Einführung in das Thema der Erneuerung in Christus
Unser Predigttext steht im 2. Korinther 5,17. Wenn Sie es aufschlagen wollen: „Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Schöpfung. Das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden.“
Oder wie wir es früher aus dem alten Luthertext kannten: „Es ist alles neu geworden.“ Herr, lass uns dieses Wunder heute Morgen erkennen. Amen.
Vor ein paar Tagen erzählte jemand, wie er ein altes Auto verkauft hat. Es war schon über sechs Jahre alt und hatte ziemlich große Rostlöcher. So etwas passiert heute oft, wenn die Straßen gesalzen werden, und der Rost frisst sich überall durch.
Doch er fand einen Freund, der begabt genug war, das Auto wieder in Ordnung zu bringen. Dieser Freund hat es wunderbar hingekriegt. Am Tisch erklärte er dann das Geheimnis, wie er das gemacht hat.
Er sagte, er nahm Styropor und ein bisschen Klebstoff. Zum Schluss sprühte er noch neue Farbe darüber, und das sah aus wie neu. Ich fragte, ob das nicht aufgefallen sei. Er antwortete: „Ja, so lange hat es gehalten, bis der Wagen verkauft war.“
Die oberflächliche Mentalität des Neuen in unserer Zeit
Es ist heute eine verbreitete Mentalität, dass man sagt: Hauptsache, man deckt die Löcher ein wenig zu, und es sieht wieder aus wie neu. Wenn man heute die Ratschläge und Anzeigen liest, wie man ein altes Haus auf Vordermann bringen kann, dann sieht man diese geschickten Eternitplatten. Das Haus kann noch so verwittert sein und der Putz herunterfallen – die Firma kommt, nagelt Latten darüber und bringt dann die Eternitplatten an. Schon sieht das Haus wieder aus wie neu.
Das ist keine Erfindung unserer Zeit. Schon Karl Herzog Karl Eugen hat das beim Bau der Solitude angewendet, des Schlosses dort oben, das gegenwärtig renoviert wird. Unser staatliches Hochbauamt hat kaum noch einen Überblick, wie die Renovation letztlich aussehen soll. Je mehr man nachgräbt und die Ritzen ausbessern will, desto mehr merkt man, dass dort schon vor zweihundert Jahren schlampig gearbeitet wurde. Es wurde nur schnell etwas zusammengestellt, oben drüber etwas aufgetragen, und dann sah es wieder wie neu aus.
Das scheint mir ein ganz typisches Zeichen unserer gesamten Lebenshaltung zu sein: Man will etwas Neues haben, und Hauptsache, es sieht aus wie neu. Ein bisschen Plastik darüber, schön eingepackt, ein bisschen Farbe, ein bisschen Blech – und schon ist es wieder schön. Nur nichts Altes, nur nichts Vergangenes.
Dieses Verhalten hängt eng mit dem gleichen Empfinden zusammen: Wir haben große Angst vor dem Alten. Manche gehen sogar so weit, ihre gesamte sonstige Moralhaltung zu verfälschen, nur um nach außen hin jünger zu wirken. Sie wollen möglichst jung erscheinen, um den Eindruck eines frischen Jugendprodukts zu erwecken. Das ist alles nur Fassade, nur nach außen hin.
Die Suche nach dem Neuen und die Enttäuschung des Lebensstils
In unserer Zeit sucht man nach dem Neuen. Wenn man heute mit Menschen spricht, hört man oft, dass es gar nicht so wichtig sei, ob eine Mode praktisch oder unpraktisch ist, ob sie sich gut oder schlecht trägt. Das Neue müsse gut sein, weil es eben neu ist. Das, was jetzt neu angeboten wird, wird oft als etwas Besonderes angesehen. Doch häufig ist es nichts anderes als etwas, das es schon einmal gab, nur neu verpackt.
