Ewiges Leben als zentrale Hoffnung
Verehrte Schwestern und Brüder, auf unseren Grabsteinen mögen einmal die beiden Daten unseres Geburtsjahres und unseres Sterbejahres stehen. Aber das ist nur die halbe Miete. Es soll ja ewig weitergehen, sodass das Sterbedatum eigentlich gar nicht stimmt.
Neulich hat ein lieber Pfarrer in seiner Predigt ganz feurig gesagt: Jesus hat zu seinen Lebzeiten gesagt, er lebt heute noch. Er wollte damit sagen, dass er zur Zeit seines irdischen Wirkens lebte. Doch wir sind oft fixiert darauf und meinen, das war mal mit Jesus und jetzt nicht mehr. Aber er ist vor dem Vater und tritt für uns ein. Wir wären doch alle nicht hier, wenn der Herr Jesus nicht, wie für Simon Petrus, gebetet hätte, dass unser Glaube nicht aufhört. Wenn er uns nicht bewahrt hätte, wenn er nicht vor dem Vater gefleht hätte: „Lass ihn nicht los, lass ihn nicht los, bewahr sie und ihn vor ihren eigenen Dummheiten.“
Wir gehen auf den großen Tag zu, an dem die ganze Welt – die Verstorbenen und die Lebenden – erkennen wird, dass Jesus lebt und dass er der Lebensfürst ist.
Und jetzt wollen wir eine große Regierungserklärung des Herrn Jesus hören: Johannes 14. Dort wollen wir heute ein wenig umkreisen, was das bedeutet.
Johannes 14,19 sagt Jesus: „Ich lebe, und ihr sollt auch leben.“ In vielen Bibeln ist dieser Satz fett gedruckt. In einem Atemzug gesagt, erklärt und verbürgt für alle Welt, für die Seinen, für euch!
Gleich im Anschluss daran, in Vers 22, fragte Judas – nicht der Ischariot: „Herr, was bedeutet es, dass du dich uns offenbaren willst und nicht der Welt?“
Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: „Wer mich liebt, wird mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben. Und wir, der Vater und ich, werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm nehmen.“
Gemeinschaft mit Gott als Lebensquelle
Für die Menschen, bei denen Gott selbst und Jesus Wohnung genommen haben, gilt das Wort: Ich lebe, und ihr sollt auch leben.
Oft wird so getan, als hätten wir eine christliche Hausordnung. Wer zu Jesus gehört, müsse anständig sein, dürfe nicht mehr lügen, müsse Gottesdienst besuchen, beten und die Bibel lesen. Doch so ist es nicht. Wir sind Glieder an ihm, Glieder an seinem Leib, und sein Leben soll durch uns hindurchströmen.
Seit meinen zwei Chemotherapien habe ich immer wieder nicht nur kalte Hände, sondern abgestorbene Fingerkuppen und Finger. Dann denkt man: Das muss doch wieder besser werden, sonst kann ich gar nicht richtig schreiben. So würde Herr Jesus oft sagen: Wenn wir so taub sind, was ist mit meinem Glied los? Da soll doch mein Leben hineinströmen. Nicht wir müssen etwas leisten, sondern Herr Jesus hat ein Interesse daran, dass sein Leben in uns, seinen Gliedern, die zu ihm gehören, hineinströmt.
Das gilt nicht allgemein für alle Menschen, dass sie leben sollen, auch über den Tod hinaus. Es ist ein Vorrecht, ein Privileg der Seinen, die zu ihm gehören: Ihr sollt auch leben.
Der ganze Zusammenhang in Johannes 14 macht das deutlich. In Vers 20 heißt es: An jenem Tag werdet ihr erkennen, dass ich in meinem Vater bin, ihr in mir und ich in euch. Vielleicht begreifen wir das heute noch gar nicht richtig. An jenem Tag werden wir es verstehen.
Ich denke, ich war ein ganz anständiger Christ. Was ich schaffen konnte, war doch das Leben Jesu, das in mich hineingeströmt ist. Es war seine Bewahrung. Er ist hinter mir hergegangen, mir vorausgegangen und hat mich bewahrt.
