Vor einiger Zeit habe ich einen Freund in Münster besucht. Ich hatte ihn schon ewig nicht mehr gesehen. Wir waren gemeinsam in Tübingen im Studium und dort bei Campus für Christus aktiv. Ich habe mich riesig auf dieses Wochenende gefreut, denn wir hatten uns unglaublich viel zu erzählen.
Als ich dort war, haben wir überlegt, was wir machen könnten. Plötzlich sagte er diesen Satz, der mich voll getroffen hat: „Hey Chris, hast du nicht Lust, mit den Leuten aus meiner Kirche samstagmittags evangelisieren zu gehen?“
Ich dachte nur: „Nee, nee, nee, bitte bloß nicht!“ Ich hatte das schon öfter mal in Studienzeiten gemacht, und meistens lief das dann so richtig klischeehaft ab. Ich bin eher introvertiert, ein bisschen schüchtern. Gott hat mir zwar Mut gegeben, und irgendwie war es dann doch ganz gut. Schlussendlich war alles gar nicht so schlimm.
Aber an diesem Tag war es anders. Ich war völlig überfahren und fühlte mich überhaupt nicht bereit dazu. Ich kann leider schlecht nein sagen. Dann dachte ich: Mann, Theologiestudium, ich habe eine christlich missionarische Studentengruppe eine Zeit lang geleitet, ich sitze in der Landessynode und rede die ganze Zeit darüber, dass wir mehr Mission machen müssen als Kirche. Es wäre schon relativ peinlich, dann zu sagen: „Nee, ich traue mich heute nicht.“
Wir sind also zu dieser Gemeinde gegangen und haben am Anfang mit den Leuten gebetet. Das war noch der angenehme Teil des Nachmittags. Danach sind wir in Zweiergruppen raus auf die Straße gegangen und sollten in einem Wohngebiet irgendwo in der Pampa in Münster Leuten von Jesus erzählen.
Ich habe mich selten so gestresst und unwohl in meinem Leben gefühlt. Ich habe wirklich darum gebetet, dass die Leute keine Zeit haben, an uns vorbeizulaufen oder dass irgendetwas Wildes passiert, damit ich bloß nicht in dieser Situation ein Glaubensgespräch anfangen muss.
Doch dann ist etwas wirklich Unglaubliches passiert. Aber das erzähle ich erst am Ende, um die Spannung noch ein bisschen hochzuhalten.
Die Herausforderung missionarischer Einsätze und persönliche Zweifel
Vierundzwanzig Stunden am Tag, sieben Tage die Woche – ich bin bei euch alle Tage. Ich bin mir nicht sicher, ob dieser Satz für mich eher eine Drohung oder eine Verheißung sein soll. Auch der Titel der Yumiko löst bei mir manchmal ein bisschen Stress aus.
Warum erzähle ich das gleich zu Beginn? Um das klarzustellen: Ich habe überhaupt nichts gegen Strassenevangelisation. Ich kenne sogar einige Menschen, die auf diese Weise zum Glauben gekommen sind.
Ich habe auch Freunde, die das richtig gut können – auf eine ganz natürliche Art und Weise. Sie schaffen es, mit Leuten in Kontakt zu kommen und von Jesus zu erzählen, ohne dass es irgendwie komisch wirkt.
Aber ich habe auch schon mehr als einmal die Erfahrung gemacht, dass es eben nicht immer so läuft. Manchmal löst das Stress aus, und ich weiß erst einmal nicht, ob ich dazu bereit bin.
An dem Lachen habe ich gehört, dass der eine oder andere vielleicht ähnliche Situationen kennt: Man fühlt sich unwohl in seiner christlichen Haut. Es gibt Momente, in denen man denkt, dass man das Vierpunktearmband am liebsten verstecken und ablegen würde.
Bei mir ist es oft so, dass ich, wenn ich erzähle, dass ich Theologie studiere, direkt ein Glaubensgespräch an der Backe habe. Dann wünsche ich mir manchmal, ich hätte etwas anderes studiert, nur um nicht auf dieses Thema zu kommen.
Mission und der innere Widerstand
Im Missionsbefehl in Matthäus 28 heißt es: „Geht hin, macht zu Jüngern alle Völker, denn siehe, ich bin bei euch alle Zeit bis an das Ende der Welt.“
Seit ich mit sechzehn Jahren zum Glauben gekommen bin, habe ich die klassische landeskirchliche Karriereleiter durchlaufen. Ich habe Jugendarbeit gemacht, ein Auslandsjahr in Tansania verbracht und war in Tübingen bei Campus für Christus missionarisch unterwegs. Dort habe ich nachts Leute auf der Neckarbrücke angesprochen und mittags in der Mensa Glaubensgespräche begonnen.
Jetzt schreibe ich sogar eine Doktorarbeit über das Thema Mission. Dennoch geht es mir bis heute manchmal so, dass ich diesen Satz von Jesus höre und mir denke: „Nö, heute nicht, such dir bitte jemand anderen.“
Inzwischen weiß ich, woran das liegt und was das zugrunde liegende Problem ist. Falls ihr dieses Gefühl kennt und es euch auch ab und zu so geht, könnt ihr in dieser Einheit vielleicht ein bisschen über Jesus und über euch selbst lernen – etwas, das eine Hilfe sein kann.
Deshalb habe ich diesen Titel ganz bewusst gewählt: „24/7 mit Jesus gegen Stress und Rastlosigkeit.“ Mission kann so gelassen sein.
Das Prinzip der Systematik im Leben
Bevor wir jetzt gleich in die Bibel schauen und uns Matthäus 11,28-30 etwas genauer ansehen, möchte ich noch eine Erkenntnis teilen, die für mich sehr augenöffnend war. Sie ist deshalb so bemerkenswert, weil sie eigentlich recht banal ist. Für mich war es jedoch ein großer Aha-Effekt, als ich sie verstanden habe: Jedes System ist perfekt darauf ausgelegt, genau das Ergebnis zu erzielen, das es erzielt.
