Hat Beten einen Zweck? Mein lieber Amtsbruder Eben hat diese Frage bereits beantwortet. Aber lassen Sie uns noch einmal ein wenig zurückgehen.
Ich habe einmal ein Erlebnis gehabt, das mir immer noch im Ohr klingt. Es war kurz vor Kriegsende, als ich einen hohen Nazibeamten in Essen aufsuchen musste. Dort war nämlich mein Jugendhaus beschlagnahmt worden.
Stellen Sie sich vor, ich bin Jugendpfarrer und hatte in Essen ein großes Clubhaus für Jungs. Warum machen die manchmal das Licht aus? Das ist ziemlich störend. Ah, Blende, so, ah ja, gut, andersherum. Ich dachte, es wäre ein Kurzschluss.
Tja, und dann hatten sie dieses Clubhaus beschlagnahmt und irgendeine olle Baukompanie dort einquartiert. Das habe ich nicht eingesehen, denn es kamen immer noch viele Jungs dorthin, um Gottes Wort zu hören.
Also habe ich alle meine Beziehungen spielen lassen und landete schließlich bei diesem hohen Nazibeamten, ganz in SS-Uniform, mit Lametta und allem, was dazugehört.
Neulich sagte mir jemand in einem Vortrag, man dürfe nicht davon sprechen. Aber ich spreche doch von meinen Freunden, da würde man lachen.
Ich saß ihm gegenüber, und er fragte: „Was ist denn los?“ Man merkte, dass er die Pfarrer nicht mochte. Es beruhte auf Gegenseitigkeit, wirklich auf Gegenseitigkeit.
Als ich nur den Mund aufmachte, sprang der junge Mann auf, trommelte auf seinen Schreibtisch und sagte: „Was soll er singen und beten? Das hat doch keinen Zweck!“
Die bedrückende Realität des Krieges und die Frage nach dem Sinn des Betens
Nun war zwei Tage zuvor ein großer Angriff über Essen erfolgt. Die Straßen waren voller Trümmer und Glassplitter. Wer das einmal miterlebt hat, weiß noch tagelang, wie es klingt, wenn die Straßen freigemacht werden. Das Klirren der Glassplitter von den kaputten Fenstern hallt nach, wenn sie weggekarrt werden.
Dieses Kratzen und Klirren klingt mir noch im Ohr. Wer im Essener Rat leise betet oder singt, hat doch keinen Zweck, dachte ich. Man zeigt nach dem Fenster, und unten hört man das Kratzen und Klirren, wie die Straßen freigemacht werden. Da lief es mir kalt den Rücken hinunter. Mann, du kannst Recht haben, dachte ich. Es ging mir kalt durch, wenn der Mann Recht hat. Dann ist die Welt grauenvoll. Es gibt keinen Zugang mehr zur Welt Gottes.
Dann kann ein sterbender Mensch nicht mehr um Errettung rufen. Ein Mensch, dessen Herz in Not ist, kann nicht mehr seine Hand nach einem Helfer ausstrecken. Dann ist Gott entweder gar nicht mehr da oder er hört nicht mehr. Dann sind wir Menschen allein gelassen.
Ich will lieber zehn dumme Kinder alleinlassen mit Streichhölzern, als die Menschen allein lassen ohne Gott, nicht? Da ist die Welt grauenvoll. Wir sind wie in einem Tierkäfig eingeschlossen.
Mir ging es kalt den Rücken hinunter, wenn das stimmt, dass Beten keinen Zweck hat. Dann ist die Welt kalt und schauerlich geworden. Wissen Sie, es gibt ja Millionen Menschen, die nicht beten. Aber sie denken doch heimlich: „Wenn es mal nötig wird, dann bete ich auch.“ Geht es Ihnen nicht auch so? „Wenn es mal nötig wird, bete ich.“ Dieser Satz ist schrecklich. Beten hat keinen Zweck.
Zu ihm habe ich gesagt: „Was Sie sagen, ist so fürchterlich, da kann ich nur noch gehen.“ Ich ging. Und dann hat mich dieser Satz von diesem hohen Beamten verfolgt: „Beten, was soll es helfen?“ Ich sah hinter ihm den Chor der Männer, die sich gescheit vorkommen, wenn sie so einen Unsinn schwätzen: „Beten hat doch keinen Zweck.“
Dieses Wort hat mich verfolgt, und ich musste darüber nachdenken. Ich dachte, ich muss die Bibel mal fragen, was sie dazu sagt.
Wenn Beten keinen Zweck hat – biblische Perspektiven
Und ich habe festgestellt, dass es tatsächlich Fälle gibt, in denen Beten keinen Zweck hat. Ich sage Ihnen hier nicht meine eigenen Ideen, meine Freunde, denn dafür hätte es sich nicht gelohnt, dass Sie heute Abend zusammengekommen sind. Ich möchte Ihnen vielmehr sagen, was in der Bibel steht.
