
Guten Abend, schön, dass Sie heute Abend mit dabei sind. Ich habe uns zum Start vier Aussagen mitgebracht, von denen eine falsch ist. Ich bin gespannt, ob Sie das Rätsel lösen.
Aussage Nummer eins: Am 2. Mai gab es auf dem christlichen Stellenportal Ebenjobs 3.030 Stellenangebote.
Aussage Nummer zwei: Am gleichen Tag waren allein bei der evangelischen Landeskirche in Württemberg 102 Pfarrstellen und zusätzlich 138 weitere Stellen ausgeschrieben.
Aussage Nummer drei: Bei uns im BSK gingen bis Ende April allein 39 Stellenangebote ein, die wir an unsere Studierenden weiterleiten sollten. Dabei sind die ganzen persönlichen Gespräche und Telefonate noch gar nicht mitgezählt.
Aussage Nummer vier: Unsere Partner berichten mir, dass sie zumindest keine Probleme haben, ausreichend ehrenamtliche Mitarbeiter zu finden. Es gibt genügend Menschen, die Leitungsverantwortung übernehmen. Das scheint gut zu sein.
Ich vermute, Ihnen ist es gleich aufgefallen: Aussage Nummer vier ist falsch. Nirgendwo finden sich derzeit genügend Mitarbeiter – weder im hauptamtlichen noch im ehrenamtlichen Bereich, weder in Deutschland noch im internationalen Einsatz.
Als Ausbildungsstätte und Ausbildungspartner sind wir mit vielen Gemeindeverantwortlichen und Leitern in Gesprächen, sowohl mit national als auch international tätigen Werken. Nahezu jeder berichtet, dass es deutlich mehr Mitarbeiterbedarf gibt, als Mitarbeiter gefunden werden können. Anders ausgedrückt: Die Hütte brennt an vielen Stellen.
Wir bekommen regelmäßig Anfragen, ob wir nicht Absolventen haben, die noch eine Stelle suchen. Gemeinden und Werke melden sich und suchen händeringend Mitarbeiter für Freizeiten, missionarische Veranstaltungen und mehr. So könnten wir die Liste weiterführen. Ganz selten können wir tatsächlich liefern, wenn man das so sagen darf.
Bundesweit ist ein deutlicher Rückgang an Theologiestudierenden zu verzeichnen. Die meisten, die studieren wollen, haben zwar eine persönliche Erkenntnis oder Berufung, das zu tun. Doch in den allerwenigsten Fällen kann jemand sagen, dass die eigene Gemeinde ihn geschickt oder gesendet hat.
Wenn ich mit Partnern aus der Mission rede, bekomme ich das bestätigt. Hinzu kommt manchmal eine zusätzliche Problematik: Immer mehr Menschen sehen zwar eine Berufung, aber eine bedingte Berufung. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, dann wird es eine Berufung sein. Wenn nicht, dann nicht.
Das kann zum Beispiel am Geld liegen oder an der Bildungssituation für Kinder. Es gibt viele Beispiele. Eine bedingte Berufung also. Auch von den Missionspartnern höre ich sehr selten, dass jemand aktiv durch eine Gemeinde gesendet oder empfohlen wurde. Meistens sind es Menschen, die sich aus ihrer Liebe zu Christus allein auf den Weg machen.
Ich habe keine wissenschaftlich fundierten Aussagen, aber aus vielen Gesprächen, Beobachtungen und dem Lesen habe ich einige Gründe gefunden.
Ich glaube, ein wesentlicher Grund liegt in der Alterspyramide. Ältere Jahrgänge scheiden aus dem Berufsleben aus, während jüngere, geburtenstarke Jahrgänge nachkommen. Das ist ein allgemeines Problem, das bei uns als Fachkräftemangel bezeichnet wird.
Ein zweiter Punkt sind gesellschaftliche Veränderungen. Pastoren, Jugendarbeiter, Diakone und andere geistliche Mitarbeiter im weitesten Sinne haben heute deutlich geringeres soziales Ansehen als früher. Ihr Prestige ist gesunken.
Das Thema Work-Life-Balance spielt in der Gesellschaft eine wichtige Rolle. Wer im vollzeitlichen Dienst in der Gemeinde oder im Intermissionsdienst steht, hat größere Herausforderungen als jemand mit einem 9-to-5-Job.
