Herzlich willkommen zu unserem Wortreich-Podcast. Ich bin Jojo, und ich bin Markus. Gemeinsam sprechen wir über christliche Themen, die uns beide bewegen und hoffentlich auch dich interessieren.
Viel Freude bei der heutigen Folge!
Jojo, heute gibt es den zweiten Teil zum Thema Vergebung. Letzte Woche haben wir mit einem Gleichnis begonnen, das von dem unbarmherzigen Diener oder Knecht handelt.
In der heutigen Folge haben wir auch noch einmal gebetet, weil wir gemerkt haben, dass dieses Thema für manche Zuhörer sehr persönlich sein kann. Wir wissen nicht, in welcher Situation du dich gerade befindest, wenn du jetzt zuhörst. Ich kann aber schon sagen, dass das Thema Vergebung kein leichtes ist, vor allem dann nicht, wenn du Schmerz erfahren hast durch das, was andere dir angetan haben.
Manchmal ziehen sich solche Erfahrungen über eine lange Zeit hin, vielleicht sogar über Jahre. Wir kennen ja nicht die Geschichten von jedem einzelnen Zuhörer. Es hängt immer sehr davon ab, was du tatsächlich erlitten hast. Das Thema Vergebung geht also weit über Situationen hinaus, in denen dich jemand einfach nur „Blödmann“ genannt hat und du ihm dafür vergeben sollst. Es ist wirklich ein schwieriges Thema.
Es ist vor allem auch ein seelsorgerliches Thema, das jeden von uns betrifft. Das muss man ganz klar sagen. Wenn du denkst, dass es dich nicht betrifft, dann schau dir einmal an, was Jesus dazu gesagt hat und warum er so viel darüber gesprochen hat.
Vielleicht sind bei dir noch keine schlimmen Dinge passiert, und das ist gut so. Im besten Fall passiert es sogar, dass dich jemand um Verzeihung bittet. Das ist sehr schön.
Und ja, Gott sei Dank konnten wir nun häufig auch Menschen Vergebung zusprechen, indem wir sagen: „Ich vergebe dir.“
Aber es gibt eben noch zwei andere Fälle.
Entweder bittet dich die Person um Entschuldigung, doch du hast das Gefühl, dass du ihr einfach nicht vergeben kannst. Das liegt daran, dass es für dich so schlimm war und du aus irgendeinem Grund nicht vergeben willst. Darüber wollen wir gleich sprechen.
Der dritte Fall ist noch krasser: Die Person bittet nicht mehr um Vergebung, weil sie denkt, sie habe nichts falsch gemacht. Oder sie sagt: „So etwas geschieht dir recht.“ Und du leidest, musst damit umgehen. Das ist dann quasi wie eine zusätzliche Bestrafung. Die Person sieht es nicht ein und verschärft die Situation noch zusätzlich.
Ein Konflikt kann also diese Komponente der Verschärfung haben. Wie wir im Gleichnis letzte Woche gehört haben, kann ein solcher Konflikt in der Familie liegen, in der Gemeinde oder einfach so natürlich passieren.
Das ist also ein sehr seelsorgerliches Thema, das wir hier haben.
Wenn du die Folge der letzten Woche gehört hast, in der es um ein Gleichnis ging, in dem Jesus ganz deutlich zur Vergebung auffordert, dann hat er dort sehr harte Worte gewählt. Ich denke, das macht er, weil unsere Herzen oft so hart sind. Wir wollen Menschen nicht vergeben, weil wir daran festhalten wollen. Jesus wählt hier ganz, ganz deutliche Worte.
Es ist eben, wie gesagt, ein seelsorgerlicher Fall. Deshalb gibt es auch die Momente, in denen Jesus freundlich und barmherzig ist. Er lädt uns ein, anderen zu vergeben.
Aber wenn wir nicht vergeben, wenn wir verhärtet sind oder die Vergebung Gottes nicht dankbar annehmen, und denken, wir hätten ein Recht darauf, in dieser Situation zu verharren, dann ist etwas in unserem Herzen falsch. Dafür wählt Jesus sehr harte Worte.