Dort steht ernsthaft, dass es Situationen gibt, in denen Beten keinen Zweck hat. Aber Sie müssen genau aufpassen, damit es keine Missverständnisse gibt. Es soll nicht morgen jemand durchs Land laufen und sagen: „Pastor Busch hat auch gesagt, Beten lohnt gar nicht.“ Ich sage: In der Bibel gibt es Fälle, in denen Beten keinen Zweck hat, und ich will Ihnen diese zwei Fälle nennen.
Der erste steht in Jesaja 1, Vers 18: So spricht der Herr, also zu dem man beten kann: „Ob ihr schon eure Hände ausbreitet und viel betet – früher hat man nicht so gebetet, sondern so, wissen Sie, mit ausgebreiteten Händen – ob ihr schon eure Hände ausbreitet und ob ihr schon viel betet, höre ich euch doch nicht! Denn eure Hände sind voll Blutschuld! Was hilft euch euer unreines Wesen? Ich höre euch nicht“, sagt Gott.
Da sagt Gott also: Beten hat keinen Zweck, solange du in einer klar erkannten Sünde verharrst. Ich muss es so sagen: Eines Tages kommt mein Sohn Heini vor mich und sagt: „Herr Pastor, Beten hat doch gar keinen Zweck.“ Da sage ich: „Du hast recht, Mensch! Solange du jeden kleinen Anlass als Freiwild ansiehst, solange hat Beten für dich keinen Zweck! Kehre erst von deinem bösen Wesen um, mach erst Schluss mit deinem Sündenleben!“
Es sitzen Menschen hier, die haben Streit mit der Schwiegertochter oder mit der Nachbarin, wegen der Küche, wegen dem Garten oder aus irgendeinem anderen Grund. Jetzt sollten sie mal aufstehen – ich tue es nicht, die keinen Krach haben. Da steht ganz wenig auf. Nun müssen sie mal nachdenken, dass in Gottes Augen Streit eine Sünde ist. Und wenn Sie mir sagen: „Ja, der andere ist aber schuld“, dann kann ich Ihnen erwidern: Es gibt nur Streit, bei dem der andere schuld ist. Haben Sie jemals einen Streit gesehen, bei dem der andere nicht schuld war? Es gibt nur Streit, bei dem der andere schuld ist.
Bei den Völkern ist es so: Wenn es Krieg gibt, hat immer der andere angefangen, nicht? Und so ist es auch in den Häusern. Meine Freunde, ob der andere schuld ist oder nicht – Streit ist Sünde in den Augen Gottes. Selig sind die Friedfertigen. Und solche können sich ihr Beten schenken, solange sie keinen Frieden machen wollen – um jeden Preis!
„Vergib uns unsere Schuld, wie wir vergeben unseren Schuldigern.“ Wenn sie den nicht vergeben wollen, dann beten sie ja jedes Mal: „Herr, vergib mir auch nicht.“ Es sind junge Menschen oder Alte hier in schmutzigen Bindungen, die ganz genau wissen, dass es Sünde ist. Dann können sie es mit dem Beten lassen.
Kehren Sie erst um von Ihrem bösen Weg! Oh, ich möchte Sie bitten: Wenn Sie wissen, Ihr Weg ist falsch, kehren Sie um! Jesus wartet auf Sie. Es ist schrecklich, wenn unser Beten zwecklos geworden ist. Wissen Sie, wenn der Herr sagen muss: „Ich höre euch nicht, eure Hände sind voll Schuld, schmutzig!“
Das ist der erste Fall, in dem Beten zwecklos ist. Den zweiten Fall will ich Ihnen auch noch nennen. Wenn ich Sie doch kenne, ist es ein Elend, dass Sie ihn nicht kennen, nicht?
Wenn die Gnadenzeit vorüber ist – das Ende des Betens
Haben Sie schon einmal die Geschichte von der Sintflut gehört? Kennen Sie sie? Diejenigen, die sie kennen, sagen ja, und die anderen schweigen still.
In der Bibel wird erzählt, dass Gott eines Tages sagte: „Ich will die Menschen vernichten, denn sie reagieren nicht mehr auf meinen Heiligen Geist.“ Das ist erschreckend, denn genau das ist das Kennzeichen unserer Zeit – dass die Menschen nicht mehr auf die Regungen des Geistes Gottes reagieren.