So versteht man, warum viele immer wieder nach dem Neuen streben – in der Hoffnung, dass es ihnen bei der Bewältigung des Lebens hilft. Viele Menschen leben einen neuen Lebensstil. Ich glaube, viele junge Menschen heute lehnen die Ordnungen ihrer Eltern und Voreltern ab, weil sie um jeden Preis etwas Neues suchen. Sie möchten ihrem Leben neuen Glanz verleihen, etwas Schönes, Erfrischendes und Belebendes. Sie wollen etwas vom Leben, nicht das Alte, das abgestanden ist.
Doch irgendwann kommt eine bittere Enttäuschung, die niemand erspart bleibt. Man merkt, dass sich hinter dem neuen Lebensstil, den man so gierig angenommen hat, die alten, ungelösten Nöte verbergen – dieselben, an denen schon unsere Eltern zerbrochen sind.
Wo ist heute ein wirklich neuer Weg? Man ist allmählich müde von der Reformmacherei. Wo gibt es wirklich Lösungen, die uns weiterhelfen können?
Ich verstehe, dass in unserer Zeit das alte Evangelium für viele nicht mehr viel gilt. Manche Menschen verziehen bereits geringschätzig den Mund und sagen: „Du kommst mit dem alten Evangelium? Was soll mir dort gezeigt werden?“
Die Offenbarung des Neuen im Alten Evangelium
Und dann wollen wir es erklären, so wie unsere ganze Predigtreihe im Rahmen des missionarischen Jahres verstanden werden soll: als Anleitung zum Zeugendienst. Wir sagen, da war einmal ein Mann, der einen Blick in die Moderne geworfen hat. Johannes, in seinem Exil auf Patmos, kann durch die Jahrhunderte hindurchblicken und sieht die ganzen stürmischen Weltentwicklungen vor sich.
Er sieht Angst und Schrecken, Krieg und Kriegsgeschrei, Weltwirtschaftsmächte, die kommen und gehen, sowie die Entstehung großer Superreiche in dieser Welt. Ganz am Ende sieht er einen auf dem Thron sitzen, in einer unbeschreiblich großen und schönen Gestalt. Doch er kann sagen, dass dieser eigentlich aussieht wie ein Lamm, das geschlachtet wurde.
Dieser spricht von seinem Thron und sagt: „Siehe, ich mache alles neu.“ Es gibt wirkliche Neuerungen, und diese kommen nur vom alten Evangelium, von der alten Kunde, von Jesus, dem Christus Gottes.
Ich will Ihnen zuerst sagen: Das ist ein Angebot für Lebenshungrige. Lebenshungrige Menschen stürzen sich oft auf ganz andere Belustigungen, bei denen sie sich austoben und die Gier ihres Lebens befriedigen können. Aber wir meinen das ganz ernst: Das Evangelium ist ein Angebot für lebenshungrige Menschen, die wirklich Leben haben wollen – in der ganzen Dichte und Fülle.
Ich will es erklären.
Die wahre Energiequelle des Lebens und die Vergänglichkeit des Menschen
Wir sprechen heute viel von der Energiekrise, das heißt von unseren Vorräten. Auf dieser Welt werden sie immer knapper. Man muss haushalten und damit rechnen, dass es zu großen Engpässen kommt. Eines Tages sind diese Quellen, von denen wir leben, erschöpft.
Wenn wir an die Energiekrise denken, denken wir natürlich meist an Öl, Kohle oder Bodenschätze jeglicher Art. Dem Menschen ist es jedoch kaum bewusst – oder er will es sich nicht bewusst machen –, dass die Energiekrise eigentlich noch viel bedrängender ist, als wir sie täglich erleben.
Wir leben von Energiequellen, die uns Gott mit der Erschaffung gegeben hat. Diese Quellen werden aber von Tag zu Tag kleiner. Das ist keine neue Erkenntnis. Dennoch leben wir fröhlich darauf zu und bauen auf unsere Kraft. Eines Tages sind wir erschöpft, und die Kräfte sind verbraucht. Dann geht es ums Sterben.
Wir Menschen haben nur eine ganz begrenzte Kraftreserve, aus der wir leben. Der Versuch des Menschen heute ist, aus dieser kleinen Kraftreserve das Größte herauszuholen. Man will das Leben auskosten, es nutzen und gebrauchen. Doch diese Kraftreserve ist sehr schmal, von ihr lebt man.