Je nachdem, in welchem Fall wir gerade sind und womit wir zu kämpfen haben, versuchen wir auch, barmherzig zu sein und barmherzig zu reden. Aber an manchen Stellen müssen wir durchaus deutlich werden.
Ich glaube, das ist der Unterschied. Du sagst gerade „harte Worte“, aber manchmal ist es einfach nur die Wahrheit. Jesus sagt einfach, was passieren wird, so wie es als Folge bei dem bösen Knecht im Gleichnis war, wenn wir nicht vergeben, obwohl wir dazu aufgerufen sind.
Das wird Folgen für uns haben. Letztlich sind wir diejenigen, die mit dieser Situation der Unversöhnlichkeit weiterleben müssen.
Jesus nimmt dabei kein Blatt vor den Mund, wenn es darum geht, was Unversöhnlichkeit bedeutet. Das heißt nicht, dass es ihn nicht auch schmerzt und dass er nicht da ist, um zu helfen. Aber der Aufruf ist klar: Wir sollen uns versöhnen.
Vielleicht gehen wir noch einmal darauf ein: Wie sieht es eigentlich aus, wenn eine Person nicht vergibt? Was passiert innerlich in dieser Person?
In der letzten Folge haben wir schon das Thema Bitterkeit angesprochen. Die Person verharrt darin, sie verbittert. Man kennt das vielleicht, oder ich kenne einige Leute, bei denen ich sagen würde: „Boah, total verbittert.“ Oft denkt man dabei an die verbitterte alte Oma oder so. Aber ich habe auch junge Menschen kennengelernt, die total verbittert waren.
Man kann das schwer in Worte fassen, aber man merkt diese Bitterkeit in ihrer Art zu reden und wie sie mit Situationen umgehen. Manchmal passt das gar nicht zu ihrem eigentlichen Charakter. Sie sind vielleicht sonst leicht und fröhlich, aber plötzlich kommt eine Härte in den Tonfall oder in ihr Verhalten.
Ich stelle mir das tatsächlich vor wie eine Last, die die Person mit sich herumträgt. Oder wie eine Kette, an der etwas gebunden ist und festgefahren, die man nicht loswird. Die Folge ist, dass man selbst nicht loskommt und dass es einen belastet.
Manchmal möchte man das, je nachdem wie schlimm das Leid ist, was man erfahren hat, erst einmal wegschieben. Man vergräbt es tief in sich, in seinem Herzen, sodass es bloß nie wieder herauskommt. Man will nicht mehr darüber sprechen und gar nicht mehr daran denken. Das ist natürlich zunächst eine Form der Traumaerfahrung.
Aber das Problem ist: So ist unser Herz angelegt. Gott sei Dank, aber leider auch so. Die Dinge gehen nicht einfach weg. Durch das Vergraben, das Wegdrücken oder das Verdrängen sind sie immer noch da. Irgendwann wollen oder werden sie wieder herauskommen.
Das Krasse ist, dass sie auf ganz merkwürdige Weise wieder herauskommen. Manchmal unkontrolliert durch uns. Es wird etwas getriggert, durch irgendeine Sache, die man erlebt. Oder weil mich zum Beispiel eine Person ähnlich behandelt. Das kann vielleicht mein Partner sein oder jemand anderes.
Plötzlich werde ich richtig aggressiv gegen diese Person, obwohl sie eigentlich gar nichts gemacht hat. Dann merke ich: „Okay, da kommt etwas wieder hervor, was vielleicht jemand früher einmal mir angetan hat.“
Also was tatsächlich passiert, wenn wir unversöhnlich sind: Wir werden ein bisschen zur tickenden Zeitbombe. Entweder schleppen wir dieses Päckchen mit uns herum oder wir denken, wir hätten es vergessen und wegdrücken können. Aber letztlich sind wir unkontrollierbar, weil diese Dinge irgendwann wieder hervorkommen und richtig Ärger bereiten.
