Einführung in den Schmerz des Paulus
Dann schlagen wir auf Rügen im Römerbrief Kapitel 9, Seite 166, bei den hier liegenden Bibeln nach. Wir beginnen jetzt mit Vers 1.
Römer 9,1-5: Was ich sage, ist die Wahrheit in Christus, und ich lüge nicht, spricht Paulus. Wie mir mein Gewissen im Heiligen Geist bezeugt, habe ich große Traurigkeit und unaufhörlichen Schmerz in meinem Herzen. Ich selbst wünschte, verflucht und von Christus getrennt zu sein – um meiner Brüder willen, die von Natur meine Stammverwandten sind.
Sie sind ja Israeliten, denen die Kindschaft gehört. Und die Herrlichkeit – das ist dasselbe Wort, das auch für Gott gebraucht wird, diese strahlende Lichterscheinung Gottes, die uns zugewandt ist – gehört ihnen. Auch der Bund, das Gesetz, der Gottesdienst und die Verheißungen gehören ihnen. Ihnen gehören auch die Väter, und aus ihnen stammt Christus nach seiner irdischen Herkunft.
Gott, der über allem ist, sei gelobt, sei gelobt in Ewigkeit! Amen.
Schade, dass wir nicht alles lesen können – das ist eine Zeitfrage. Das können Sie zu Hause nachholen. Von fast 30 Versen sind wir erst bei 33, und dann folgen Kapitel 10 bis Vers 4.
Die Gerechtigkeit aus Glauben versus Gesetzesgerechtigkeit
Was sollen wir nun dazu sagen? Das wollen wir sagen: Die Heiden, das heißt die Welt, haben den Segen Abrahams nicht angestrebt. Dennoch haben die Heiden, die nicht nach der Gerechtigkeit gesucht haben, die aus dem Gesetz kommt, die Gerechtigkeit erlangt.
Ich spreche jedoch von der Gerechtigkeit, die aus dem Glauben kommt. Israel aber hat versucht, die Gerechtigkeit durch das Gesetz zu erlangen. Sie haben nach einer Ordnung der Gerechtigkeit gestrebt – nach einer edlen und vollkommenen Gerechtigkeit.
Doch sie haben diese nicht erreicht. Warum? Weil sie die Gerechtigkeit nicht aus dem Glauben suchten, sondern durch Werke. Für sie kommt es auf die Taten an.
Sie sind an dem Stein des Anstoßes gescheitert, wie geschrieben steht: „Siehe, ich lege in Zion einen Stein des Anstoßes und einen Fels des Ärgernisses; wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.“
Paulus’ Herzenswunsch für Israel
Liebe Brüder, mein Herzenswunsch und mein Gebet zu Gott für die Juden ist, dass sie gerettet werden. Denn ich bezeuge ihnen, dass sie Eifer für Gott haben, aber ohne die rechte Erkenntnis.
Sie erkannten die Gerechtigkeit Gottes nicht und suchten, ihre eigene Gerechtigkeit aufzurichten. Dabei haben sie sich der Gerechtigkeit Gottes nicht unterworfen.
Denn Christus ist das Ziel des Gesetzes. Das Gesetz hat ein Endziel: Wer an ihn glaubt, der ist gerecht.
Es ist wichtig, dass wir dies verstehen, damit dieses Wort nicht über unsere Köpfe hinweggeht.
Umgang mit Schmerz und Leid im Glauben
Armin. Liebe Schwestern und Brüder, ich muss immer daran denken, wie viele von uns hier in diesem Gottesdienst schwere Schmerzen haben. Sie sind heute Morgen bedrückt hierher gekommen. Auch wenn ich das sage, denken sie sowieso an nichts anderes als die Wunde, die das Leben bei ihnen gerissen hat, und an den Schmerz, über den sie nicht hinwegkommen.
Bei vielen ist das so schwer, dass sie mit niemandem darüber reden können. Dann sind sie ganz verschlossen, ziehen sich von jedem Kontakt mit anderen zurück und wollen auch nicht angesprochen werden. Sie bringen es nicht einmal fertig, über diese Not und ihren Schmerz zu sprechen.