Das ist das Vorrecht derer, die zu Jesus gehören: Der Vater und ich werden kommen und Wohnung bei euch nehmen.
Bilder der Verbundenheit mit Jesus
Schutz und Geborgenheit
Ein anderes Bild dafür, was Jesus uns klar machen wollte:
Wie oft habe ich euch sammeln wollen, wie eine Gluckhenne ihre Küken unter ihre Flügel versammelt. Die armen, die Gefahr nicht kennenden kleinen Küken, die bibbernden und frierenden, werden gewärmt und geschützt unter den Flügeln der Glucke. So will ich euch bei mir bergen.
Lebensquelle und Fruchtbarkeit
Oder das andere Bild, das mir aus meiner Zeit im Remstal gut vertraut ist: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben, bleibet in mir!“
Man hält es ja, wenn man den Weinstock nicht kennt, für technisch und biologisch überhaupt nicht möglich, dass die schwache Rebe einmal schwere Früchte tragen wird, eine Traube. Und dieser Weinstock, das zerfaserte, krumme, komische Holz, das da wächst – daraus soll etwas werden?
Doch in mir grabe ich tief in die Erde hinein. In der Gegend um Stuttgart, bei Mühlhausen, gehen die Wurzeln eines Weinstocks bis zu acht Meter tief hinunter. Sie holen selbst im trockenen Sommer die Feuchtigkeit heraus.
„Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.“ Ihr dürft in mir teilhaben an dem Saft, den ich für euch hole.
In Johannes 17, im großen Gebet, das wir vorgestern angedeutet haben, geht es am Schluss darum, dass sie deine Herrlichkeit sehen, du in mir und ich in ihnen – eine engste Verbundenheit mit ihm.
Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe.
Dienst und Verantwortung in der Gemeinde
Oh, ich muss noch eine ganz schwierige Frage beantworten. Ich wurde schon mehrmals gefragt, was eigentlich ein Prälat ist. Das ist eine schwierige Frage, besonders im Sinne des Wortes Gottes.
Die Badener wissen es vielleicht, denn sie haben Prälaten, ebenso wie die Württemberger. Sonst gibt es das nicht; das ist eine Besonderheit von Baden-Württemberg. Wenn der Bischof, der Landesbischof, so etwas wie ein Hirte ist, dann sind die Prälaten wie die Schäferhunde, die darauf achten, dass die Sache gut läuft.
Wir müssen in die Gemeinden gehen. Ich war gerade zuständig für 500 Gemeinden im Oberland, in der Ostalb, in der Gegend um Ulm. Dabei habe ich gefragt, wie das Profil des neuen Pfarrers aussehen soll, wenn es irgendwelche Schwierigkeiten in den Gemeinden gibt. Bei uns gibt es keine Personalakten; wir sind hauptsächlich Seelsorger für die Pfarrerinnen und Pfarrer.
Das ist eine schöne Aufgabe, die mir in den letzten Dienstjahren zuteilwurde. Aber der Prälat ist der Hirte, nicht der Herr Landesbischof. Der gute Hirte lässt sein Leben für die Schafe und hat eine enge Verbundenheit mit den Seinen.
Paulus hat dieses Bild erweitert, indem er sagt, dass das Haupt die Glieder bis zur letzten Fingerkuppe steuert. So möchte Jesus uns lenken (vgl. Epheser 5). Die Ehe wird Vater und Mutter verlassen, und an seinem Weib hängen, und sie werden ein Fleisch sein. Ich spreche aber von Christus und der Gemeinde.
In einer richtigen Ehe ist es so, dass man immer wieder lachen muss und sagt: „Das, was du gerade sagen wolltest, das wollte ich doch gerade sagen.“ Man ist so gleichgestimmt. So möchte der Herr Jesus mit uns verbunden sein, dass er uns nicht lange Vorhaltungen machen muss: „Du, das lässt man aber, und das musst du tun.“ Sondern dass wir es wissen, dass wir ein Gespür bekommen für das, was ihm wichtig ist.