Manche Personen sind wie ein Minenfeld. Du fühlst dich, als würdest du da laufen und hast keine Ahnung, wo eine Mine liegt – und dann explodiert sie. So ist das auch mit Menschen: Du hast gerade etwas ganz Normales gesagt, und plötzlich rastet die Person aus oder wird total traurig. Das ist überhaupt nicht verhältnismäßig.
Dann suchst du erst einmal die Schuld bei dir selbst: „Habe ich jetzt etwas völlig Falsches gesagt? War ich zu hart?“ Die Person spiegelt dir das auch: „Ja, du warst zu hart“ oder „Du hast etwas falsch gesagt.“ Aber in Wirklichkeit reagiert die Person vielleicht auf eine Situation aus der Vergangenheit.
Du bist dann so etwas wie ein Phantom oder ein Spiegel. Man nennt das Übertragung in der Psychologie. Wir sind alle allein, aber wir haben uns schon damit beschäftigt. Genau das passiert: Man bekommt selbst etwas ab, was eigentlich jemand anders abkriegen sollte.
Diese Person ist letztlich nicht frei. Es ist dann wiederum schwer für dich, weil du etwas abbekommst. Aber eigentlich muss einem diese Person leidtun, denn sie ist nicht frei davon, so auf Menschen zu reagieren und weiterhin Beziehungen zu pflegen, wie sie es vielleicht selbst gerne wollte.
Weil sie einfach nicht frei ist.
Ich habe neulich ein Wort gehört: In einer Vorlesung sagte der Dozent, „nachtragend“ ist im wahrsten Sinne des Wortes „nach tragend“. Du trägst der Person die Sache hinterher. Das fand ich in Bezug auf Vergebung spannend.
Denn du bist die Person, die es trägt, die es immer noch hat. Die andere Person, die dich verletzt hat, hat das vielleicht gar nicht bemerkt oder, je nachdem, vielleicht schon. Aber sie beschäftigt sich nicht mehr damit.
Du bist die Person, die wirklich damit zu kämpfen hat, wenn du daran festhältst.
Wir haben also gesehen, das sind die Konsequenzen, wenn wir unversöhnt weiterleben.
Trotzdem stellt sich jetzt die Frage: Was ist eigentlich Vergebung, und wie funktioniert Vergebung ganz praktisch?
Ich glaube, es gibt viele Mythen in diese Richtung. Oft sehen wir Vergebung als ein Gefühl. Wir denken dann: „Ich fühle mich noch nicht so, als könnte ich der Person vergeben.“ Wir warten darauf, dass in uns innerlich der Ärger, oft verbunden mit Rachegedanken, vergeht. Wir hoffen, dass Frieden einkehrt und wir dann vergeben können.
Das Problem dabei ist, dass wir die Frucht ernten wollen, ohne vorher den Samen gesät zu haben. Es ist eigentlich genau umgekehrt: Durch die Vergebung entsteht erst das Gefühl, auf das wir so sehr warten.
Das ist, glaube ich, einer der wichtigen Mythen, die korrigiert werden müssen: Vergebung ist kein Gefühl, sondern eine bewusste Entscheidung. Das zeigt sich daran, dass Jesus uns auffordert zu vergeben. Er macht auch ganz klar, was Vergebung bedeutet.
Wir können vergeben. Warum? Weil Jesus es von uns fordert. Wir sind dazu aufgerufen, und es hat Konsequenzen, wenn wir das nicht tun. Vergebung ist nicht an eine bestimmte Zeit gebunden, in der sich das Gefühl irgendwann von selbst einstellt. Vielmehr ist es einfach eine Entscheidung.
Ja, das stimmt. Eine Sache fällt mir noch ein, die man am Anfang sagen sollte, nämlich den Unterschied zwischen Versöhnung und Vergebung.
Wenn von Versöhnung die Rede ist, meint man im besten Fall tatsächlich, dass sich Brüder oder zwei Menschen wieder versöhnen. Sie sprechen sich gegenseitig zu, dass alles wieder gut ist – im besten Fall sogar noch besser als zuvor. Das ist natürlich das Ideal, aber es ist nicht immer möglich.