Es ist gut, wenn einer redet. Ich freue mich immer wieder, wenn jemand aus sich herausgeht und sagt: "Haben Sie mal Zeit?" Ich habe noch nie einen Menschen weggeschickt. Ich lasse mir nicht nachtragen, wenn jemand seine Schmerzen bereden möchte. Dann will ich nur zuhören, still zuhören und nur das Mitgefühl sprechen lassen.
Es ist schön, wenn man weiß, dass der andere das mitträgt und fühlt.
Der tiefste Schmerz des Paulus
Und hier spricht Paulus von einem Schmerz, der ihn furchtbar umtreibt. Nachts kann er nicht schlafen. Und die vielen Freuden, die ihm geschenkt sind, machen ihn nicht fröhlich, weil dieser Schmerz alles andere überlagert.
Jetzt muss ich Ihnen sagen: Der Schmerz, von dem Paulus hier spricht, stellt alle anderen Schmerzen wirklich in Frage. Dieser Schmerz ist größer als alles andere. Ich weiß, dass Ihnen das jetzt gerade weh tut, wenn Sie sagen: „Aber solch eine Wertordnung kann doch gar nicht sein. Da wird mein Schmerz heruntergespielt, bagatellisiert und unwichtig gemacht.“
Vielleicht denken Sie: „Ich habe es doch gleich gewusst, dass du mich nicht verstehst.“ Paulus hatte ja einen sehr kranken Leib. Doch er redet hier nicht von den Schmerzen der Krankheit. Paulus hat oft mit seinem nahen Tod gerechnet. Auch das war nicht der Schmerz, von dem er spricht.
Es ist auch nicht der Schmerz, der entsteht, wenn man abschalten muss oder wenn man viel Leid erfährt, weil ein lieber Mensch weggerissen wurde. Paulus hatte Enttäuschungen an Menschen erlebt – an untreuen und unzuverlässigen Menschen. Er hat viel Not an seinen Gemeinden erlebt, die ihn bitter enttäuscht haben. Wenn man das alles so betrachtet, müsste man meinen, dass der Schmerz des Paulus in diesen Dingen liegt.
Doch tatsächlich liegt der Schmerz noch viel, viel höher.
Die Unüberwindbarkeit des Schmerzes wegen Unglauben
Und jetzt möchte ich Sie bitten, diesen Schritt einmal mitzugehen. Denn Paulus hat ja im vorherigen Kapitel ein sieghaftes Wort gesprochen: Es gibt keine irdischen Schmerzen mehr, die einen traurig machen können. Keine Krankheit, keine Hungersnot, kein Leiden, keine Enttäuschungen, keine Verfolgung, nicht einmal das Schwert, das uns zu Boden streckt.
Wenn das so ist, dann kann uns nichts von der Liebe Gottes trennen, die in Christus Jesus ist. Verstehen Sie, warum Paulus so wertet und sagt, dass es keine Schmerzen mehr gibt, die einen gläubigen Christen wirklich zu Boden drücken können? Denn Jesus ist da, der uns hält. Jesus ist da, der uns trägt.
Ich darf mich unter seinen Armen bergen, weil Jesus da ist. Gott ist für uns. Er hat sich in Jesus so eindeutig für uns erklärt, und ich darf die Hand Jesu jetzt fassen. Wenn Sie also von diesem Gottesdienst zurückgehen, geht Jesus mit Ihnen auch durch diese Leidenszeit hindurch.
Was ist dann der Schmerz des Paulus? Hat er denn noch einen? Der größte Schmerz ist, wenn ein Mensch nicht zum Glauben an Jesus kommt. Und diesen Schmerz kann man ihm nicht nehmen, man kann ihn nicht überwinden.
Jetzt verstehen Sie, warum Paulus spricht, dass ihn diese tiefe Traurigkeit niederdrückt und niemand ihm seinen Schmerz nehmen kann. Er trägt ihn mit sich auf seinen großen Reisen und hat immer wieder nur Gebete zu Gott: Herr, tue dies Wunder! Herr, tue dies Wunder!