Noch einmal: Jedes System ist perfekt darauf ausgelegt, das Ergebnis zu erzielen, das es erzielt.
Was meine ich damit? Ein Beispiel: Mein Herzensverein, der VfB Stuttgart, steht gerade ziemlich gut da – Pokalviertelfinale, Platz drei in der Tabelle. Das hat einen ganz einfachen Grund: Sie machen genau das, was notwendig ist, um auf Platz drei zu stehen. Sie trainieren so, sie arbeiten so, sie leben genau so, dass sie auf Platz drei stehen.
Der ein oder andere weiß, dass das vor einem Jahr noch ganz anders aussah. Damals war man auf Platz siebzehn der Tabelle. Aber auch damals galt dasselbe Prinzip: Man hatte das perfekte System, um auf Platz siebzehn zu stehen. Kein Selbstvertrauen, schlechte Trainingsleistung und Bruno Labbadia als Trainer – mit diesen drei Faktoren hat man wirklich alles erfüllt, um am Ende auf Platz siebzehn zu landen. Wir haben praktisch dieses „Platz-siebzehn-Leben“ voll gelebt.
Jetzt ist es völlig umgekehrt. Die, die die Sportschau schauen, wissen das: Motivation, Freude am Spiel, eine gewisse Lässigkeit, Gerasie und Undaff in Topform – wirklich ein Traumduo. Ein überragender Trainer, die richtigen Einkäufe, es stimmt einfach alles. Man macht genau das, was notwendig ist, um am Ende auf Platz drei zu stehen.
In Bezug auf meinen Missionsstress habe ich festgestellt: Es ist genau dasselbe. Jedes System ist perfekt darauf ausgelegt, das Ergebnis zu erzielen, das es erzielt. Wenn ich so gestresst und abgeschreckt von Jesu Auftrag bin, dann hat das einen ganz einfachen Grund: Ich lebe mein Leben genau so, dass diese Gefühle am Ende herauskommen.
Ich erfülle mit der Art und Weise, wie ich mein Leben lebe, genau die Voraussetzungen dafür, um am Ende des Tages von Missionen gestresst zu sein. Mein Leben an solchen Tagen, an denen man mich mit dem Missionswort wirklich jagen kann, ist genau darauf ausgelegt, dass das am Ende passiert.
Ihr kennt das vielleicht: wenig Schlaf, viel Handy, zu lange To-do-Liste, keine stille Zeit am Morgen, dieses Gefühl, dem Leben ein Stück weit hinterherzuhcheln, nicht fokussiert zu sein, eine innere Unbereitschaft, eine Rastlosigkeit.
Rastlosigkeit als Herausforderung für Glauben und Mission
Die Belesenen unter euch wissen sofort, ah, er hat „Das Ende der Rastlosigkeit“ von John Mark Comer gelesen. Ja, das stimmt, das empfehle ich euch auch. Dieses klasse Buch gibt es unten für etwa 23 Euro.
Mir ist in den letzten Jahren wirklich aufgegangen: Rastlosigkeit ist in unserem Jahrzehnt einer der Topkiller für geistliches Leben, für den Glauben und damit auch für Mission. Rastlosigkeit verbindet das Thema Mission mit einem Stressgefühl, das eigentlich nicht sein sollte. Mission sollte mit Freude und wachsendem Glauben zu tun haben.
Was meine ich mit Rastlosigkeit, falls euch der Begriff nicht ganz geläufig ist? Es ist eine Mischung aus einem hektischen Alltag, Dopaminsucht – das ist das, was euer Gehirn ausschüttet, wenn ihr am Smartphone herumdaddelt – und „False Friends“ wie Fastfood, Chips, Alkohol oder Pornografie.
Die Symptome sind folgende: Erstens antwortest du auf die Frage „Wie geht’s dir?“ normalerweise mit „Ganz gut, nur ein bisschen im Stress.“ Zweitens erschrickst du jedes Mal, wenn du das Ergebnis deiner Bildschirmtracker-App siehst. Oder du hast diese App schon gar nicht, weil du weißt, das Ergebnis würde dich verstören. Drittens brauchst du abends zum Runterkommen deine Chipstüte, deine Schokolade oder dein Bier, weil du nach einem normalen Tag einfach nicht direkt einschlafen kannst.
Viertens hast du während eines Films oder beim Spieleabend mit Freunden ständig den Drang, dein Handy herauszuholen und irgendetwas darauf zu tippen. Oder du hängst viel zu oft auf YouTube Shorts, TikTok oder Instagram fest und wunderst dich, wo die Stunden geblieben sind.
Das Time Magazine hat vor kurzem herausgefunden, dass die Aufmerksamkeitsspanne von Menschen in den letzten zwanzig Jahren um ein Drittel abgenommen hat – von zwölf Sekunden im Jahr 2000 auf ungefähr acht Sekunden im Jahr 2020. Zum Vergleich: Ein Goldfisch hat eine Aufmerksamkeitsspanne von neun Sekunden. Goldfische sind nicht von der Digitalisierung betroffen, haben normalerweise keinen Netflix-Account und sind auch selten auf Instagram oder TikTok anzutreffen. Ihre Aufmerksamkeitsspanne ist praktisch konstant geblieben.
Das heißt, in den letzten zwanzig Jahren sind wir in unserer Aufmerksamkeitsspanne als westliche Menschheit hinter Goldfische zurückgefallen.