Manchmal kommt mir das vor wie bei einem Raketenstart. Eine Rakete wird in den Himmel geschossen, der Aufstieg erfolgt schnell und steil. Doch dann kommt die leere Raketenhülse zurück und zerschellt am Boden. Dieses Bild steht für das Leben: der kurze, kometenhafte Aufstieg junger Menschen.
Man möchte das kurze Aufstreben, das Entfalten der Kraft im Beruf und in den Aufgaben genießen. Doch ehe man sich versieht, kippt die Rakete in der Ellipse schon wieder ab und zerschellt irgendwo klirrend am Boden. Der Abstieg geht rasend schnell.
Deshalb will man ja auch nicht alt sein, weil man spürt: Jetzt lebe ich nur noch im Zerfallen meiner Kräfte. Das ist ein großes, notvolles Stück unseres irdischen Menschenlebens.
Die Realität der Vergänglichkeit und die Illusionen des Menschen
Ich frage mich, woher eigentlich kommt, dass der Mensch nicht wahrhaben will, dass er nur über begrenzte Energie- und Kraftreserven verfügt.
Vielleicht liegt es an der modernen, oft missverstandenen Lehre von der Natur. Dort wird die Schöpfung immer wieder als ein sprühender Vulkan verstanden. Man glaubt, die Welt werde sich ständig schöner gestalten, immer größer und herrlicher werden. Alles sei durch Zufall von selbst entstanden.
Doch wir leben eine ganz andere Wirklichkeit. Wir leben nicht den Darwinismus, den man landläufig in den Köpfen hat, als ob die Natur immer größer und schöner werde und sich ständig weiterentwickle. Stattdessen erleben wir eine schmerzliche Degeneration: ein kurzes Aufblühen der Jugendkraft, gefolgt von einem notvollen Leiden an einem zerbrechenden Körper.
Wenn man die Bibel aufschlägt, merkt man, dass sogar Paulus in dem herrlichen Kapitel Römer 8 von der Herrlichkeit der Kinder Gottes und der Kraft des Geistes Gottes in unserem Leben spricht. Gleichzeitig sagt er, dass wir der Vergänglichkeit unterworfen sind. Wir sind hineingestellt unter dieses schreckliche Gesetz der Degeneration, der Ausbeutung unserer letzten Lebensreserven und Lebenskräfte.
Wir haben keine Kraft, um dieses Leben aus eigener Kraft zu bewältigen. Paulus sagt, wir sind versklavt und geknechtet in die Vergänglichkeit hinein. Das wissen besonders die Kranken, die das später auf der Kassette hören werden, was es bedeutet, den Leib der Vergänglichkeit zu tragen.
Ich freue mich an der Schönheit dieses herrlichen Sonnentages. Doch unser Blick wird nicht einfach weggeleitet von den vielen Leiden der Vergänglichkeit. Das ist Leben, das ist irdisches Leben, das ist natürliches Leben.
Ein Sklave kann sich noch mit seinen Träumen an der Freiheit erfreuen. Er kann davon träumen, wie es einmal wäre, wenn er frei wäre. Auch der Mensch kann darüber nachdenken, wie es eigentlich wäre, wenn er sein Leben wirklich lebte.
Doch ehe man sich versieht, stößt man an seine Ketten, von denen man sich nicht befreien kann. Dann zerbrechen unsere Lebensträume und Illusionen – auch die vielen Illusionen vom wunderbaren, schönen Ruhestand, den wir einmal genießen wollten. Denn dann kommen ganz andere Zerstörungsmächte, und die Kraft zum Leben ist dahin.
Die Ursache der Vergänglichkeit und die Hoffnung im Evangelium
In der Bibel wird gesagt, dass dies ganz eng zusammenhängt mit dem Leib der Vergänglichkeit, mit der Entfremdung von Gott und mit der Sünde des Menschen. Ich kann mein Leben nicht einfach nach dem großen Traum gestalten, so wie ich meine, Liebe und Güte leben zu wollen. Wie oft habe ich geträumt, den Menschen zur Freude zu leben – und dann stoße ich an die Grenzen meiner Kraft.
