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Brüderlichkeit und Unabhängigkeit

1. Thessalonicher 4,9-12

Einleitung

Ein Arzt erzählt: Vor der Tür stand der Seppli aus der Bachwies. Er habe mit seinem Bruder auf dem Heustock gespielt. Und dann habe ihn sein Bruder vom Heustock zur Tenne hinuntergestoßen. Die Untersuchung ergab, dass ein beträchtlicher Teil der Kopfhaut abgerissen war. Das ergab eine schwierige Operation. Mit etwa zwanzig Haften musste die abgerissene Kopfhaut wieder an ihrem alten Platz befestigt werden. Der kleine Seppli verhielt sich während der über eine Stunde dauernden Prozedur mäuschenstill. Kein Zappeln und kein Wehklagen. Endlich war es geschafft. Als er dann in seinem dicken Verband weggehen wollte, gab ihm meine Mutter eine Tafel Schokolade als Belohnung für das Stillehalten. Sie riet ihm, sie auf dem Heimweg zu essen. Aber der sagte: Nur die Hälfte, die andre bringe ich meinem Bruder Andreas." Aber der Andreas habe ihn doch zur Tenne hinuntergestoßen! Da blitzten die Augen des Seppli unter dem Verband: "Er ist doch mein Bruder!" [1] Wir werden auch als Brüder bezeichnet. Als Gemeinde sind wir geistliche Geschwister, die zu der Familie Gottes gehören. Paulus schreibt. Text lesen: 1.Thess. 4, 9-12

I. Von Gott lernt man zu lieben (4,9-10)

Paulus brauchte die Bruderschaft eigentlich gar nicht zu erwähnen, denn die Thessalonicher waren auch in diesen Teil sehr vorbildlich. Bereits im einleitenden Teil des Briefes schreiben sie: Wir danken Gott allezeit für euch alle und gedenken euer in unserm Gebet / und denken ohne Unterlass vor Gott, unserm Vater, an euer Werk im Glauben und an eure Arbeit in der Liebe und an eure Geduld in der Hoffnung auf unsern Herrn Jesus Christus. 1.Thess.1,2-3. Auch Timotheus stellt der Gemeinde - nach seinem Besuch - diesbezüglich ein ausgezeichnetes Zeugnis über ihre Liebe aus. Nun aber ist Timotheus von euch wieder zu uns gekommen und hat uns Gutes berichtet von eurem Glauben und eurer Liebe und dass ihr uns allezeit in gutem Andenken habt und euch danach sehnt, uns zu sehen, wie auch wir uns nach euch sehnen. 1.Thess.3,6. Warum erwähnt es Paulus denn, wenn es gar nicht nötig ist darüber zu sprechen? Ich nehme an, dass Paulus die Brüderlichkeit so grundlegend erscheint, dass er sie erwähnen will. Denn Brüderlichkeit gehört zum Gemeindeleben, wie die Räder zum Auto. Gemeinde muss sich durch gelebte Brüderlichkeit auszeichnen. Paulus schreibt den Römern: Die brüderliche Liebe untereinander sei herzlich. Einer komme dem andern mit Ehrerbietung zuvor. Rö.12,10. Oder der Schreiber des Hebräer sagt kurz und bündig: Bleibt fest in der brüderlichen Liebe. Hebr.13,1. Und Petrus fordert die Gemeinden auf: Vor allen Dingen habt untereinander beständige Liebe; denn „die Liebe deckt auch der Sünden Menge“ (Spr.10,12). 1.Petr.4,8. Man könnte hier ohne weiteres weiterfahren und noch viele Stellen erwähnen, die sich gerade mit der Brüderlichkeit oder Bruderliebe befassen. Schliesslich hat der Herr selbst gesagt: Ein neues Gebot gebe ich euch: Liebt einander! wie ich euch geliebt habe, so sollt auch ihr einander lieben. / Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid: wenn ihr einander liebt. Joh.13,34-35. Weil die Bruderliebe für die Gemeinde so grundlegend ist, wie das Atmen zum Leben, kann Paulus nicht einfach nits dazu sagen. Er will die Brüderlichkeit zumindest erwähnen und die Gemeinde ermutigen, weiterhin so zu leben und noch vollkommener zu werden. Die Liebe, die sie in Thessalonich praktizieren lernten sie von Gott selbst. Gott hat euch gelehrt, schreibt Paulus. Wie hat er das gemacht? Wie hat Gott Ihnen diese Liebe gelehrt? Sie lernten am Handeln Gottes, wie sich echte Liebe verhält. Das alles überstrahlendes Beispiel der Liebe Gottes, lehrt uns unmissverständlich, was Liebe bedeutet.