Falls du jetzt denkst, der übertreibt vielleicht auch ein bisschen, hier ein Gedankenexperiment: Stell dir vor, du schaltest jetzt sofort dein Handy aus – so weit, so gut – und es bleibt drei Tage lang aus, am Stück. Könntest du das ohne Vorbereitung? Ich vermute mal, zwei Drittel von uns würden ohne Maps gar nicht mal nach Hause finden. Wir wären aufgeschmissen ohne all die Sachen, die wir auf dem Handy haben.
Nach ein paar Stunden würden vermutlich die meisten von uns mit neurobiologischen Entzugserscheinungen irgendwo schweißgebadet in einer Ecke in Embryonalstellung auf dem Boden kauern und nicht mehr wissen, was sie mit ihrem Leben anfangen sollen.
Unser Smartphone, Amazon Prime und Netflix sind einige der Gründe dafür, dass unsere Gesellschaft immer hektischer wird. Dazu kommen Nachrichtenbombardements, Eiltickermeldungen, ein immer komplexerer Alltag und einfach immer mehr Möglichkeiten, die eigene Zeit zu füllen und zu töten. Das führt zu einem hektischen Lebensstil, und ich glaube, das ist einer der Topkiller für geistliches Leben, die wir gerade haben.
Ich denke, für viele von uns besteht die große Gefahr nicht darin, dass wir unseren Glauben aufgeben oder keine Lust mehr darauf haben. Ich glaube, wir sind eher abgelenkt, in Eile und beschäftigt. Dann sind wir auch ganz schnell mit einem Mittelmaß zufrieden. Wir streifen das Leben am Rande, statt es wirklich zu leben.
In anderen Worten: Keiner von uns wacht morgens auf und hat das Gefühl, heute will ich mal eine richtig krasse Sünde begehen. Irgendwie morgens die Mitbewohner in der Küche verprügeln, mittags die Greisbetrugskasse überfallen oder abends noch ein paar Autospiegel abtreten. Für die meisten von uns ist das jetzt nicht das, was wir die ganze Zeit wollen.
Ich glaube, das sieht eher anders aus: Unsere größte Gefahr, die uns vom Glauben abhält, ist, dass wir abends zu spät ins Bett gehen und morgens zu spät aufstehen. Dann führt so ein hektischer Alltag mit ganz viel unnötiger Ablenkung dazu, dass wir weder Bibel lesen noch beten, noch uns innerlich auf Jesus einstellen und Zeit für ihn haben.
Wir leben in einem Klima, in dem es nicht nur schwierig ist, über Gott nachzudenken, sondern generell irgendeine Art von innerer Tiefe zu entwickeln. Aus allen möglichen Gründen, guten wie schlechten, lenken wir uns selbst so sehr ab, dass wir in geistliche Besinnungslosigkeit geraten.
Nicht, dass wir selbst etwas gegen Gott, gegen innere Tiefe oder gegen den Heiligen Geist hätten – das hätten wir ja alles gern. Jeder von uns würde gern so einen Platz drei oder vielleicht sogar Platz eins im Glauben leben. Aber wir sind gewohnheitsmäßig einfach zu beschäftigt, als dass wir irgendetwas davon spiegeln könnten.
Wir sind nicht schlecht, wir sind nur abgelenkt. Wir sind nicht ungeistlich, wir sind nur beschäftigt. Diese zwanghafte Betriebsamkeit, Ablenkung und Unruhe sind heute die größten Hindernisse in unserem geistlichen Leben.
Und das noch eingeschoben: Falls es manchmal ein bisschen zeigefingermäßig klingt, es zeigt immer auch drei Finger zurück – das ist für mich selbst ein Thema. Ich predige da auch gerade zu mir selbst.
Das ist das System, in dem viele von uns unterwegs sind. Und das ist ein System, das den Glauben killt und Mission zu einem Stresstest macht.
Der Ruf zu einem neuen Lebenssystem in der Nachfolge Jesu
Irgendwann habe ich verstanden: Wenn ich dieses System und seine Folgen nicht mehr will, dann kann es so nicht weitergehen. Denn noch einmal, jedes System ist perfekt darauf ausgelegt, genau das Ergebnis zu erzielen, das es am Ende hervorbringt.
Am Beispiel des VfB gesprochen: Ich brauche einen Systemwechsel, einen Trainerwechsel. Einen Trainer, der alles anders macht als wir selbst, der unseren Trainingsalltag völlig umstellt und ein neues Spielsystem einüben lässt.
Mein Trainer hat uns im Matthäusevangelium folgendes Spielsystem vorgeschlagen. In Matthäus 11,28-30 sagt Jesus: „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig. So werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen, denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“
Gemeinsam wollen wir jetzt tiefer in diesen Bibeltext einsteigen. Am Ende werde ich noch fünf grundsätzliche Dinge zum Thema Gelassenheit sagen.
Einladung zur Ruhe und Erquickung bei Jesus
Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken. Kommt her zu mir.
Kommt, das ist das allererste Wort, das Jesu Jünger von ihm hören. In Matthäus 4 heißt es: Als nun Jesus am Galiläischen Meer entlangging, sah er zwei Brüder, Simon, der Petrus genannt wird, und Andreas, sein Bruder. Sie warfen ihre Netze ins Meer, denn sie waren Fischer. Und Jesus sprach zu ihnen: Kommt mir hinterher!
Jesus sagt diesen Satz immer wieder in den Evangelien: Kommt mir nach, kommt zu mir, kommt mir hinterher! Diese Formulierung, dieser Aufruf, dieses „Kommt“ findet sich zwölf Mal im Neuen Testament. Das fand ich jetzt wirklich spannend.
Beim ersten Mal hat es etwas mit Mission zu tun, und dann beinahe immer mit Gelassenheit. Zuerst heißt es: „Kommt mir hinterher, ich will euch zu Menschenfischern machen.“ Das sagt Jesus zu Simon und Andreas da ganz am Anfang. Danach geht es meistens um Ruhe und Gelassenheit.