Zudem verdienen Mitarbeiter im vollzeitlichen Gemeindedienst oder Intermissionsdienst häufig weniger. Neben der geringeren sozialen Anerkennung kommt somit oft auch eine geringere finanzielle Anerkennung hinzu. Das bildet für mich ein zweites Themenfeld – die gesellschaftliche Veränderung.
Ich nehme außerdem noch einige Tendenzen in den Gemeinden wahr, die das Problem möglicherweise verschärfen. Aus vielen Beobachtungen und Gesprächen habe ich den Eindruck, dass wir in unserer Verkündigung die Bereitschaft für den Dienst, die Not und das Leid für Christus – die manchmal mit der Nachfolge verbunden sind – eher hinten anstellen. Stattdessen stellen wir verstärkt die Freude und das Schöne in den Vordergrund.
Dazu kommt, dass wir häufig froh sind, wenn wir wenigstens in der eigenen Gemeinde Mitarbeiter haben. Wie sollen wir dann noch Mitarbeiter aussenden? Das können wir uns ja gar nicht leisten, sie herzugeben.
Auch für die Gemeinde gilt – so meine Beobachtung – dass wir in einer individuellen Gesellschaft leben, in der persönliche Freiheit wichtig ist. Im Gegenzug wollen wir anderen Menschen ebenfalls Freiraum geben. Wer bin ich, dass ich zu jemand anderem sage: „Ich berufe dich“?
Deshalb fehlt meines Erachtens eine Kultur von Berufung und Sendung. Diese Kultur ist nicht mehr etabliert. Die Einladung zur Mitarbeit gibt es kaum noch. Wir erwarten, dass Menschen sich freiwillig melden. Eventuell fragen wir mal vorsichtig und ergebnisoffen nach, aber die klassische Berufung scheint eher die Ausnahme als die Regel zu sein – egal, ob für den haupt- oder ehrenamtlichen Dienst in der Gemeinde.
Ich habe den Text leicht angepasst, um die Lesbarkeit zu verbessern, Satzzeichen korrigiert, längere Sätze aufgeteilt und Absätze eingefügt. Die Bibelstelle wurde entsprechend formatiert.
Ich habe es einmal ganz kurz zusammengefasst für diejenigen, die einen Screenshot machen wollen, um die Stelle später vielleicht noch einmal auf YouTube anzuschauen.
Natürlich sprechen wir hier an der Ausbildungsstätte im BSK genau über solche Themen. Wir sind ja in mehrfacher Hinsicht betroffen: von der Nachfrage nach Absolventen, über die ich gesprochen habe, die wir nicht befriedigen können, bis hin zu rückläufigen Anmeldezahlen.
Da scheint eben diese fehlende Berufungskultur ein Problem zu sein.
In diesem Zusammenhang stieß ich auf den Bericht über den Beginn der ersten Missionsreise. Kaum zu glauben – ich habe es zweimal gelesen: Eine junge Gemeinde in der drittgrößten Stadt im Römischen Reich beruft ihre besten Mitarbeiter und sendet sie aus. Sie hätten sie doch selbst so dringend gebraucht. Aber wir lesen in der Apostelgeschichte 13, weiter: Sie fasteten, beteten, legten ihnen die Hände auf und ließen sie ziehen.
Aus dieser Beobachtung heraus entstand im Team die Idee, sich mit der Thematik Berufung und Sendung von Mitarbeitern heute zu beschäftigen. Wie kann das in Gemeinden aussehen? Welche praktischen Impulse kann es geben, damit es zu einem selbstverständlichen Bestandteil des Gemeindelebens wird?
Mit diesem Fokus nähern wir uns dem Thema.
Natürlich gibt es noch viele andere Facetten zum Thema Berufung. Wer sich intensiver damit beschäftigen möchte, findet am BSK ein Seminar, das acht Stunden dauert. Entweder wartet man geduldig, bis es wieder im Programm ist, oder man bucht es als Eigenstudienkurs.
Noch kurz vorneweg, bevor wir tiefer eintauchen: Für all diejenigen, die nicht nur den Zielbahnhof wissen wollen, sondern sich auch für die Zwischenhaltepunkte der Strecke interessieren – wir starten mit ein paar grundsätzlichen Gedanken, damit wir eine gemeinsame Basis haben.
Dann habe ich einige Berichte zum Thema Berufung aus der Bibel ausgewählt. Dabei schauen wir uns das Neue Testament an und suchen nach Prinzipien, die in diesem Zusammenhang häufiger auftauchen und möglicherweise verallgemeinert werden können.