In Johannesevangelium lesen wir: Denn also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an in glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Joh.3,16. An seinem eigenen Sohn führt uns Gott seine Liebe vor Augen. Er opferte sein Liebstes, indem er seinen Sohn in diese Welt sandte, die nichts besseres wusste als ihn zu verstossen, verspotten und hinzurichten. Unbegreiflich viel investierte Gott, um seiner Liebe zu uns Ausdruck zu geben, um Liebe zu leben. Diese Liebe ist nicht einmal dadurch motiviert, weil wir so liebenswürdig wären. Gott hat nicht auf Grund unserer Liebenswürdigkeit gehandelt, sondern weil er uns lieben wollte, weil wir seine Geschöpfe sind. Er liebte uns, als an uns nichts Liebenswürdiges war. So lesen wir Denn Christus ist schon zu der Zeit, als wir noch schwach waren, für uns Gottlose gestorben. / Nun stirbt kaum jemand um eines Gerechten willen; um des Guten willen wagt er vielleicht sein Leben. / Gott aber erweist seine Liebe zu uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren. Rö.5,6-8. D.h. also, dass Gott für etwas an sich wertloses und verachtungswürdiges gestorben ist. Nicht etwa für jemand der ihm etwas Gutes erwiesen hätte. Das ist wirklich besonders!

Evangelisation

Kennst Du diese Liebe Gottes? Gott der Dich liebt, so wie du bist? Weisst Du, dass Gott an dich keine Anforderungen stellt, nach dem Motto: Zuerst musst Du Dich völlig ändern und ein guter Mensch sein, erst dann bin ich bereit, Dich zu lieben. Nein, Gott hat Dich bereits geliebt. Am Kreuz auf Golgatha hat er sich für Dich hinrichten lassen. Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben - wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken? Rö.8,32. Alles will Dir Gott durch Jesus schenken. Alles liegt bereit, Du musst Dich nur danach ausstrecken. Die Antwort liegt bei Dir, ob Du auf diese gewaltige und grossartige Liebe Gottes reagieren willst. Wenn Du noch nicht auf diese Liebe reagiert hast, wenn Du Dein Leben noch nicht Jesus unters Kreuz gebracht hast, frage ich Dich: Was hält Dich davon ab, die Liebe Gottes zu beachten? Gott hat Dich geliebt, indem Christus gestorben ist, als Du noch Sünder warst. Nun liegt es an dir, die Liebe Gottes zu erwidern, und wenn du das tust, so wird dein Leben neu werden. Es gibt in der Tat nichts Wichtigeres für uns, als dass wir von Gott erkannt sind, d.h. dass wir dann nicht mehr verloren sind, sondern ewiges Leben haben. Gehe doch nicht achtlos an der Liebe Gottes, d.h. gehe nicht achtlos an Jesus Christus vorbei! Glaube an ihn und vertraue ihm Dein Leben an, dann erst wirst Du wirklich leben. Wer den Sohn hat, der hat das Leben; wer den Sohn Gottes nicht hat, der hat das Leben nicht. 1.Joh.5,12. Gerne bin ich bereit weiter zu erklären, wie wir der Liebe Gottes, wie wir Jesus begegnen können.