Als Jesu Jünger die Hiobsbotschaft bekommen, dass ihr alter Lehrer Johannes der Täufer gestorben ist, hingerichtet wurde, da kommt Jesus zu ihnen und sagt: Kommt ihr alleine an eine einsame Stätte und ruht euch aus!
Oder hier in unserem Text: Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken!
Oder meine absolute Lieblingsstelle im Johannesevangelium: Ganz am Ende, als die Jünger fischend waren und Jesus schon am Ufer auf sie wartet, sagt er: Kommt her, frühstückt mit mir!
Wer sind die Mühseligen und Beladenen?
Mühselig und beladen – Jesus ruft jetzt alle, die mühselig und beladen sind. Natürlich habe ich mich auch gefragt: Wer genau ist eigentlich gemeint? Wer sind die Mühseligen und Beladenen?
Erstens meint Jesus diejenigen, deren Glaube gesetzlich geworden ist und ihnen schwere Mühe bereitet, anstatt eine Quelle der Kraft und Freude zu sein. Jesus ruft diejenigen, die sich durch harte Glaubensaussagen eingeengt, belastet und gestresst fühlen. Wenn du bei Mission und 24/7 erst einmal diese Enge und Last verspürst, dann ruft Jesus genau dich.
Zweitens ruft Jesus die, die unter der Plagerei ihres Lebens leiden. Wenn du viel arbeitest und deine Arbeit dich müde und erschöpft macht, wenn du oft schlapp und unmotiviert bist bei dem, was du tust, dann ruft Jesus genau dich.
Drittens sind alle gemeint, die kraft- und orientierungslos sind. Im Sprüchebuch heißt es: „Ohne Vision verwildert ein Volk.“ Ohne Ziel im Leben dümpelt man herum. Wer sein Abitur gemacht hat, kennt das Gefühl der Visions- und Orientierungslosigkeit in den Wochen danach genau.
Ihr wisst auch alle, dass dies eine viel größere Gefahr für unsere Generation ist als für die unserer Eltern. Wir haben tausend Studiengänge, tausend Möglichkeiten, tausend Dinge, die an uns zehren und auf uns einprasseln. Orientierung zu bewahren und einen klaren Weg zu finden, war noch nie so schwierig wie heute.
Rumdümpeln und Zeit sowie Leben vertändeln war hingegen noch nie so einfach wie heute. Wenn es dir manchmal so geht, dann sagt Jesus auch zu dir: „Komm her zu mir.“
Die Verheißung der Erquickung
Jetzt, wozu? Drittens: Ich will euch erquicken. Man kann es auch so übersetzen: Ich will euch Ruhe geben, will euch erfrischen. Jesus gibt Ruhe.
Ich weiß nicht, wie ihr euch Jesus vorstellt, aber ich glaube, es ist nahezu unmöglich, sich Jesus richtig gestresst vorzustellen. Stellt euch mal vor, wie er hektisch umherläuft, von Predigt zu Wunder hastet, mit gesenktem Blick abgeschirmt von seinen Jüngern schnell an den Leuten vorbeigeht, um bloß nicht auf den Einzelnen eingehen zu müssen.
Jesus ist das komplette Gegenteil. In der Menschenmenge spürt er, dass eine einzige kranke Frau sein Gewand berührt hat. Er dreht sich um, mitten in diesem Trubel, spricht mit ihr und heilt sie. Er sieht den Zöllner Zachäus auf seinem Baum da oben sitzen und kommt zu ihm herab.
Jesus lässt die Kinder zu sich kommen, obwohl seine Jünger sie genervt wegjagen wollen. Er ist einfühlsam. Alex hat die Geschichte vorher erzählt: Als Lazarus stirbt und Jesus zu dessen Beerdigung kommt, zur Trauergesellschaft, sieht er das und fängt an zu weinen.
Es ist übrigens der kürzeste Vers der ganzen Bibel: Johannes 11,35 – „Jesus weinte.“
Ich habe mich gefragt, warum Jesus so ungestresst ist und warum er so einfühlsam ist. Wie schafft er das? Wie macht er das? Ich glaube, das Stichwort ist relativ simpel: Es heißt Einsamkeit.
Die Kraft der Einsamkeit in Jesu Leben
Dazu muss ich jetzt ein bisschen ausholen. Zu Beginn seiner Wirksamkeit lässt sich Jesus ja am Jordan von Johannes dem Täufer taufen. Der Heilige Geist kommt dann in Gestalt einer Taube auf Jesus herab, und Gottes Stimme spricht vom Himmel: „Dies ist mein geliebter Sohn, an ihm habe ich Wohlgefallen.“
Jetzt ist praktisch alles bereit dafür, dass Jesus an die Öffentlichkeit geht. Da ist der Heilige Geist als Taube, da ist diese donnernde Stimme vom Himmel, die sagt: „Dies ist mein geliebter Sohn.“ Nun wäre alles bereit, dass Jesus mit beeindruckenden Wundern und mitreißenden Predigten zeigt, wer er ist.
Aber die Geschichte geht ganz anders weiter. Jesus wird vom Geist in die Wüste hinaufgeführt, um vom Teufel versucht zu werden. Nachdem er vierzig Tage und Nächte keine Nahrung zu sich genommen hatte, war er sehr hungrig.
Jesus geht also zuerst in die Wüste. Das griechische Wort für „Wüste“ an dieser Stelle meint nicht unbedingt Sand und Hitze. Wüste kann man auch als verlassenen, abgelegenen, einsamen oder ruhigen Ort beziehungsweise als Einöde übersetzen. In den Evangelien finden sich viele Berichte darüber, wie Jesus an solche ruhigen, einsamen Orte geht und sich zurückzieht.
