Jeder hat ein Grundrecht auf Leben und ein Selbstbestimmungsrecht über sein Leben. Das ist die Freiheit, die wir brauchen. Erfülltes Leben ist, wenn wir es mit Freiheit füllen.
Und daran saß der junge Mann, und dann tat er etwas Entscheidendes. Er verglich seinen Lebensraum mit dem Spielraum, den ihm sein Vater einräumte. Sein Grundrecht ist unbestritten, aber wie steht es um sein Selbstbestimmungsrecht?
Dabei überkam ihn die Angst, er könnte etwas versäumen. Er könnte dieses Leben nicht ganz voll auskosten. Er könnte den Becher des Lebens nicht bis zur Neige trinken dürfen.
Ich frage Sie, ich frage vor allem viele junge Leute: Ist das nicht unsere geheime Angst, warum wir immer wieder zurückschrecken, ganz Christ zu werden? Wir könnten etwas versäumen. Wir könnten zu kurz kommen. Wir könnten den sprudelnden Kelch nicht bis zur Neige trinken.
Und weil er daran saß, spielte er mit dem Gedanken – er spielte nicht Prometheus, der sich gegen Gott auflehnte, sondern er spielte mit dem Gedanken: „Weil dieser Vater mir letztlich nur die kurze Leine gibt, führe ich ein Hundeleben. Aber ich will ja wie ein Mensch leben, und deshalb muss ich diese Verbindung kappen.“
Und weil Gedanken, mit denen wir spielen, plötzlich Herrschaft über uns gewinnen, kam es zu jenem denkwürdigen Gespräch.
Das Gespräch mit dem Vater: Freiheit und Verantwortung
Papa, hast du mal einen Augenblick Zeit für mich?
Bub, immer. Für dich habe ich immer Zeit. Komm in mein Büro!
Da sitzen sie. Der Vater holt eine Cola, zündet seine Pfeife an und sagt: „Nun, Bub, schieß los, rück raus!“ Der Junge druckst herum, doch dann sagt er: „Du, Vater, weißt du, wenn es hier so eng ist, ich möchte gern mehr Freiheit. Ich möchte, weißt du, ein ganz erfülltes Leben. Mit der Stadt. Du gibst mir doch jetzt schon das Geld, das du ja für mich schon aufbewahrt hast als Erbe.“
Nun schauen Sie auf den Vater. Er legt nicht die Pfeife weg. Er sagt nicht: „Du, Bürschchen, dein Dingschluss ist ein Kurzschluss. So einfach liegen die Dinge nicht, man kann ja das Leben auch verspielen.“ Der Vater schlägt auch nicht mit der Faust auf den Tisch und sagt: „Solche Unverschämtheiten dulde ich nicht in meinem Hause! Das Geld und du bleibst hier.“ Nein, der Vater fing auch nicht an zu weinen. Da kamen keine Krokodilstränen, keine Tränen, die ihm über die Wange liefen, und er sagte nicht: „Das ist der Dank für 18 Jahre Kleidung, für 18 Jahre Erziehung, für 18 Jahre Essen.“ „Oh, undank ist der Weltenlohn“, so sagte dieser Vater nicht.
Er stand auf, ging zum Konto, machte es auf, blätterte ein paar Mille heraus und sagte: „Bitte.“ Der Vater zwang den Sohn nicht. Der Vater zwingt niemanden. Der Vater zwingt auch dich nicht. Jeder kann gehen. Wir sind keine Marionetten, die nur an Fäden hängen. Wir sind keine Puppen, die nur auf den Fingern tanzen. Wir sind keine Lebewesen, die nur von Instinkten getrieben sind. Wir sind Menschen mit einem Grundrecht auf Leben und Selbstbestimmungsrecht des Lebens. Jeder, auch Sie, jeder darf gehen.
Ich weiß von jenem jungen Mann, der ausgetreten ist. Aus der Kirche. „Mit diesem alten Hut habe ich abgeschlossen.“ Und als er später ein Mädchen kennenlernte, ging er nicht doch noch zum Pfarrer, weil man ja doch nicht ungetraut einfach in eine Ehe kann und man das vor den Freunden ja nicht verantworten kann. Nein, er ließ sich nicht trauen. Er ging.
