Einführung in den besseren Dienst Christi
Wir haben gestern in Hebräer 9,11-14 gelesen und wollen heute fortfahren. Zunächst wiederholen wir den Text kurz. Es geht weiterhin um den besseren Dienst des besseren Hohenpriesters.
Christus, der als Hohepriester der guten Dinge gekommen ist, die kommen sollten, ging ein durch das größere und vollkommenere Zelt. Dieses Zelt ist nicht mit Händen gemacht, das heißt, es stammt nicht von dieser Schöpfung. Er ging nicht durch das Blut von Ziegenböcken und Kälbern ein, sondern durch sein eigenes Blut, ein für allemal, in das Heiligste. Dadurch hat er eine ewige Erlösung bewirkt.
Denn wenn das Blut von Stieren, Ziegenböcken und die Asche eines Rindes auf die Unreinen gesprengt wird, um das Fleisch zu reinigen, wie viel mehr wird dann das Blut Christi, der durch den ewigen Geist sich selbst ohne Makel Gott darbrachte, euer Gewissen reinigen. Es befreit euch von toten Werken, um dem lebendigen Gott den gebührenden Dienst zu leisten.
Gegenüberstellung von altem und neuem Bund
Ich habe auf der Tafel jetzt die beiden gegenübergestellt, denn in diesen Versen haben wir ständig eine Gegenüberstellung. Ich möchte das jetzt noch ergänzen.
Wir haben also zwei Spalten: auf der linken Seite der alte Bund, auf der rechten Seite der neue Bund, wie Gott ihn durch den großen Hohenpriester eingeführt hat.
In Vers 11 lesen wir: Ein irdisches Zelt. Christus, gekommen als Hoherpriester, ging nicht in ein irdisches Zelt, sondern in ein größeres, in ein vollkommenes Zelt, nämlich in den Himmel selbst. Das lesen wir dann später in Vers 24, wo steht, dass Christus nicht in ein von Händen gemachtes Heiligtum einging, sondern in den Himmel selbst (Hebräer 9,24).
Also können wir auf der rechten Seite notieren: in den Himmel selbst. Der Ort, an den er ging, ist das himmlische Heiligtum.
Weiter heißt es: Nicht mit Blut von Ziegenböcken und Kälbern, sondern mit seinem eigenen Blut.
Bezüglich des Eintretens lesen wir im Alten Bund, dass es alljährlich oft dargebracht werden musste. Im Neuen Bund geschieht es einmal für allemal. Das steht in Vers 12: „Ein für allemal ging er ein.“
Dann geht die Gegenüberstellung weiter. Ganz kurz wird in Vers 14 erwähnt, um wie viel mehr das Blut Christi wirkt, der durch einen ewigen Geist sich selbst ohne Tadel darbrachte.
Christus hat sich ohne Tadel dargebracht. Er war ein Opfer ohne Flecken und ohne Tadel.
Die Hohenpriester hingegen waren nicht ohne Tadel. Wir haben in Kapitel 9, Vers 7 gelesen, dass sie zuerst für sich selbst ein Opfer darbringen mussten und dann für das Volk.
Priester müssen also für sich selbst ein Opfer darbringen, weil sie eben nicht ohne Tadel, sondern voller Tadel und Flecken sind.
Aber dieses Opfer, das der Herr Jesus Christus als Hoherpriester darbrachte, ist ohne Tadel. Nicht nur das Opfer ist ohne Tadel, sondern auch der Priester selbst ist ohne Tadel.
In diesem Fall ist er beides: Priester und Opfer, weil er sich selbst dargebracht hat. Als Priester ist er ohne Tadel, und als Opfer ist er ohne Flecken.
Die Bedeutung der Reinigung durch das Blut Christi
Und dann haben wir ganz unten in Vers 13 die Auswirkung dieses Opfers. Vers 13 beschreibt, dass, wenn das Blut von Stieren und Ziegenböcken sowie die Asche einer roten Kuh auf die Verunreinigten gesprengt wird, dies zur Reinheit des Fleisches heiligt.
Das heißt, hier haben wir die Reinheit des Fleisches. Was bedeutet das? Was will der Text damit sagen? Es wird auch als fleischliche Reinigung übersetzt. Was ist damit gemeint?