Da sagte Gott: „Jetzt mache ich Schluss, jetzt kommt eine Sintflut.“ Und dann kam diese schreckliche Flut. Ich möchte die Geschichte nicht ausführlich erzählen. Wenn Gott vernichten will, bricht es ihm fast das Herz. Dann beginnt er auf ganz wunderliche Weise zu handeln. So sagte er zu einem Mann namens Noah: „Noah, du bist gerecht. Baue dir schnell einen großen Kasten, damit du mit deiner Familie Zuflucht findest. Es kommt eine große Flut.“
Noah begann auf dem trockenen Land, ein riesiges Schiff zu bauen. Es war ein Schiff ohne Kiel – ein verrücktes Ding. Jeder Schiffsbauer hätte ihm gesagt: „So kann man nicht bauen.“ Aber Gott hatte es gesagt, und Noah baute.
Die Nachbarn kamen und fragten: „Was baust du da, Noah? Wenn es fertig ist?“ Noah antwortete: „Einen großen Kasten, der schwimmen soll.“ „Der soll hier auf dem trockenen Land schwimmen?“ Man kann sich vorstellen, wenn in Bückeburg jemand anfangen würde, ein riesiges Schiff mit drei Stockwerken zu bauen, würden die Leute sagen: „Der ist verrückt.“
Sie lachten und verspotteten Noah. Es gab Diskussionen, und sogar Gelehrte mischten sich ein. Sie sagten, es sei völlig unmöglich, dass es eine Sintflut geben könne. Wissenschaftlich hätten sie nachgewiesen, dass so etwas nicht passieren kann. Es gäbe keine Gerichte Gottes – genau wie heute.
Dann stieg Noah in den Kasten, und Gott schloss ihn zu. Es heißt, die Brunnen der Tiefe öffneten sich, und es fing an zu regnen. Aber Sie brauchen keine Angst zu haben, dass es dieses Jahr eine Sintflut gibt. Gott hat gesagt, dass es keine weitere geben wird. Man könnte fast meinen, es würde doch noch eine kommen, aber das wird nicht passieren.
Die Wasser steigen, und ich kann mir vorstellen, wie die Leute zuerst lächeln und sagen: „Man könnte ja meinen, Noah hätte Recht gehabt.“ Aber die Professoren haben ja wissenschaftlich nachgewiesen, dass so etwas gar nicht möglich ist. Doch dann steigen die Fluten. Gott kümmert sich nicht um die wissenschaftlichen Nachweise – sie landen im Dreck.
Dann ertrinken die Menschen. Panik bricht aus. Sie versuchen, sich in die Berge zu retten, aber alles hilft nichts mehr. Die Flut holt sie ein. Ich habe mir vorgestellt, wie auf einem letzten Berggipfel noch ein paar Menschen sind – die letzten Überlebenden. Dieser Gipfel wird zur Insel. Menschen, die über Gottes Wort gelacht haben, beten nun verzweifelt.
Sie frieren, es regnet unaufhörlich, und die Flut steigt weiter. Einer sagt: „Man könnte wirklich meinen, Noah hätte Recht gehabt. Gott lebt wirklich. Sein Gericht und Zorn sind Wirklichkeit!“ Ein anderer meint, fast verlegen: „Dann hilft nur noch eins – beten.“ Und so fangen die Leute an zu beten.
Damals hat man so gebetet: „Oh Herr, halte ein! Herr, halte ein! Barmherzigkeit, wir gehen unter!“ Doch es regnet weiter, und die Wasser steigen. Ich habe mir vorgestellt, wie die Menschen die Arme sinken lassen, die Fäuste ballen und sagen: „Wenn es Gott gäbe, wie kann er das alles zulassen?“
Haben Sie diesen Satz auch schon einmal gehört? Er stammt bestimmt aus der Zeit vor fünftausend Jahren. Er ist so alt, dass er einen Bart hat, der bis nach Bückeburg reicht. Wenn Sie jemanden treffen, der das wieder sagt: „Wenn es Gott gäbe, wie kann er das alles zulassen?“, dann grüßen Sie ihn von mir und sagen, er solle nicht über seinen Bart stolpern – so alt ist dieser Satz.
Er ist in fünftausend Jahren nicht klüger geworden, glauben Sie mir. Da sagen die Menschen: „Wenn es Gott gäbe, wie kann er das alles zulassen?“ Das Schreckliche ist, es regnet weiter. Die Menschen dürfen jetzt beten oder fluchen – Gott hört nicht mehr.
Sehen Sie, was Beten bei den Menschen der Sintflut oder von Sodom und Gomorra bewirkt hat, wird mir immer klarer. Man kann seine Gleichgültigkeit gegenüber Gott so weit treiben, dass man eine Grenze überschreitet, an der Gott nicht mehr will. Dort will man nicht mehr umkehren, will nicht mehr beten – und dann ist es zu spät.
Ich habe oft Sorge um mein deutsches Volk, ob nicht bald diese Grenze erreicht wird, an der Gott sagt: „Jetzt höre ich nicht mehr.“ Wenn Sie denken, ich wolle heute Abend eine Propagandarede fürs Beten halten, so möchte ich ernsthaft warnen. Wir dürfen unsere Gleichgültigkeit und Gottlosigkeit nicht so weit treiben, dass Gott die Türen zuschlägt.