Zugehörigkeit zu Jesus als Lebensgarantie
Ich habe Sie schon einmal darauf hingewiesen, dass im Johannesevangelium hauptsächlich dieses schöne Verb von Jesus immer wieder vorkommt – bis zu diesem hohen priesterlichen Gebet: „Vater, die du mir gegeben hast.“
Die Seinen sind Leute, die der Vater in ewiger Bestimmung dem Sohn anvertraut hat. Sie gehören dir. „Auf die hast du acht, dein Eigentum“, und darüber wacht Herr Jesus, damit ihm sein Eigentum nicht entrissen wird.
Diejenigen, die dem Herrn Jesus angehören – das ist ein Verb, das bei Paulus immer wieder vorkommt. Im Galaterbrief heißt es zum Beispiel: „Die, die Christus angehören.“
Ich hatte einmal eine Bibelwoche in Freudenstadt. Da kam nachher einer auf mich zu, schick gekleidet, und sagte: „Da kennen Sie mich, da helfen Sie mir.“
Ich antwortete: „Ja.“
Er sagte: „Ich war der Anführer bei der Kirchenbesetzung 1969 in Schorndorf.“
Es waren die revolutionären Jahre, und sie wollten uns einen Streich spielen. Mit zweihundert Mann hatten sie die Stadtkirche in Schorndorf besetzt.
Wir führten lange Gespräche bis in die Nacht hinein. Wir hätten lieber eine Andacht halten sollen. Am nächsten Tag, als wir von der Ludwig-Hofacker-Konferenz zurückkamen, war die Kirche geräumt.
Der katholische Pfarrer war mit seiner Jugendgruppe in die Kirche gegangen und hatte Psalmen gebetet. Die Jugendlichen sagten: „Wir wollen mit euch diskutieren.“
Die anderen antworteten: „Nein, wir beten Psalmen.“ Daraufhin gingen die Revolutionäre damals.
Aber dieser junge Mann sagte: „Als sie mit uns diskutiert haben, hat uns Pfarrer Uhlmann, der jetzige Dekan Doktor Uhlmann in Gaildorf, gefragt: ‚Was treibt euch denn um?‘“
Wir antworteten: „Das ist doch alles die ganze Regierung, die ganze Welt ist doch Schrott.“
Er meinte: „Seid doch mal ehrlich, euer Leben ist doch Schrott.“
Und das Wort sei mit ihm gegangen, im Gewissen, solange bis er Jesus gefunden hätte – oder besser gesagt, bis Jesus ihn gefunden hätte.
Und jetzt, was Sie heute Abend gesagt haben: „Jesus angehören“ – das stimmt wirklich.
Man kann Jesus gehören, auch wenn man vorher anderen Parolen gefolgt ist. Johannes sagt: „Niemand wird euch aus meiner Hand reißen.“
Niemand wird euch aus meiner Hand reißen. Das bewährt sich dann auch in unserem Leiden und Sterben.
Und wenn wir Angst haben: „Werde ich das einmal durchstehen? Wird meine Glaubenskraft reichen, wenn die Schmerzen schlimm sind, wenn ich in die Ohnmacht hineinkomme?“
Niemand wird euch aus meiner Hand reißen.
Sterben und Auferstehung im Glauben
Wir tun oft so, als sei das Sterben das Privateste, was es gibt. Bei der Geburt sind unsere Mütter noch dabei. Beim Sterben jedoch bin ich allein. Gerade im Schülerjahr haben viele gesagt, dass niemand für einen eintritt. Man steht ganz allein da, auf sich selbst gestellt.
Doch bei den Menschen, die zu Jesus gehören, ist das nicht so. Das ist die Sache des Herrn Jesus. Er wird vor dem Vater eintreten und sagen: „Diesen darfst du nicht scheitern lassen. Das ist mein Eigentum, du hast ihn mir gegeben.“ Und wenn der eigene Glaube nicht ausreicht, dann ist Jesus auch noch da. Er wird uns träumend durch die Türen des Todes führen und uns plötzlich frei machen.
Der Tod ist die Probe aufs Exempel, ob es wirklich stimmt, dass wir sein Eigentum sind. Leben wir, so leben wir für den Herrn. Und sterben wir, dann sterben wir auch für den Herrn. Ob wir leben oder sterben – wir gehören dem Herrn Jesus (Römer 14). Wir gehören ihm.