Letztlich geht es darum, dass der Priester oder überhaupt der Israelit, der sich verunreinigt hat – zum Beispiel, weil er einen toten Menschen berührt hat – wieder rein wird. Das Berühren eines toten Menschen macht unrein. Einen toten Menschen zu berühren ist schon etwas Unangenehmes. Ich weiß nicht, wer von Ihnen schon einmal tote Menschen berührt hat, aber es ist etwas Unangenehmes.
Noch schlimmer ist es, wenn der Tote schon vier Tage im Grab liegt und man das Grab öffnet. Es stinkt. Der Herr Jesus stand vor dem Grab des Lazarus und rollte den Stein weg. Welch ein Ekel! Vier Tage schon im heißen jüdischen Land, ein stinkender Körper – welch ein Ekel!
Wenn man sich verunreinigt hat, darf man sich reinigen. Der physische Tod verunreinigt. Ein Mensch, der gestorben ist, verunreinigt die anderen. Nun muss man sich reinigen lassen. Am dritten Tag wäscht man sich mit der Asche der roten Kuh und ist sieben Tage lang unrein. Man darf sich nicht zeigen, und am siebten Tag ist man dann rein.
Aber es gibt etwas Schlimmeres als physischen Tod. Es gibt etwas Ekelhafteres als eine stinkende Leiche – das ist geistlicher Tod. Wer geistlich tot ist, darf nicht anbeten. Wer geistlich tot ist, darf nicht vor Gott erscheinen. Er kann gar nicht anbeten.
Warum nicht? Gott nimmt die Anbetung von jemandem, der geistlich tot ist, nicht an. Der Mensch ist Fleisch, und Gott ist Geist. Wie soll der Mensch, der Fleisch ist, Gott, der Geist ist, anbeten?
In Johannes 3 lesen wir: „Was von Fleisch geboren ist, ist Fleisch.“ In Johannes 4 lesen wir, dass Gott Geist ist und die, die anbeten, in Geist und Wahrheit anbeten müssen. Der Mensch, der Fleisch ist und geistlich tot – das heißt, von Gott getrennt – kann Gott nicht so anbeten, dass Gott diese Anbetung annimmt. Das ist absolut unmöglich!
Jeder nicht wiedergeborene Christ, jeder nicht wiedergeborene Mensch kann Gott kein wohlgefälliges Opfer bringen. Absolut unmöglich! Johannes 3, Vers 6 sagt: „Was von Fleisch geboren ist, ist Fleisch.“ Johannes 4, Vers 22 und Vers 24 sprechen vom Geist Gottes.
Es gibt also etwas Schlimmeres als zeremonielle Verunreinigung. Im Alten Testament können das Blut von Tieren und die Asche einer jungen Kuh zur zeremoniellen, fleischlichen Reinigung dienen. Aber das Blut Christi reinigt viel mehr: Es reinigt unser Gewissen von toten Werken.
In Hebräer 9, Vers 14 steht: „Wie viel mehr wird das Blut des Christus euer Gewissen reinigen von toten Werken, um dem lebendigen Gott zu dienen.“ Das wird hier gegenübergestellt.
Befinden wir uns in einer Situation, in der unser Denken, unser Gewissen, unser Inneres beschmutzt ist – sei es durch Sünde, durch eine falsche Reaktion oder durch eine sündige Handlung, die wir getan haben – oder einfach durch den Schmutz dieser Welt, weil man vieles Schmutzige gehört hat, dann fühlt man sich beschmutzt. Man fühlt sich nicht in der Lage, in die Gegenwart Gottes zu treten. Man fühlt sich ungeeignet zum Anbeten.
Was soll man tun, wenn man jemanden verletzt hat? Was sagt die Bibel, wenn man gesündigt hat und gegen einen Bruder gesündigt hat? Was soll man tun, damit man anbeten kann?
Was sagt der Herr Jesus? Wenn man gerade unterwegs zum Altar ist, um Gott anzubeten, und merkt, dass man einen Bruder oder eine Schwester verletzt hat, dann soll man zuerst hingehen und die Sache klären. Erst dann kann man anbeten gehen.
Man kann nicht anbeten, wenn man weiß, dass der Bruder oder die Schwester etwas gegen einen hat, weil man sie verletzt hat. Das muss man erst in Ordnung bringen.
Aber was ist, wenn das Problem zwischen Gott und mir ist? Wenn ich mich gegenüber Gott verunreinigt habe? Was machen wir dann?