Das Gebet, das Gott immer hört
Aber auch jetzt hören Sie mal gut zu. Sehen Sie, als ich vor einiger Zeit in Württemberg gesagt habe, dass Beten zwecklos werden kann bei Leuten, die die Gnadenzeit vorübergehen ließen, kam nachher ein alter schwäbischer Bruder zu mir und sagte: „Bruder Busch, es gibt ein Gebet, das hört Gott immer. Und das heißt: ‚Ich habe gesündigt, Herr, sei mir gnädig.‘“ Da habe ich gesagt: „Richtig, das Gebet hört Gott immer.“ Aber das Gebet fiel den Leuten bei der Sintflut nicht mehr ein. Versteht ihr?
Das ist Gottes Gericht: dass man schließlich an der Notbremse noch zieht, aber nicht mehr weiß, wie man richtig beten könnte.
Ich muss in dem Zusammenhang noch einmal die Geschichte erzählen, die ich oft erzählt habe. Einmal hatte jemand ein Buch geschrieben, in dem er berichtete, er habe geträumt, er wäre in der Hölle. Glauben Sie, dass es eine Hölle gibt? Ich glaube es. Und ich will Ihnen sagen, warum.
Sehen Sie, Gott zwingt sich niemandem auf. Wenn Sie ihm gegenüber gleichgültig bleiben wollen, dann dürfen Sie das. Wenn Sie seine Gebote übertreten wollen, dürfen Sie das. Wenn Sie sein Heil in Jesus verachten wollen, dürfen Sie das. Gott zwingt sich niemandem auf. Aber dann müssen Sie in Ewigkeit ohne Gott sein – und das ist die Hölle.
Jeder darf die Hölle wählen, wenn er will. Die Hölle ist der Ort, wo Gott nicht mehr hinschaut. Im Übrigen weiß ich nicht, wie sie genau ist. Aber eines ist mir klar: Menschen, denen Gott die Hand in Jesus hinstreckt und die sie verachten, dürfen in Ewigkeit ohne ihn bleiben. Er zwingt sich niemandem auf. Er will, dass allen geholfen werde, aber wer nicht will, braucht es nicht. Sie dürfen in die Hölle marschieren, wenn Sie wollen.
Da hat einer geträumt: Ich war in der Hölle. Da war eine düstere Steppe, ein schmutziger Fluss und ein grauer Himmel. Wissen Sie, wie er augenblicklich so ist? Nicht so richtig, ein bisschen trostlos. Und da sieht er Menschen, die sitzen regungslos da. Da legt ihm jemand die Hand auf die Schulter und sagt: „Was machst du hier eigentlich?“ Da sagt er: „Wir denken nach.“ „Ihr denkt nach? Worüber denkt ihr nach?“ – „Wir denken über einen Namen nach.“ „Über Namen denkt ihr nach? Was für Namen?“ – „Ja, den wissen wir nicht.“
Da sagt er: „Wie soll ich das verstehen, ihr denkt über Namen nach, die ihr wisst?“ Da sagt der Verfluchte: „Wir wissen, es gibt einen Namen, der ist so stark, wenn wir den anrufen könnten, dann würden wir aus der Hölle errettet. Aber der fällt uns nicht mehr ein. Das ist die Hölle.“
Wissen Sie den Namen? Wissen Sie den Namen? Der Name ist Jesus, Jesus. Und sehen Sie: Nicht nur in der Hölle fällt einem der Name nicht mehr ein, dass man zu Jesus geht und sagt: „Ich habe gesündigt, wasche mich mit deinem Blute.“ Sondern den Leuten bei der Sintflut und den Leuten in Sodom und Gomorra fiel das nicht mehr ein.
Und sehen Sie, da kann Beten zwecklos werden, wenn die Gnadenzeit vorüber ist, wenn der Heiland nicht mehr anklopft, wenn einem das richtige Gebet der Wahrhaftigkeit nicht mehr einfällt, wenn einem der Geist Gottes nicht mehr zum Gebet treibt – das ist dann zu spät.
Und sehen Sie, wenn wir vom Gebet also reden, ist das eine todernste Angelegenheit, verstehen Sie? Eine todernste Angelegenheit!
Wenn mir einer sagt: „Pastor Busch, Beten hat keinen Zweck“, dann sage ich: Wenn das wahr ist und für dich gilt, dann tut mir das im Grund der Seele leid. Dann bist du ein armer Mensch, für den es kein Heil mehr gibt. Gebe Gott, dass du dummes Zeug redest und jetzt nicht die Wahrheit gesagt hast.