Außerdem sehen wir uns auch an, ob es irgendwo vielleicht nicht ganz so rund gelaufen ist, welche Hintergründe es geben könnte und was wir daraus lernen können.
Aus diesen Beobachtungen und Prinzipien leite ich einige Impulse ab, die wir für unsere Gemeinden heute ganz praktisch übernehmen, versuchen einzuführen oder zumindest darüber diskutieren können, ob sie hilfreich sind.
Zum Schluss gibt es die Möglichkeit, in der kleinen Runde hier – und ich hoffe, dass von der Technik her auch die Chatfunktion funktioniert – Fragen zu stellen. Dann können wir gerne ins Gespräch kommen.
Tauchen wir also tiefer ein in das Thema Berufung und Sendung von Mitarbeitern. Dies ist eine Facette des gesamten Themas Berufung.
Gehen wir zunächst mit einer Helikopterperspektive kurz auf das Gesamtthema ein. Wir schauen uns einige Bibelstellen an. Wer tiefer eintauchen möchte, kann den Suchbegriff „Berufung“ oder „Berufen“ auf Bibleserver.com oder einem anderen Bibelprogramm eingeben. Dort finden sich zahlreiche Ergebnisse. Wir betrachten jedoch nur einige ausgewählte Stellen.
Paulus schreibt im Römerbrief, Kapitel 1: Durch Christus haben wir Gnade und Apostelamt empfangen, um den Gehorsam des Glaubens zu bewirken und seinen Namen unter allen Heiden aufzurichten – zu denen auch ihr gehört, die ihr von Jesus Christus berufen seid. Ihr Christen in Rom seid also von Jesus Christus berufen.
Die Korinther hören etwas Ähnliches: Paulus ist berufen zum Apostel Christi Jesu durch den Willen Gottes und der Brüder und Schwestern. Er richtet sich an die Gemeinden in Korinth, an die Geheiligten in Christus Jesus, die berufenen Heiligen, zusammen mit allen, die den Namen unseres Herrn Jesus Christus anrufen – die berufenen Heiligen.
Im Kapitel 7 des Korintherbriefs schiebt Paulus unter die Frage von Ehe und Ehelosigkeit die Thematik Berufung noch einmal ein. Vers 17 und folgende: „Nach seiner Berufung, also nach Christi Berufung, soll jeder so bleiben, wie er berufen wurde.“ Für heute ein schwieriger Satz. Warst du bei deiner Berufung ein Sklave, dann mach dir deswegen keine Sorgen. Aber wenn du frei werden kannst, dann nutze die Gelegenheit umso lieber.
Den Galatern schreibt Paulus: „Zur Freiheit seid ihr berufen, Brüder und Schwestern. Nutzt eure Freiheit aber nicht als Vorwand, um eurer menschlichen Natur zu folgen, sondern dient einander in Liebe.“
Die Epheser hören: „Ich bitte euch als jemand, der in Haft ist und dem Herrn gehört: Führt euer Leben so, dass es dem entspricht, wozu Gott euch berufen hat.“ Also Berufung, Berufung, Berufung. Voller Demut, Freundlichkeit und Geduld ertragt euch gegenseitig in Liebe. Bemüht euch darum, die Einheit zu bewahren, die sein Geist euch geschenkt hat. Der Friede ist das Band, das euch alle zusammenhält. Ihr seid ein Leib, und ein Geist lebt in euch. So ist es auch eine Hoffnung, zu der Gott euch berufen hat – zu dieser Hoffnung.
Der Friede Christi, so schreibt Paulus an die Kolosser, den Christus schenkt, lenkt eure Herzen. Dazu seid ihr berufen – zu diesem Frieden Christi.
Die Thessalonicher dürfen hören: „Denn Gott hat uns nicht zur Unmoral berufen, sondern zu einem Leben in Heiligkeit.“
Petrus schreibt: „Vielmehr sollt ihr nach eurer ganzen Lebensführung heilig sein. Wir werden so, wie der Heilige ist, der euch berufen hat.“
Ein letzter Punkt von Petrus, Kapitel 2: „Wenn ihr Gutes tut und deswegen Leiden ertragt, dann ist das eine Gnade von Gott. Dazu hat er euch nämlich berufen. Denn auch Christus hat für euch gelitten. Christus hat euch ein Beispiel gegeben, damit ihr seinen Spuren folgt.“
Wie gesagt, dies ist nur ein ganz kurzer Überblick. Bitte entschuldigt, falls es an manchen Stellen holprig klingt. Heute Abend, nach unserem Umzug, funktioniert die Technik noch nicht ganz reibungslos. Aber wir kriegen das hin – es gibt ja auch Bilder dazu.