In 1. Johannes 1,9 steht: Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist er treu und gerecht. Das heißt, Gott ist so treu, dass er dann auf das Blut Jesu Christi sieht. Es steht nicht, dass Gott gnädig und barmherzig ist, sondern dass er treu und gerecht ist.
Das bedeutet, er hält sich an das, was er gesagt hat. Wie viel mehr wird das Blut Christi uns reinigen! Wenn wir unsere Sünden bekennen, ist Gott treu und gerecht, dass er uns reinigt.
Unser Gewissen wird gereinigt, sodass wir wieder dienen können. Jetzt können wir in die Gegenwart Gottes treten und den gebührenden Anbetungsdienst vollbringen. Jetzt ist es möglich.
Freimütig dürfen wir nun kommen und den ungetrübten Zugang zu Gott genießen, im Allerheiligsten.
Die Bedeutung des neuen Bundes für die Verstorbenen
Ja, und was ist mit unseren Verwandten und unseren Vorfahren, zum Beispiel Ur-Ur-Ur-Großvater? In Vers 15 könnten die hebräischen Schreiber sagen: Das ist schön. Und die hebräischen Empfänger könnten sagen: Es ist wunderbar, dass der Herr Jesus Christus uns reinigt, unser Gewissen von den toten Werken reinigt.
Aber was ist jetzt mit unseren Verwandten? Vers 15 sagt: „Und dessentwegen ist er Mittler eines neuen Bundes, auf dass, nachdem ein Tod geschehen war, zur Erlösung von den Übertretungen unter dem ersten Bund, die, die gerufen worden sind, die Verheißung des ewigen Erbes empfangen möchten.“
Unter dem ersten Bund sind ja viele Sünden geschehen, und viele sind schon gestorben. Was ist jetzt mit denen, die schon gestorben sind unter dem ersten Bund? Haben sie jetzt keine Chance mehr? Sind sie alle verloren? Was sagt der Text?
Es heißt: „Auf dass, nachdem ein Tod geschehen war, zur Erlösung von den Übertretungen unter dem ersten Bund, die, die gerufen worden sind, die Verheißung des ewigen Erbes empfangen möchten.“ Preist dem Herrn, sie sind nicht verloren, die unter dem ersten Bund Opfer gebracht haben und dann gestorben sind, weil der neue Bund noch nicht gekommen war.
Der neue Bund wurde durch Jesus Christus vermittelt, durch sein Opfer. Nachdem sein Tod geschehen war, diente dieser Tod zur Erlösung – nämlich zur Erlösung von den Übertretungen, die unter dem ersten Bund geschehen sind.
Das heißt, der Tod Jesu Christi war zur Erlösung für die, die vorher gesündigt haben und die Opfer, die Schattenopfer, die Tieropfer im irdischen Zelt gebracht haben. Eine ähnliche Stelle finden wir in Römer Kapitel 3, ich meine Verse 25 und 26.
In Römer 3, Vers 25 wird von Jesus Christus gesprochen: Ihn hat Gott dargestellt als Sühnung durch den Glauben, durch sein Blut, zum Erweis seiner Gerechtigkeit. Gottes Gerechtigkeit zeigt sich darin, dass er über die zuvor geschehenen Sünden hinweggeht, in der Zurückhaltung Gottes, im Blick auf die Erweisung seiner Gerechtigkeit in der gegenwärtigen Zeit – um gerecht zu sein und den zu rechtfertigen, der aus dem Glauben an Jesus ist.
Also noch einmal: Sie werden in Vers 24 umsonst gerechtfertigt, durch die Gnade, durch Jesus Christus. Vers 25 sagt: Ihn, diesen Jesus Christus, hat Gott dargestellt als Sühnung durch den Glauben, durch sein Blut, zum Erweis seiner Gerechtigkeit wegen des Hinweggehens über die zuvor geschehenen Sünden.
Er ist darüber hinweggegangen über die zuvor geschehenen Sünden im Alten Testament. Er hat einfach darüber hinweggesehen und hat Blutopfer akzeptiert, obwohl er genau weiß, dass Blutopfer keine Sünden vergeben oder wegnehmen können.
Aber dann hat Gott Nachsicht geübt, ist darüber hinweggegangen, hat Zurückhaltung geübt. Vers 26 sagt: In der Zurückhaltung Gottes hat er diese Sünden einfach zugedeckt.