Ihr versteht? Also die beiden Fälle musste ich erst nennen, wo Beten ernsthaft keinen Zweck hat: Erstens, wenn jemand in der Sünde bleiben will und nicht umkehren, keine Buße tun und sich nicht bekehren will. Da hat es keinen Zweck. Und zweitens, wenn es zu spät geworden ist, dass man Gott bloß noch anruft, wenn es gerade bis in den Hals geht.
Das eigentliche Problem: Viele können nicht mehr beten
Und nun muss ich einen Schritt weitergehen. Nachdem ich das Wichtige ausgeführt habe, muss ich jetzt davon sprechen. Meine Freunde, das Problem unserer Zeit ist nicht, ob Beten einen Zweck hat. Das Problem ist vielmehr, dass wir nicht mehr beten können.
Ich habe es einmal so ausgedrückt: Wenn ich in einer modernen Versammlung über das Gebet spreche, fühle ich mich manchmal wie jemand, der in einem Sanatorium für Beinamputierte über die Schönheit des Schlittschuhlaufens redet. Schlittschuhlaufen ist eine feine Sache, aber wer keine Beine mehr hat, kann es eben nicht. Es ist ziemlich sinnlos, mit jemandem über den Zweck des Gebets zu sprechen, solange dieser Mensch gar nicht mehr beten kann.
Das ist immer mehr mein Eindruck: Der Mensch von heute, auch viele sogenannte Christen, ja sogar gläubige Christen – bitte – ihr Gebet ist oft sehr, sehr elend. Wir können uns kaum noch konzentrieren. Unsere Gedanken schweifen auseinander wie Heuschrecken. Wenn man morgens aufsteht und das Radio einschaltet, fängt es schon an. Wie soll man da noch beten?
Sehen Sie, mich überkommt immer ein Schrecken, wenn man in einer Versammlung wie dieser sagt: „Jetzt wollen wir beten“, und dann machen alle so. Manchmal möchte ich dazwischenrufen und fragen: „Könnt ihr überhaupt beten?“ Dieses „So-machen“ ist noch nichts.
Aber was ist überhaupt Beten? Was bedeutet Beten? Beten ist das Gespräch des Herzens mit Gott. Das Gespräch des Herzens mit Gott.
Neulich, bei einem Hausbesuch in einer Familie, sagte die Frau: „Wie nett, Pastor, dass Sie kommen. Fritzchen, Karlienchen – so hießen die Kinder – kommt mal her! Wisst ihr, die können schon so schön beten. Herr Pastor, kommt mal her, betet dem Herrn Pastor mal was vor.“ Da bin ich aufgesprungen und habe gerufen: „Stopp, halt! Hören Sie auf mit der Lästerung, dem Pastor etwas vorzubeten!“ Nein, das geht nicht. Grauenvoll!
Verstehen Sie, so wenig Ahnung hat man davon, was Beten wirklich ist. Beten ist das Gespräch des Herzens mit Gott.
Wenn ihr Brautleute seid oder solche, die es werden wollen, was haben die sich zu erzählen? Da kommen sie gar nicht mehr auseinander. Und die Mutter sagt schon wieder: „Elf Uhr, was habt ihr euch zu erzählen?“ Und wenn ein Mensch Gott liebt, dann wird er gar nicht fertig mit dem Gespräch des Herzens mit Gott.
Das heißt Beten.
Das Beispiel Livingstone und die Sehnsucht nach echtem Gebet
Da sehen Sie, es gibt eine Geschichte, die mich immer ganz wehmütig macht. Kennen Sie den Namen des Entdeckers von Innerafrika? Dort, wo heute so viel Unruhe herrscht und Maschinengewehre knallen, war vor 60 Jahren noch unentdecktes Land. Einer der großen Entdecker Innerafrikas war der englische Forscher Livingston.
Es hat mich tief berührt, als ich vor einiger Zeit die Geschichte las, wie Livingston gestorben ist. Er war in Innerafrika mit einer schwarzen Trägerkolonne unterwegs, der einzige weiße Mann. Eines Morgens wollten sie aufbrechen, und die Schwarzen hatten bereits die Zelte abgebrochen – nur das Zelt des weißen Mannes stand noch. Sie warteten, denn morgens spricht er mit seinem Herrn, mit seinem himmlischen Herrn.
Doch es wurde lange still. Schließlich wurde der Anführer der Träger unruhig und hob den Zeltvorhang ein wenig an. Da sah er Livingston auf den Knien liegen. Er ließ den Vorhang wieder fallen. Als der Mittag vorüber war, wagten sie es, hineinzuschauen, und fanden ihn tot.
