Einleitung: Die Bedeutung von Vertrauen im Alltag
Das war wunderschön und faszinierend. Überhaupt muss ich gestehen, dass ich noch nie eine so schöne Bühnendekoration gesehen habe. Auch hier möchte ich ein großes Lob an alle aussprechen, die sich so viele Gedanken gemacht haben.
In der ersten Einheit hatte ich ein bisschen Bedenken, ob meine Krawatte zu dem Grün passt. Doch jetzt ist es wunderschön hier mit dem Blau, und es passt sehr harmonisch zusammen.
Wir wollen heute über Vertrauen nachdenken. Gottes Wort bewegt uns zum Vertrauen – das ist das Thema dieser Predigt. Es ist schon zwanzig Jahre her, da warb die Deutsche Bank mit einem tollen Werbeslogan: „Vertrauen ist der Anfang von allem.“ Im Nachhinein muss man es wahrscheinlich als Tragik bezeichnen, dass ausgerechnet eine Bank mit diesem Slogan warb. Denn dieser Satz „Vertrauen ist der Anfang von allem“ enthält tatsächlich eine tiefe Wahrheit, eine sehr, sehr tiefe Wahrheit.
Ohne Vertrauen funktioniert unser Leben nicht. Ohne Vertrauen können wir nicht leben, und ohne Vertrauen können wir nicht miteinander leben. Unser ganzes Leben und jeder Tag unseres Lebens besteht aus einer großen Fülle von Vertrauensakten. Ich weiß nicht, ob Ihnen bewusst ist, wie viel Sie heute Morgen schon vertraut haben. Das beginnt schon, wenn Sie in Ihr Auto steigen. Sie vertrauen darauf, dass der Monteur beim letzten Radwechsel die Radmuttern gut angezogen hat und dass Sie nicht irgendwann einmal von Ihrem eigenen Hinterreifen überholt werden. Das wäre ein großes Hallo! Sie vertrauen darauf, dass die Arbeit gut gemacht wurde.
Sie sind heute Morgen hier hereingekommen. Ich habe ein bisschen im Foyer herumgeguckt, und auch jetzt sitzen Sie alle sehr entspannt in dieser Liederhalle. Diese Liederhalle ist immer noch sehr schön, aber sie hat natürlich schon ein paar Jahre auf dem Buckel. Es könnte ja sein, dass Sie wissen, dass Spannbeton ein Problem sein kann. Und Sie vertrauen hier sehr selig darauf, dass die Baumeister dieser Liederhalle – die Architekten und Statiker, die das Ganze berechnet haben – ihre Arbeit gut gemacht haben. Sie vertrauen darauf, dass die Prüfer, die diese Gebäude immer wieder untersuchen, sorgfältig bei ihrer Arbeit waren. Sie vertrauen darauf, dass die Decke heute hält.
Das ist schon der nächste Vertrauensakt: Wenn ich Ihnen sagen würde, ich habe da draußen ein paar Risse gesehen und vorher war es so ein komisches Knirschen, dann würden Sie sich nicht mehr so wohlfühlen in dieser Halle. Ihr Wohlfühlen hängt mit einem Vertrauensakt zusammen, den Sie ganz unbewusst in die Menschen leisten, die hier für diese Halle zuständig sind.
Vertrauen ist der Anfang von allem – und Misstrauen ist der Anfang vom Ende von allem. Wenn Sie nachher zum Mittagessen gehen oder vielleicht heute Abend in Ihr Lieblingsrestaurant, zu Ihrem Lieblingsitaliener, und dann bestellen Sie vielleicht Ihre Lieblingspizza, die Pizza Funghi mit Pilzen, dann müssen Sie darauf vertrauen, dass Ihr Stammwirt mit Ihrem Trinkgeld beim letzten Mal zufrieden war. Und dass er nicht aus lauter Zorn und Wut über Ihren letzten Besuch diesmal Knollenblätterpilze auf Ihre Pizza Funghi streut.
Wir müssen darauf vertrauen, dass das Essen, das uns vorgesetzt wird, nicht vergiftet ist. Ich habe ja noch keinen gesehen, der im Restaurant ein Taschenlabor mitbringt, um erst mal zu prüfen, ob alles chemisch rein ist, oder der einen Vorkoster mitbringt, der erst den ersten Bissen nimmt und dann schaut, ob er grün anläuft oder nicht. Nein, wir müssen darauf vertrauen, dass die Dinge, die wir auf den Teller bekommen, gut sind, qualitativ in Ordnung und dass uns niemand vergiften möchte. Ohne Vertrauen würden wir ganz schnell verhungern.
Vertrauen ist der Anfang von allem. Und wenn Sie nachher im Restaurant Ihre Rechnung bezahlen, dann müssen Sie darauf vertrauen, dass der Wirt Ihrem Geld vertraut. Ich habe hier mal einen 50-Euro-Schein mitgebracht. Das ist ohne Vertrauen nur ein Fetzen Papier mit einer 50 drauf. Ohne Vertrauen ist das ein Papierfetzen, auf dem eine 50 steht. Dieser Schein hat nur deshalb einen Wert, weil wir alle miteinander diesem Schein vertrauen, dass das, was darauf steht, auch Wert ist. Wir müssen sogar dem Geld vertrauen, mit dem wir leben. Wenn sich Misstrauen auf eine Währung legt, dann ist das eine Katastrophe für ein ganzes Land. Und wenn es eine große Währung ist, wie der Euro, dann wäre das eine Katastrophe für die ganze Welt.
Vertrauen ist der Anfang von allem – das bekommen nachher die Eidlinger Schwestern. Ich wollte nur sagen: Ich bin heute eine orientierende Persönlichkeit, an der Sie sich messen dürfen. Vertrauen ist der Anfang von allem, und Misstrauen ist der Anfang vom Ende von allem.
Nun ist es aber so, dass unser Leben ein ständiges Pendeln zwischen Vertrauen und Misstrauen ist. Unser Leben spielt sich zwischen diesen beiden Polen ab. Unser Leben im Glauben ist eine ständige Bewegung weg vom Misstrauen hin zum Vertrauen, weg von der Angst hin zur Gewissheit, weg von der Verzagtheit hin zur Hoffnung.
Der Bibeltext, mit dem wir es jetzt zu tun haben, macht das sehr deutlich. Ich möchte aus 1. Mose 15,1-6 lesen:
Nach diesen Geschichten, die wir jetzt so eindrücklich von Frau Klement dargestellt bekommen haben, begab sich zu Abraham das Wort des Herrn in einer Offenbarung: „Fürchte dich nicht, Abraham, ich bin dein Schild, und ich werde deinen Lohn sehr groß machen.“
Abraham aber sprach: „Herr, mein Gott, was willst du mir geben? Ich gehe dahin ohne Kinder, und mein Knecht Eliezer von Damaskus wird mein Haus besitzen.“
Und Abraham sprach weiter: „Mir hast du keine Nachkommen gegeben, und siehe, einer von meinen Knechten wird mein Erbe sein.“
Und siehe, der Herr sprach zu ihm: „Er soll nicht dein Erbe sein, sondern der von deinem Leibe kommen wird, der soll dein Erbe sein.“
Und er ließ ihn hinausgehen und sprach: „Sieh in den Himmel und zähle die Sterne, kannst du sie zählen?“
Und er sprach zu ihm: „So zahlreich sollen deine Nachkommen sein.“
Abraham glaubte dem Herrn, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit.
Wir erleben Abraham hier in diesen Versen als einen angefochtenen, als einen verzagten Menschen. Er hat sich auf den Anruf eines Unbekannten, eines ihm bis dahin unbekannten Gottes, auf den Weg gemacht. Er hat manches mit Gott erlebt, aber über die Jahre ist die Zeit vergangen. Und die Frage wurde mit jedem Tag, mit jedem Monat, mit jedem Jahr immer lauter: „Was wird aus mir? Was wird aus mir einmal?“ Eine Frage, die in ihm zu nagen begann.
Das ist der erste Punkt, auf den ich das Schwergewicht legen möchte: Nur wer die Anfechtung kennt, weiß, was Vertrauen ist. Nur wer die Anfechtung kennt, weiß, was Vertrauen ist.