Es kann sein, dass die andere Person, wie wir vorhin schon gesagt haben, gar kein Interesse daran hat und überhaupt nicht sieht, dass es ein Problem gibt. Dann stellt sich die Frage: Was kannst du tun?
Das Gute ist, du kannst etwas tun. Du wirst möglicherweise nicht erzwingen können, dass die andere Person wieder ganz mit dir versöhnt ist. Aber darum geht es hier bei der Vergebung. Du kannst etwas machen, damit du nicht mehr nachtragend bist. Du kannst dieser Person vergeben – und sie muss dabei nicht einmal anwesend sein.
Es gibt bestimmt auch eine Komponente, bei der es darum geht, der Person etwas zu kommunizieren oder ihr eine Botschaft weiterzugeben. Aber zunächst geht es bei der Vergebung um dich selbst und um deine Beziehung zu Gott. Kannst du diesem Menschen vergeben? Ob die Person das auch so sieht oder nicht, ist eine ganz andere Frage.
Genau, und weil mir das so noch nicht bewusst war, finde ich es voll cool, erstmal den Unterschied zwischen Versöhnung und Vergebung zu kennen. Du kannst vergeben, und das ist vielleicht ganz wichtig bei der Frage: Wie mache ich das praktisch? Wie gehe ich da voran?
Vergeben kann sehr spannend sein, besonders wenn es um den Punkt der Vergebung als bewusste Entscheidung geht. Ich überlege gerade, wie ich das am besten erkläre. In meiner Seelsorge mache ich oft folgendes mit Menschen: Sehr häufig, fast immer, merkt man, dass es einen Punkt in der Vergangenheit gibt, an dem jemand verletzt wurde. Und wir reagieren eigentlich immer mit Sünde auf Sünde.
Es ist so: Da ist etwas passiert, das mir angetan wurde, und ich bin Opfer. Aber oft reagiere ich in meinem Herzen auf eine Weise, die meine Haltung gegenüber dem Täter beeinflusst. Man muss dabei aufpassen, nicht vom Opfer zum Täter zu werden. Das ist ein schwieriges Thema. Dennoch kann ich mich versündigen, je nachdem, wie ich mit solchen Dingen umgehe.
Deshalb fordere ich in der Seelsorge oft auf, sich Zeit zu nehmen. Manchmal ist mir schon etwas aufgefallen, und ich spreche die Personen darauf an. Wenn es dann um den konkreten Schritt geht, in der Situation zu vergeben, wollen viele oft Ausflüchte finden. Sie sagen dann zum Beispiel: „Herr, ich will vergeben“ oder „Herr, hilf mir zu vergeben.“
Die Sache ist die: Wenn Vergebung eine Entscheidung ist, dann kannst du auch einfach sagen: „Herr, ich vergebe.“ Das ist ein feiner Unterschied. „Ich will vergeben“ oder „Hilf mir zu vergeben“ ist etwas anderes, als sich klar zu entscheiden und die Kette loszumachen, indem man sagt: „Herr, ich vergebe. Ich lasse das jetzt los.“
Das fällt vielen Menschen schwer. Sie können leicht sagen: „Herr, hilf mir zu vergeben.“ Aber die Entscheidung im Herzen zu treffen und zu sagen „Ich vergebe“ ist oft schwierig auszusprechen. Wenn das aber passiert, merkt man eine große Anspannung, die dann aber nachlässt.
Eine Sache ist mir auch schon in der Seelsorge aufgefallen: Manche Menschen denken, sie hätten schon vergeben, fühlen aber nicht die Freiheit, die sie sich erhofft hatten. Manchmal liegt das daran, dass nicht die ganze Tiefe der Tat oder der Verletzung ihnen wirklich klar war.
Wir wünschen uns natürlich einfach, dass der Schmerz vorbei ist und dass wir Freiheit erleben. Dann sagen wir oft: „Ja, das vergebe ich der Person.“ Das ist schwierig. Ich kann nicht pauschal sagen, wie Vergebung genau funktioniert oder wann sie wirklich geschehen ist. Aber häufig liegt es daran, dass wir eigentlich sagen wollen: „Herr, mach, dass der Schmerz weggeht.“
Ich glaube, das Schwierige daran ist, sich wirklich klarzumachen, was passiert ist. Wer hat mir tatsächlich was angetan? Und was bedeutete das letztlich für mich? Das muss man sich eingestehen. Manchmal auch klären, was Schuld war und was nicht.