Lassen Sie mich das noch etwas vertiefen, denn dieses Thema zieht sich durch alle Schriften der Bibel. „Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten“ (1. Petrus 1,3).
Hier geht es um eine neue Geburt, eine neue Existenz – wiedergeboren! Es geht nicht nur um Bekehrung, sondern um etwas Umfassendes: Ich bin zu einer ganz neuen Existenz hineingerufen. Das hört nicht auf, sondern mündet in die Ewigkeit. Wir sind wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung.
Im Hebräerbrief heißt es in Kapitel 2, Vers 15: „Er erlöste die, die durch Furcht vor dem Tod im ganzen Leben versklavt sein mussten.“ Wer kennt schon einen Menschen, der keine Angst vor dem Sterben hat? Diese Angst ist animalisch in uns angelegt, körperlich. Darin sind wir versklavt. Und der Herr Jesus möchte uns aus dieser Verkrampftheit herauslösen. Oft sind wir so verkrampft, dass wir uns dessen gar nicht bewusst sind.
Ich gehe oft über den alten und neuen Friedhof in Korntal und denke: „Da wirst du einmal liegen.“ Ich möchte mir das gar nicht ausmalen. Gleichzeitig sagt irgendetwas in mir: „Ach nein, noch nicht so schnell!“ Wir sind versklavt durch die Furcht vor dem Tod, und der Herr möchte uns daraus erlösen.
Im nächsten Kapitel, Hebräer 4, wird gesagt, dass wir Anteil an Christus bekommen haben. Auch im 2. Petrusbrief heißt es: „Ihr habt Anteil an der göttlichen Natur“ (2. Petrus 1). Wissen Sie, wie das mit dem Anteil ist? Manche sagen: „Du lachst wie dein Vater, aber du kommst sehr auf Tante Anna raus.“ Und ich wollte doch gar nicht auf Tante Anna rauskommen! Das ist in mir drin – anteilig, blutsmäßig. Da kann ich mich wehren, wie ich will, da kann ich mich frisieren, wie ich will – es ist drin.
So sagt die Bibel: Ihr habt Anteil am Herrn Jesus bekommen. Das könnt ihr vergessen wollen, aber ihr seid seine Leute. Ihr habt Anteil an ihm, dem Lebendigen.
Vieles, was unser Leben sonst ausmacht, ist nur Accessoire, Zutat oder Schmuckstück. Und vieles wird uns, wenn wir älter werden, genommen – und das schmerzt. Zuerst freut man sich auf den Ruhestand, doch dann denkt man: „Was mache ich denn heute?“ Das Eingespannsein in einem festen Rahmen fehlt, die Herausforderung fehlt.
Wir haben schon darüber gesprochen: Kann ich noch die Reise wagen? Reicht die Kraft? Kann ich mich so lange verpflichten? Bruder Schäfer hat gesagt: „Darf ich Sie für nächstes Jahr schon wieder vorplanen?“ Nächstes Jahr weiß ich nicht, ob ich noch unter der Erde bin. Das ist das Alter – vieles, was man vorher kühn geplant hat, zum Beispiel: „In fünf Jahren machen wir das“, ist plötzlich nicht mehr möglich.
Angehörige, Freunde – ich habe mal angefangen, unter einem großen Hinterglasrahmen die Bilder der Menschen zusammenzustellen, die mir nahegestanden haben, aus Verwandtschaft und Freundschaft. Inzwischen sind es drei große Rahmen. Meine Frau sagt immer: „Du schiebst immer neue Bilder hinein, sodass die anderen zugedeckt werden.“ Wie viele Freunde haben wir schon verloren, sind weggegangen, die unser Leben bereichert haben.
Selawi – das Leben. Wir müssen vieles weglassen.