Jetzt ist Christus gekommen, und er ist dargestellt als Sühnung für alle diese Sünden, die auch in der Vergangenheit geschehen sind.
Ja, es geht nur um die, die es ernst gemeint haben. Denn es gab ja sogar unter den Israeliten Leute, die einfach Opfer dargebracht haben, weil es der Ritus war. Sie haben sich gefreut: „Wunderbar, jetzt habe ich Vergebung!“ Aber sie haben sich nicht geändert. Sie haben weitergesündigt, weil sie dachten: „Nächstes Jahr kann ich wieder sündigen, weil ich ja wieder das Opfer habe.“
Gott sagt zu ihnen: „Ich hasse eure Opfer, ich hasse eure Versammlungen, ich mag den Geruch eurer Opfer nicht.“ Glaubt ihr, dass ihr mich durch diese Opfer zufriedenstellen könnt? Im Amos Kapitel 5 steht, dass Gott die Israeliten wegen ihres äußerlichen Gottesdienstes tadelt, während ihr Herz fern von ihm ist.
Sie gehen verloren, auch wenn sie viele Opfer bringen, weil ihr Herz nicht bei Gott ist. Sie ehren ihn mit den Lippen, aber ihr Herz ist fern von ihm. Sie bringen äußerlich Opfer, aber ihr Herz ist fern von ihm.
Suchen wir die Stelle: Amos 5, vielleicht Vers 22? Ja, hier steht:
„Wenn ihr mir Brandopfer und eure Speisopfer opfert, habe ich kein Wohlgefallen daran, und das Friedensopfer von euren Mastvieh mag ich nicht ansehen. Tue den Lärm deiner Lieder von mir hinweg, und das Spiel deiner Harfen mag ich nicht hören. Aber das Recht wälze sich einher wie Wasser und die Gerechtigkeit wie ein immer fließender Bach!“
„Habt ihr mir vierzig Jahre in der Wüste Schlachtopfer und Speisopfer dargebracht, Haus Israel? Ja, ihr habt die Hütte eures Königs und das Gestell eurer Götzenbilder getragen, das Sternbild eures Gottes, die ihr euch gemacht habt.“
Diese Stelle hat Stephanus dann in seiner Rede zitiert.
Die Situation der Nichtisraeliten und das Gericht Gottes
Was ist mit jenen, die den ersten Bund gar nicht kannten, also den Nichtisraeliten oder den anderen Völkern? Es gab ja auch Menschen aus anderen Völkern, die den Gott Israels anbeteten. Sie wurden Judengenossen genannt, weil sie sich dem Judentum angeschlossen hatten. Ein Beispiel dafür ist der Kämmerer aus dem Morgenland.
Auch von den Heiden durften einige hinzukommen, wie die Hure Rahab zum Beispiel. Sie erkannte, dass der Gott Israels der wahre Gott ist. Zu den Kundschaftern sagte sie: „Ich weiß genau, dass euer Gott der wahre Gott ist.“ Sie durfte Frieden finden und wurde sozusagen eingegliedert. Als Heidin durfte sie zum Volk Gottes dazukommen.
Doch was ist mit denen, die nie gehört haben? Das ist eine alte Frage, die viele Menschen beschäftigt. Auch Ungläubige stellen uns immer wieder die Frage: Was ist mit denen, die irgendwo in Afrika waren und nichts gehört haben? Nichts wussten vom Messias, von einem Opfer oder von einem jüdischen Gottesdienst? Was ist mit jenen?
Hier hilft uns nur Römer Kapitel 1 und 2 weiter. Es gab eine allgemeine Offenbarung Gottes, und Gott wird diese Menschen nach dieser allgemeinen Offenbarung beurteilen. Das heißt, Gott gibt jedem Menschen ein gewisses Licht. Israel hatte viel Licht, die aus den Völkern oft wenig Licht, aber ein bisschen Licht hatten sie. Dieses Licht hatten sie durch die Schöpfung und durch das Gewissen – zwei Dinge, die Gott in den Menschen hineingegeben hat.
Das eine ist die Schöpfung (Römer 1), das andere ist das Gewissen (Römer 2). Paulus sagt, diese Menschen sind auch ohne Entschuldigung, weil sie Gott nicht gepriesen und ihm nicht gedankt haben als den einen Gott. Stattdessen lebten sie letztlich nach ihren eigenen Lüsten. Gott hat sie dann weiterlaufen lassen in ihre Sünden hinein.