Die heutige Debatte um Judenmission
In unseren Tagen ist es in unserer Kirche wieder umstritten, ob man Juden missionieren soll. Die Rheinische Synode hat ja eine Erklärung verfasst, in der ganz bedenkliche Sätze stehen, dass Judenmission nicht mehr sein soll.
Wenn ich daran denke, wie mancher bis hinein in den engen Kreis unserer Gemeinde über Mission redet, als ob wir den anderen etwas aufzwingen wollten – sie kennen ja die Mission überhaupt nicht. Das hat es noch nie gegeben. Es war doch nie die Mission, die wir meinen, als ob jemand etwas aufgedrängt worden wäre.
Es gab Menschen, die das wortwörtlich praktiziert haben. Es war ihnen egal, wenn sie nach einem Jahr an Malaria starben – wenn sie nur ein paar Schwarze in Afrika zu Jesus führen konnten. Ich habe in den letzten Tagen viel in alten Missionsberichten gelesen. Wenn man ein wenig Gefühl hat, muss man losheulen und sagen: Gab es denn solch eine Leidenschaft für Jesus?
Menschen sagten: Das interessiert mich nicht, mein Beruf, mein Leben, nicht einmal Frauen und Kinder. Die Sieger unseres Gottes werden erfochten über den Gräbern ihrer Streiter, so Dr. Ludwig Krapf aus Derendingen – und viele andere. Am Tag seiner Frau stand er da und sagte: Wenn ich nur etliche selig mache, wenn ich nur etliche Chinesen erreiche, wenn es noch in dieser Welt Menschen gibt, die nichts von Jesus wissen.
Ich muss es Ihnen sagen, ich muss es Ihnen sagen. Natürlich weiß ich auch um die Problematik, dass das schwierig ist, weil wir Deutschen gegenüber den Juden – nein, noch – solche spannungsvollen Geschäftsbeziehungen bestehen. Für viele Juden reißt das Sehen eines Deutschen und das Reden mit ihm in der Tiefe ihres Herzens solche Wunden auf. Wie soll ich ihnen von Jesus sagen können?
Sie haben ganz recht. Aber es geht hier nicht um die Deutschen. Wie können wir hier den Norwegern und den Schweizern verbieten, dass sie das Evangelium von Jesus nach Israel tragen? Und diese kleinen Kritzeleien von Judenchristen, die in ihrem Volk nur die eine Sehnsucht haben, dass sie zum Glauben kommen – denen wollen wir das absprechen und sagen: Judenmission darf nimmer sein?
Oh, wie tief sind die Fehlentwicklungen in der Christenheit! Als ich mit einem judenchristlichen Pastor betete, als wir auseinander gingen, hat er auf unsere Reise gebetet: Lass diese Reise doch dazu dienen, dass sie einige reizen, dich zu finden. Sie können alles nur sehen: diese Judenchristen sehen, dass selbst unsere Reise dort eben nicht nur einem touristischen Abenteuer dient, sondern auch, dass wieder einige Juden etwas von Jesus werden.
Und als uns im Hotel kein Raum gegeben wurde, wo wir unsere Morgenandacht halten konnten, stellten wir uns freimütig auf dem Trottoir auf und sangen unseren Choral. Wir hielten unsere Morgenandacht und freuten uns, dass einige stehen blieben – auch wenn wir Deutsche waren –, weil unser Mund voll ist von dem, was wir an Jesus erlebt haben.
Der Schmerz über das Volk Israel
Warum schmerzt es Paulus denn so sehr? Wenn er an sein Volk denkt, denkt er nicht an den Reichtum – das ist falsch. Den Reichtum Israels und dessen Erwähnung hier kann man so gar nicht verstehen.
Paulus spricht von seinem Volk, seinen Stammverwandten. Er war zwar ein Auslandsjude, stammte aus Kleinasien, doch war er ein vollwertiger Jude aus dem Stamm Benjamin.
Und genau hier stehen wir, wenn wir über das Thema diskutieren: Wenn es um Judenmission geht, kehrt man immer wieder zu Paulus zurück. Er muss doch wissen, was erwartet wurde, ob das erlaubt ist oder nicht!