Als das erste Kind geboren wurde, ging er nicht doch zur Taufe, weil man ja nichts an seinen Kindern versäumen dürfe. Nein, er ging! Als die Mutter starb und beerdigt werden sollte, ging er nicht doch noch mal zum Pfarrer, weil man ja alte Menschen nicht wie Hunde verscharren dürfe. Nein, er ging! Und als es selbst mit ihm schlecht ging, als ihm schlecht ging, holte er nicht doch noch einen Freund, um mit ihm zu beten, weil man ja nicht weiß, was doch noch auf einen zukommt. Nein, er holte niemanden. Er ging.
Er sagte: „Wenn schon, dann schon. Wenn schon leben ohne Gott, dann auch sterben ohne Gott. Finde ich ehrlich. Finde ich ehrlich: Wenn schon leben ohne Gott, dann auch sterben ohne Gott.“ Und dann war er weg vom Fenster.
Dann war er in der City. Seine Wohnung hatte Geschmack und Niveau. Die Leute drehten sich auf der Straße um, wenn er in seiner tollen Garderobe daherkam – pink und blitzblau. Ein Leben voller Liebe: Liebe zu den Frauen, Freundinnen en masse, Liebe zum Alkohol. Der Wein und das Bier flossen in Strömen. Liebe zum Essen. Die Speisekarten waren ein Gedicht. Einfach ein erfülltes Leben voller Liebe, so dachte er.
Und dann passierte es. Wissen Sie, Saint-Exupéry, der französische Philosoph und Kampfpilot, sagte: Man kann nicht immer aus vollen Eisschränken leben. Man kann nicht immer aus dem Vollen schöpfen. Man kann nicht immer Kaviar essen und Whisky trinken. Man kann nicht immer auf den Bildschirm starren. Man kann nicht immer in Urlaub gehen. Man kann nicht immer ein flottes Leben führen. Man kann es nicht immer. Einmal ist die Grenze erreicht. Einmal ist die Grenze erreicht.
Er begann, die Weiber zu hassen, die nur an seinem Geld interessiert waren. Er begann, die Kumpels zu hassen, die nur an einer Runde Bier interessiert waren. Er begann, die ganze Welt zu hassen. Er schlich sich hasserfüllt aus dieser Stadt. Bei einem Bauern fand er einen Job und der beschäftigte ihn irgendwo im Stall. So landete er bei den Schweinen. Der, der kein Hundeleben führen wollte, landete bei den Schweinen.
„Erfülltes Leben ist doch eh alles Schweinewurst, ist doch eh alles Schweinewurst“, rief er. „Ich bin frei!“ Und dann hatte ihn das Heimweh. Er musste dem großen Lebensstil folgen.
Er rief: „Frei! Ich bin frei!“ Und dann hatten ihn die Triebe, und er musste sie befriedigen. Er rief: „Ich bin frei!“ Und dann hatte ihn die Einsamkeit, und er musste sich amüsieren.
Sehen Sie, so sieht die Freiheit aus, das erfüllte Leben, das wir uns wünschen: gebunden sein, nicht mehr anders können.
Liebe Freunde, entweder wir stehen unter Gott und sind damit Söhne und Töchter in der Freiheit Gottes. Oder wir stehen unter uns selbst, unter unseren Lüsten, unter unseren Süchten, unter unseren Depressionen, unter unseren Problemen und damit in der größten Unfreiheit, die es überhaupt gibt.
Neutralität ist kein Thema. Deshalb sind Sie mit aller Deutlichkeit gefragt. An diesem Abend bist du persönlich mit aller Deutlichkeit gefragt: Kind des Einen oder Knecht der Vielen sein? Willst du Kind des Einen oder Sklave der Vielen sein? Freiheit oder Fesseln?
Das Wahlrecht muss jeder ausüben: Freiheit ohne Fesseln. Sie können sich um diese Wahl nicht drücken. Freiheit ohne Fesseln. An diese Wahlurne muss jeder einmal gehen: Freiheit oder Fesseln!