Jeder Mensch wird nach dem Licht beurteilt und gerichtet, das er hatte. Das eine ist die Schöpfung: Jeder Mensch weiß, dass es einen Schöpfer gibt. Es ist sehr töricht, angesichts der Schöpfung zu sagen, es gibt keinen Schöpfer. Das zweite ist das Gewissen. Der Apostel Paulus sagt, dass das Gewissen wie ein Gesetz in den Menschen hineingeschrieben ist – wie ein naturgegebenes Gesetz (Römer 2).
In Römer 2, Vers 14 und Vers 12 heißt es: „Denn so viele ohne Gesetz gesündigt haben, werden auch ohne Gesetz verlorengehen; so viele aber im Gesetz gesündigt haben, werden durch das Gesetz gerichtet werden.“ Diejenigen ohne Gesetz werden also ohne Gesetz verlorengehen.
Vers 14 sagt: „Denn wenn die von den Völkern, also die Heiden, die das Gesetz nicht haben, von Natur aus das vom Gesetz Geforderte tun, so sind diese, die das Gesetz nicht haben, sich selbst ein Gesetz. Dieses Gesetz ist das Werk des Gesetzes, das in ihren Herzen geschrieben ist.“
Das heißt, jedes Mal, wenn ein Heide nach seinem Gewissen handelt, beweist er, dass das Gesetz in seinem Herzen geschrieben ist. Das Gewissen bezeugt ihm das auf zweierlei Weise: Wenn er nach dem Gewissen richtig handelt, dann ist das Gewissen ruhig. Wenn er nicht nach dem Gewissen handelt, dann gibt es einen inneren Kampf.
Es heißt, das Gewissen bezeugt, indem zwischen ihnen wechselweise die Gedankenurteile anklagend oder entschuldigend gegenüberstehen. Man erlebt einen inneren Kampf: Das Gewissen sagt, „Das ist Sünde, das ist nicht richtig, das ist falsch. Du darfst deinen Nächsten nicht fressen, du darfst deinen Bruder nicht aufessen.“ Dann sagt die andere Stimme: „Das ist nicht so schlimm, du hattest ja Hunger oder so.“
Das Gewissen bezeugt, und die Gedanken entschuldigen sich. Es gibt ein Hin und Her: Entschuldigung, es ist nicht so schlimm. Doch dann wieder: Es ist Sünde, es ist nicht richtig, es ist falsch, was du tust. Du musst dich verantworten, du bist schuldig. So verläuft dieser innere Kampf.
Damit wird bewiesen, dass das Gesetz in das Herz geschrieben ist – zumindest die Basis des Gesetzes, die grundlegenden Dinge. Aber dennoch bleibt der Satz aus Vers 12 bestehen: „So viele, die ohne Gesetz gesündigt haben, werden auch ohne Gesetz verlorengehen.“
Wann? In Vers 16 steht: „An dem Tag, an dem Gott das Verborgene der Menschen durch Jesus Christus richten wird.“ Das ist eine ernüchternde Wahrheit. Deshalb brauchen Menschen, die so wenig Licht haben, das Evangelium.
Es ist eben gerade nicht so, wie manche meinen: Lasst doch die Eingeborenen irgendwo, die nichts wissen, in Ruhe mit dem Evangelium, denn sie gehen sowieso nicht verloren. Oder: Wenn du ihnen das Evangelium bringst, könnten sie Jesus ablehnen und dann verloren gehen. Nein, so ist es nicht!
Dann wäre es ja besser, wir würden möglichst wenig evangelisieren. Aber der Herr Jesus sagt: „Geht hin in die ganze Welt und verkündigt das Evangelium jedem Geschöpf!“ Das heißt, jeder Mensch ist verloren durch seine Sünde. Es gibt keinen Menschen, der nicht sündigt. Salomo hat es gesagt, Paulus hat es gesagt in Römer 3: Alle haben gesündigt.
Infolgedessen gehen alle verloren ohne den Herrn Jesus beziehungsweise ohne das Opfer. Im Alten Testament sollte Israel das Zeugnis Gottes sein. Durch Israel sollte das Licht Gottes in alle Völker hinausgetragen werden. Es ist aber nicht hinausgetragen worden, weil Israel versagt hat: „Euretwegen wird mein Name gelästert unter den Völkern“, statt dass das Licht hinausgetragen wird.