Der Ausgangspunkt ist stets die Berufung durch Jesus Christus. Christus ruft in seine Nachfolge, und Gott selbst ist der Handelnde. Wir Menschen ergreifen nie die Initiative, sondern sind immer nur diejenigen, die antworten und reagieren. Das ist ein allgemeiner Grundsatz.
Wir haben das nun verstanden. Ebenso haben wir gelesen, dass Berufung und Nachfolge vielfältige Ziele und Konsequenzen haben: Freiheit, heiliges Leben, Frieden, aber auch Leiden. Anders ausgedrückt: Jeder Christ ist als Jünger immer auch in irgendeiner Weise Mitarbeiter und Diener Jesu. Glaube ist vertrauensvoll praktizierte Nachfolge, und dazu sind wir berufen.
Ein Punkt ist mir zum Schluss bei der allgemeinen Berufung noch wichtig geworden: Alles, was wir bisher gehört haben, war klassischerweise keine Aussage an Einzelpersonen, sondern eine Aussage an Ernstgemeinden. So leben wir gemeinschaftlich als Christen. Diese Klarheit ist mir im Vorfeld wichtig gewesen, bevor wir den Teilausschnitt „Berufung und Sendung von Mitarbeitern“ heute anschauen.
Wir stellen uns der Thematik nicht nur deshalb, weil die Knappheit an Mitarbeitern sehr groß ist und künftig noch schlimmer wird. Wir beschäftigen uns damit, weil wir auch einen klaren Auftrag Jesu haben. Als er die 72 Jünger aussandte, lesen wir in Lukas 10, dass er sie zu zweit in die Orte sandte, zu denen er später selbst gehen wollte. Dann gibt es den Auftrag: „Die Ernte ist groß, aber die Arbeiter sind wenige. Darum bittet der Herr der Ernte, dass er Arbeiter aussendet in seine Ernte.“
Auch Jesus hatte also die Mitarbeiterberufung und insbesondere das Gebet um Mitarbeiter vor Augen. Eine weitere Stelle, die wir einige Wochen nach Ostern gut vor Augen haben, ist Matthäus 28: Die Sendung der Jünger lautet dort: „Geht hin, macht zu Jüngern, tauft sie und lehrt sie, alles zu halten, was ich euch geboten habe.“
Bei Johannes lesen wir etwas anders, aber das Prinzip ist dasselbe: „So wie mich mein Vater gesandt hat, so sende ich euch.“
Dies ist der Grund, neben dem Umstand, dass die Hütte brennt, weshalb wir uns mit der Thematik beschäftigen. Immer wenn Hütten brennen, ist das ein Anlass zur Sorge. Christus selbst hat jedoch kein Problem damit, sonst gäbe es keinen Grund, sich damit zu befassen. Leider brennt die Hütte an der falschen Stelle.
Für diejenigen, die dies nachlesen möchten, hier noch einmal die entsprechenden Berichte. Auch für diejenigen, die es später fotografieren oder nachschlagen wollen, gehe ich das jetzt im Schnelldurchgang mit uns durch. Dabei suchen wir die prinzipiellen Elemente dieser Geschichten.
Fangen wir damit an, dass Judas Ischariot, der bei den Zwölfen fehlt, nachbesetzt werden muss. In Apostelgeschichte 1, ab Vers 15 lese ich:
„Und in diesen Tagen trat Petrus auf unter den Brüdern, es war aber eine Menge beisammen von etwa hundertzwanzig, und sprach: Ihr Männer, liebe Brüder, es musste das Wort der Schrift erfüllt werden, das der Heilige Geist durch den Mund Davids vorausgesagt hatte über Judas, der denen den Weg zeigte, wie Jesus gefangen genommen wurde. Denn er wurde zu uns gezählt und hatte Anteil am gleichen Dienst. Denn es steht geschrieben im Buch der Psalmen: ‚Seine Behausung soll verwüstet werden und niemand wohne darin, und sein Amt empfange ein anderer.‘“
Petrus spricht weiter: „So muss nun einer von den Männern, die bei uns gewesen sind die ganze Zeit über, als der Herr Jesus unter uns ein- und ausgegangen ist, seit seiner Taufe durch Johannes bis zu dem Tag, an dem er von uns genommen wurde, mit uns Zeuge seiner Auferstehung werden.“
Sie stellten zwei auf: Joseph, genannt Bersabas, mit dem Beinamen Justus, und Matthias. Sie beteten und sprachen: „Herr, du, der du aller Herzen kennst, zeige an, welchen du erwählst. Von diesen beiden soll er diesen Dienst und das Apostelamt empfangen, das Judas verlassen hat, um an seinen Ort zu gehen.“ Dann warfen sie das Los über sie. Das Los fiel auf Matthias, und er wurde zu den elf Aposteln hinzugezählt. So waren es wieder zwölf.