Aber Herr Jesus sagt: „Ich bleibe. Ich, wenn eines bleibt, ich. Ich lebe, und ihr sollt auch leben.“
Hoffnung auf die Gotteserkenntnis und das ewige Leben
Wir haben in Süddeutschland den großen geistlichen Vater Johann Albrecht Bengel, der uns die Bibel erschlossen und ganz neu den Horizont der Hoffnung eröffnet hat. Es wird oft behauptet, er habe sich im Termin der Wiederkunft geirrt. Manche sagen sogar, er habe die Wiederkunft Jesu gar nicht angekündigt, sondern nur gesagt, dass das tausendjährige Reich im Jahr 836 beginne. Aber sei’s drum.
Wichtig war ihm, dass man nach ausgestandener Probe in vollem Licht zu Gottes Lob die Gottesschau erlange. So heißt es in einem der wenigen Lieder, die er gedichtet hat: „Bis ich nach ausgestandener Probe in vollem Licht zu Gottes Lob die Gottesschau erlange.“ Ihm war die Erkenntnis Gottes wichtig. „In negatio salutis est maximi momenti cognitio Dei“ – im Geschäft der Frömmigkeit ist das Erkennen Gottes der allergrößte Augenblick, der größte Moment, „maximi momenti“.
Zu Denkendorf wird immer geschrieben, es sei ein dunkles Loch. Bengel fühlte sich dort fast verbannt, weil man ihn in der Fakultät in Tübingen übersehen hatte, ihn, den Hochgelehrten, im „dunklen Loch“. Doch gerade dort bekam er Gottesdurchblicke, Erkenntnisse in der Bibel, Durchblicke. Und was wird das erst sein, wenn es wahr wird: Psalm 11 sagt, die Frommen werden sein Angesicht schauen. Psalm 17: „Ich will schauen dein Antlitz in Gerechtigkeit, ich will satt werden, wenn ich erwache an deinem Bild.“ Psalm 42: „Harre auf Gott! Denn ich werde ihm noch danken, dass er meines Angesichts Hilfe, mein Gott, ist; ich werde ihn schauen.“
Am 2. November 1752 war es so weit, dass der oft kränkliche Mann, der gesünder erschien, als er war, nach dem Empfang des Abendmahls sich zum Sterben rüsten musste. Seine Ausdrucksweise war, dass die Hütte brach, das Zelt abgebrochen wurde. Seine Freunde riefen ihm, dem Sterbenden, noch zu, was man in Württemberg seit Reformationszeiten bei der Konfirmation sagte: „Herr Jesus, dir lebe ich, dir leide ich, dir sterbe ich, dein bin ich tot und lebendig, mach mich, o Jesus, ewig selig.“ Bengel hob nur noch seine Hand und deutete auf seine Brust. Das gilt jetzt mir: tot und lebendig dir gehören, bis ich nach ausgestandener Probe in vollem Licht zu Gottes Lob die Gottesschau erlange und dein Antlitz schauen will.
Das wartet auf die Leute, die die Seinen sind. Und jetzt würden wir gern wissen, wie das im nächsten Augenblick sein wird. Müssen wir lange im Grab liegen, bis das kommt, bis wir dem wiederkommenden Jesus in der Luft entgegengerückt werden, so wie es in 1. Thessalonicher 4 heißt? Das Verb „schlafen“ ist ja keine christliche Erfindung, sondern geht auf Jesus zurück. Als Lazarus in Bethanien verstorben war, sagte Jesus: „Wir wollen Lazarus besuchen, er schläft.“ Und er sagte zu den Jüngern: „Dann ist es gut, wenn er schläft.“ Damit meinte er nicht den körperlichen Schlaf, sondern das Sterben. Jesus hat erfunden, dass für seine Leute Sterben ein Schlaf ist.
Professor Eckstein, der aus dem schönen Badener Land stammt und jetzt Professor in Tübingen ist, hat das Bild vom Schlafen immer wieder so gedeutet: Am Heiligen Abend, wenn die Kinder nicht aushalten konnten, bis endlich die Bescherung kommt, sagte die Mutter: „Gut, am Heiligen Morgen wird es geschafft. Ihr kauft ein, ihr dürft noch bloggen.“ Die heutigen Leute wissen oft gar nicht mehr, was „bloggen“ ist. Ich habe meine kleine Schwester oft auf den Blog gesetzt, damit sie wirklich wartet. Also: schaffen! Dann sagte die Mutter: „Jetzt legt ihr euch ins Bett und macht Mittagsschlaf, wenn ihr richtig müde seid. Und wenn ihr aufwacht, ist Weihnachten.“ Damit Weihnachten schneller kommt, schläft man. So hat Professor Eckstein gesagt, wenn die Bibel vom Schlafen redet, ist das keine endlos lange Zeit, sondern ein Einschlafen und im nächsten Augenblick die Herrlichkeit – jetzt ist es so weit.