Das ist ein Grundprinzip: Wer wenig weiß, wird wenig bestraft, aber bestraft wird er. Jeder Knecht, der den Willen seines Herrn kannte und sich nicht bereitete, nicht nach seinem Willen handelte, wird mit vielen Strafen geschlagen werden. Wer ihn aber nicht kannte, den Willen des Herrn nicht kannte, aber tat, was strafewürdig war, wird mit wenigen Strafen geschlagen werden.
Aber geschlagen werden wird er. Es gibt sicher ein unterschiedliches Maß an Strafe. Wer den Willen nicht kannte, braucht keine Angst zu haben, dass ihm nichts geschieht. Etwas hat er ja gekannt, denn es ist nicht so, dass Menschen gar nichts kennen.
Wenn es Menschen gibt, die gar nichts wissen, dann sind das zum Beispiel stark behinderte Menschen oder Kinder, die noch so klein sind, dass sie nicht wissen, was rechts und links ist (Jonah Kapitel 4). Diese wissen gar nichts, und für sie gibt es keinen Maßstab, sie zu verurteilen.
Wer nichts wusste und überhaupt nichts wusste und auch nicht sündigen konnte, weil er noch zu klein war und nicht wusste, was rechts und links ist, der ist nicht schuldig und kann nicht bestraft werden für etwas, wofür er nicht schuldig ist.
In der Ewigkeit, in der Verlorenheit, in der Hölle, im Feuersee werden nur Schuldige sein, nicht Unschuldige. Nur Schuldige, die Schuld auf sich geladen haben. Ein einjähriges Kind kann keine Schuld auf sich laden, es ist dazu nicht in der Lage – absolut unmöglich.
Ja, vielleicht greift man hierauf zurück.
Die Notwendigkeit des Opfertodes Christi im Blick auf das Erbe
Also, jetzt zurück zu Hebräer, Kapitel 9, Vers 15. Ab Vers 15 beginnt ein neuer Abschnitt. Dieser Abschnitt umfasst die Verse 15 bis 28 und behandelt die Notwendigkeit des Opfertodes Christi im Hinblick auf das Erbe.
Wir sind bei Abschnitt 5: Jesus Christus als hoher Priester mit einem besseren Opfer.
Innerhalb dieses Abschnitts gibt es den Unterpunkt A: Die Notwendigkeit des Opfertodes Christi im Blick auf das Erbe. Dieser Unterpunkt umfasst die Verse 15 bis 28 in Kapitel 9.
Die Notwendigkeit des Opfertodes Christi im Blick auf das Erbe
Es war also notwendig, dass Christus geopfert werden musste, damit die Verheißenden das Erbe erhalten können. Diejenigen, denen die Verheißung gegeben worden ist, sollen das Erbe bekommen.
Deshalb ist er Mittler eines neuen Bundes, damit die vom alten Bund das verheißene Erbe empfangen können. Der Hauptgedanke lautet: Er ist Mittler eines neuen Bundes. Warum? Weil er mit einem besseren Blut eingegangen ist und weil dieses Blut wirklich reinigt. Er ist Mittler eines neuen Bundes, um das Erbe zu vermitteln.
Nun folgt ein etwas schwieriger Abschnitt, die Verse 16 und 17, zwei anspruchsvolle Verse. Denn wo ein Bund vorliegt, ist es notwendig, dass der Tod des sich Verbündenden getragen wird, das heißt, stellvertretend übernommen wird.
Hier gehen die Übersetzungen übrigens auseinander. Man merkt, wie schwer sich die Übersetzer tun, diesen Vers zu übersetzen. Oft wird der Bund mit Testament übersetzt. Dadurch entstehen noch mehr Schwierigkeiten durch den Gedanken des Testaments.
Es handelt sich aber immer um dasselbe Wort, nämlich das Wort Bund. Man sagt: Ja, aber das heißt ja auch neues Testament, da steht auf meiner Bibel „Das Neue Testament“. Das ist eigentlich unglücklich formuliert. Es sollte eigentlich „Der neue Bund“ heißen, weil es gar kein Testament ist, sondern ein Bund.