Oft braucht man dafür einen Seelsorger, weil man allein schwer durchblickt. Besonders wenn es etwas Manipulatives war, wenn man in einer schwächeren Position war – vielleicht als Kind oder weil man von der Person abhängig war. Manchmal ist die eigene Weltsicht dadurch verzerrt. Da kann jemand helfen, zu verstehen, was wirklich passiert ist, in welcher Tiefe und welche Auswirkungen das auf das eigene Leben hatte.
Das ist wichtig, denn es ist schlimm, wenn man merkt: Da ist wirklich etwas kaputtgegangen, und ich trage das immer noch mit mir. Man muss sich das eingestehen.
Ein Satz, den ich sehr bewegend fand, lautet ungefähr so: „Vergebung ist das Eingeständnis, mit den Folgen der Sünde anderer zu leben.“
Das ist ein guter Satz. Mit den Folgen muss man so oder so leben. Die Frage ist, ob ich mein Einverständnis gebe, mit den Folgen zu leben, was das in meinem Leben angerichtet hat. Das ist hart, denn man will das eigentlich nicht. Aber man lebt so oder so damit. Die Frage ist, ob man das in einer verbitterten oder in einer geheilten Art tut.
Das fand ich einen richtig guten Satz.
Was ich aus der Seelsorge auch sagen kann: Wenn einem klar wird, wie tief die Verletzung tatsächlich geht und wie stark die Folgen sind, dann kann es sein, dass man das nie mehr ungeschehen machen kann. Es hat vielleicht Vertrauensverlust verursacht oder andere Dinge zerstört.
Es kann auch passieren, dass neue Wut aufsteigt – zum Beispiel Wut auf Gott. Warum hat er das zugelassen? Ich war doch damals nur ein Kind. Ich konnte nichts dafür. Jetzt ist es nicht mehr möglich, und ich bin doch eigentlich unschuldig.
Diese Wut auf Gott ist eine neue Herausforderung. Das ist ein schwieriges theologisches Thema. Muss ich Gott vergeben? Ich glaube nicht. Aber es führt manchmal in ein neues Dilemma, weil man denkt: Ich vergebe dieser Person, aber jetzt werde ich wütend auf Gott.
Ob das jemand schon erlebt hat? Ich kann mir gut vorstellen, dass das bei manchen so ist. In meiner Seelsorge oder meinem eigenen Leben habe ich das so noch nicht erlebt, dass nach der Vergebung einer Person Wut auf Gott kommt.
Ich glaube, das geschieht nicht unbedingt nach der Vergebung. Es ist eher ein Prozess, in dem einem klar wird, was passiert ist. Manche Menschen sind davon überwältigt. Dabei stellen sie sich die Frage: Warum hat Gott das zugelassen?
Diese Frage muss beantwortet werden, wenn es möglich ist. Ich finde es auch gut, im Gebet Jesus zu fragen: „Wo warst du da?“ Oder sich zu fragen: Welche Lüge habe ich angefangen zu glauben, und welche Wahrheit spricht dem entgegen?
Man muss Jesus wirklich fragen: „Wo warst du da?“ Und sich dann wieder Gott unterordnen. Man nimmt diese Situation aus seiner Hand.
Dabei hilft uns die Bibel mit ihren Geschichten. Ich denke an alttestamentliche Beispiele, die wir aus dem Kindergottesdienst kennen, zum Beispiel Josef.
Überlege, was Josef erleiden musste: Seine Brüder warfen ihn in eine Zisterne, damit er stirbt. Weil sie ihn nicht sterben lassen konnten, verkauften sie ihn als Sklaven. Man kann sich vorstellen, wie wütend Josef auf seine Brüder gewesen sein muss.