Paulus hat der gesamten Christenheit so viel bedeutet. Er erinnert uns immer daran, was das Geschenk des Bundes Gottes ist – ein Bund, der unverbrüchlich gilt. Gott bestätigte ihn Abraham, Isaak und Jakob, und am Sinai noch einmal mit den Weisungen Gottes: Weiche weder zur Rechten noch zur Linken!
Ich habe dir den Weg zum lebendigen Gottesdienst vorgelegt – diese wunderbaren Tempelgottesdienste am Laubhüttenfest und an all den großen Versöhnungsfesten sowie am Passahfest. Gott hat seinem Volk damit den Ausweg aus der Verstrickung von Schuld und Sünde geschenkt.
All das hat Israel erhalten, ebenso die Verheißungen. Das haben sie gestern in der Synagoge wieder gelesen.
Gottes unvergängliche Treue zu Israel
Kann auch eine Frau ihr Kindlein vergessen, dass sie sich nicht erbarmt über den Sohn ihres Leibes? Und ob sie ihres Kindes vergessen kann? Ich will doch nicht vergessen werden.
In die Hände habe ich dich gezeichnet, und das können weder Berge noch Hügel hinwegnehmen. Meine Gnade soll nicht von dir weichen.
Den Menschen war es doch gegeben. Paulus sagt gerade, weil Gott keinem Volk der Welt so viel gegeben hat, muss doch Israel Jesus erkennen. Und genau das treibt ihn um: Wie kann er Israel zu Jesus führen?
Ich weiß, wenn ich diesen Punkt immer wieder in meinen Predigten anspreche, sagen manche: „Du betonst das so, dass ich eine persönliche Beziehung zu Jesus brauche. Aber es gibt ja viele andere Wege zu Gott. Es gibt Menschen, die vorbildlich leben, eine ethische Haltung haben, die uns alle beschämen kann. Aber sie lehnen Jesus ab.“
Dann hören Sie doch, was Paulus und die Apostel sagen: Wenn sie Jesus von sich stoßen, dann ist all das andere ihres Glaubens nur Trug.
Die Tragik des Abstoßens von Jesus
Das ist ja das Schlimme bei Israel: Sie rufen zu Gott und bauen auf den Bund. Trotzdem stoßen sie die Hand Gottes, die ihnen in Jesus entgegengestreckt wird – die versöhnende Hand – wieder weg.
Da bin ich betroffen. Vielleicht tun wir das auch. Es gibt keine andere Nähe zu Gott als in Jesus. Er streicht mir jetzt meine Schuld durch, macht mich heute gewiss und fest und gibt mir Zuversicht für die kommenden Tage.
Ich gehöre ihm und darf bei ihm bleiben. Ich darf mich im Glauben an ihn binden und fröhlich sein.
Woher weiß ich, dass Gott mich liebt und mich braucht? Weil das in Jesus noch einmal ausdrücklich gesagt wird. Allen, die unter dem Kreuz Jesu stehen, gilt diese Zusage. Sie dürfen diesen Glauben fassen und annehmen.
Schmerz über die verpasste Chance der Jugend
Und das schmerzt mich nicht nur im Blick auf Israel, sondern auch im Hinblick auf die vielen jungen Leute, die in den letzten elf Jahren, seit ich hier in dieser Gemeinde bin, konfirmiert wurden.
Denn wenn wir ihnen noch einmal vom großen, heiligen Gott und seiner Liebe erzählt haben, wenn wir ihnen den Bund und die Verheißungen nahegebracht haben und ihnen dann eine Bibel überreicht haben – und sie schließlich den letzten Schritt nicht getan haben –, dann schmerzt mich das sehr.
Ich möchte von Paulus lernen, dass man nachts nicht mehr schlafen kann, wenn es um die Mission geht. Denn es ist unser Ziel, Menschen zu Jesus zu führen. Und wenn sie noch so nette Leute sind und ein wunderbares Leben gefunden haben, aber nicht zu Jesus finden, dann ist doch alles umsonst und leer.
Dann hilft auch die äußere Form ihres Christentums nicht. Dann bleibt alles umsonst.