Der junge Mann wählte richtig. Noch war es nicht zu spät.
Der Weg zum erfüllten Leben: Drei Schritte
Anna und Markus fragten vorhin: Wir wollen uns ändern, aber wie?
Dieser junge Mann wusste die Antwort. In drei Schritten erreichte er das erfüllte Leben.
Drei Schritte:
Erster Schritt:
Erster Schritt: Zu sich kommen
Er kam zu sich. War das die neue Welle nach der Aktion, die Frustration, dann die Resignation und schließlich die Meditation? Was wir in diesen Tagen beobachten, ist, dass Menschen meditieren und wieder zu sich selbst kommen wollen. Diese Bewegung ist gar nicht so schlecht.
Kierkegaard, der dänische Religionsphilosoph, sagte: „Schaffe Schweigen, hilf anderen zum Schweigen.“ Dieses Hinaufsteigen in sich selbst ist also gar nicht so schlecht. Aber ich frage mich, ob man damit wirklich etwas findet. Wenn man sich selbst verloren hat, kann man sich nicht selbst finden.
Liebe Freunde, wer sich selbst erfinden will, der muss sich finden. Die Identität des Menschen hängt an der Realität Gottes. So hängen die Dinge zusammen. Nur wer Gott findet, findet wieder sich selbst.
Meditation als Besinnung ist gut, wenn man nicht vom Besinnen in den Wahnsinn geraten will. Aber ich fürchte, dass das Ziel dabei oft nicht stimmt. Sie müssen diesen Gott wiederfinden. Sie müssen ihn wiederfinden.
So wie dieser junge Mann: Er horchte nicht in sich hinein, er ging nicht die Treppen in sich hinein. Vor ihm stand nicht sein Ich, sondern die Vatergestalt, und er sagte: „Wie viele Arbeiter hat mein Vater, und ich verderbe ihm den Hunger?“ Der Grund meines Elends sind nicht die stinkenden Schweine, der Grund meines Elends ist nicht das schlechte Futter, der Grund meines Elends ist nicht dieser entsetzliche Job. Der Grund meines Elends ist, dass ich nicht daheim bin.
Ich war auf der Königstraße, viele Leute waren dort, und da hörte ich das Geschrei eines Kindes, eines Buben von etwa fünf Jahren. Ich blieb bei ihm stehen. Er weinte und weinte. Nun bin ich ja schließlich Seelsorger und zum Trösten verurteilt und verdammt. Deshalb blieb ich stehen und sagte: „Du, Bub, komm, wein doch nicht. Willst du deine Wurst?“ Die wurde an der anderen Seite entfernt. Dann sagte er: „Nein, keine Wurst.“ „Dann ein bisschen Eis, zwei Kugeln?“ „Nein, ich will kein Eis.“ „Willst du ein Bärchen?“ „Nein.“ „Was willst du denn?“ Dann sagte er und brach aus ihm heraus: „Ich will heim, ich will heim.“
Was nützen ihnen all diese Dinge, die ihnen hier vorgeführt werden, wenn ihre Seele schreit: „Ich will heim, ich will heim“, weil ich fern vom Vater lebe? Deshalb dieses ganze Elend.
Und die beste Meditationsform ist bis zum heutigen Tag das Gebet. Im Gebet finden Sie diesen Gott, der Sie sieht, und im Gebet finden Sie sich selbst – dieses gepeitschte und gejagte Ich, das endlich wieder still werden darf.
Zweiter Schritt: In sich schlagen
Er kam zu sich – das ist der erste und zweite Schritt. Er schlug in sich.