Aber uns bewegt dann doch etwas. Wir sind eben Menschen und haben ein komisches Räderwerk im Kopf. Werden wir dann ab und zu durch ein Fensterchen sehen können, was unsere Angehörigen machen? Werde ich dort in jener Welt, auch wenn ich schlafe, die sehen, die mir schon vorausgegangen sind? Werde ich ihnen begegnen? Das wäre so wichtig. Und werde ich Jesus gleich sehen? Die Bibel gibt darauf keine Antwort. Es ist, als könnten wir mit unserem Kopf die Geheimnisse der kommenden Welt gar nicht alle aufnehmen – da fehlen uns die Antennen.
Man merkt es an ein paar Fragen, die man sich stellen kann: Wenn alle Toten auferweckt werden, wo ist denn überhaupt der weite Platz, der Festplatz, auf dem sich die Milliarden von Menschen versammeln können? Und wie lange dauert es, bis ich dran komme, bis ich aufgerufen werde, wenn alle meine Werke klar werden, jedes unnütze Wort? Wie lange muss ich da anstehen, bis ich drankomme? Das sind unnütze Fragen.
Es gibt nur ernsthaftere. Wenn Jesus sagt, es wird Sodom im jüngsten Gericht erträglicher gehen als dieser Stadt – wie ist das? Kommt Sodom auch noch mal dran? Die sind doch schon bestraft worden, sind da schon mal aufgegangen? Jesus macht uns klar: Lasst diese Fragen lieber sein. Es gibt viel Wichtigeres, an dem ihr festmachen sollt, dass ihr mir gehört. Das ist nicht selbstverständlich. Das ist wichtig, das müsst ihr festmachen. Streitet euch nicht mit unnützen Fragen.
Es gibt ein paar Passagen in der Bibel, in denen deutlich wird, dass all unsere Fragen immer an dem vorbeigehen, was Jesus will. Mir wird das deutlich in Lukas 9: Dort heißt es, sie brauchen es nicht aufzuschlagen, vielleicht ist es ihnen vertraut. Sie entsetzten sich alle, seine Jünger, über die Herrlichkeit Gottes. Jesus sprach: „Der Menschensohn wird überantwortet werden in die Hände der Menschen.“ Aber sie verstanden dieses Wort nicht; es war ihnen verborgen, so dass sie es nicht begriffen. Die Jünger haben es nicht gecheckt, nicht begriffen.
Unter ihnen kam der Gedanke auf, wer von ihnen der Größte sei – Petrus, Andreas, Johannes. Jesus stellte ein Kind vor und sagte, das Größte sei wie ein Kind. Johannes brach die Diskussion ab: „Wir sahen einen, der treibt Teufel aus, aber er folgt uns nicht nach. Wir haben es ihm verboten, denn wer nicht zu uns gehört, darf auch nicht Teufel austreiben.“ Jesus sagte: „Wer nicht wider uns ist, ist für uns. Lasst ihn weitermachen.“
Dann gingen sie durchs Dorf der Samariter. Die Samariter nahmen sie nicht auf, erwiesen ihnen keine Gastfreundschaft. Da sagte Johannes zu Jakobus: „Sollen wir wieder Elija Feuer auf sie fallen lassen?“ Jesus antwortete: „Halt, halt, halt! Der Menschensohn ist nicht gekommen, um Menschen zu verderben, sondern um sie zu erhalten.“
Ein Satz nach dem anderen macht deutlich: Ihr denkt ganz krumm, das waren die Jünger, fromme Leute. Wichtig ist nur, dass ihr euch zu den Meinen machen lasst. Ich lebe, und ihr sollt auch leben!