Anwendung

Also, von der Liebe Gottes, die alles gegeben hat, die sich selbst aufopferte, die sich völlig investierte, davon haben die Thessalonicher gelernt und dieses Vorbild in der Gemeinde nachgeahmt. Sie sind dem Beispiel Jesu gefolgt, der sich schlagen und hinrichten liess, für Menschen, die gar nicht liebenswürdig waren. Diesem Beispiel sollen wir als Gemeinde folgen. Jesus fordert uns durch die Bergpredigt deutlich heraus, indem er in Bezug auf die Feindesliebe sagt: Denn wenn ihr liebt, die euch lieben, was werdet ihr für Lohn haben? Tun nicht dasselbe auch die Zöllner? / Und wenn ihr nur zu euren Brüdern freundlich seid, was tut ihr Besonderes? Tun nicht dasselbe auch die Heiden? / Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist. Mt.5,46-48. Wenn das in der Beziehung zu den Feinden gilt, dann gilt es doch auch unter Glaubensgeschwistern. Dass man einander liebt, auch wenn man etwas anders geartet ist. Es gehört auch die Liebe zu den Schwachen Geschwistern dazu. Paulus sagt den Ältesten in Milet: Ich habe euch in allem gezeigt, dass man so arbeiten und sich der Schwachen annehmen muss im Gedenken an das Wort des Herrn Jesus, der selbst gesagt hat: Geben ist seliger als nehmen. Apg.20,35.

Wie Paulus darf ich die Gemeinde rühmen. In unseren Reihen wird die Liebe gelebt, gerade die Liebe zu den Schwachen und Betagten. Viele unscheinbaren Dienste werden getan. Kranke und Betagte werden über Jahre treu besucht und umbetet usw. Auch wenn die Gemeinde durch eine Krise hindurchgegangen ist, so sind diese Liebesdienste im wesentlichen erhalten geblieben. Ungeachtet des Zwistes wurde füreinander gesorgt. Natürlich dürfen wir auch die Opfer nicht vergessen, die die Vergangenheit forderte. Trotzdem ist es eine Tatsache, dass füreinander gesorgt wurde und wird. Dort wo noch Mauern und Gräben zwischen Geschwistern sind, möchte ich ermutigen in Liebe aufeinander zuzugehen und diese Hindernisse endlich zu begraben. Versöhnung zu leben. Paulus musste der Gemeinde in Korinth sagen: Ich fürchte, wenn ich komme, finde ich euch nicht, wie ich will, und ihr findet mich auch nicht, wie ihr wollt, sondern es gibt Hader, Neid, Zorn, Zank, üble Nachrede, Verleumdung, Aufgeblasenheit, Unordnung. 2.Kor.12,20. Legt alle diese schrecklichen Dinge ab. Lernt Euch innig zu lieben. Vielleicht muss man es wie Paulus es zu Evodia und Syntyche sagte: vertragt euch wieder. Evodia ermahne ich und Syntyche ermahne ich, dass sie eines Sinnes seien in dem Herrn. / Ja, ich bitte auch dich, mein treuer Gefährte, steh ihnen bei; sie haben mit mir für das Evangelium gekämpft, zusammen mit Klemens und meinen andern Mitarbeitern, deren Namen im Buch des Lebens stehen. Phil.4,2-3. Ein guter Weg dazu ist, wie Paulus den Galatern schreibt: Darum, solange wir noch Zeit haben, lasst uns Gutes tun an jedermann, allermeist aber an des Glaubens Genossen. Gal.6,10.