Aber diese Stelle hier am Anfang von Jesu Wirken, wo er sechs Wochen lang in der Wüste verbringt, ist wahrscheinlich die wichtigste. Denn in dieser Wüste, an diesem ruhigen Ort, liegt der Ausgangspunkt von Jesu eigener Mission. Seine Karriere, könnte man sagen, startet in der Einsamkeit.
Früher habe ich mich bei dieser Bibelstelle gefragt, ob die Versuchung nicht besser direkt nach der Taufe Jesu gewesen wäre. Da ist ja noch die donnernde Gottesstimme im Hintergrund, und er ist erfüllt vom Heiligen Geist. Jetzt könnte er losgehen, um dem Feind, dem Widersacher, gegenüberzutreten.
Stattdessen passiert diese große Herausforderung für Jesus allein an einem trostlosen Ort, nach vierzig Tagen ohne Essen. Lange hat diese Geschichte für mich keinen wirklichen Sinn ergeben, weil ich die Wüste als Ort der Schwäche verstanden habe. Ich dachte: „Heiß, durstig, einsam – da muss Jesus doch völlig am Boden sein. Das ist eigentlich der Ort, wo er am schwächsten ist.“
Doch irgendwann habe ich verstanden, dass das genaue Gegenteil der Fall ist. Die Wüste, diese Einsamkeit, ist eigentlich der Ort, an dem Jesus am stärksten ist. Er hat diese vierzig Tage nicht einfach nur herumgesessen. Er hat gefastet, gebetet und war so nah bei Gott, wie man es sich nur vorstellen kann.
Ich glaube, die Stimme vom Himmel, diese Geisterfahrung, war noch nicht genug, um dem Teufel gegenüberzutreten. Jesus brauchte diese sechs Wochen Fasten, Gebet und Stärkung, um diesen Kampf aufnehmen zu können.
Das finde ich spannend: Jesus hat das sehr regelmäßig getan. Er hatte manchmal sehr anstrengende Tage, an denen er körperlich wirklich am Ende gewesen sein muss. Er hielt Predigten, vollbrachte Heilungen, führte Gespräche mit Menschen und Diskussionen mit Schriftgelehrten.
Und dann macht Jesus genau nicht das, was wir vermutlich tun würden: Erstmal ausschlafen. Aber Jesus tut das nicht. Er geht auch nicht joggen, trifft sich nicht mit seinen Jüngern zum Brunchen und geht auch nicht mit Freunden in die Therme. Stattdessen macht Jesus etwas ganz anderes.
In Markus 1,35 erfahren wir, was Jesus nach seinem ersten richtigen Arbeitstag als Messias gemacht hat. Er war sechs Wochen in der Wüste, dann geht er einen einzigen Tag lang berufend, heilend und predigend durch die Gegend. Und dann heißt es: „Ganz früh, als es noch Nacht war, ging Jesus an einen einsamen Ort in die Wüste, um zu beten.“
Der Rückzug war für Jesus Teil seines Biorhythmus. Man könnte sagen: Ruhe war sein Spielsystem. Das war für ihn wichtiger als Schlafen und Essen.
Austausch über persönliche Erfahrungen mit Ruhe und Digitalität
An dieser Stelle möchte ich eine kurze Pause machen und euch fünf Minuten Zeit geben, um mit euren Nebensitzern über das zu sprechen, was ich gerade gesagt habe. Es geht um die Frage: Wie geht es euch selbst mit Ruhelosigkeit, mit Medien und Digitalität? Welche Strategien habt ihr, um trotzdem immer wieder nah an Jesus zu bleiben?
In fünf Minuten geht es dann weiter. Ich sehe, ihr unterhaltet euch sehr angeregt. Vielleicht könnt ihr eure spannenden Gedanken später noch etwas ausführlicher teilen.
Das Bild der Erquickung am Beispiel eines Restaurants
Im achtzehnten Jahrhundert lebte in Frankreich ein Wirt namens Boulanger. Im Jahr 1756 eröffnete er in Paris eine Suppenküche. Einige Jahrzehnte später baute er diese zu einem wirklich stattlichen Restaurant aus.
Als kleinen Marketing-Gag ließ er über der Tür einen lateinischen Spruch anbringen: Venite ad me omnes qui laboratis, et ego vos restaurabo. Für diejenigen, die kein Latein können, übersetze ich es einmal. Es ist eine Abwandlung unseres Verses aus Matthäus 11,28: „Kommt her zu mir, wenn euch der Magen knurrt, ich werde euch erquicken.“
Dem französischen Wirt verdanken wir übrigens das Wort „Restaurant“. Es stammt tatsächlich daher. Es bedeutet „Ich werde euch erquicken“, wie es dort über der Tür stand: restaurabo. Ein Ort der Erquickung, der Wiederherstellung, ein Platz, an dem man bedient und verwöhnt wird – ein Ort, an dem man es sich so richtig gut gehen lassen darf.
Dieses „Erquicken“ ist ein sehr altes Wort. Es meint genau das Wiederherstellen und Wiederbeleben. Gestern wurde ich freundlicherweise von der Familie meiner Freundin in ein hervorragendes schwäbisches Restaurant eingeladen. Ich finde, es ist ein wunderbares Bild dafür, wie Jesus uns einlädt.
Ihr kennt das wahrscheinlich: Nach einem richtig guten, leckeren Essen und guten Gesprächen mit netten Leuten denkt man oft: „Wow, ich fühle mich so richtig erquickt und wiederhergestellt.“
Spannenderweise steckt in „restaurabo“ auch das griechische Wort „stauros“, das auf Deutsch „Kreuz“ bedeutet. Jesus hat am Kreuz die Mühsal und Lasten der ganzen Welt auf sich genommen. Dieser Trost, der mich aufrichtet, die Kraft, die mich wieder nach vorne blicken lässt, diese Erquickung wurde teuer erkauft durch Jesu Tod.