Dieser große Mann ist auf den Knien gestorben. Ich finde das wundervoll. Er sprach mit dem Herrn, und währenddessen ging er durch den Vorhang, um diesen Herrn von Angesicht zu Angesicht zu sehen. Wie Kierkegaard sagt, kann man ewig, ewiglich mit Jesus sprechen. So möchte ich eigentlich sterben. Das ist schön, nicht wahr? Im Gespräch mit dem Herrn hinüberzugehen in die Ewigkeit, wo man mit ihm weiterspricht.
Wenn ich so etwas lese, wird mir physisch schlecht. Wenn ich in Deutschland Männer und Frauen höre sagen: „Beten hat keinen Zweck“, dann denke ich an diesen großen, genialen Mann, der auf den Knien stirbt. Und die kleinen karierten Geister sagen: „Beten hat keinen Zweck.“ Junge, Junge, aber wer kann denn von uns überhaupt noch so beten? Wer kann denn so beten? Verstehen Sie, man wird wehmütig, wenn man so etwas hört.
Also, ich möchte Sie bitten: Prüfen Sie sich mal. Führen Sie ein Gebetsleben. Auch die gläubigen Christen – wie steht es denn mit ihrem Gebet? Trennt es sie, mit dem Herrn zu reden? Woran liegt es, dass wir nicht mehr beten können? Woran liegt das?
Man kann sagen: Wir haben so viel zu tun, das Radio, das Fernsehen und überhaupt der ganze Betrieb. Sehen Sie, ich wohne in einem Mietshaus, und über mir wohnt ein kleiner Junge. Ganz unten ist die Garage. Wenn ich meinen Wagen herausfahre, geht es immer so hup, weil es ein bisschen steil ist. Der kleine Junge macht sich manchmal einen Spaß daraus, mit herauszufahren. Das geht einem ganz schön auf den Magen, wissen Sie.
Neulich stand er auch da, da sagte ich: „Manni, willst du mit rausfahren?“ Er antwortete: „Da müssen Sie aber rasch machen, ich habe nicht viel Zeit.“ Fünf Jahre ist der, nicht wahr? Ja, wenn die Fünfjährigen schon keine Zeit mehr haben, was sollen dann die großen Leute sagen?
Man hat für alles Zeit – für Zeitungen, für Kino und für alles – aber zum Beten haben wir keine Zeit. Dazu braucht man nämlich Zeit. Ich meine, wenn eine Braut ihrem Bräutigam nur vorüberspringt und ihm gelegentlich ein Wort zuruft, wird der schließlich sagen: „Ja, komm, wir lösen uns auf.“ Das hat ja keinen Wert. Wir wollen mal vernünftig reden.
Die meisten Christen werfen dem lieben Gott nur eben morgens so einen kleinen, bestenfalls: „Hilf mir heute, Amen“, und dann geht es weiter. Liebe Freunde, zum Beten braucht man Zeit.
Warum können wir nicht mehr beten? Das ist jetzt das Nächste, was ich erklären muss. Ich glaube, es liegt vor allem daran, dass wir nicht mit der Gegenwart Gottes rechnen.
Die Gegenwart Gottes als Grundlage des Gebets
Ich habe Männer gekannt, die vom Krieg zurückkamen und sagten: „Ich habe den Glauben an Gott verloren.“
Ja, wenn sie jemals wirklich von Gott gewusst hätten, dann hätten sie doch nicht den Glauben daran verlieren können, oder? Das ist genauso, als würde jemand sagen: „Ich glaube nicht mehr, dass es Autos gibt, nur weil es Autounfälle gibt.“ Verstehen Sie? Wirklichkeit bleibt Wirklichkeit.
Wir wissen nicht mehr von der Wirklichkeit Gottes. Und jetzt muss ich eben fragen: Wo ist denn Gott? Wissen Sie, wir wissen nicht mehr, wo Gott ist. Und darum können wir nicht beten: Wo ist Gott?
Ich habe einmal erzählt, dass ich in der Ostzone, in der DDR, ein Gedicht in der Zeitung las, als der Sputnik abgeschossen worden war. In diesem Gedicht, das ich nicht mehr wörtlich, sondern nur vom Inhalt her wiedergeben kann, stand: „Wir haben Sputnik in den Himmel geschossen. Wenn da oben lieber Gott wäre, dann müsste er Sputnik getroffen haben und tot heruntergefallen sein. Da aber kein toter lieber Gott heruntergefallen ist, war er gar nicht da.“ So stand es in der Zeitung.
Am Abend einer großen Versammlung in Leipzig habe ich gesagt: Das ist ein kolossaler Unsinn! Gott ist nicht bloß da oben, wo das Boot nichts aussieht. Das ist eine dumme Vorstellung, dass Gott im Himmel, ganz fern, dort ist, wo die Engel sind. Sehen Sie, als ich ein Kind war und das Lied „Im Himmel ferne“ gelernt habe, da bin ich mutlos geworden. Ich habe gesagt: Dann hat es keinen Wert, dass ich bete. Denn so laut kann ich gar nicht schreien, dass er mich hört. Wenn Gott hinterm Mond ist oder hinterm Sirius oder irgendwo hoch oben, so laut kann ich nicht schreien, dass er mich hört.