Die Armut Israels trotz Reichtum an Gaben
Paulus empfindet Schmerz, wenn er an den Reichtum Israels denkt. Sie besitzen den Bund und die Verheißungen. Die Kinder Israels empfingen die Herrlichkeit und das Gesetz. Ich möchte das jetzt noch ein wenig ordnen, damit wir es besser verstehen und behalten können.
Paulus schmerzt es, wenn er an die Armut Israels denkt. Diese Armut ist geistlich zu verstehen. Der Text stammt aus Römer 9,30-31. Paulus betrachtet Israel und spricht bewusst nicht über die heutige Situation. Denn wir sind weit entfernt von der gegenwärtigen Realität, viel weiter als jeder Fernsehkommentator, der die aktuellen Vorgänge beurteilt.
Israel hat die Gerechtigkeit nicht erlangt. Sie stehen nicht makellos da und sind nicht fehlerlos. In ganz Israel gibt es nur eine Stadt, in der am Sabbat Busse fahren – Haifa. So sehr hat das religiöse Gesetz das öffentliche Leben Israels heute durchdrungen. Dennoch sieht und spürt jeder, dass dies keine Gerechtigkeit vor Gott ist.
Selbst die Ultraorthodoxen, mit ihren Schäfchenlocken, den pilzförmigen Hüten und den schwarzen Kaftanen, die durch die Hitze Jerusalems laufen, beten zwar ständig. Paulus sagt: „Sie rennen von Beten zu Beten, aber die Gerechtigkeit haben sie nicht erlangt.“
Die Schuld der Christenheit und das Geschenk der Gerechtigkeit
Jetzt wird jemand fragen: Was willst du denn überhaupt sagen? Hier als Deutscher, als Christ – willst du die Juden richten? Es ist unvorstellbar, welche Schuld Christen auf sich geladen haben, und diese Schuld muss immer wieder ausgesprochen werden.
Welche Schuld trägt die Kirche? Die gesamte irdische Organisation von Christen in verschiedenen Konfessionen über die Jahrhunderte hinweg? Man kann diese Schuld verdrängen oder wegschieben. Doch wie viel Blut klebt an den Fingern der Christen? Haben Christen vielleicht die Gerechtigkeit erlangt? Sie haben ja den Namen des Messias Jesus vor den Juden in Verruf gebracht.
Sie können nicht einmal das Meer sehen, das Symbol des Kreuzes, weil im Zeichen des Kreuzes gerade die schlimmsten Folterungen über ihre Väter hinweggegangen sind. Ist das gerecht?
Nun wird etwas Wunderbares deutlich, das Paulus sagen würde: Vielleicht sind gerade die Deutschen diejenigen, die auch zu den Juden sprechen können. Dass wir von der Menge der Schuld reden – einer unvorstellbaren Menge. Es ist ja unglaublich, wie gelähmt die Pfarrerschaft in unserer Stadt Stuttgart war, als unsere Juden deportiert wurden.
Und als ein Pfarrer verurteilt wurde, weil er einem Juden half, der den Koffer trug, bekam er von den Statthaltern noch einen Anpfiff. Er musste natürlich auch aufpassen, dass sich solche Ereignisse nicht wiederholen, besonders nicht 1938 in unserer Stadt. Und das ist doch Schuld.
Gerade hier halten wir fest, dass Gott aus Glauben gerecht macht. Dass Jesu Blut für sündige Menschen spricht. Was Sünde ist, das ist so furchtbar: Versäumtes und Verfehltes – im umfassenden Sinn.
Wir werden gerecht, weil Jesus uns freispricht. Anders geht es nicht. Paulus begründet dies damals schon und sagt, das wird ein Punkt sein, mit dem man über Israel sprechen muss. Das steht doch schon im Alten Testament, zum Beispiel in Römer 9,28.
Der Stein des Anstoßes und die Herausforderung des Glaubens
Von dem Stein des Anstoßes, an dem sie sich stoßen werden. Das war damals so, als Jerusalem belagert war. Die assyrischen Feinde versuchten immer wieder, sich durchzuschlagen. Doch die Propheten sagten immer wieder: Nicht mit eurer Kraft! Sie meinten damit, wenn ihr euch nur durchkämpft, schafft ihr es nicht.