Es ist doch befreiend, dass wir als Christen illusionslos werden und uns nicht mit Träumen betrügen. Stattdessen sprechen wir davon, dass mein Leben daran krankt, dass ich keine Kraft zum Neuen habe. Ich kann mir sechs Mal Vorsätze machen, aber das, was sich in den vielen Gebundenheiten der Sünde zeigt, ist ja nur das, was wir tagtäglich auch als Christen erleben wollen. Ich habe es aber nicht vollbracht, das Gute zu tun. Das schaffe ich nicht, und die Ratschläge, was ich tun müsste, helfen mir nichts, weil ich nicht kann und weil ich nicht die Kraft habe.
Ich bin so froh, dass das Evangelium davon spricht, dass Jesus diesen Leib der Erniedrigung, der Erschöpfung und der Schwachheit getragen hat. Das ist auch dazu da, alle Illusionen wegzunehmen – wie dieses irdische Leben Jesu einfach so im Glaubensbekenntnis beschrieben wird: „gelitten wird von Jesus“. Was ist denn darin enthalten? Man hat seinen Leib genommen, weggeworfen und ins Grab gelegt. Selbst bei den großen Worten menschlicher Freundschaft, Güte und Treue – was war denn wirklich dran? Was hat Jesus an Lebensfüllung erlebt?
Das Evangelium spricht vom Leben am Ostermorgen, als Jesus durch den Tod hindurchgebrochen ist und auferstanden ist. Wenn Sie wissen wollen, wo es Leben gibt: Am Ostermorgen gibt es Leben! Paulus hat, wenn er verkündigt hat, von diesem wunderbaren Geheimnis gesprochen, dass heute schon mitten in dieser Welt des Leidens und Sterbens müde, schwache und kranke Menschen die Auferstehungskraft Jesu im Glauben empfangen dürfen.
Das ist das ganze Glaubensgeheimnis – nicht ein bloßer Denkvorgang. Wenn es ums Denken ginge, könnten ja nur die großen Denker glauben. Es geht aber um ein vertrauensvolles Annehmen und Sich-Aneignen. Da ist der auferstandene Herr Jesus Christus, der sagt: „Wer in mir ist, der ist eine neue Kreatur.“ Im Glauben darf ich mich ausstrecken nach dieser Auferstehungskraft Jesu.
Die neue Kreatur in Christus als Realität des Glaubens
Ist jemand in Christus, dann ist er funkelnagelneu. Das Alte ist vergangen, es ist etwas Neues geworden, alles ist neu geworden.
Ich kann es Ihnen jetzt nicht direkt zeigen, aber als Bibelkundiger werden Sie sich durchfinden, etwa durch das Kapitel Römer 6, wo Paulus dies beschrieben hat.
Uns interessiert nicht mehr die Möglichkeit meines alten Lebens. Wenn mich jemand darauf festlegen will und fragt: „Winrich Schiffbuch, was schaffst du mit deinen Fähigkeiten?“, antworte ich nichts. Denn Jesus Christus hat mein altes Leben durch den Tod hinuntergenommen.
Was ich jetzt noch lebe, das lebe ich im Glauben an den auferstandenen Jesus, der Tote, total Tote, lebendig machen kann.
Im Augenblick meiner Bekehrung geht es gar nicht darum, gewisse Eigenschaften oder Fähigkeiten hinüberzuretten. Es geht vielmehr um das Wunder, dass Jesus Christus aus toten Menschen neue Existenzen machen will. Dies geschieht durch seine Vergebung, die ich Ihnen zuvor im Abendmahl zugesprochen habe.
Die Totalerneuerung als Herausforderung und Realität
Ein weiterer Punkt, den ich Ihnen erklären möchte, ist die Totalerneuerung. Das bereitet vielen Kummer, weil sie sagen: Ist das nicht übertrieben formuliert? Auf den Kassetten haben wir deshalb geschrieben: eine funkelnagelneue Existenz.