Und sehen Sie, wir wissen nicht, wo Gott ist. In der Bibel steht nicht, dass Gott irgendwo achtzig Meilen da oben sitzt. Das steht nicht in der Bibel.
Wissen Sie, was in der Bibel steht? In der Bibel steht: „Fürwahr, er ist nicht ferne von einem jeden unter uns. Er ist neben uns. Von allen Seiten umgibst du mich und hältst deine Hand über mir.“ Gott ist nicht in der Ferne, er ist da.
Die moderne Atomphysik hilft uns zu verstehen, dass es Dimensionen gibt. Wir leben in einer dreidimensionalen Welt. Und sehen Sie, wo Sputnik ist – auch noch in einer dreidimensionalen Welt. Gott ist in einer anderen Dimension. Eine Handbreit neben Ihnen!
Gott ist eine Handbreit neben Ihnen! Und Sie können laufen, wohin Sie wollen, er ist eine Handbreit neben Ihnen! Gott ist hier! Gott war neben Ihnen, als Sie gesündigt haben! Gott schaut zu in Ihrem gleichgültigen Leben! Gott ist ganz nah, und darum können wir beten.
Verstehen Sie? Darum kann ich mich einschließen und beten. Ja, liebe Freunde, Gott ist noch näher gekommen. Er ist ganz nah, aber ich sehe ihn nicht. Und da ist Gott noch näher gekommen: Er hat diese Mauer durchbrochen und kam zu uns in Jesus.
In Jesus ist Gott ganz, ganz nah. Kennen Sie Jesus? Seit ich Jesus kenne, habe ich Mut zum Beten.
Jesus als Türöffner zum Gebet
Oh, ich möchte Ihnen nun von Jesus erzählen. Wir haben noch mehrere Arten, aber heute erzähle ich Ihnen diese wundervolle Geschichte, als einmal ein Aussätziger zu Jesus kam. Aussätzige sind so arme Menschen, die bei lebendigem Leib verwesen. Dieser Mann wirft sich vor Jesu Füßen nieder, und alle anderen laufen weg. Doch Jesus geht zu ihm und legt die Hand auf ihn. Keiner riskiert es, ihn anzurühren – das ist Jesus.
Jesus ist der, der am Kreuz hängt – o Haupt voll Blut und Wunden –, der mit den durchnagelten Händen für unsere Schuld bezahlt hat. Und Jesus ist der, der herrlich auferstanden ist und hier ist. Er hat gesagt: „Ich bin bei euch alle Tage.“ Aber meine Freunde, es ist so schwer, den Herrn Jesus zu vergessen.
Weil Gott durch Jesus uns so nahe gekommen ist, kann man beten. Das müssen Sie wieder lernen: Wenn Sie morgens aufwachen, denken Sie daran, er ist da. Er starb für uns durch Nägel in den Händen. Ach, geben Sie ihm doch Ihr Leben und werden Sie ein Beter! Das ist so schön, kann ich Ihnen sagen.
Jetzt muss ich noch etwas Entscheidendes sagen: Wie kommt man dazu, dass man beten lernt? Können Sie noch ein bisschen zuhören, oder sind Sie müde? Ich habe so das Gefühl, es ist alles grässlich müde jetzt, ja? Schlafen Sie mir nicht ein, bitte nicht! Sehen Sie, ich habe jetzt noch etwas so Wichtiges zu sagen, dass ich gut getan hätte, damit anzufangen.
Ich will immer versuchen zu erklären, was mit dem Beten los ist. Wer fängt beim Beten an – ich oder der Herr Jesus? Er fängt an. Und das wichtigste Wort, wenn man beten lernen will, ist das Wort Jesus. „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wenn jemand meine Stimme hört und die Tür öffnet, zu dem werde ich eingehen.“
Jetzt stellen Sie sich vor, Sie sind in Ihrem Leben eingeschlossen. Sie haben Ihre Probleme, Ihre Nöte, Ihre Sünden – all das ist in Ihrem Leben eingeschlossen. Draußen klopft Jesus an. Wenn Sie jetzt Jesus nicht auftun, müssen Sie eben mit Ihrem Problem alleine fertig werden. Und das wird immer schwieriger.
Wenn man mal so ein alter Kracher ist wie ich, dann ist es sehr schwer, mit so vielen Problemen fertigzuwerden und so viel Schuld zu tragen. Und da sagt Jesus: „Ich stehe vor der Tür und klopfe an.“ Wissen Sie, beten heißt, ich mache ihm auf und sage: Herr Jesus, sieh mal meine Probleme, sieh mal meine Sünden, sieh mal meine Ketten! Und in dem Augenblick kommt er herein.