Die Frage „Was wird aus mir?“ muss man im Kontext verstehen. Am Anfang seines Weges mit Gott stand für Abraham eine große Verheißung, eine dreifache Verheißung: Volk, Land und Segen. Land hatte er mittlerweile, Segen in diesem materiellen, im alttestamentlichen Sinn hatte er auch. Da war viel Reichtum zusammengekommen, ganz sichtbarer Segen für den alttestamentlichen Menschen. Aber Nachkommen hatte er noch keinen.
Und über das Warten wurde er älter und älter. Hier müssen wir eines verstehen: Die Nachkommensfrage war für Abraham die Ewigkeitsfrage. Wir dürfen hier nicht von unserem Denken ausgehen. Für uns sind Kinder und Nachkommen in der Regel etwas Schönes. Aber wir haben uns in unserer Gesellschaft auch daran gewöhnt, dass Menschen aus unterschiedlichsten Gründen keine Nachkommen haben und haben werden. Und dass das kein großes Problem sein muss. Das kann und mag im Einzelfall tragisch sein, aber es ist keine Katastrophe.
Für Abraham war das anders. Nachkommen waren für ihn das, was seinem Leben Zukunft gab. Die Hoffnung auf die Auferstehung taucht ja relativ spät im Alten Testament auf. Abraham kannte noch nicht die Auferstehungshoffnung, die wir kennen. Das war ihm noch nicht offenbart worden.
Der alttestamentliche Mensch wurde nach dem Tod zu seinen Vätern versammelt, und die ganze Hoffnung des alttestamentlichen Menschen richtete sich darauf, hier auf dieser Erde in seinen Nachkommen weiterzuleben. Deshalb waren Kinder für Israeliten so wichtig. Deshalb gibt es diese dramatischen Geschichten der kinderlosen Frau im Alten Testament.
Das war die Ewigkeitshoffnung des Menschen damals. In ihnen lebte der Mensch auf Erden weiter. Sie garantierten die Kontinuität, das Weitergehen des eigenen Lebens. Das, was wir heute mit dem ewigen Leben verbinden, war damals die Hoffnung auf die eigenen Nachkommen, die etwas vom eigenen Leben weitergeben, wo das eigene Leben eine Zukunft hat in Kindern und Kindeskindern.
Und in den Kindern wurde der Israelit Teilhaber der Erfüllung der göttlichen Verheißung. Abraham wusste: Meine Kinder werden die Verheißung einmal sehen, und in meinen Kindern werde ich dabei sein. Ohne Nachkommen konnte Abraham nicht Teilhaber von Gottes Verheißung werden, ohne Nachkommen keine Zukunft, ohne Nachkommen keine Hoffnung, die weitergeht.
Deshalb sind auch die Stammbäume so wichtig im Alten Testament. In den Stammbäumen wird die Väterliste dokumentiert. Jeder Jude musste seinen Stammbaum kennen, und mit entsprechend vielen Stammbäumen sind wir auch im Alten Testament beschenkt. Das ist nicht immer recht lustig zu lesen, das braucht schon ein bisschen Durchhaltevermögen. Die Stammbäume haben nicht den überschwallenden Unterhaltungswert für den Bibelleser, aber darin drückt sich die Ewigkeitshoffnung aus.
Weiß ich nicht, ob Ihnen schon mal aufgefallen ist, dass mit den Stammbäumen Jesu im Neuen Testament die Stammbäume in der Bibel aufhören? Die Stammbäume Jesu sind die letzten Stammbäume der Bibel. Im Neuen Testament gibt es danach keine Stammbäume mehr. Sie verlieren auf einmal an Bedeutung, denn in Jesus ist eine lebendige Hoffnung auf die Auferstehung von den Toten in die Welt getreten.
Die Auferstehung Jesu ist das Unterpfand dafür, dass auch ich, dass auch wir auferstehen werden. Die Stammbäume sind deshalb auf einmal belanglos geworden. Für Abraham war das noch nicht so.
Nun verstehen wir vielleicht seine Anfechtung, seine Zweifel in dieser Nacht: „Was wird aus mir? Wird mein Name vergessen werden? Wird mein Leben nur ein flüchtiger Moment sein, vom Winde verweht? Wird sich am Ende nur mein oberster Knecht Eliezer freuen, wenn er die ganzen Güter, all meine Habe, meine Besitztümer bekommt? Was wird aus mir?“
Diese Vertrauenskrise im Blick auf die Zukunft zieht sich wie ein roter Faden durch die Abrahamsgeschichte. Und sie zieht sich auch wie ein roter Faden durch unser Leben hindurch. Wir fragen heute nicht mehr in so existenzieller Weise nach Nachkommen, aber die Fragen Abrahams kennen wir auch: „Was wird denn aus mir? Meine Jahre zerrinnen, und was für einen Sinn hat dieses Leben? Gibt es da einen roten Faden, gibt es irgendeine Linie, die weitergeht?“
Vor einigen Jahren hatte ich einmal ein Gespräch mit einem Chefarzt einer deutschen Krebsklinik. Er sagte: Die Suche nach dem roten Faden, das Auffinden dieses roten Fadens ist auf der letzten Wegstrecke von Menschen, die in den letzten Tagen ihres Lebens stehen, eine ganz elementare, existenzielle Frage: „Was ist der rote Faden in meinem Leben? Wo ist ein Faden, der weitergeht über mein Leben hinaus?“
Abraham fragt: „Was willst du mir geben?“ Das ist die Frage, die Teenager und Konfirmanden in so herrlicher, erfrischender und radikaler Weise stellen: „Was bringt es mir eigentlich mit diesem Jesus? Was bringt es mir denn mit diesem Gott? Was bringt mir das Christsein?“ Das ist die Abrahamsfrage. Das ist unsere Frage, auch wenn wir uns vielleicht verbieten würden, diese Frage zu stellen, weil sie sich unreif anhört. Aber es ist unsere Frage.
Und zwar nicht erst dann, wenn eine lebensbedrohliche Krankheit drückt, nicht erst, wenn beruflicher Misserfolg unser Leben überschattet, nicht erst, wenn die Lebensträume platzen. Das ist die Frage, die uns mitten im Leben überfällt, manchmal mitten im satten Leben, im erfolgreichen Leben, im prall gesunden Leben. Da kann einen diese Frage auch überfallen: „Was wird denn aus mir?“
Das ist die Frage vieler Missionare, vieler Prediger, die Frage von Pfarrern: Wenn wir auf unsere Arbeit schauen, „Was ist aus der Mühe geworden? Was ist aus den Worten geworden? Was ist aus den Predigten geworden? Was ist aus dem Zeugnis geworden? Was willst du mir geben?“ Das ist eine angefochtene Frage. Der Blick auf die Früchte einer Arbeit kann zu einer großen Anfechtung werden.
Ich rate unseren Studierenden immer, die Erfolgsfrage schon im Studium zu bedenken. Die Erfolgsfrage zu bedenken, bevor man startet: Wie viel Gewicht, wie viel Macht soll die Erfolgsfrage in einem Leben haben? Wie viel darf sie unser Leben beeinflussen? Welche Bedeutung sollte Erfolg für meinen Dienst haben? Ich kenne viele Menschen, auch viele Kollegen, die mit dieser Frage umgehen. Es ist keine Peinlichkeit, sondern diese Frage gehört zum Leben mit Gott dazu. Sie ist die Grundvoraussetzung, um überhaupt Vertrauen lernen zu können.
Nur wer die Anfechtung kennt, weiß, was Vertrauen ist.
Das Zweite: Nur wer Hoffnung hat, kann die Angst überwinden.
Das Erste, was Gott in diesen Versen zu Abraham sagt, ist dieser berühmte Satz: „Fürchte dich nicht!“ Drei Worte. Und dieser Satz ist der häufigste Satz, der in der Bibel fällt. Keinen Satz gibt es öfter in der gesamten Bibel als diese drei Worte „Fürchte dich nicht.“
Das bedeutet aber auch umgekehrt, dass unsere Angst ein Hauptproblem unseres Lebens ist, dass unsere Angst ein Hauptproblem unseres Glaubens ist. Wir tun uns deshalb so schwer mit Schritten des Vertrauens und des Glaubens, weil wir Angst haben. Angst vor der Blamage, Angst vor der Verachtung, dem Spott der Anderen, Angst vor dem sozialen Absturz, Angst vor dem Scheitern, dem Verlieren, Angst vor der Niederlage.