Es gibt immer wieder Probleme. Kennen Sie solche Christen, die sagen: Seitdem ich an Jesus Christus glaube, bin ich ein neuer Mensch. Seitdem bin ich lieb, gütig, treu und wahrhaftig. Seitdem zünde ich nicht mehr an. Seitdem habe ich also eine funkelnagelneue Existenz.
Und dann sagt ein anderer: Mensch, es ist schlimmer denn je. Jetzt bist du bloß zu allem Überfluss noch fromm und stolz geworden. Aber die alte Sünde und Gottlosigkeit lugt hinter deinen frommen Worten hervor.
Die anderen sehen das oft sehr schonungslos und fragen: Was ist denn wirklich neu geworden? Wenn jemand Christus angehört, dann ist er eine neue Kreatur. Aber wir bleiben doch die alten Existenzen.
Wenn wir Menschen auf dem Sterbebett begleiten, wache Christen zum Beispiel, dann wird sie gerade am Ende ihres Lebens das noch erschüttern und bewegen: Ich bin ja noch so eine notvolle Persönlichkeit. Eine Persönlichkeit, eine Existenz, die unter Erniedrigung leidet, unter diesem Vergehen, unter den Schwachheiten dieses Lebens.
Sie fragen: Was ist das jetzt eigentlich? Eine nagelneue Existenz – oder doch das Alte?
Ich bitte Sie hier immer um eine ganz nüchterne Beobachtung. Wir Christen wollen zum Schluss, noch am Sarg, davon sprechen, dass wir vor Gott nichts sind als Bettler, die seine Gnade ergreifen. Dass wir nicht in unseren Güten, in unserer Liebe, in unserem Herzen und Gemüt etwas vorweisen können.
Ich habe Sie auch immer gebeten, nicht so zu tun, als ob Sie wie eine Plakatsäule oder ein Schaufenster vor der gottlosen Welt Ihre Güte demonstrieren könnten – auch als Christ nicht. Wir wollen vor unseren Freunden, Kindern und Familienmitgliedern, die uns beobachten, sehr offen von unserer Schuld reden, die uns tagtäglich bewusst wird, von unserer Schwachheit.
Aber jetzt kommt das Paradox: Dann bitten wir unsere Freunde und sagen: Schaut nicht auf diese alten Sachen! Die hat Jesus hinweggenommen. Ich will mich jetzt nur noch ausstrecken nach der Auferstehungskraft Jesu.
Die Ungläubigen meinen ja, das sei ein Trick von uns, mit dem wir uns aus der Verantwortung stehlen. Aber es ist ganz anders.
In dem Augenblick, in dem ein Mensch auf Jesus Christus blickt, ereignet sich das Wunder: Die Auferstehungskraft Jesu kommt in ihm zum Zug.
Das Beispiel des Apostels Paulus und die Wirklichkeit der neuen Existenz
Soll ich Ihnen etwas anderes erzählen als von dem Mann, nach dem unsere Kirche benannt ist? Er war so schwach, dass er kaum hier auf der Kanzel stehen konnte. Sein Geheimnis war jedoch, dass er sich viel mehr als wir Prediger, die gesund sind, nach dieser Auferstehungskraft ausgestreckt hat. Da war der ganze alte, sterbliche Leib noch da, aber er wollte immer mehr von Jesus erkennen.
In ihm war die neue Kreatur bereits real in unserer alten Welt vorhanden. Diese neue Kreatur wurde im Glauben erfahren und ergriffen. In der Bibel wird immer wieder gesagt, dass wir dieses neue Leben noch nicht im Schauen haben, sondern im Glauben. Es ereignet sich real, ähnlich wie Abraham einst nur der Verheißung Gottes glauben konnte, dass er einen Sohn bekommen würde.
Abraham sah den erstaubten Leib seiner Sarah und seinen eigenen alten, müden Körper an und dachte, es sei doch alles eine Illusion, nur ein Traum. Doch der, der ihm dies versprach, log nicht. Es ist eine Totalerneuerung unserer Existenz, auch wenn ich sie nicht sehen kann und täglich meine Schuld und meine Fehler spüre.