Gelassenheit angesichts von Geheimnissen und Fragen
Die meisten von Ihnen kennen den Scherz, den sogenannten Mönchswitz. Zwei Mönche hatten vereinbart, dass einer von ihnen behauptet, man werde seine Angehörigen im Jenseits sehen, während der andere sagt, man werde sie nicht sehen. Sie vereinbarten außerdem, dass, wenn einer von ihnen stirbt, er dem anderen im Traum erscheint und entweder „Taliter“ sagt, was bedeutet: „So ist es“, oder „Aliter“, was „Ganz anders“ heißt.
Dann erscheint der Verstorbene im Traum und sagt entweder „Taliter“ oder „Aliter“. So sprechen sie miteinander. Daraus folgt, dass wir uns nicht zu viele Gedanken machen sollten, sondern nur einen einzigen Gedanken: Herr Jesus, hilf mir, dass ich bei dir bleibe.
Wie wir es gestern bei Lord Redstock gehört haben, möchte ich Jesus lieben, zu ihm kommen und bei ihm bleiben. Ich möchte bei Jesus bleiben.
Schon die Zeugen der Bibel haben uns darauf eingestimmt, dass wir von Jesus aus denken sollen – nicht von dem, was in unserem Herzen ist. Es geht nicht darum, wie es ist, was danach kommt oder wie wir es empfinden werden, sondern wir sollen von Jesus ausgehen und denken: „Ich lebe.“ Das ist das erste Wort: Ich lebe, und ihr lebt auch.
Die Auferstehung als Grundlage des Glaubens
Ein paar Hinweise zur großen Predigt des Petrus am Pfingstfest im Tempel von Jerusalem:
Jesus von Nazareth wurde, liebe Männer und Brüder, durch Zeichen, Wunder und Kraft von euch erwiesen. Dennoch habt ihr ihn genommen und durch die Hände der Heiden ans Kreuz geliefert. Aber Gott hat ihn auferweckt, denn es ist unmöglich, dass der Tod ihn festhalten kann.
Es ist wirklich unmöglich, dass der Tod ihn festhält.
Am Ende der Predigt heißt es: Lasst euch nun taufen auf den Namen dieses Jesus. Macht es durch einen Rechtsakt fest, dass ihr ihm gehört. Ich lebe, und ihr sollt auch leben – von Jesus aus gedacht.
Deshalb ist diese Frage viel wichtiger als die, was nach dem Sterben kommt.
Das, was wir gesungen haben: „Wir warten dein, o Gottes Sohn, und lieben dein Erscheinen“, sind wahre geistliche Lieder. Sie sind gesungene Bibel, nicht irgendetwas anderes.
Ich werfe mich vor den Thron deiner Majestät, wie es heute oft heißt: Gesungene Bibel.
Im Zweiten Timotheusbrief heißt es: „Hinfort ist mir beigelegt die Krone der Gerechtigkeit, welche der Herr, der gerechte Richter, mir geben wird an jenem Tag, wenn er kommen wird. Nicht allein mir, sondern allen, die seine Erscheinung lieb haben.“ (2. Timotheus 4,8)
Wir lieben dein Erscheinen. Sind wir gespannt auf jenen Tag, wenn Jesus sich aller Welt erweisen wird als der Lebendige, als der Herr.
Wie freue ich mich, Herr Jesus Christus, dass du der Erste und Letzte bist, der Anfang und das Ende.
Darauf hat das Neue Testament unsere Gedanken gerichtet. Wir warten, wie im Philipperbrief Kapitel 3, auf unseren Herrn Jesus Christus vom Himmel. Dann wird er unseren vergänglichen Leib verklären.
Da, wo die Hüfte schmerzt, wo das Herz belastet ist, wo man nicht mehr richtig schlafen kann, wo der Geschmack verloren geht und der Körper schwächer wird – unseren vergänglichen Körper wird er verklären.
Er wird ihn gleich machen seinem verklärten Leib, also dem Auferstehungsleib, in dem Gottes Herrlichkeit und Gottes Fülle wohnt.