Wir haben so viele Ängste im Leben. Wir wagen so wenig, weil wir Angst haben. Angst vor der Veränderung, Angst vor Entscheidungen, vor falschen Entscheidungen. Und im Letzten steht hinter allen unseren Ängsten immer die große Angst vor dem Tod.
Abraham hatte Angst davor, dass er von diesem Gott betrogen worden sein könnte, Angst davor, zum Gespött des gesamten Orients zu werden, Angst davor, dass sein Leben ohne Zukunft und damit auch ohne Sinn bleibt.
Das biblische Gegenteil von Angst ist jetzt aber nicht bloß der Mut, sondern das biblische Gegenteil von Angst ist die Hoffnung. Gegen Angst hilft nur Hoffnung. Solange unsere Angst größer ist als unsere Hoffnung, wird sich nichts verändern in unserem Leben.
Aber in dem Moment, wo die Hoffnung größer wird als unsere Angst, verändert sich alles. In dem Moment, wo die Hoffnung größer ist als unsere Angst, verändert sich alles im Leben.
Von Dietrich Bonhoeffer stammt dieses berühmte Wort. Vielleicht haben Sie es mal auf einer Karte oder einem Kalender gesehen: „Nicht unserer Hoffnungen werden wir uns einst zu schämen haben, sondern unserer ärmlichen und ängstlichen Hoffnungslosigkeit, die Gott nichts zutraut.“
Nicht unserer Hoffnungen werden wir uns mal zu schämen haben. Es sind nicht die Hoffnungen, die uns blamieren werden, es ist die Angst, es ist der Kleinmut, die Ängstlichkeit.
Wie aber geschieht das in unserem Leben, dass die Hoffnung größer wird als die Angst?
Erinnern Sie sich noch, als Sie klein waren, als Sie ein Kind waren? Bei Kindern gibt es viele Ängste, einfach deshalb, weil sie klein sind, einfach deshalb, weil sie vieles noch nicht können, einfach deshalb, weil fast jeder Schritt im Leben eine riesige Herausforderung ist, bei der man viel Überwindung braucht, um etwas zu wagen, was alle anderen können, aber man selbst noch nicht.
Und es hilft nicht viel, wenn Papa oder Mama es vormachen. Papa und Mama sind sowieso andere Wesen, die können eh alles. Das hilft einem Kind nicht, wenn es die Mama oder der Papa kann, er selbst kann es noch nicht.
Nein, die Hoffnung, die ein Kind braucht, und die Hoffnung, die in einem Kind den Mut erzeugt, etwas zu wagen, was man bisher noch nicht gemacht hat – diese Hoffnung, dieses Vertrauen – das kommt dadurch, dass man uns etwas Gutes zuspricht. Wir brauchen Worte.
Ein Kind braucht Worte: Worte, die Mut machen, Worte, die Hoffnung geben, Worte, die Vertrauen erzeugen, etwas zu wagen, was man bisher noch nicht kann. Wir brauchen Worte gegen unsere Angst.
Mit der Hoffnung ist es so wie mit allem, was von Gott kommt: Gott schafft, indem er spricht. Gott verändert, indem er spricht. Gott hat diese Welt geschaffen, indem er gesprochen hat: „Es werde!“ Und es ward.
Und alles, was in unserem Leben etwas wird, beruht auf einem Wort, auf einem Sprechakt Gottes.
Und so schafft Gott auch bei diesem Abraham, in dem er spricht: „Fürchte dich nicht! Fürchte dich nicht, Abraham, ich sehe, wie deine Jahre vergehen, ich sehe, wie deine Zweifel wachsen, ich sehe, wie du dich nach einer Erfüllung deiner Wünsche und meiner Verheißungen sehnst, ich sehe das alles. Und Abraham, ich habe das auch alles im Griff, deshalb fürchte dich nicht!“
Wir brauchen dieses Wort jeden Tag, weil wir jeden Tag mit Ängsten umgehen müssen.
So spricht er auch in Ihre Angst hinein: „Fürchte dich nicht vor dem, was kommt. Fürchte dich nicht vor der neuen Lebenssituation, der neuen Berufssituation, der neuen Familiensituation, vor den neuen Lebensverhältnissen, vor den Veränderungen, vor den Entscheidungen, vor den Herausforderungen, vor dem, was wie ein Berg vor dir stehen mag in deinem Leben und du nicht drüber schauen kannst und dir alles zu viel wird – fürchte dich nicht!“
Das Problem ist nicht die Herausforderung, das Problem ist zuallererst deine Angst. Das größte Problem in unserem Leben sind nicht die Herausforderungen, das größte Problem sind unsere Ängste.
„Fürchte dich nicht!“
Und dann legt Gott nach. Er begründet seine Aufforderung: „Ich bin dein Schild, und ich werde deinen Lohn sehr groß machen.“
Das heißt ja, du musst dich nicht fürchten, weil ich der bin, der beschützend und behütend mitgeht, wie jemand, der ein Schild über dich hält, wenn du in die Schlacht ziehen musst.
Sie kennen das vielleicht aus den Filmen von den alten Römern oder Griechen, wenn es da ums Schlachtgetümmel geht. Da hielten sie alle ihr Schild über sich und bildeten so einen Schildpanzer.
Am Anfang einer antiken Schlacht prasselte ja immer ein Regen von Pfeilen auf die feindlichen Heere nieder. Man ließ immer zuerst die Bogenschützen vor. Dann hielten die Soldaten die Schilde über sich, und die Pfeile pfiffen an ihnen vorbei. Man schützte sich mit einem Schild.
Und Gott sagt zu Abraham: „Ich bin dein Schild. Ich bin wie dieses Schild, das die Soldaten über sich halten, wenn die Pfeile des Gegners an ihnen vorbeizischen.“
Manchmal kommt uns unser Leben ja auch wie eine Schlacht vor, in der uns lauter feindliche Pfeile um die Ohren fliegen. Gott sagt: „Ich bin dein Schild. Zieh ruhig los in die Schlachten deines Lebens, zieh ruhig los in die Herausforderungen, zieh los in die neuen Länder, in die du aufbrechen musst, ich bin dein Schild.“
Als Abraham seinen Kummer und seine Verzweiflung über die fehlenden Nachkommen ausbreitet, da breitet Gott die Fülle seiner Verheißungen über seinem Leben aus.
Aber was ist das eigentlich, was Gott Abraham da in die Hand gibt? Was ist das? Nüchtern betrachtet sind es Worte, nur Worte. Es sind Versprechungen, biblisch gesehen Verheißungen.
Und uns geht es ja wie Abraham: Wir hätten auch gerne, dass Gott uns weniger verheißt und mehr beweist. Wir meinen, wir könnten mit Beweisen besser leben als mit Verheißungen.
Aber wir bekommen in dieser Welt von Gott keine Beweise, immer nur Verheißungen, nur Versprechen. Aber mehr als Gottes Versprechen brauchen wir in dieser Welt auch nicht, um getrost und gewiss leben zu können.
Mehr brauchen wir nicht, und weniger sollte es aber auch nicht sein. Wir brauchen gute Worte für unser Leben, die uns diese Zusage Gottes immer wieder stark machen.
Es gibt übrigens auch nichts, was uns mehr helfen könnte. Schützt denn ein fettes Bankkonto, eine große Villa, eine steile Karriere vor den bedrängenden Lebensfragen? Die Fragen, die sich im Angesicht des Todes allen Menschen aufdrängen, die Fragen nach Sinn, nach Wert, nach Ewigkeit – die lassen sich nicht mit den Gütern dieser Welt vertreiben, die helfen da nicht.
Wir brauchen Worte, wir brauchen starke Worte, Gottes Verheißungen. Wir brauchen das Versprechen Gottes für unser Leben, wir brauchen ein Wort.
Ohne Wort sind wir wie eine Blume ohne Licht. Und wenn kein Licht da ist, ist es völlig egal, ob ich eine Primel oder eine Orchidee bin. Ohne Licht gehe ich ein. Da hilft mir mein ganzes Bankkonto nichts.