Ein paar Beobachtungen dazu:
Die Jünger hatten aufgrund des Redens Gottes aus der Heiligen Schrift die Klarheit, dass Handlungsbedarf besteht. „Sein Amt empfange ein anderer“ – das steht geschrieben und war Erkenntnis aus dem Alten Testament.
Dann legten sie Kriterien fest, die für potenzielle Kandidaten gelten mussten. Unter anderem musste es jemand sein, der von Anfang an mit den Jüngern unterwegs gewesen ist. Nach diesen Kriterien suchten sie Kandidaten aus, und es blieben zwei übrig.
Der Ablauf war also folgender: Auslöser war die Klarheit aus dem Wort Gottes, dass Handlungsbedarf besteht. Dann legten sie Kriterien fest, wählten Kandidaten aus und suchten anschließend Gottes Weisung. Sie beteten, warfen das Los, und so erhielten sie jemanden, der nach Gottes Sicht berufen war.
Vielleicht noch ein Hinweis zum Losverfahren: In diesem Moment in Apostelgeschichte 1 befinden wir uns vor Pfingsten. Das ist wichtig, um es im Hinterkopf zu behalten. Der Heilige Geist ist noch nicht ausgeschüttet. Deshalb wird hier ein in Israel gebräuchliches Losverfahren eingesetzt.
Ab Pfingsten erkennen wir das Losverfahren im Neuen Testament nicht mehr. Dies ist die letzte Stelle, an der gelost wird. Danach lässt man sich auf das Wirken des Heiligen Geistes ein.
Deshalb würde ich mir die Kriterien, die wir gerade gehört haben, im Hinterkopf behalten. Die Praxis des Loswerfens aber ist heute kein probates Mittel der Entscheidungsfindung mehr.
Eine weitere Berufungsgeschichte, die Diakone betrifft, findet sich in Apostelgeschichte 6.
In jenen Tagen nahm die Zahl der Jünger zu. Dabei erhob sich ein Murren unter den griechischen Juden in der Gemeinde gegen die hebräischen. Der Grund war, dass ihre Witwen bei der täglichen Versorgung übersehen wurden. Dieses Problem zeigt die Herausforderung unterschiedlicher Herkunft in der Gemeinde. Einige wurden bei der Versorgung benachteiligt. So sollte es unter Christen jedoch nicht sein. Deshalb entstand das Murren, das sich bald zu offenem Widerstand entwickelte.
Die Zwölf, also die Apostel, riefen daraufhin die Menge der Jünger zusammen und sprachen: Es ist nicht recht, dass wir das Wort Gottes vernachlässigen und stattdessen zu Tische dienen. Denn das war die Auffassung der Gemeinde: Die Gemeindeleiter haben doch eine besondere Aufgabe.
Die Aufgabe der Gemeindeleitung, also der Apostel, war klar: Das Wort Gottes zu verkünden und zu lehren. Deshalb sagten sie: "Darum, liebe Brüder, sucht euch sieben Männer aus eurer Mitte, die einen guten Ruf haben und voll Geist und Weisheit sind. Diese wollen wir zu diesem Dienst bestellen. Wir aber wollen beim Gebet und beim Dienst des Wortes bleiben."
Diese Rede gefiel der ganzen Menge sehr gut. Daraufhin wählten sie sieben Männer aus. Eine Aufzählung dieser Männer wird genannt. Die Jünger stellten sie vor die Apostel. Diese beteten und legten ihnen die Hände auf.
Ganz ähnlich wie bei der ersten Berufungsgeschichte war bei den Aposteln Klarheit darüber, dass sie Mitarbeiter benötigen, um ihre gottgegebenen Aufgaben erfüllen zu können. Sie suchten nach Kriterien und legten fest, welche Voraussetzungen potenzielle Kandidaten erfüllen sollten. Die Gemeinde wurde beauftragt, anhand dieser Kriterien Vorschläge zu machen oder eine Vorauswahl zu treffen.