Wir warten auf unseren Herrn Jesus, und er nimmt uns mit – mit all unserer Vergänglichkeit und Erbärmlichkeit.
Paulus hat das aufgenommen, was der Herr Jesus in seinem Prozess vor dem Hohen Rat bezeugt hat: „Von nun an wird der Menschensohn kommen in großer Kraft und Herrlichkeit. Er wird seine Auserwählten sammeln.“ (Markus 13,26-27)
Was wird das für eine Sache sein?
Jetzt geht es los: „Komm!“ Auch diese Zeit, die wir hier erleben dürfen, ist eine Einladung des Herrn Jesus: „Kommt doch noch näher zu mir, kommt doch!“
Aber dann wird es erst recht gelten: „Kommt her zu mir, ihr Auserwählten! Ich habe euch gemeint, in meine Herrlichkeit hinein.“
Wir werden ihn sehen, wie er ist, und wir werden ihm gleich sein, wenn er kommt.
Wir warten auf unseren Herrn Jesus Christus vom Himmel. Darauf soll unser Denken gerichtet sein, wenn uns die Frage umtreibt: Wie ist das denn?
Sterben als letzter Kampf und Zuversicht im Glauben
Auch als Pfarrer darf man bei manchem Sterben dabei sein. Das Sterben hat etwas Elementares an sich. Es ist wie bei unserer Geburt: Wenn wir uns durchgekämpft haben zum Leben. Eine mir nahestehende Frau hat einmal nach der Geburt gesagt, es war ein Kampf zwischen ihr und dem Kind, ob das Kind lebt oder sie. So ein Kampf, nicht wahr?
So ist auch das Sterben oft ein letztes Durchkämpfen – furchtbar, furchtbar in Erinnerung. Menschen, die sich losgesagt haben von Jesus, gehen mir immer durch den Kopf. Dann denke ich: Den hat der Teufel geholt. So grausam kann ein Sterben sein.
Als Andreas sehen wir uns immer vor, wenn die Worte meiner Lieben, die neben mir sind, bei einem Sterbebett immer weiter aus der Ferne zu hören sind. Die große Schwachheit überrollt mich wie eine große Welle, eine Tsunamiwelle.
Und dann kommt das Nächste: Mein Jesus sagt, du bist mein. Ist das Phantasie, Wunsch, Hoffnung? Nein, es ist eine Garantieerklärung: Ich lebe, und ihr sollt auch leben.
Einer meiner Seelsorger, mein Freund, Professor Dr. Helmut Lamperter, hat mir einmal gesagt, als ich Leiter des Jungmännerwerks und Jugendwerks war und er der Vorsitzende: „Rolf, ich bin gespannt auf mein Sterben, was dann der Jesus, der so viel in meinem Leben getan hat, tun wird.“
Ich lebe, und ihr sollt auch leben. Das gilt uns Senioren erst recht. Ich möchte Sie einladen, zu denen zu gehören, die gespannt sind auf das Kommen des Herrn Jesus – nicht bloß auf das Sterben. Dass, wenn du, o Lebensfürst, prächtig wiederkommen wirst, ich dir entgegengehen und vor dir gerecht bestehen mag.
Gebet um Beständigkeit und Treue
Wir wollen beten: Herr Jesus, deine ganze Majestät ist uns noch verborgen. Du hast angekündigt, dass sie kommen wird, und hast uns eingeladen zu dem großen Vorrecht, dass wir am Tag deiner großen Herrlichkeit zu dir gehören dürfen. Du nimmst uns hinein aus unserer Erbärmlichkeit, aus unserem Zweifel und aus unserer Distanz zu dir – hinein in deine Nähe, angenommen ewig.
Bedecke durch deine Gerechtigkeit auch all die Fehler unseres Lebens und die Pannen unseres Existierens. Lass uns auch in diesen Tagen, Herr, im April, daran festhalten.
Lass mich dein sein und bleiben, du treuer Gott und Herr. Von dir lass mich nichts treiben. Herr, lass mich nur nicht wanken, gib mir Beständigkeit. Dafür wollen wir dir danken – in alle Ewigkeit! Amen.