Das sanfte Joch als Symbol für gelassenes Leben
Jetzt noch zum sanften Joch und was es damit auf sich hat: Jesus sagt ja: „Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen; denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht.“
Jesus war ja Lehrer und kein Bauer, und er hatte Jünger und keine Ochsen. Wenn ein jüdischer Lehrer damals von einem Joch sprach, dann war damit nicht das Zuggeschirr gemeint, das man den Ochsen umlegt, um sie vor dem Pflug zu spannen. Zur Zeit Jesu war das Joch ein gängiger Begriff dafür, wie man die fünf Bücher Mose und die jüdische Lehre, also die Tora, verstehen sollte.
Man könnte sagen, bei diesem Joch geht es darum, wie man Mensch sein soll, wie man die Lasten des Lebens und die verschiedenen Lebensbereiche schultert. Es geht um das Leben an sich, um Arbeit, um Geldangelegenheiten, Beziehungen, wirtschaftliche Fragen, Konflikte – also um alles Mögliche.
Das Joch ist ein Bild dafür, wie man seinen eigenen Lebensacker pflügt in allen Bereichen und wie man die Lasten des Lebens bewältigt. Jüdische Lehrer zu jener Zeit hatten so ein Joch, also eine Lehre, anzubieten.
Jesus war praktisch wie alle anderen Lehrer seiner Zeit unterwegs. Es gab aber einen entscheidenden Unterschied: Jesu Joch war sanft, und seine Lehre war anders.
Die Jünger Jesu lernten im Wesentlichen drei Dinge bei ihm: Erstens, mit Jesus zusammen sein; zweitens, werden wie Jesus; und drittens, leben wie Jesus. Hätte Jesus einen Studiengang angeboten, stünden im Modulhandbuch genau diese drei Qualifikationsziele: mit Jesus zusammen sein, werden wie Jesus, leben wie Jesus.
Der Sinn dieser Lehre ist folgender: Wir sollen unser ganzes Leben nach Jesu Vorbild mit ihm gemeinsam umgestalten. Dabei soll die Seele erquickt und innerlich erfrischt werden. Was in uns verkrüppelt und verkümmert ist, soll wieder zu Form und Gestalt kommen.
Jesus verspricht Leben in Fülle; wir sollen gerettet werden, also heil werden. Ihr kennt wahrscheinlich das englische Wort für Heil. Das ist euch ein Begriff, denke ich mal. Es kommt vom lateinischen „salve“. Die Asterix-Leser unter euch wissen, dass das eine Begrüßung auf Latein ist und wörtlich „Sei gesund“ bedeutet. Es kann aber auch für eine Salbe stehen, die man auf eine Brandwunde oder eine sonstige Wunde aufträgt.
Und das ist der Sinn von Jesu Lehre: Menschen heilen, sie retten – und zwar auf der inneren Ebene ihrer Seele. Diese Heilung, diese Rettung soll geschehen, indem wir mit Jesus zusammen sind, werden wir Jesus, leben wir Jesus, indem wir seine Ausbildung und seinen Studiengang absolvieren.
Jesus sendet dich hinaus in die Welt. Aber davor lädt Jesus dich erst einmal ein und sagt: „Komm her zu mir, wenn du mühselig und beladen bist; ich will dich erquicken.“
Persönliche Erfahrung mit Gebet und Gelassenheit in der Mission
Um wieder zum Anfang zurückzukommen: Als ich mit meinem Freund durch dieses Wohngebiet in Münster gelaufen bin, war ich gestresst und fühlte mich völlig fehl am Platz. In diesem Moment habe ich eine Gebetserhöhung erlebt, wie selten zuvor.
Es ist tatsächlich passiert: Eine Stunde lang haben wir es geschafft, kein einziges Gespräch zu führen. Das war sensationell. Die Leute wechselten die Straßenseite, gingen an uns vorbei und signalisierten mit jeder Phase ihres Körpers: Sprecht uns bloß nicht an. Ich war selten so dankbar für eine Gebetserhöhung.
Nach dieser eindrücklichen Stunde haben wir beide irgendwie gemerkt, dass es wohl heute nicht sein sollte – mein Kollege und ich. Also setzten wir uns einfach auf eine Parkbank und beteten eine Stunde lang gemeinsam. Danach war ich ruhig.
Tatsächlich hatte ich am Abend noch ein ziemlich gutes Glaubensgespräch. Wir gingen zu einem Lobpreisabend, setzten uns danach in eine Kneipe in Münster und unterhielten uns gut. Plötzlich kamen ein paar andere Leute dazu, die ebenfalls bei dem Lobpreisabend waren.
Wir waren noch relativ frisch dabei, doch das Gespräch entwickelte sich schnell zu sehr intensiven Themen. Es dauerte beinahe sechs Stunden – zuerst in der Kneipe, dann noch auf einer Parkbank in Münster bis nachts um drei. Wir sprachen über alle schwierigen und intensiven Fragen des Glaubens, über Gott, die Welt und Philosophie. Es war teilweise wirklich herausfordernd, aber ich hatte richtig Freude und war ganz gelassen.
Diese Gelassenheit verdankte ich der vorherigen Stunde, in der ich mit einem guten Freund gebetet hatte, und dem wunderbaren Lobpreisabend. Ich hatte eine innere Ruhe.
Ich glaube, dass diese beiden Bereiche – Mission und Gelassenheit – zusammengehören. Zum einen, weil Jesus an sich Ruhe schenkt, und zum anderen, weil Mission auch bedeutet, erst einmal Gott Dinge tun zu lassen.