Und so ist es mit uns Menschen: Wir brauchen ein Wort von dem, der außerhalb dieser Welt steht, der nicht hineingewoben ist in das Werden und Vergehen auf dieser Welt, der nicht Teil dieser Welt des Todes ist.
Wir brauchen ein Wort, ein Versprechen von Gott.
Das ist das, was Abraham am Leben hält, das ist das, was uns am Leben hält, das Jesus uns verspricht: „Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt.“
Dass uns all diese Dinge zum Besten dienen werden, die uns manchmal wie die großen Herausforderungen erscheinen, denen, die Gott lieben, werden alle Dinge zum Besten dienen. Auch das, was ihnen heute Mühe macht, wo sie Angst vor haben.
Dass am Ende Gott alle Tränen trocknen wird, dass Leid und Tod nicht mehr sein werden, dass Gott bei uns ist alle Tage bis an der Welt Ende, dass er auf dem Weg mein Schild und mein Lohn ist.
Wenn die Hoffnung größer wird als die Angst, dann fängt das Leben an.
Ein drittes und letztes: Vertrauen wächst im Wagnis des Glaubens.
Wir müssen uns das mal vorstellen: eine Nacht in der Wüste und über Abraham ein klarer Sternenhimmel.
Aber nun dürfen Sie nicht an unsere Sternenhimmel denken, die wir so sehen, wenn nachts der Himmel klar ist. Wir sehen ja fast nichts. Es gibt so viel Streulicht in unseren hellen Städten und so viele Lichter, dass wir immer nur einen Bruchteil des Himmels und der Sterne sehen.
Für mich ist das übrigens ein geistliches Gleichnis in der Neuzeit. In den letzten dreihundert Jahren haben wir mehr Fortschritte erreicht als je zuvor in der Weltgeschichte, aber wir sehen den Himmel weniger als je zuvor.
Es gibt im Amazonasgebiet in Brasilien, in Südamerika, Reisebüros, die Menschen tausend Kilometer auf dem Amazonas in den Dschungel fahren. Nicht damit diese Touristen nachher den Dschungel sehen, den auch.
Die Reise hat vor allem ein Ziel: Mitten auf dem Amazonas im dunkelsten Urwald sollen diese Touristen nachts den Sternenhimmel sehen, dort, wo kein Licht mehr irgendwie die Sicht verblendet, dort, wo nur Nacht und Dunkel ist. Dort soll man den Himmel schauen.
Und diese Touristen kommen nachher zurück, tausend Kilometer, tausend Euro, was weiß ich, vielleicht mehr, und sagen: „Es hat sich gelohnt. Was wir da gesehen haben, haben wir noch nie gesehen. Wir haben den Himmel gesehen, den Sternenhimmel, und wir haben die Fülle und die Masse der Sterne gesehen, von denen wir gar nicht dachten, dass es sie gibt.“
Was Abraham in dieser Nacht gesehen hat, muss atemberaubend gewesen sein.
Und dann sagt ihm Gott: „So zahlreich wie diese Sterne sollen deine Nachkommen sein.“
Was für Abraham die Zahl der Nachkommen war, die Gott ihm an der Zahl der Sterne gezeigt hat, das ist für uns die ewige Herrlichkeit in Gottes neuer Welt.
Die Zahl der Nachkommen stand für Abraham für diese überwältigende Zukunft, die er haben sollte. Und so eine überwältigende Zukunft ist jedem von uns verheissen, der sich im Vertrauen an Jesus festmacht.
Uns ist eine große Ewigkeit verheissen, aber anders als bei Abraham zeigt sich diese nicht in unzähligen Nachkommen, sondern in dieser Ewigkeit, in diesem ewigen Leben in der Gegenwart Gottes.
Paulus schreibt: „Ich bin überzeugt, dass dieses Zeit Leiden, dass diese Zeit Entscheidungen, dass diese Zeit Ängste, dass diese Zeit Schwierigkeiten – setzen Sie ein, was Sie wollen – dass all das, was Ihnen heute Ihr Leben schwierig macht, nicht ins Gewicht fallen wird gegenüber der Herrlichkeit, die an uns einmal offenbart werden soll.“
Wenn das so ist, dann werden wir in der Ewigkeit mal da sitzen und auf unser Leben zurückblicken. Und dann werden wir über unsere Ängste und über den Kleinglauben lächeln und schmunzeln.
Dann werden wir da sitzen und sagen: „Was war ich für ein blöder Heini damals, was habe ich mich abgequält mit meinen Ängsten, was habe ich mich abgequält mit meinem kleinen, mickrigen Glauben, mit dem ich mich durch mein Leben gequält habe.“
Wenn wir das aber fassen können, dass wir unsere beste Zeit nicht hinter uns haben, sondern dass die beste Zeit noch vor uns liegt, dann bekommen wir auch schon hier und heute die Gelassenheit und die Freiheit, mutig, hoffnungsvoll und vertrauensvoll die Dinge anzupacken, die wir anpacken sollten in unserem Leben.
Jetzt kommt dieser bemerkenswerte Satz: „Abraham glaubte dem Herrn, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit.“
Da, wo wir dieses deutsche Wort „glauben“ lesen, steht im hebräischen Text ein besonderes Verb: he'emin. Das heißt, sich in etwas festmachen, sich an etwas oder in etwas oder bei jemandem festmachen.
Das beste Bild ist mir immer wieder das des Bergsteigers, der sich mit seinem Karabinerhaken in ein Sicherungsseil hängt und sein ganzes Leben mit diesem Karabinerhaken an dieses Seil hängt und darauf vertraut: Dieses Seil muss mich jetzt halten in dieser Wand. Wenn ich stürze, dann hält mich dieses Seil.
Das ist he'emin, das ist Glauben: sich festmachen in diesem Gott.
Vor zwei Jahren war ich mit meiner Familie bei der Landesgartenschau in Nagold. Ich dachte, es wird ein gemütlicher Tag. Aber dann hatten sie dort einen Hochseilgarten aufgebaut.
Und meine Familie – ich habe drei Kinder, Teenager – war sofort, sofort, instinktiv dort. Und dann kam so ein Gruppendruck, ein gruppendynamischer Prozess in der Familie Gäckle: „Das machen wir jetzt alle.“
Als Papa – naja, man will ja hier auch nicht als Feigling dastehen – also rein in so ein Geschirr, das man dann angelegt bekommt, Helm auf. Und trotzdem Gebet.
Dann ging es 20 Meter die Treppe hoch. Man stand da so auf der Ebene der Brücke, die da so über die Nagold führt, und 20 Meter unter einem das blanke Nichts.
Dann musste man sich so mit – waren es sogar zwei? – Karabinerhaken einklinken in ein Seil. Und dann ging es wie eine Seilbahn 20 Meter, 30 Meter geradeaus.
Aber dann steht man da auf dieser Plattform, und unter einem sind 20 Meter absolutes Nichts. Und dann muss man seine ganzen hundert Kilo auf dieses Seil hängen und einfach losspringen.
Und dann dachte ich: „Ja, lieber Herr Theologe Gäckle, das ist he'emin, sich festmachen in diesem läppischen Seil. Und wenn es dich nicht hält, dann fällst du jetzt gewaltig auf die Schnauze.“
Aber das ist dieser Moment des Glaubens, der uns so oft im Leben immer wieder bevorsteht. Da muss man sich ins Nichts hineinfallen lassen, da, wo man nichts sieht.
Das ist Glauben. Das ist das, was Abraham gemacht hat in diesem Moment: Er hat sich festgemacht im Vertrauen in diesen Herrn.
Ich möchte Ihnen Mut machen, sich in dieser Weise in Gott und sein Wort festzumachen.
Im Blick auf all die Lebensfragen, mit denen Sie heute hergekommen sind, mit denen Sie umgehen müssen: Klinken Sie den Karabinerhaken Ihres Lebens in diese Verheißung Gottes ein und machen Sie sich fest in diesem Wort.
Dann lassen Sie sich im Vertrauen und Glauben fallen, und Sie werden erfahren, wie Gott trägt, wie er hält, wie er führt, wie er leitet, wie er beschützt, wie er all das tut, was wir brauchen für unser Leben.
Vertrauen ist der Anfang von allem.