In dem Moment, wo ich bete, tue ich Jesus die Tür auf, damit er in mein Leben kommt. Dann kommt die göttliche Allmacht in Verbindung mit meinen Nöten, meinen Sünden, meinen Problemen. Verstehen Sie? Solange Sie nicht beten, wursteln Sie alleine! Er steht und klopft an, aber er bricht nicht ein.
Beten heißt, ich sage: Herr Jesus, komm! Ich möchte glauben, habe aber so viele Zweifel. Jetzt kommt er herein und nimmt meine dummen Zweifel in die Hand und gibt mir Licht. Da sage ich: Herr Jesus, komm! Sieh mal, ich habe Ketten der Sünde, ich komme da nicht los, Herr Jesus! Sieh mal meine schändlichen Sündenketten! Dann kommt er herein, und die Allmacht nimmt die Sache in die Hand, um die Ketten zu zerreißen.
Du sagst: Herr Jesus, ich habe so viel Schuld. Wissen Sie, was Schuld ist? Das, was man selber nicht mehr gutmachen kann. Mir wurde das in einem kleinen Erlebnis meines Lebens klar, was Schuld bedeutet.
Ich hatte einen wundervollen Vater, und wir hatten ein herrliches Verhältnis. Als ich Student war, war ich mal zu Hause im Urlaub und saß im zweiten Stock in meinem Zimmer. Da rief er von unten mit seiner starken Stimme: „Wilhelm, so heiß ich leider, kann man da fühlen?“ Ja, Wilhelm, da beugte ich mich übers Treppengeländer und fragte: „Was gibt’s?“ Da sagte er: „Ich muss in die Stadt gehen, kannst du mich nicht begleiten?“ Ich sagte: „Ach, ich bin gerade noch wissenschaftlich in Arbeit, Papa, entschuldige, das geht jetzt schlecht.“ Ja, na gut, und dann ging er.
Vierzehn Tage später war er in der Ewigkeit, er war tot. Ich sage das nicht gern. Er war im Leben ein gläubiger Christ, nicht wahr? Und da habe ich die Nacht an seinem Sarg gewacht. Da fiel mir ein: Vater, vor vierzehn Tagen hast du mich gebeten, dich zu begleiten, und ich bin nicht mitgegangen. Vater, sagte ich, der Sarg war offen. Wenn du mich jetzt bittest, dich zehn Kilometer zu begleiten, ich gehe mit. Da blieb der Mund stumm.
Da wurde mir klar: Das kann ich nie mehr gutmachen. Verstehen Sie, das ist Schuld. Sie können ein schmutziges Wort sagen, dass Sie ein Mädchen nicht wieder zurückrufen. Schuld ist, dass wir es nicht wieder gutmachen können.
Was heißt jetzt beten? Er klopft an, und dieser Herr Jesus sagt: Da liegt eine Schuld, die ich nicht gutmachen kann. Dann sagt er: „Ich will sie in das Meer der Tiefe werfen.“ Haben Sie verstanden? Jesus klopft bei Ihnen allen an. Warum lassen Sie ihn draußen stehen? Warum wursteln Sie alleine?
Gehen Sie auf Ihre Knie, reden Sie mit Jesus in der Stille und sagen Sie: Herr Jesus, komm rein! All die Dinge, die ich keinem Menschen sagen kann, die lege ich dir hin. Das heißt beten. Und dann kommt durch Ihr Gebet Jesus in Ihr Leben. Die Allmacht verbindet sich mit unserer Schwachheit, und alles wird neu und herrlich.
Die Zeit ist abgelaufen. Ich wünsche Ihnen, dass Sie beten lernen. Es gibt ein Bibelwort, das heißt: „Ich will ausgießen den Geist der Gnade und des Gebetes.“ Wenn er das tut, dann gibt es lauter Beter. Darum möchte ich ihn bitten: Ich will ausgießen den Geist der Gnade und des Gebetes.
Herr, du klopfst bei uns an, und dafür danken wir dir. Vergib uns, dass wir dauernd versuchen, allein mit unseren Dingen fertigzuwerden. Herr Jesus, hilf uns, im Gebet die Tür unseres Lebens zu öffnen und dich einzulassen. Mach dein Wort wahr: Ich will ausgießen den Geist der Gnade und des Gebetes.
O Herr, gib viel Licht in die Herzen, auch durch diese Versammlungen. Rede du selbst mit den Seelen. Nun stellen wir uns unter deine segnenden Hände. Herr, segne uns und behüte uns. Lass dein Angesicht über uns leuchten und sei uns gnädig. Erhebe dein Angesicht auf uns und gib uns Frieden! Amen.