Gelassenheit in der Mission – Fünf praktische Schritte
Bei Missionen denke ich meistens zuerst daran, was ich selbst tun müsste: Argumente auswendig lernen, Kommunikation üben, mehr Überzeugungskraft entwickeln, Bücher lesen, eine Sprache lernen, eine Kultur verstehen – solche Dinge. Das ist alles gut und richtig, und ich glaube, viele von euch machen das immer wieder mal punktuell.
Aber Mission fängt nicht damit an. Bei Missionen geht es auch darum, erst einmal Dinge geschehen zu lassen. Und Dinge geschehen lassen, das ist eine relativ entspannte Angelegenheit.
Deshalb zum Schluss noch fünf Punkte, wie man bei Missionen einfach und getrost Dinge geschehen lassen kann. Es sind meistens Dinge, für die erst einmal Gott zuständig ist.
Erstens: sich waschen lassen. Christsein fängt ja bekanntlich mit der Taufe an, und vermutlich sind die meisten von euch getauft, sei es als Kind oder später im Jugendalter. Bei der Taufe geht es darum, dass Jesus mich reinmacht. Ich kann mich nicht selbst reinigen oder selbst taufen – das passiert an mir. Da lasse ich Gott erst einmal für mich wirken.
Deshalb finde ich die Taufe eine richtig gute Erinnerung: Ich lasse mich von Gott regelmäßig reinwaschen. Er macht es für mich. Und ich setze mich einfach Gott aus und diesem Neuanfang, den er schenkt.
Mein Doktorvater, bei dem ich meine Doktorarbeit schreibe, Henning Vrogemann, hat ein richtig gutes Buch geschrieben, das heißt Den Glanz widerspiegeln. Wir sollen Gott einfach an uns arbeiten lassen und dann seinen Glanz widerspiegeln.
Wir sind praktisch wie ein Bergsee in den Alpen, der nachts bei klarem Wetter den Mondschein und den Sternenhimmel widerspiegelt. Falls ihr das mal gesehen habt: Das ist ein unglaublich schönes Bild. Die Sache ist, es funktioniert nur, wenn das Wasser ruhig ist. Nur dann sieht man den Glanz des Mondlichts, der sich da wunderschön widerspiegelt, in seiner ganzen Schönheit.
Und ich glaube, so ist es auch bei uns: Nur wenn wir ruhig sind vor Gott, wenn wir Stress und Rastlosigkeit loswerden und ablegen, dann können wir seinen Glanz widerspiegeln. Und es beginnt eben damit, dass wir uns von Gott reinmachen lassen.
Zweitens: wohnen lassen. Glauben bedeutet erst einmal, Jesus in sich wohnen zu lassen, ihm das Herz zu geben, ihm das Leben anzuvertrauen. Im Kolosser 1,27 heißt es: „Christus in uns, die Hoffnung der Herrlichkeit.“ Das bedeutet, Gott Raum geben, Jesus wohnen lassen.
Wenn Jesus bei uns wohnt, hat das zwei Folgen – wie immer, wenn man mit jemandem zusammenwohnt. Erstens: Man kennt sich. Zweitens: Der andere gestaltet die Wohnung und das Leben mit.
Man kennt sich zunächst, denn Wohnen ist eine der engsten Formen von Gemeinschaft, die man überhaupt haben kann. Warum kennt ihr eure Familien alle so gut? Ganz einfach: Ihr habt zusammen gewohnt, zusammen gelebt. Ihr kennt jede Macke, jede Angewohnheit, habt unzählige Male gemeinsam gegessen, gelacht, euch gestritten, wieder versöhnt und viel Zeit miteinander verbracht.
In meiner WG im Bengelhaus, als ich damals auf dem legendären Stockwerk C3 lebte, war das so: Wir saßen im Wohnzimmer und konnten nach einer Sekunde im Flur durch eine geschlossene Tür hören, wer gerade durchläuft. Wir konnten am Gang direkt zuordnen, wer von den zehn Jungs das war: das Schlurfen von Simon, der schnelle, dynamische Gang von Ruben oder die leisen Sohlen von Tim – das war allen klar.
Wenn man sich kennt, wenn man miteinander wohnt, dann kennt man sich einfach. So ist es auch mit Jesus. Wenn du ihn in deinem Herzen wohnen lässt, dann kennst du ihn. Du weißt, wie er über dich denkt, all das Gute, das er von dir denkt, was er schon für dich getan hat und wie sehr er dich mag – weil man sich kennt.
Zweitens: Der andere gestaltet Wohnung und Leben mit. Wer mit anderen zusammenwohnt, weiß das: Man kann nicht alles selbst bestimmen, wie es in der Wohnung läuft. Die Wohnung sieht vielleicht anders aus, als man es gerne hätte. Der andere stellt vielleicht mal etwas im Wohnzimmer um, streicht eine Wand neu oder macht etwas anderes, was man selbst nicht tun würde.
Wenn Jesus in deinem Herzen wohnt, wird er genau das tun: umstellen, umgestalten, ausmisten, Dinge verändern. Er wird Heil bringen, wenn du ihn lässt.
Jesus als Mitbewohner zu respektieren heißt genau das: ihm Raum geben, ihn machen lassen. Dann wird er mit dir zusammen handeln. Geschehen lassen heißt hier einfach, Jesus wohnen lassen.
Der dritte und vielleicht herausforderndste Punkt: sich schmähen lassen, loslassen. Das heißt auch, um Jesu Willen darauf zu verzichten, den eigenen Ruf krampfhaft bewahren zu wollen.
Wenn du mit Jesus als Christ unterwegs bist, wird nicht jeder andere Mensch das direkt plausibel finden und dir Beifall klatschen. Es ist das Normalste auf der Welt, dass man mal einen dummen Spruch abbekommt, dass sich Leute über einen lustig machen oder hinter dem Rücken geredet wird.