Wenn wir uns vertrauensvoll in Gott festmachen, dann ist das der Anfang von allem, der Anfang für den Frieden über all die Lebensfragen, die Sie umtreiben.
Wir werden unser Leben nicht anders leben können als in diesem immer neuen Sich-Festmachen an Gottes Versprechen und dann zu erleben, dass Gott treu ist, dass er Wort hält.
Schauen Sie heute Abend mal zum Sternenhimmel. Heute soll es klar werden.
Und dann lassen Sie sich das zusagen: Du wirst so viel Leben haben, so viel Zukunft haben und so viel Ewigkeit haben wie die Sterne am Himmel.
Ich möchte ein Gebet sprechen:
Du guter Herr unseres Lebens, du siehst die Anfechtungen unseres Lebens, du siehst die Dinge, mit denen wir umgehen müssen, du siehst die Ängste unseres Lebens – die Angst vor dem Scheitern, die Angst vor der Niederlage, die Angst vor der Blamage, die Angst vor der falschen Entscheidung.
Du siehst auch unsere Angst vor dem Tod.
Und nun bitten wir dich um neue Hoffnung.
Sprich du dein machtvolles Wort in unser Leben hinein, und dann lass die Hoffnung wachsen in unserem Leben, die Hoffnung, die größer ist als die Angst.
Und dann geh du die Schritte mit, die wir zu gehen haben. Dann begleite du uns auf diesen Schritten.
Und dann lass uns das erfahren, dass du treu bist, dass du hältst, dass du trägst, dass du führst.
Danke, dass du der Gott bist, der mitgeht.
Wir vertrauen auf dich.
Amen.
Vertrauen und Misstrauen im Alltag
Vertrauen ist der Anfang von allem, und Misstrauen ist der Anfang vom Ende von allem.
Wenn Sie später zum Mittagessen gehen oder vielleicht heute Abend in Ihr Lieblingsrestaurant, zu Ihrem Lieblingsitaliener, und dort Ihre Lieblingspizza bestellen – zum Beispiel die Pizza Funghi mit Pilzen –, dann müssen Sie darauf vertrauen, dass Ihr Stammwirt mit Ihrem Trinkgeld beim letzten Mal zufrieden war. Sie müssen darauf vertrauen, dass er nicht aus Ärger oder Wut über Ihren letzten Besuch diesmal Knollenblätterpilze auf Ihre Pizza Funghi streut.
Wir müssen darauf vertrauen, dass das Essen, das uns vorgesetzt wird, nicht vergiftet ist. Ich habe noch nie jemanden gesehen, der im Restaurant ein Taschenlabor mitbringt, um erst zu prüfen, ob alles chemisch rein ist. Auch kenne ich niemanden, der einen Vorkoster mitbringt, der den ersten Bissen probiert, um zu sehen, ob er grün anläuft oder nicht. Nein, wir müssen darauf vertrauen, dass die Speisen, die wir auf den Teller bekommen, gut sind, qualitativ in Ordnung und niemand uns vergiften möchte. Ohne Vertrauen würden wir sehr schnell verhungern.
Vertrauen ist der Anfang von allem.
Und wenn Sie später im Restaurant Ihre Rechnung bezahlen, dann müssen Sie darauf vertrauen, dass der Wirt Ihrem Geld vertraut. Ich habe hier mal einen 50-Euro-Schein mitgebracht. Ohne Vertrauen ist das nur ein Stück Papier mit einer 50 darauf. Dieser Schein hat nur deshalb einen Wert, weil wir alle miteinander darauf vertrauen, dass das, was darauf steht, auch Wert ist. Wir müssen sogar dem Geld vertrauen, mit dem wir leben.
Wenn sich Misstrauen auf eine Währung legt, dann ist das eine Katastrophe für ein ganzes Land. Und wenn es eine große Währung ist, wie der Euro, dann wäre das eine Katastrophe für die ganze Welt.
Vertrauen ist der Anfang von allem.
Das bekommen später die Eidlinger Schwestern. Ich wollte nur sagen: Ich bin heute eine orientierende Persönlichkeit, an der Sie sich messen dürfen.
Vertrauen ist der Anfang von allem, und Misstrauen ist der Anfang vom Ende von allem.
Das Leben zwischen Vertrauen und Misstrauen
Nun ist es so, dass unser Leben ein ständiges Pendeln zwischen Vertrauen und Misstrauen ist. Unser Leben spielt sich zwischen diesen beiden Polen ab, und unser Leben im Glauben ist eine fortwährende Bewegung weg vom Misstrauen hin zum Vertrauen, weg von der Angst hin zur Gewissheit, weg von der Verzagtheit hin zur Hoffnung.
Der Bibeltext, mit dem wir es jetzt zu tun haben, macht das sehr deutlich. Ich möchte aus 1. Mose 15,1-6 lesen:
Nach diesen Geschichten, die wir gerade so eindrücklich von Frau Klement dargestellt bekommen haben, kam das Wort des Herrn zu Abraham in einer Offenbarung: „Fürchte dich nicht, Abraham, ich bin dein Schild, und ich werde deinen Lohn sehr groß machen.“
Abraham aber sprach: „Herr, mein Gott, was willst du mir geben? Ich gehe dahin ohne Kinder, und mein Knecht Elieser von Damaskus wird mein Haus besitzen.“
Und Abraham sprach weiter: „Mir hast du keine Nachkommen gegeben, und siehe, einer von meinen Knechten wird mein Erbe sein.“
Da sprach der Herr zu ihm: „Er soll nicht dein Erbe sein, sondern der von deinem Leibe kommen wird, der soll dein Erbe sein.“
Und er ließ ihn hinausgehen und sprach: „Sieh in den Himmel und zähle die Sterne, kannst du sie zählen?“
Und er sprach zu ihm: „So zahlreich sollen deine Nachkommen sein.“
Abraham glaubte dem Herrn, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit.
Die Anfechtung als Voraussetzung für Vertrauen
Wir erleben Abraham in diesen Versen als einen angefochtenen, als einen verzagten Menschen. Er hat sich auf den Anruf eines Unbekannten, eines ihm bis dahin unbekannten Gottes, auf den Weg gemacht. Er hat manches mit Gott erlebt, aber über die Jahre ist die Zeit vergangen. Mit jedem Tag, mit jedem Monat, mit jedem Jahr, das dahingeht, wurde die Frage immer lauter: Was wird aus mir? Was wird einmal aus mir? Diese Frage begann in ihm zu nagen.
Das ist der erste Punkt, auf den ich das Schwergewicht legen möchte: Nur wer die Anfechtung kennt, weiß, was Vertrauen ist. Nur wer die Anfechtung kennt, weiß, was Vertrauen ist.
Man muss ein wenig die Hintergründe kennen, um diese Frage verstehen zu können. Am Anfang seines Weges mit Gott stand für Abraham eine große Verheißung, eine dreifache Verheißung: Volk, Land und Segen. Land hatte er mittlerweile, Segen im materiellen, im alttestamentlichen Sinn hatte er auch. Da war viel Reichtum zusammengekommen, ganz sichtbarer Segen für den alttestamentlichen Menschen. Aber Nachkommen hatte er noch keinen.
Und über das Warten wurde er älter und älter. Jetzt müssen wir eines verstehen: Die Nachkommensfrage war für Abraham die Ewigkeitsfrage. Wir dürfen hier nicht von unserem Denken ausgehen. Für uns sind Kinder und Nachkommen in der Regel etwas Schönes. Wir haben uns in unserer Gesellschaft auch daran gewöhnt, dass Menschen aus unterschiedlichsten Gründen keine Nachkommen haben und haben werden. Und dass das kein großes Problem sein muss. Das kann und mag im Einzelfall tragisch sein, aber es ist keine Katastrophe.
Für Abraham war das anders. Nachkommen waren für ihn das, was seinem Leben Zukunft gab. Die Hoffnung auf die Auferstehung taucht ja relativ spät im Alten Testament auf. Abraham kannte noch nicht die Auferstehungshoffnung, die wir kennen. Das war ihm noch nicht offenbart worden. Der alttestamentliche Mensch wurde nach dem Tod zu seinen Vätern versammelt, und die ganze Hoffnung des alttestamentlichen Menschen richtete sich darauf, hier auf dieser Erde in seinen Nachkommen weiterzuleben.