Das war das Geheimnis der großen Boten Gottes, die darauf bauten und darauf vertrauten. In ihnen ereignete sich das Wunder der neuen Existenz in ihrem sündhaften Leib. Dieses Wunder glauben wir. Durch den Glauben geschieht es. Wer auf Jesus, den Auferstandenen, schaut, ist eine neue Kreatur.
Ich möchte das Wort Kreatur noch erklären: Unser Leben ähnelt oft mehr einer Masse, einer undefinierbaren Erbmasse oder, wenn die tiefen Psychologen unsere Seele analysieren, einem unheimlichen Abgrund der tiefsten Begierden und Leidenschaften. Was ist der Mensch, wenn ich ihn so analysiere? Ich kann nur resignieren.
Und dennoch glauben wir, dass in unserem ganzen zerstörten Persönlichkeitskern eine neue Kreatur, eine neue Schöpfung Gottes, sich heute ereignet, wenn ich glaube. Darum wird diese neue Kreatur wieder in diesen Dienst in dieser Welt gesandt – mit ihrem müden und schwachen Leib, in allen Versäumnissen und Enttäuschungen.
Sie wird gesandt, damit sie der Auferstehungskraft Jesu glaubt, die sich in ihrem Leben realisieren wird.
Die Folgen der neuen Existenz und der Weg zur Heiligung
Ich möchte noch einen dritten Gedanken anmerken: Die Folgen sind unabsehbar. Man kann nur staunen, was alles aus diesem großen Wunder entsteht.
Einmal kann ich mutig sagen: Ich will aus meinem alten, sündigen Leben ausbrechen. Nicht, weil ich das aus meinen eigenen guten Gaben oder meinem frommen Herzen könnte. Übrigens halten wir von den frommen Übungen gar nicht viel. Wir werden alle frommen Übungen daraufhin prüfen, ob wir den auferstandenen Jesus darin finden, ob seine Kraft darin zu uns kommt und ob er uns durchwirken kann.
Dass wir die Sünde hassen und lassen, dass wir Geiz und Neid überwinden, dass wir das Reden über andere hassen und vermeiden wollen, dass wir mit unserem Leben immer ähnlicher werden seinem verklärten Bild, dem Bild Jesu ähnlich, weil die Auferstehungskraft Jesu in unserem Leben mächtig wird.
Darum können wir das genau im gleichen Satz betonen: Wir sind vor Gott verlorene, sündige Menschen, aber durch seine Gnade werden wir gerecht und tauglich, brauchbar zum Dienst in der Welt. Seine Gnade, seine Zuwendung ist nicht vergeblich an mir.
Ich möchte jetzt die vielen älteren Menschen unter uns bitten: Das ist doch der Grund, warum wir nicht bloß in der Heiligung vorwärtskommen, sondern auch darin, dass wir nicht mehr tricksen müssen über Altersspannen hinweg. Sondern dass wir sagen: Ich schaue auf ein großes und reiches Leben zurück. Aber auch wenn ich alt werde und das Zerbrechen meines Leibes spüre, will ich dennoch blühen und Frucht bringen in der Kraft der Auferstehung Jesu.
Für uns ist das Alter nicht zum Ausleiern, zum Vergehen da. Und wir Christen brauchen nicht die ganzen Firlefanzereien der modischen Erneuerung mitzumachen, als ob darin das Neue käme. Wir haben doch diesen modischen Trug längst durchschaut, bei dem etwas neu verkauft wird, was schon längst da war.
Neu wird ein Mensch, wenn die Kräfte der Auferstehung Jesu Christi heute schon im Glauben sichtbar werden. Wenn sie dann fragen, was das ist, so antworte ich: Nun lebe nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Und was ich noch lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich hingegeben hat.
Dafür möchte ich beten.
Schlussgebet als Ausdruck der neuen Existenz
Mach in mir, deinem Geist, Raum, damit ich dir wert bin, ein guter Baum zu sein. Lass mich Wurzeln treiben und verleihe mir, dass ich zu deinem Ruhm als eine schöne Blume in deinem Garten bleiben möge.
Lass mich als schöne Blume einer ganz neuen Existenz wachsen – als sündiger Mensch, paradox ergriffen von der Auferstehungskraft Jesu. Amen!