Dann arbeitete er sich bei Potiphar hoch, wurde aber völlig unschuldig ins Gefängnis geworfen. Später wurde er vergessen. Josef hätte auch wütend auf Gott sein können, tat es aber nicht.
Am Ende sah er, dass Gott in allem seine Hände im Spiel hatte und alles einen Sinn, ein größeres Bild, ergab. Josef hat das selbst in seinem Leben erkannt.
Wir werden das vielleicht nicht immer sehen, was das große Bild in unserem Leben ist. Vielleicht schreibt Gott eine viel größere Geschichte oder will etwas ganz anderes erreichen. Wir spielen vielleicht nur eine Nebenrolle darin. Gott hat einen großen Plan.
Wir begreifen nicht immer, warum das alles so ist. Aber wir wissen, dass Gott aus Leid etwas Gutes machen kann. Das tröstet mich in solchen Momenten.
Ja, was ich spannend finde, ist, dass Verletzungen oft zu allerlei Reaktionen führen. Wir reagieren häufig mit Sünde auf Sünde. Schlechte Verhaltensmuster, die wir haben, hängen sehr oft mit Dingen aus der Vergangenheit zusammen.
Ich denke da an einen heftigen Seelsorgefall mit einer Person, die sich ritzt und immer wieder Phasen von Magersucht durchlebt. Das fand ich einfach sehr spannend. Mit dieser Person bin ich ins Gespräch gekommen. Dabei stellte sich heraus, dass sie sehr die Aufmerksamkeit ihres Vaters vermisst.
Letztendlich waren all diese Symptome – das Ritzen und die Magersucht – Hilferufe: "Mein Vater, beachte mich doch!" Erst als die Person ihrem Vater wirklich vergeben hat, hörten diese Symptome auf. Das war so schön zu sehen, wie ein Schritt der Vergebung Menschen vollkommen verändern kann.
Genau, das ist einfach beeindruckend. Man sieht, wie Dinge oft zusammenhängen und wie viel durch den Vergebungsprozess ausgelöst wird. Man muss auch sagen, dass Vergebung keine leichte Sache ist. Sie geht tief und stößt manchmal etwas an.
Wie bei einem Domino-Spiel kippen plötzlich die Steine, und es kommt etwas ins Rollen. Wenn du oder ihr als Zuhörer damit involviert seid, ist das wichtig zu wissen: Vergebung kann viel bewirken, aber sie erfordert Mut und Offenheit.
Ganz praktisch: Du hattest ja gesagt, Vergebung ist eine Entscheidung. Kann man den Zuhörern auf diesem Weg noch andere Hilfen oder Schritte mitgeben?
Im allerbesten Fall habt ihr natürlich einen Seelsorger in der Gemeinde. Aber in den wenigsten Gemeinden gibt es wirklich Seelsorge, die biblisch ist und auch tief geht. Oft sind sie entweder biblisch, aber nicht personennah – also in gewisser Weise „komisch biblisch“. Ich hoffe, ihr versteht, was ich damit meine. Die richtigen Prinzipien werden vermittelt, aber nicht in einer totalen Härte oder so. Wenn es wirklich biblisch ist, dann ist es natürlich auch sanftmütig und geht auf die Person ein.
Oder es ist halt total psychologisch. Letztendlich ist der Kampf oft ein Ringen zwischen Lüge und Wahrheit.
Was gibt es jetzt noch für Schritte, die man gehen kann? Genau: Seelsorger suchen. Wenn man jemanden in der Gemeinde hat, von dem man weiß, dass er das kann, dann kann man das sehr empfehlen. Natürlich braucht man nicht immer einen Seelsorger. Aber wenn ich das Gefühl habe, dass ich der Person nicht vergeben kann, dann bin ich schon an einem Punkt, an dem mir vielleicht ein Seelsorger helfen könnte – besonders bei größeren Dingen.