Ich will versuchen, das zu erklären. Im gesamten Abschnitt, in Kapitel 8, 9 und 10, geht es um den neuen Bund, den alten Bund und den neuen Bund. Es geht nicht um eine Willensverfügung eines Menschen, der vor seinem Tod noch ein Testament schreibt, das dann nach seinem Tod in Kraft tritt. Dieser Gedanke passt hier nicht hinein.
Es geht nicht um ein Testament im üblichen Sinn. Ab Vers 18 ist es wieder ganz klar: Es geht um einen Bund und nicht um ein Testament. Ab Vers 18 ist klar, dass an einen Bund gedacht wird, nicht an ein Testament.
Vers 18: „Daher auch der erste Bund nicht ohne Blut bestätigt wurde.“ Man kann also nicht übersetzen „daher auch das erste Testament nicht ohne Blut bestätigt wurde“. Es war gar kein Testament, sondern ein Bund. Deshalb sollte in unserer Bibel hier überall „Bund“ stehen, nicht „Testament“.
Professor Herbert Janssen hat mir vor Kurzem darüber gesprochen und einige Kommentare beachtet, die das erkannt haben. Ich versuche, das darzulegen.
Im gesamten Abschnitt geht es um den Bund. Unmittelbar vorher spricht der Text von dem Bund (Vers 15), und unmittelbar danach (Vers 18 und folgende) spricht er ebenfalls von dem Bund. Warum sollte er also jetzt nicht von dem Bund reden? Es ist immer dasselbe griechische Wort.
Man darf nicht vergessen, dass es in Israel kein Testament im Sinne eines letzten Willens gab, wie wir es kennen. Dort schrieb man kein Testament vor dem Tod. Dieser Gedanke war in Israel unbekannt.
Der Verfasser setzt voraus, dass die Leser sich sehr gut auskennen. Das kann also nicht heißen, dass er voraussetzt, dass sie Testamente kennen, sondern dass sie die Bundessache kennen.
Unter Juden, Griechen und Römern war es üblich, bei einer Bundesschließung Tieropfer darzubringen. Immer wenn ein Bund geschlossen wurde, musste ein Tier sterben – und zwar stellvertretend.
Bei einer Bundesschließung musste ein Tier getötet werden. Das stellt den Tod derjenigen dar, die den Bund schließen. Man denke an die Geschichte mit Abraham, wo ein Tier sterben musste. Das Tier wurde in zwei Teile gespalten, die Teile wurden auf die Seite gelegt, und die Bundesparteien gingen zwischen den Teilen hindurch.
Das bedeutete: „Gott möge uns töten, wenn wir die Vereinbarung nicht halten.“ Wenn wir den Bund nicht einhalten, sollen wir sterben.
So ist es also bei einem Bund notwendig, dass ein Tod stattfindet, der stellvertretend den Tod derer darstellt, die sich verbünden.
In Vers 17 heißt es, ein Bund wird über Toten bestätigt, gemeint sind tote Tiere, also über tote Opfer. Ein Bund wird über tote Opfer bestätigt, denn er tritt niemals in Kraft, wenn der sich Verbündende lebt. Das heißt: Wenn er kein Opfer hat, kein stellvertretendes Opfer, dann wird der Bund nicht wirksam.
Man muss ein stellvertretendes Opfer töten, und damit tötet man sich selbst. Man sagt: Wenn ich den Bund nicht halte, soll ich so sein, als wäre ich tot.
Der Text bezieht sich darauf. Der Gedanke lautet: Wo ein Bund vorliegt, ist es notwendig, dass ein gewaltsamer Tod dessen, der sich verbündet, von einem Opfer stellvertretend getragen wird.
Noch einmal: Wo ein Bund vorliegt, ist es notwendig, dass ein Opfertod, ein gewaltsamer Tod dessen, der sich verbündet, von einem stellvertretenden Opfer übernommen wird. Der Tod wird also stellvertretend von dem Opfer, einem Tier, getragen, wie der Hebräerbriefschreiber es hier ausdrückt.
Denn ein Bund wird über toten Opfern bestätigt, da er niemals in Kraft tritt, wenn der Verbündete noch lebt. Daher auch der erste Bund nicht ohne Blut bestätigt und geweiht worden ist.
Was hier gemeint ist: Es war notwendig, dass der Bundesstifter in einem stellvertretenden Tod sterben soll, durch ein stellvertretendes Opfer. Das heißt, dass für ihn der Tod durch ein Tieropfer getragen wird, übernommen wird.