Glauben heißt doch, sich an Gott auszuliefern, ihm zu vertrauen und ihn wirken zu lassen. Wie viele sitzen heute hier im Gottesdienst, deren Christenleben nur daraus besteht, durch eigene Taten selig werden zu wollen und sich abzumühen? Sie fliehen vor dem Stein des Anstoßes.
Ich höre oft Leute spöttisch sagen: „Er redet immer nur von Jesus.“ Von was denn sonst? Von dem Stein des Anstoßes.
Wenn Sie die Neue Weinsteige herunterfahren, finden Sie oben bei Haus 61 eine Straßenbahninsel. Es gehört zum Ritual jeder Woche, dass irgendein tapsiger Autofahrer dieses Verkehrszeichen dort umfährt. Der kommt dann herunter und sagt so etwas wie: „Du musst mitten auf die Straße, so ein Ding gibt es doch nicht.“ Dann muss man ja gerade darauf achten.
Dort sind sogar noch ein paar Nägel angebracht, damit man aufwacht. Aber offenbar gibt es immer wieder solche Fahrer, die genau mitten auf dieses Verkehrszeichen fahren.
Schauen Sie sich den Rahmen und den Umfang an – sicher ist es heute auch wieder umgefahren worden. Genauso hat Gott Jesus mitten in die Fahrbahn Israels hineingestellt.
Widerstand gegen Jesus und die Spaltung im Glauben
Was hat Paulus in der Synagoge erlebt?
Es war nicht so, weil Juden schlimmer wären als andere Menschen. Juden sind einfach Menschen wie wir alle. Viele Menschen denken darüber nach. In Antiochien, wie in Apostelgeschichte 13 beschrieben, oder in Thessaloniki, Apostelgeschichte 17, hat man Paulus die Tür vor der Nase zugeschlagen oder ihn sogar hinausgeworfen. Man wollte ihn nicht hören, weil er von Jesus sprach – von Jesus, dem Messias.
Glauben Sie nicht, dass sich heute in der evangelischen Christenheit die Meinungen an einer anderen Frage scheiden als an der, was Jesus für mich bedeutet. Die Uneinigkeit besteht nicht in der Friedensfrage oder in politischen Fragen, sondern an der zentralen Frage: An Jesus, den Sohn Gottes, der für meine Sünden gestorben ist.
Gibt es im Christentum einen Glauben ohne Jesus oder nicht? Diese Frage trennt die Geister.
Der Eifer Israels und die Suche nach eigener Gerechtigkeit
Und in der Armut Israels – das schmerzt Paulus besonders. Armut und Ungerechtigkeit sind ihm ein großes Anliegen. Doch am meisten schmerzt ihn der Eifer Israels. Paulus bescheinigt diesen Juden, dass sie eifern um Gott.
Heute dürfen wir Deutschen uns schämen, denn einen solchen Eifer um Gott gibt es bei uns kaum. Es gibt zwar einen Eifer um Geld. So sehr, dass Menschen bis in ihre Träume hinein vom Goldkurs und Dollarkurs bewegt werden. Aber einen Eifer um Gott? Den findet man selten.
In den Versen steht, dass sie einfach von Gott abgefallen sind und dennoch ihre Gerechtigkeit aufrichten wollen. Ich erlebe, dass viele Menschen von ihrer Rechtschaffenheit sprechen, aber nicht bereit sind, ihre Gerechtigkeit wirklich zu leben. Wenn es darauf ankommt, wird kaum danach gehandelt.
Oft ist ihr Wort einem Mädchen gegenüber nur ein Jahr und ein halbherziges Versprechen. Dann lächeln sie verlegen, weil ihre Gerechtigkeit kaum wirklich vorhanden ist. Sie berührt vielleicht einige politische Gebiete, aber nicht die wahre Gerechtigkeit Gottes.
Gerechtigkeit Gottes bedeutet die Durchsichtigkeit des Herzens und meiner Gefühle, so wie Jesus es in der Bergpredigt gefordert hat. Mein Innerstes soll vor Gott offenbar sein und laut Gottes Willen gelebt werden. Mein Wort, meine Gefühle und meine Gedanken sollen eindeutig sein – bis hin zu den begehrlichen Gedanken.