Deshalb waren Kinder für Israeliten so wichtig. Deshalb gibt es diese dramatischen Geschichten. Der kinderlosen Frau im Alten Testament fehlte die Ewigkeitshoffnung des Menschen damals. In den Nachkommen lebte der Mensch auf Erden weiter. Sie garantierten die Kontinuität, das Weitergehen des eigenen Lebens. Das, was wir heute mit dem ewigen Leben verbinden, war damals die Hoffnung auf die eigenen Nachkommen, die etwas vom eigenen Leben weitergeben, wo das eigene Leben eine Zukunft hat in Kindern und Kindeskindern.
In den Kindern wurde der Israelit Teilhaber der Erfüllung der göttlichen Verheißung. Abraham wusste: Meine Kinder werden die Verheißung einmal sehen, und in meinen Kindern werde ich dabei sein. Ohne Nachkommen konnte Abraham nicht Teilhaber von Gottes Verheißung werden. Ohne Nachkommen keine Zukunft, ohne Nachkommen keine Hoffnung, die weitergeht.
Deshalb sind auch die Stammbäume so wichtig im Alten Testament. In den Stammbäumen wird die Väterliste dokumentiert. Jeder Jude musste seinen Stammbaum kennen. Mit entsprechend vielen Stammbäumen sind wir auch im Alten Testament beschenkt. Das ist nicht immer recht lustig zu lesen. Das braucht schon ein bisschen Durchhaltevermögen. Die Stammbäume haben jetzt so nicht den überschwallenden Unterhaltungswert für den Bibelleser. Aber darin drückt sich die Ewigkeitshoffnung aus.
Vielleicht ist Ihnen schon mal aufgefallen, dass mit den Stammbäumen Jesu im Neuen Testament die Stammbäume aufhören in der Bibel. Die Stammbäume Jesu sind die letzten Stammbäume der Bibel. Im Neuen Testament gibt es danach keine Stammbäume mehr. Sie verlieren auf einmal an Bedeutung, denn in Jesus ist eine lebendige Hoffnung auf die Auferstehung von den Toten in die Welt getreten. Die Auferstehung Jesu ist das Unterpfand dafür, dass auch ich, dass auch wir auferstehen werden. Die Stammbäume sind deshalb auf einmal belanglos geworden.
Für Abraham war das noch nicht so. Und nun verstehen wir vielleicht seine Anfechtung, seine Zweifel in dieser Nacht: Was wird aus mir? Wird mein Name vergessen werden? Wird mein Leben nur ein flüchtiger Moment sein, vom Winde verweht? Wird sich am Ende nur mein oberster Knecht Eliezer freuen, wenn er die ganzen Güter, all meine Habe, meine Besitztümer bekommt? Was wird aus mir?
Diese Vertrauenskrise im Blick auf die Zukunft zieht sich wie ein roter Faden durch die Abrahamsgeschichte. Sie zieht sich ja auch wie ein roter Faden durch unser Leben hindurch. Wir fragen heute nicht mehr in so existenzieller Weise nach Nachkommen, aber die Fragen Abrahams kennen wir auch: Was wird denn aus mir? Meine Jahre zerrinnen, und was für einen Sinn hat dieses Leben? Gibt es da einen roten Faden? Gibt es irgendeine Linie, die weitergeht?
Vor einigen Jahren hatte ich einmal ein Gespräch mit einem Chefarzt einer deutschen Krebsklinik. Er sagte: Die Suche nach dem roten Faden, das Auffinden dieses roten Fadens, ist auf der letzten Wegstrecke von Menschen, die in den letzten Tagen ihres Lebens stehen, eine ganz elementare existenzielle Frage: Was ist der rote Faden in meinem Leben? Wo ist ein Faden, der weitergeht über mein Leben hinaus?
Abraham fragt: Was willst du mir geben? Das ist die Frage, die Teenager und Konfirmanden in so herrlicher, erfrischender und radikaler Weise stellen: Was bringt es mir eigentlich mit diesem Jesus? Was bringt es mir denn mit diesem Gott? Was bringt mir das Christsein? Das ist die Abrahamsfrage. Das ist unsere Frage, auch wenn wir uns vielleicht verbieten würden, diese Frage zu stellen, weil sie sich unreif anhört. Aber es ist unsere Frage.
Und zwar nicht erst dann, wenn eine lebensbedrohliche Krankheit drückt, nicht erst, wenn beruflicher Misserfolg unser Leben überschattet, nicht erst, wenn die Lebensträume platzen. Das ist die Frage, die uns mitten im Leben überfällt, manchmal mitten im satten Leben, im erfolgreichen Leben, im prall gesunden Leben. Da kann einen diese Frage auch überfallen: Was wird denn aus mir?
Das ist die Frage vieler Missionare, vieler Prediger, die Frage von Pfarrern: Wenn wir auf unsere Arbeit schauen, was ist aus der Mühe geworden? Was ist aus den Worten geworden? Was ist aus den Predigten geworden? Was ist aus dem Zeugnis geworden? Was willst du mir geben?
Das ist eine angefochtene Frage. Der Blick auf die Früchte einer Arbeit kann zu einer großen Anfechtung werden. Ich rate unseren Studierenden immer: Die Erfolgsfrage schon im Studium zu bedenken, die Erfolgsfrage zu bedenken, bevor man startet. Wie viel Gewicht, wie viel Macht soll die Erfolgsfrage haben in einem Leben? Wie viel darf sie unser Leben beeinflussen? Welche Bedeutung sollte Erfolg für meinen Dienst haben?
Ich kenne viele Menschen, auch viele Kollegen, die mit dieser Frage umgehen. Und es ist keine Peinlichkeit, sondern diese Frage gehört zum Leben mit Gott dazu. Sie ist die Grundvoraussetzung, um überhaupt Vertrauen lernen zu können. Nur wer die Anfechtung kennt, weiß, was Vertrauen ist.
Hoffnung als Überwindung der Angst
Das Zweite
Nur wer Hoffnung hat, kann die Angst überwinden. Das Erste, was Gott in diesen Versen zu Abraham sagt, ist dieser berühmte Satz: „Fürchte dich nicht“ – drei Worte. Dieser Satz ist der häufigste Satz, der in der Bibel vorkommt. Kein Satz wird in der gesamten Bibel öfter gesagt als diese drei Worte: „Fürchte dich nicht“.
Das bedeutet aber auch umgekehrt, dass unsere Angst ein Hauptproblem unseres Lebens ist. Unsere Angst ist ein zentrales Problem unseres Glaubens. Deshalb tun wir uns so schwer mit Schritten des Vertrauens und des Glaubens – weil wir Angst haben. Angst vor Blamage, Angst vor Verachtung, Angst vor dem Spott der anderen, Angst vor sozialem Absturz, Angst vor dem Scheitern, dem Verlieren, Angst vor der Niederlage.
Wir haben so viele Ängste im Leben. Wir wagen so wenig, weil wir Angst haben. Angst vor Veränderung, Angst vor Entscheidungen, Angst vor falschen Entscheidungen. Und letztlich steht hinter all unseren Ängsten immer die große Angst vor dem Tod.
Abraham hatte Angst, dass er von diesem Gott betrogen worden sein könnte. Er hatte Angst, zum Gespött des gesamten Orients zu werden. Er hatte Angst, dass sein Leben ohne Zukunft und damit auch ohne Sinn bleibt.
Das biblische Gegenteil von Angst ist jetzt aber nicht nur Mut. Das biblische Gegenteil von Angst ist die Hoffnung. Gegen Angst hilft nur Hoffnung. Solange unsere Angst größer ist als unsere Hoffnung, wird sich nichts in unserem Leben verändern. Aber in dem Moment, in dem die Hoffnung größer wird als unsere Angst, verändert sich alles.
In dem Moment, in dem die Hoffnung größer ist als unsere Angst, verändert sich alles im Leben.
Von Dietrich Bonhoeffer stammt dieses berühmte Wort. Vielleicht haben Sie es mal auf einer Karte oder einem Kalender gesehen: „Nicht unserer Hoffnungen werden wir uns einst zu schämen haben, sondern unserer ärmlichen und ängstlichen Hoffnungslosigkeit, die Gott nichts zutraut.“ Nicht unserer Hoffnungen werden wir uns schämen müssen. Es sind nicht die Hoffnungen, die uns blamieren, sondern die Angst, der Kleinmut, die Ängstlichkeit.