II. In der Gesellschaft eigenständig leben (4,11-12)

Nun greift Paulus noch einen Punkt auf und zwar das Leben in der Gesellschaft. Die Gläubigen sollen ein stilles Leben führen. Ähnlich wie Paulus an Timotheus schreibt: So ermahne ich nun, dass man vor allen Dingen tue Bitte, Gebet, Fürbitte und Danksagung für alle Menschen, / für die Könige und für alle Obrigkeit, damit wir ein ruhiges und stilles Leben führen können in aller Frömmigkeit und Ehrbarkeit. / Dies ist gut und wohlgefällig vor Gott, unserm Heiland, 1.Tim.2,1-3. Ich möchte an dieser Stelle nun nicht darüber sprechen wie weit ein Christ sich politisch betätigen soll. Das würde den Rahmen dieser Predigt sprengen. Was aus diesen Stellen aber sehr deutlich hervorgeht ist, dass sich Christen still verhalten sollten und nicht ständig aufmucken. Wir sollen also nicht unnötig Anstoss erregen. Und dies gilt auch für das tägliche Leben. Christen sollen mit eigenen Händen arbeiten, damit sie ihren Lebensunterhalt bestreiten können. Vermutlich gab es da bereits Anzeichen für eine ungesunde Entwicklung, denn im 2. Brief an die Thessalonicher muss Paulus diese Sache noch direkter ansprechen, er schrieb: Denn wir hören, dass einige unter euch unordentlich leben und nichts arbeiten, sondern unnütze Dinge treiben. 2.Thess.3,11. Die konkrete Erwartung der Gemeinde auf die Wiederkunft Jesu, hatte zur Folge, dass sich einige einen Ausstieg aus der Verantwortung für das tägliche Leben erlaubten, aber dadurch den anderen mit der Zeit zur Last fielen. Diese Verhaltensweise dient nicht zur Verherrlichung Gottes. Die Leute schimpfen höchstens über die lasterhafte Lebensführung der Christen. Das könnte sie dazu führen, das Evangelium nicht ernstzunehmen. Ein ähnliches Problem mag in Korinth vorgelegen sein, wenn Paulus schreiben muss: Jeder bleibe in der Berufung, in der er berufen wurde, / Bist du als Knecht berufen, so sorge dich nicht; doch kannst du frei werden, so nutze es um so lieber. 1.Kor.7,20-21. Durch dieses Verhalten sollte die Gemeinde ihre Eigenständigkeit bewahren. Es wäre schändlich für das Evangelium, wenn die Gemeindeglieder als Faul und unzuverlässig gelten würden. Wenn sie sozusagen als Lebenskünstler ihre Tage fristen. Ferner führt dies auch in Abhängigkeiten, die eine objektive geistliche Sichtweise verhindern können. Die Gemeinde soll aber auf niemanden, ausser auf Gott, angewiesen sein, nur so wird ein gesunder Wachstum möglich sein.

Anwendung

Als Christen sollen wir uns tüchtig erweisen. Wir sollen gute Haushalter sein. Jedoch sollte dies in einem vernünftigen Rahmen geschehen, nicht dass die Arbeit zum Ersatzgott wird. Diesbezüglich können wir uns an jenem Fischer ein Beispiel nehmen: Ein Fischer sitzt am Strand und blickt auf das Meer, nachdem er die Ernte seiner mühseligen Ausfahrt auf den Markt gebracht hat. Warum er nicht einen Kredit aufnehme, fragt ihn ein Tourist. Dann könne er einen Motor kaufen und das Doppelte fangen. Das brächte ihm Geld für einen Kutter und einen zweiten Mann ein. Zweimal täglich auf Fang hiesse das Vierfache verdienen. Warum er eigentlich herumtrödelte. Auch ein dritter Kutter wäre zu beschaffen; das Meer könnte viel besser ausgenutzt werden, ein Stand auf dem Markt, Angestellte, ein Fischrestaurant, eine Konservenfabrik - dem Touristen leuchten die Augen. "Und dann?" unterbricht ihn der Fischer. "Dann brauchen Sie gar nichts mehr zu tun. Dann können Sie den ganzen Tag sitzen und glücklich auf ihr Meer hinausblicken!" - "Aber das tue ich doch jetzt schon", sagt der Fischer. [2] Wenn wir hier nicht zu einer gesunden Einstellung kommen, wird unser Arbeitseifer tatsächlich schneller zum Götzendienst als wir meinen. Wir sollen aber Gott allein dienen. Unser Leben so gestalten, dass das Reich Gottes seinen Platz bekommt. Nicht das unsere Karriere zu unserem Lebensinhalt wird. Wenn wir uns als einzelne oder als Gemeinde in starke Abhängigkeit zu anderen Menschen begeben, werden wir womöglich zu Kompromissen gezwungen, die wir nicht eingehen würden, wenn wir unabhängig wären.

Schluss

Wollen wir als Gemeinde wirklich brauchbar im Reich Gottes sein, so sind wir zu einer echten Brüderlichkeit gefordert. Diese Brüderlichkeit hat Ausstrahlung, denn Petrus sagt: Und in der Frömmigkeit brüderliche Liebe und in der brüderlichen Liebe die Liebe zu allen Menschen. 2.Petr.1,7. Echte Brüderlichkeit fordert immer Opfer. Was würde Paulus wohl über uns schreiben? Amen

[1]Beisp. 878.

[2]Beisp. 1275.