Deshalb gab es damals auch beim ersten Bund schon ein Opfer. Als der erste Bund im Alten Testament geschlossen wurde, wurde er ebenfalls mit einem Opfertier bestätigt. Auch dort musste ein Tier sterben.
Vers 18: „Daher auch der erste Bund nicht ohne Blut eingeweiht worden ist.“ Auch damals musste ein Tier sterben. Nicht Mose ist gestorben, nicht Gott ist gestorben, und nicht Gott oder Mose haben ein Testament geschrieben.
Nein, stellvertretend für die Bundesparteien musste ein Opfertier sterben. Das war schon im Alten Testament so, sagt der Verfasser. Das war am Sinai.
Das ist offensichtlich göttliche Verfügung. Das finden wir schon in 1. Mose 15 und in 2. Mose 24. Ich glaube, es war 2. Mose 24, wo dieses Opfer das Blut des Bundes darstellt.
Dort steht: Mose schrieb alle Worte des Herrn nieder. Dann stellten sich alle auf (Vers 5). Er sandte Jünglinge der Kinder Israel hin, und sie opferten Brandopfer und schlachteten Friedensopfer von Stieren dem Herrn (Vers 5).
Mose nahm die Hälfte des Blutes und tat es in Schalen, die andere Hälfte sprengte er an den Altar (Vers 6-7). Er nahm das Buch des Bundes und las es vor den Ohren des Volkes vor. Sie sagten: „Alles, was Jahwe gesprochen hat, wollen wir tun, wir wollen ihm gehorchen.“
Der Bund wird also vom Volk bestätigt. Jahwe geht darauf ein. Mose nahm das Blut (Vers 8) und sprengte es auf das Volk und sagte: „Siehe, das Blut des Bundes, den Jahwe mit euch gemacht hat.“
Er spritzte das Blut auf das Volk mit dem Sinn: „Seht, ihr seid jetzt auch tot, es gilt jetzt für euch. Wenn ihr den Bund nicht haltet, seid ihr tote Leute, sozusagen.“ Auch der Altar wird bespritzt. Wenn Gott den Bund nicht hält, soll er tot sein, was er aber nicht tut.
Das ist dieses Bild. Dann stiegen sie auf den Berg usw.
Wir gehen zurück zu Hebräer 9, Vers 18: „Daher auch der erste Bund nicht ohne Blut bestätigt und eingeweiht worden ist.“
Nachdem Mose dem Gesetz entsprechend jedes Gebot dem ganzen Volk gesagt hatte, nahm er das Blut der Kälber und Ziegenböcke mit Wasser, Scharlachwolle und Ysop und besprengte sowohl das Buch als auch das ganze Volk.
Nicht nur der Altar, sondern auch das Buch wurde besprengt, also der Vertrag. Er sagte: „Dies ist das Blut des Bundes, den Gott mit euch gemacht hat.“ Im Griechischen heißt es: „Den Gott euch verpflichtet hat.“ Ihr seid jetzt verpflichtet auf diesen Bund, auf diesen göttlichen Bund.
Auch das Zelt und alle Geräte des Dienstes besprengte er in gleicher Weise mit dem Blut. Fast alles wird mit Blut gereinigt, dem Gesetz entsprechend. Ohne Blut geschieht keine Vergebung.
Im Alten Testament ist es überall Blut, und überall muss Blut sein. Ohne Blut gibt es keine Vergebung.
Vers 23: „Es war also notwendig, dass die bildhaften Darstellungen, die Schatten der Dinge, die in den Himmeln sind, durch solche Mittel gereinigt werden sollten.“
Ich denke, das Volk wurde mit Blut besprengt, symbolisch. Sicherlich konnte man nicht alle Menschen treffen, es waren zu viele. Das Gesetz war nicht nur die Zehn Gebote, sondern auch die anderen Gesetze.
Es war also notwendig, dass die bildhaften Darstellungen der himmlischen Dinge, also das irdische Zelt und all diese schattenhaften Dinge, durch solche Mittel, durch das Blut, gereinigt werden sollten.
Die himmlischen selbst aber müssen durch bessere Opfer gereinigt werden als diese.
Dafür braucht es bessere Opfer, um die Wirklichkeiten zu reinigen.
Ich denke, wir könnten jetzt eine Pause machen und dann weitermachen.