Wie aber geschieht es in unserem Leben, dass die Hoffnung größer wird als die Angst? Erinnern Sie sich noch, als Sie klein waren, als Sie ein Kind waren? Bei Kindern gibt es viele Ängste, einfach weil sie klein sind, weil sie vieles noch nicht können. Fast jeder Schritt im Leben ist eine riesige Herausforderung, bei der man viel Überwindung braucht, um etwas zu wagen, was alle anderen können, aber man selbst noch nicht.
Es hilft nicht viel, wenn Papa oder Mama es vormachen. Papa und Mama sind sowieso andere Wesen, die können eh alles. Das hilft einem Kind nicht, wenn Mama oder Papa etwas können, es selbst aber noch nicht.
Nein, die Hoffnung, die ein Kind braucht, und die Hoffnung, die in einem Kind den Mut erzeugt, etwas zu wagen, was es bisher noch nicht gemacht hat, diese Hoffnung, dieses Vertrauen kommt dadurch, dass man ihm etwas Gutes zuspricht. Wir brauchen Worte. Ein Kind braucht Worte, die Mut machen, Worte, die Hoffnung geben, Worte, die Vertrauen erzeugen, etwas zu wagen, was man bisher noch nicht kann.
Wir brauchen Worte gegen unsere Angst.
Mit der Hoffnung ist es so wie mit allem, was von Gott kommt: Gott schafft, indem er spricht. Gott verändert, indem er spricht. Gott hat diese Welt geschaffen, indem er gesprochen hat. „Und Gott sprach: Es werde!“ und es ward. Alles, was in unserem Leben etwas wird, beruht auf einem Wort, auf einem Sprechakt Gottes.
So schafft Gott auch bei Abraham Hoffnung, indem er spricht: „Fürchte dich nicht! Fürchte dich nicht, Abraham! Ich sehe, wie deine Jahre vergehen, ich sehe, wie deine Zweifel wachsen, ich sehe, wie du dich nach der Erfüllung deiner Wünsche und meiner Verheißungen sehnst. Ich sehe das alles. Und Abraham, ich habe das auch alles im Griff. Deshalb fürchte dich nicht!“
Wir brauchen dieses Wort jeden Tag, weil wir jeden Tag mit Ängsten umgehen müssen. So spricht Gott auch in unsere Angst hinein: „Fürchte dich nicht vor dem, was kommt. Fürchte dich nicht vor der neuen Lebenssituation, der neuen Berufssituation, der neuen Familiensituation, vor den neuen Lebensverhältnissen, vor den Veränderungen, vor den Entscheidungen, vor den Herausforderungen, vor dem, was wie ein Berg vor dir stehen mag in deinem Leben und du nicht darüber schauen kannst und dir alles zu viel wird – fürchte dich nicht!“
Das Problem ist nicht die Herausforderung. Das Problem ist zuerst deine Angst. Das größte Problem in unserem Leben sind nicht die Herausforderungen, das größte Problem sind unsere Ängste.
„Fürchte dich nicht!“
Und dann legt Gott nach, er begründet seine Aufforderung: „Ich bin dein Schild, und ich werde deinen Lohn sehr groß machen.“ Das heißt, du musst dich nicht fürchten, weil ich der bin, der beschützend und behütend mitgeht. Wie jemand, der ein Schild über dich hält, wenn du in die Schlacht ziehen musst.
Vielleicht kennen Sie das aus Filmen über die alten Römer oder Griechen, wenn es ums Schlachtgetümmel geht. Da halten alle ihr Schild über sich und bilden so einen Schildpanzer. Am Anfang einer antiken Schlacht prasselte immer ein Regen von Pfeilen auf die feindlichen Heere nieder. Zuerst ließen sie die Bogenschützen vorrücken. Dann hielten sie die Schilde über sich, und die Pfeile pfiffen an ihnen vorbei. So schützte man sich mit einem Schild.
Gott sagt zu Abraham: „Ich bin dein Schild, ich bin wie dieses Schild, das die Soldaten über sich halten, wenn die Pfeile des Gegners an ihnen vorbeizischen.“
Manchmal kommt uns unser Leben wie eine Schlacht vor, in der uns lauter feindliche Pfeile um die Ohren fliegen. Gott sagt: „Ich bin dein Schild. Zieh ruhig los in die Schlachten deines Lebens, zieh ruhig los in die Herausforderungen, ziehe los in die neuen Länder, in die du aufbrechen musst. Ich bin dein Schild.“
Gottes Verheißungen als Grundlage des Vertrauens
Als Abraham seinen Kummer und seine Verzweiflung über die fehlenden Nachkommen ausbreitet, breitet Gott die Fülle seiner Verheißungen über seinem Leben aus. Aber was ist das eigentlich, was Gott Abraham da in die Hand gibt? Was ist das?
Nüchtern betrachtet sind es Worte, nur Worte. Es sind Versprechungen, biblisch gesehen Verheißungen. Und uns geht es ja wie Abraham: Wir hätten auch gerne, dass Gott uns weniger verheißt und mehr beweist. Wir meinen, wir könnten mit Beweisen besser leben als mit Verheißungen.
Doch wir bekommen in dieser Welt von Gott keine Beweise, immer nur Verheißungen, nur Versprechen. Aber mehr als Gottes Versprechen brauchen wir in dieser Welt auch nicht, um getrost und gewiss leben zu können. Mehr brauchen wir nicht, und weniger sollte es auch nicht sein.
Wir brauchen gute Worte für unser Leben, die uns diese Zusage Gottes immer wieder stark machen. Es gibt übrigens auch nichts, was uns mehr helfen könnte. Schützt denn ein fettes Bankkonto, eine große Villa, eine steile Karriere vor den bedrängenden Lebensfragen?
Die Fragen, die sich im Angesicht des Todes allen Menschen aufdrängen – die Fragen nach Sinn, nach Wert, nach Ewigkeit – lassen sich nicht mit den Gütern dieser Welt vertreiben. Sie helfen da nicht.
Wir brauchen Worte, wir brauchen starke Worte, Gottes Verheißungen. Wir brauchen das Versprechen Gottes für unser Leben, wir brauchen ein Wort. Ohne Wort sind wir wie eine Blume ohne Licht. Und wenn kein Licht da ist, ist es völlig egal, ob ich eine Primel oder eine Orchidee bin. Ohne Licht gehe ich ein. Da hilft mir mein ganzes Bankkonto nichts.
Und so ist es mit uns Menschen: Wir brauchen ein Wort von dem, der außerhalb dieser Welt steht, der nicht verwoben ist in dieses Werden und Vergehen auf dieser Welt, der nicht Teil dieser Welt des Todes ist. Wir brauchen ein Wort, ein Versprechen von Gott.
Das ist das, was Abraham am Leben hält, das ist das, was uns am Leben hält. Das ist das, was Jesus uns verspricht: Wer an mich glaubt, der wird leben, auch wenn er stirbt.
Dass uns all diese Dinge zum Besten dienen werden, die uns manchmal wie große Herausforderungen erscheinen, denen, die Gott lieben, werden alle Dinge zum Besten dienen – auch das, was ihnen heute Mühe macht, wovor sie Angst haben.
Dass am Ende Gott alle Tränen trocknen wird, dass Leid und Tod nicht mehr sein werden, dass Gott bei uns ist alle Tage bis an der Welt Ende, dass er auf dem Weg mein Schild und mein Lohn ist.
Wenn die Hoffnung größer wird als die Angst, dann fängt das Leben an.
Glauben als Wagnis des Vertrauens
Ein drittes und letztes Vertrauen wächst im Wagnis des Glaubens. Stellen wir uns das einmal vor: eine Nacht in der Wüste und über Abraham ein klarer Sternenhimmel.
Nun dürfen Sie nicht an unseren Sternenhimmel denken, wie wir ihn sehen, wenn nachts der Himmel klar ist. Denn wir sehen dort fast nichts. In unseren hellen Städten gibt es so viel Streulicht und viele Lichter, dass wir immer nur einen Bruchteil des Himmels und der Sterne sehen. Für mich ist das übrigens ein geistliches Gleichnis der Neuzeit: In den letzten dreihundert Jahren haben wir mehr Fortschritte erreicht als je zuvor in der Weltgeschichte, aber wir sehen den Himmel weniger als je zuvor.