Bei kleineren Dingen kann man sich einen Bruder oder eine Schwester suchen. Betet füreinander, bekennt einander die Dinge, die schwierig sind, oder sprecht die Vergebung vor jemandem aus. Sag, womit du zu kämpfen hast. Vielleicht kommen auch Leute auf dich zu, und du kannst sie darauf hinweisen: „Hey, ich glaube, du musst der Person noch vergeben.“
Und letztendlich geht es natürlich auch alleine. Was ich gerne in meiner Seelsorge mache, und was jeder machen kann, ist: einfach ein leeres Blatt Papier vor sich hinlegen und dann beten. Ich selbst habe das auch alleine gemacht und gebetet: „Herr, bitte zeige mir all die Situationen und Personen, denen ich noch vergeben muss.“
Jetzt denkst du vielleicht: „Herr, beim ganzen Blatt Papier schreibe ich vielleicht drei Namen auf.“ Warte mal ab! Wenn du dieses Gebet mit ehrlichem Herzen betest, kann ganz schön viel kommen. Bei mir sind zwei DIN-A4-Seiten mit Situationen zusammengekommen, an die ich gar nicht mehr gedacht hatte. Und nach dem Gebet kam eine Sache nach der anderen – zack, zack, zack.
Ich dachte: Wow, krass! Dann bin ich jede einzelne Sache durchgegangen und habe zu jeder einzelnen Entscheidung getroffen: „Herr, ich vergebe dieser Person.“ Das hat mich auch emotional berührt. Da musste ich weinen, aber es hat mich so frei gemacht von vielen Dingen. Es war einfach herrlich, auch wenn es hart war. Es hat auch seine drei Stunden in Anspruch genommen, aber das war es wert. Ich denke, das kann jeder machen.
Ich möchte uns als Zuhörer einfach einladen, das mal auszuprobieren. Vielleicht gehst du das mal durch. Ich will euch ermutigen: Wenn du noch nicht konkret Schritte der Vergebung gegangen bist, geh ins Gebet mit einem Blatt Papier und bitte einfach Jesus: „Bitte zeig mir, wo ich noch vergeben muss.“ Und dann triff die Entscheidung konkret. Nicht um den heißen Brei herumreden mit „Ich will, hilf mir“, sondern einfach sagen: „Ich vergebe dieser Person für das und das, was sie getan hat.“
Mich hat das sehr bewegt, und ich glaube, das kann bei vielen Zuhörern auch viel bewirken.
Vielleicht noch ein letzter Nachsatz: Je nachdem, wie es passt, kannst du natürlich auch versuchen, eine Versöhnung zu erreichen. Wenn es zum Beispiel eine Person ist, die dich sehr verletzt hat, kannst du ihr auch einen Brief schreiben und ihr darin Vergebung aussprechen. Diesen Brief kannst du dann vielleicht erstmal liegen lassen, beten und überlegen, ob du ihn abschicken möchtest oder nicht.
Du kannst den Brief auch einfach für dich behalten und weißt dann, dass du der Person im Herzen vergeben hast. Vielleicht bewegt dich der Geist Gottes, und du hast den Mut, den Brief tatsächlich abzuschicken. Dann ist das vielleicht spannend, denn möglicherweise setzt das bei der anderen Person etwas in Gang. Vielleicht wartet die Person nur darauf, und es kann zu einer Versöhnung kommen.
Das ist natürlich immer ein Risiko. Ich wünsche dir, dass es passiert und dass Beziehungen wiederhergestellt werden. Aber wir haben keine Garantie, weil wir nicht wissen, wie die andere Person damit umgeht. Möglicherweise kann es aber passieren, und es ist ein wichtiger Schritt.
Das ist ja auch der Wunsch von Jesus für seine Gemeinde: dass wir uns versöhnen lassen. Auf jeden Fall ist Versöhnung eine Sache zwischen dir und Gott. Das ist eine Ebene, die du immer gehen kannst. Von Gott ist die Tür offen.
Ich wünsche uns allen Gottes Segen zu diesem Thema Versöhnung und Vergebung.
Das war die heutige Wortreich-Folge. Wenn du diese Folge mit dem Handy auf Spotify gehört hast, kannst du unten an unseren Umfragen teilnehmen.
Bis zum nächsten Mal, ciao!