Er schlug nicht um sich und machte nicht alle anderen für seine Misere verantwortlich. Einige zeigen auf ihr schlechtes Erbgut: „Mein Opa war ein Trinker, was kann ich dafür, dass mir das Bier so schmeckt?“ Andere zeigen auf ihre Eltern: „Die waren doch totale Versager und haben mich pädagogisch verformt. Was kann ich dafür, dass ich so Eltern hatte?“
Der dritte zeigt auf die Gesellschaft: „Wenn die krank ist, was für ein Wunder, dass ich krank werde.“
Er schlug nicht um sich, sondern schlug in sich. Und er sagte den schwersten Satz, den ein Mensch über die Lippen bringen kann: Er sagte „Ich habe gesündigt.“
Freunde, er sagte nicht: „Ich bin ein bisschen entgleist“, oder „Ich habe einige über den Durst getrunken“, oder „Ich befand mich in schlechter Gesellschaft“, oder „Es war ja alles gar nicht so schlimm, take it easy.“ Nein, er sagte: „Ich habe gesündigt. Ich bin abgehauen, ich bin in die Stadt gegangen. Ich wollte ohne dich leben, ohne Gott leben.“
Das ist Sünde. Ohne Gott denken – das ist Sünde. Ohne Gott handeln wollen – das ist Sünde. Sünde ist die Kunst des Lebens ohne Gott. Und solch ein Lebenskünstler wollte er nicht sein.
Deshalb schlug er in sich: „Ich will heim!“
Dritter Schritt: Heimkehren zum Vater
Deshalb der dritte Schnitt: Er ging heim, er ging zum Vater. Manche wollen es, aber sie tun es nicht. Sie haben gute Vorsätze, so wie man manchmal gute Vorsätze hat. Man will ein paar Zigaretten weniger rauchen, weil das Zeug einem auf der Lunge sitzt. Man will mit den Eltern anders reden, weil dieser rüde Umgangston nicht ins Haus passt. Man will mit dem Mädchen endlich die Wahrheit besprechen, weil man so nicht weiter zusammenleben kann.
Und dann gehen die Tage hin. Man schiebt es auf die lange Bank, und die lange Bank ist der beste Sitzplatz des Teufels. Der hatte keinen guten Vorsatz, der führte ihn aus. Er ging. Er ging nicht vorher unter die Dusche, so mit Gel und Shampoo, Deo. Hat sie nicht fein gemacht. Er brachte seine Kleider nicht zur Kleidereinigung. Nein, er kam mit seinen Lumpen und seinem ganzen stinkenden Dreck – so wie er war.
Und nun sehe ich, wie er die Straße heraufkommt. Oben am Vaterhaus öffnet sich die Tür, und dort erscheint der Vater. Was wird der jetzt sagen? „Und du traust dich?“ Oder: „Und du schämst dich nicht?“ Und der langt nicht nach dem Prügeln und schreit: „Schere dich, Bub!“ Nein, der geht auf ihn zu, umarmt ihn und küsst ihn.
Denn sie, so ist der Gott, der ein erfülltes Leben schenken kann. Kein ferner Nebel oder eine nebelhafte Ferne, kein unbekannter Weltenlenker, deren Brudersphären Wittgesang unseren Kosmos durchkreist, keine ferne unbekannte Gestalt. Ein Vater, ein barmherziger Vater, der jeden aufnimmt, wieder aufnimmt, der zu ihm kommt.
Liebe Freunde, es ist ihm nicht billig geworden. Teuer war es, es kostete ihn seinen einzigen Sohn. Den hat er ans Kreuz schlagen lassen, damit wir nicht zu Kreuze kriechen müssen. Er nahm die ganze Verlorenheit auf sich, damit wir nicht verloren sein müssen. Er hat den Sühnetod erfüllt, damit wir ein erfülltes Leben bekommen können.
Kann ich ihn nicht ins Herz hineinschreien: Ein Vater, der auf sie wartet, so wie auf dem Bild von Bernard, das ich am Schluss malen will, der französische Maler aus Südfrankreich. Dort ein Haus, ein Flachdach, und auf diesem Flachdach steht der Vater. Er hat die Hand an die Augen gelegt und späht. Seine ganze Erscheinung ist Erwartung, Sehnsucht, Liebe.
Wissen Sie eigentlich, dass Gott so nach Ihnen ausschaut? Weißt du, dass Gott so nach dir hinblickt? Weißt du, dass Gott so auf jeden wartet? „Ich will heim!“ Geben Sie es doch zu und kommen Sie heim. Wäre das nicht ein guter Abend, heimzugehen und dieses erfüllte Leben aus einer Hand zu nehmen?