Im Amazonasgebiet in Brasilien, Südamerika, gibt es Reisebüros, die Menschen tausend Kilometer auf dem Amazonas in den Dschungel fahren. Nicht nur, damit diese Touristen den Dschungel sehen – das auch –, sondern vor allem mit einem Ziel: Mitten auf dem Amazonas, im dunkelsten Urwald, sollen diese Touristen nachts den Sternenhimmel sehen. Dort, wo kein Licht die Sicht verblendet, wo nur Nacht und Dunkelheit sind, dort soll man den Himmel betrachten.
Diese Touristen kommen danach zurück, nach tausend Kilometern, mit Kosten von tausend Euro oder mehr, und sagen: „Es hat sich gelohnt. Was wir da gesehen haben, haben wir noch nie gesehen. Wir haben den Himmel gesehen, den Sternenhimmel, und die Fülle und Masse der Sterne, von denen wir gar nicht dachten, dass es sie gibt.“
Was Abraham in dieser Nacht gesehen hat, muss atemberaubend gewesen sein. Und dann sagt Gott zu ihm: „So zahlreich wie diese Sterne sollen deine Nachkommen sein.“
Was für Abraham die Zahl der Nachkommen war, die Gott ihm an der Zahl der Sterne gezeigt hat, das ist für uns die ewige Herrlichkeit in Gottes neuer Welt. Die Zahl der Nachkommen stand für Abraham für diese überwältigende Zukunft, die er haben sollte.
Eine solche überwältigende Zukunft ist jedem von uns verheißen, der sich im Vertrauen an Jesus festmacht. Uns ist eine große Ewigkeit verheißen, aber anders als bei Abraham zeigt sich diese nicht in unzähligen Nachkommen, sondern in der Ewigkeit, in diesem ewigen Leben in der Gegenwart Gottes.
Paulus schreibt: „Ich bin überzeugt, dass dieses Zeit-Leiden, dass diese Zeit-Entscheidungen, dass diese Zeit-Ängste, dass diese Zeit-Schwierigkeiten – setzen Sie ein, was Sie wollen – dass all das, was Ihnen heute Ihr Leben schwierig macht, nicht ins Gewicht fällt gegenüber der Herrlichkeit, die an uns einmal offenbart werden soll.“
Wenn das so ist, dann werden wir in der Ewigkeit einmal da sitzen und auf unser Leben zurückblicken. Dann werden wir über unsere Ängste und über den Kleinglauben lächeln und schmunzeln. Dann werden wir da sitzen und denken: „Was war ich für ein blöder Heini damals, was habe ich mich abgequält mit meinen Ängsten, was habe ich mich abgequält mit meinem kleinen, mickrigen Glauben, mit dem ich mich durch mein Leben gequält habe.“
Wenn wir das aber fassen können – dass wir unsere beste Zeit nicht hinter uns haben, sondern dass die beste Zeit noch vor uns liegt –, dann bekommen wir auch schon hier und heute die Gelassenheit und die Freiheit, mutig, hoffnungsvoll und vertrauensvoll die Dinge anzupacken, die wir in unserem Leben anpacken sollten.
Glauben als Festmachen an Gottes Verheißung
Jetzt kommt dieser bemerkenswerte Satz: Abraham glaubte dem Herrn, und das rechnete er ihm zur Gerechtigkeit.
Dort, wo wir das deutsche Wort „glauben“ lesen, steht im hebräischen Text ein besonderes Verb, He'emin. Es bedeutet, sich in etwas festzumachen, sich an etwas oder in etwas oder bei jemandem festzumachen. Das beste Bild dafür ist für mich immer wieder das eines Bergsteigers, der sich mit seinem Karabinerhaken in ein Sicherungsseil hängt. Sein ganzes Leben hängt mit diesem Karabinerhaken an diesem Seil. Er vertraut darauf, dass dieses Seil ihn hält. Wenn er stürzt, dann hält ihn dieses Seil. Das ist He'emin, das ist Glauben: sich festmachen in diesem Gott.
Vor zwei Jahren war ich mit meiner Familie bei der Landesgartenschau in Nagold. Ich dachte, es würde ein gemütlicher Tag werden. Aber dann hatten sie dort einen Hochseilgarten aufgebaut. Meine Familie – ich habe drei Kinder, Teenager – zog es sofort, sofort instinktiv dorthin. Dann entstand so ein Gruppendruck, ein gruppendynamischer Prozess in Familie Gäckle: „Das machen wir jetzt alle!“
Als Papa will man ja auch nicht als Feigling dastehen. Also rein in so ein Geschirr, das man dann anlegt, Helm auf, und trotzdem ein Gebet. Dann ging es 20 Meter die Treppe hoch. Man stand auf der Ebene der Brücke, die über die Nagold führt, und 20 Meter unter einem lag das blanke Nichts.
Dann musste man sich mit zwei Karabinerhaken in ein Seil einklinken. Und dann ging es wie eine Seilbahn 20, 30 Meter geradeaus. Aber dann stand man auf dieser Plattform, und unter einem waren 20 Meter absolutes Nichts.
Jetzt musste man seine ganzen hundert Kilo auf dieses Seil hängen und einfach losspringen. Da dachte ich: Ja, lieber Herr Theologe Gäckle, das ist He'emin, sich festmachen in diesem läppischen Seil. Und wenn es dich nicht hält, dann fällst du jetzt gewaltig auf die Schnauze.
Aber das ist dieser Moment des Glaubens, der uns so oft im Leben immer wieder bevorsteht. Da muss man sich ins Nichts hineinfallen lassen, da, wo man nichts sieht. Das ist Glauben. Das ist das, was Abraham gemacht hat: Er hat sich im Vertrauen auf diesen Herrn festgemacht.
Ich möchte Ihnen Mut machen, sich in dieser Weise in Gott und sein Wort festzumachen. Im Blick auf all die Lebensfragen, mit denen Sie heute hergekommen sind und mit denen Sie umgehen müssen, klinken Sie den Karabinerhaken Ihres Lebens in diese Verheißung Gottes ein. Machen Sie sich fest in diesem Wort. Dann lassen Sie sich im Vertrauen und Glauben fallen.
Sie werden erfahren, wie Gott trägt, wie er hält, wie er führt, wie er leitet, wie er beschützt und wie er all das tut, was wir für unser Leben brauchen. Vertrauen ist der Anfang von allem. Wenn wir uns vertrauensvoll in Gott festmachen, dann ist das der Anfang von allem. Der Anfang für den Frieden über all die Lebensfragen, die Sie umtreiben.
Wir werden unser Leben nicht anders leben können als in diesem immer neuen Sich-Festmachen an Gottes Versprechen und dann erleben, dass Gott treu ist, dass er sein Wort hält.
Schauen Sie heute Abend mal zum Sternenhimmel. Heute soll es klar werden. Und dann lassen Sie sich das zusagen: Du wirst so viel Leben haben, so viel Zukunft und so viel Ewigkeit, wie die Sterne am Himmel.
Schlussgebet
Du guter Herr unseres Lebens,
Du siehst die Anfechtungen unseres Lebens.
Du siehst die Dinge, mit denen wir umgehen müssen.
Du siehst die Ängste unseres Lebens: die Angst vor dem Scheitern, die Angst vor der Niederlage, die Angst vor der Blamage, die Angst vor der falschen Entscheidung.
Du siehst auch unsere Angst vor dem Tod.
Nun bitten wir Dich um neue Hoffnung.
Sprich Du Dein machtvolles Wort in unser Leben hinein.
Lass dann die Hoffnung wachsen in unserem Leben – die Hoffnung, die größer ist als die Angst.
Geh Du die Schritte mit uns, die wir zu gehen haben.
Begleite Du uns auf diesen Schritten.
Lass uns erfahren, dass Du treu bist, dass Du hältst, dass Du trägst und dass Du führst.
Danke, dass Du der Gott bist, der mitgeht.
Wir vertrauen auf Dich. Amen.