Sie wollen die Gerechtigkeit aufrichten, aber Paulus sagt bitter: Es ist Unverstand und keine Erkenntnis. Sie wollen nur ihre eigene Gerechtigkeit aufrichten – die eigene, selbstgemachte Gerechtigkeit.
Gottes Gerechtigkeit und das menschliche Versagen
Wissen Sie, wie es ist, wenn Gott Ihnen seine Gerechtigkeit offenbart? Wenn er einmal hineinscheint und sagt: „Jetzt muss ich zu denen reden.“ Zu denen, denen Gott gezeigt hat, dass sie vor den Trümmern ihres eigenen Lebens stehen und sagen: „Es war alles falsch und verfehlt bei mir.“
Vielleicht weichen viele von uns auch ständig diesem Durchleuchten Gottes aus. Sie flüchten sich wie Israel in eine Scheingerechtigkeit. Und warum reden sie dann so viel von ihrem eigenen Tun? Deshalb rennen manche in dieses Haus und sagen: „Ich gehe nicht gerne in die Kirche, wenn sie verschiedene soziale Aufgaben hat, die ich gern tun würde.“ Weil sie nie sicher sein können, dass sie nicht gescheitert sind.
Liebe Schwestern und Brüder, das bleibt unser Bekenntnis: Kein Tag meines Lebens bin ich wert, vor Gott zu treten. Keine meiner Taten kann vor Gott genügen. Selbst mein soziales Tun und mein Edelmut sind in den Augen Gottes zweideutig und von falschen Motiven behaftet. Nicht, dass ich das abwerten will. Aber in der Lothar Keit wird Gottes Gerechtigkeit offenbar.
Deshalb hat Paulus diesen Schmerz, wenn sie doch Jesus ergreifen würden, wenn sie doch zum Glauben an ihn kommen würden.
Die psychologische Dimension des Unglaubens
Vor ein paar Tagen las ich ein psychologisches Buch, in dem behauptet wurde, dass bei den meisten Menschen die Ursache ihrer Depression eine Neurose sei. Es war ein ganz weltliches Buch, das zeigte, wie die Menschen ihre eigene Ohnmacht aus der Ferne ahnen, sich ihr aber nicht stellen.
Ich fragte mich: Was ist das? Weil unser Bewusstsein, vor Jesus als sündige, zerbrochene und gescheiterte Menschen zu stehen, immer wieder geleugnet und weggeschoben wird. Genau darüber möchte ich heute sprechen: Jesus ist gekommen, um sündige Menschen gerecht zu machen.
Das ist das Einzige, was Christen haben und was sie vor anderen verkündigen können: Erbarmung widerfährt uns. Erbarmung, die wir nicht verdienen. Mich hat er angenommen.
An unserer Geschichte ist nichts Besonderes, an unserem Tun ist nicht viel. Ich möchte nur, dass Jesus jetzt aus unserem Leben noch etwas macht. Dass er in mir wirkt und mein Leben mit seiner Gegenwart erfüllt. Er kann so viel tun.
Paulus’ Gebet für die Rettung Israels
Und dann fleht Paulus, so heißt es dort im Kapitel 10, Vers 1: „Ich flehe zu Gott, dass Sie gerettet werden.“ Wer Jesus nicht hat, ist verloren. Und wer Jesus hat, ist gerettet.
Paulus fleht für Israel, dass sie gerettet werden, dass sie durch das Wort Jesus erkennen und zum Glauben an ihn kommen.
Darum möchte ich Sie einfach bitten: Machen Sie Frieden mit Gott über Ihr Leben. Nehmen Sie den Reichtum an, den Gott im Überfluss schenkt. Er hat uns diesen Reichtum durch seine Gabe in Jesus Christus gegeben.
Jesus will Ihnen die Vergebung der Schuld schenken. Er möchte Sie annehmen als seinen Sohn, als sein Eigentum. Er will Ihr Leben für Zeit und Ewigkeit zu seiner Sache machen. Amen.