Schlimmer als blöde Sprüche und solche Lästereien wird es zum Glück für die meisten von uns nicht werden. Wir können in den nächsten Tagen mal den Vortrag von Yassin Erik hören, den er gerade über Christen in Bedrängnis hält – das ist noch mal eine ganz andere Hausnummer.
Aber trotzdem, zugegeben, auch für uns kann es immer wieder ungemütlich sein. Man kann sich sehr unwohl fühlen, wenn man für seinen Glauben im Freundeskreis oder an anderen Stellen im Kreuzfeuer steht.
An dieser Stelle einfach loszulassen kann heilsam sein. Es kann dir völlig egal sein, was Leute über dich denken. Du musst dich nicht verteidigen für das, was du glaubst. Wenn du über deinen Glauben ausgefragt wirst und keine kluge Antwort geben kannst – das geht mir bis heute immer wieder mal so – dann lass dir gesagt sein: Gott wirkt oft genau in der Ohnmacht seiner Zeugen.
Gott wirkt in der Ohnmacht seiner Zeugen. Wenn wir das im Herzen haben, macht uns das richtig gelassen in Gesprächen.
Viertens: laufen lassen. Martin Luther hat mal den schönen Satz gesagt: „Abends nach der Arbeit nehme ich mir ein Krug Bier und schaue dem Reich Gottes beim Wachsen zu.“ Loslassen bedeutet zu wissen: Gott baut sein Reich. Er ist der eigentliche Missionar und lenkt die Dinge.
Ich kann Menschen nicht allein zu Jesus führen und sie in den Glauben „reinquatschen“. Ich kann nur Zeugnis geben und dann dabei zugucken, mitbeten und mitfiebern, wie Gott wirkt.
Dabei darf ich gelassen sein und mich auch mal zurücklehnen und abends nach getaner Arbeit mit einem Bierkrug in der Hand Gott beim Wirken zuschauen.
Fünftens und letztens: gelten lassen. Der letzte Punkt gilt für deinen Umgang mit Glaubensgeschwistern, besonders wenn du vorhast, in ein anderes Land zu gehen oder dort vielleicht schon warst. Dann ist es überlebenswichtig.
Sei gelassen mit deinen christlichen Geschwistern, mit denen du missionarisch unterwegs bist. Sei gelassen über ihre Einstellungen, ihren Glaubensstil, was sie politisch denken und was sie sonst mitbringen. Lass deine Glaubensgeschwister erst einmal gelten, auch wenn du das komisch oder falsch findest, was sie tun.
Eine kleine Tansania-Anekdote dazu: In meinem allerersten Gottesdienst in Tansania ist Folgendes passiert: Nach dem Lobpreis kam ein Mann mit einem Huhn auf die Bühne und versteigerte es neben der Kanzel vor der richtig euphorischen Gemeinde.
Die Leute waren voll dabei. Ich habe überhaupt nicht verstanden, was da gerade passiert ist, und musste erst an die Tempelreinigung Jesu denken, wo er ja dafür sorgte, dass so etwas eigentlich nicht passiert. Ich dachte: Wie kann man nur Federvieh im Gottesdienst versteigern?
Die Frau, die das Huhn für fünf Euro erstanden hat, war unglaublich glücklich, und alle waren happy. Ich habe gar nicht verstanden, was passiert ist, habe aber erst einmal meinen Ärger unterdrückt.
Abends in meiner Gastfamilie habe ich dann gefragt, was das war. Die Sache war relativ simpel: Die meisten Bauern dort im ländlichen Bereich haben schlicht kein Bargeld. Wenn sie sonntags etwas spenden wollen, können sie schlecht ein Huhn ins Opferkörbchen legen.
Deshalb wird an einer Stelle im Gottesdienst immer etwas versteigert, wo die Bauern ihre Sachen mitbringen können und das Geld dann direkt in den Klingelbeutel geben.
Die Dame war deshalb so glücklich, weil sie fünf Euro fürs Reich Gottes geben konnte und sogar noch ein Huhn dafür bekam.
Wahrheit und theologisches Streiten sind wichtig – das mache ich auch sehr gerne – aber oft gilt es einfach erst einmal gelten zu lassen, bis Gottes Glanz die Wahrheit ans Licht bringt.
Das ist in gemeinsamer Mission mit Geschwistern überlebenswichtig. Übrigens gilt das auch bei uns in unseren Breitengraden.
Es gibt inzwischen mehrere Studien, die zeigen, dass Streit unter Kirchen und Christen den Glauben für Außenstehende generell unattraktiv macht. Im deutschsprachigen Raum ist das ebenfalls ein großes Problem.
Ich streite als Theologe sehr gerne, aber trotzdem muss ich mir immer wieder sagen: erst einmal andere gelten lassen, auch wenn ich nicht verstehe, was sie tun.
Abschluss und Gebet
24,7 mit Jesus gegen Stress und Rastlosigkeit
Vision kann so gelassen sein. Bevor Jesus uns in die Welt hinausschickt, ruft er: „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken.“
Gottes Ruhe war für Jesus selbst der Ausgangspunkt für seine eigene Mission. Ich glaube, das darf es für uns auch sein.
Ich bete noch zum Abschluss: Herr Jesus, ich danke dir dafür, dass du für uns ein sanftes Joch und eine gute Lehre bereithältst. Dass wir dich kennenlernen dürfen, nah an dein Herz kommen dürfen und auch alles ablegen können, was uns stresst.
Du siehst, wo Mission für uns selbst herausfordernd ist, wo wir uns unwohl fühlen und erst einmal ein Kribbeln empfinden, wenn wir über unseren Glauben sprechen. Ich bitte dich, dass du uns lehrst, immer näher zu dir zu kommen und immer mehr gelassen zu werden.
Und dass wir in Frieden und mit Freude deinen Glanz wieder spiegeln dürfen. Amen.