Mit dieser Vorauswahl kam die Gemeinde zu den Aposteln. Diese bestätigten die Wahl der Gemeinde und setzten die Kandidaten unter Gebet und Handauflegung in den Dienst ein.
Bericht Nummer drei liest Auszüge aus Apostelgeschichte 9, die Berufung von Paulus. Saulus schnaubte noch vor drohenden Morden gegen die Jünger des Herrn. So beginnt es – ein richtiger Christenverfolger!
Als er auf dem Weg war und sich Damaskus näherte, umleuchtete ihn plötzlich ein Licht vom Himmel, und er fiel zu Boden. Er hörte eine Stimme, die zu ihm sprach: „Saul, Saul, warum verfolgst du mich?“ Er antwortete: „Herr, bist du das?“ Die Stimme sagte: „Ich bin Jesus, den du verfolgst. Steh auf und geh in die Stadt; dort wird man dir sagen, was du tun sollst.“
Die Männer, die mit ihm unterwegs waren, standen sprachlos da. Sie hörten zwar die Stimme, sahen aber niemanden. Saulus richtete sich auf vom Boden. Als er seine Augen öffnete, sah er nichts. Man nahm ihn bei der Hand und führte ihn nach Damaskus. Drei Tage lang konnte er nichts sehen und aß und trank nicht.
In Damaskus lebte ein Jünger namens Hananias. Ihm erschien der Herr und sprach: „Hananias!“ Er antwortete: „Hier bin ich, Herr.“ Der Herr sagte zu ihm: „Steh auf und geh in die Straße, die die Gerade heißt. Frage im Haus des Judas nach einem Mann namens Saulus von Tarsus. Siehe, er betet, und er hat in einer Erscheinung einen Mann gesehen, der Hananias heißt. Dieser ist hereingekommen und hat ihm die Hände aufgelegt, damit er wieder sehen kann.“
Hananias antwortete: „Herr, ich habe von vielen über diesen Mann gehört, wie viel Böses er deinen Heiligen in Jerusalem angetan hat. Hier hat er Vollmacht von den Hohenpriestern, alle Gefangenzunehmen.“ Doch der Herr sprach: „Geh trotzdem! Ich sende dich dorthin. Denn dieser ist mein auserwähltes Werkzeug, damit er meinen Namen vor Heiden, Königen und dem Volk Israel trägt.“
Hananias ging hin, trat in das Haus, legte Saulus die Hände auf und sagte: „Lieber Bruder Saulus, der Herr hat mich gesandt: Jesus, der dir auf dem Weg hierher erschienen ist, damit du wieder sehend wirst und mit dem Heiligen Geist erfüllt wirst.“ Sogleich fiel etwas wie Schuppen von seinen Augen, und er konnte wieder sehen. Er stand auf, ließ sich taufen, nahm Speise zu sich und wurde gestärkt.
Wenn man sich wirklich eine Berufungsgeschichte nach der anderen anschaut, staunt man immer wieder, wie Gott wirkt. Es gibt keine Geschichte, die ich nicht kannte, aber wenn man sie so dicht hintereinander betrachtet, faszinieren sie auf ganz besondere Weise.
Hier wird Paulus direkt von Jesus angesprochen, ohne Umwege. In der Berufungsgeschichte redet der Herr selbst. Natürlich kann man aus heutiger Sicht sagen: Wer Erkenntnis aus der Bibel hat, dem hat Gott gesprochen, deshalb war Gott immer im Spiel. Paulus hört Jesus höchstpersönlich in seinem Damaskuserlebnis.
Gleichzeitig musste Paulus die Details, die dann folgen, bei Hananias, einem Glaubensbruder aus Damaskus, erfahren. Obwohl Jesus direkt mit ihm gesprochen hatte, gab es keine vollständige Erläuterung von Jesus selbst. Der Bruder musste mit ins Spiel kommen.
Jesus fügte der göttlichen Berufung also eine menschliche Bestätigung und Beauftragung hinzu. Hananias setzte Saulus durch Handauflegung in den Dienst ein.
Nächste Berufungsgeschichte: Barnabas wird nach Antiochia geschickt, wo die Gemeinde zerstreut war. Aufgrund der Verfolgung, die nach der Steinigung Stephanus entstand, verbreiteten sich die Gläubigen bis nach Phönizien, Zypern und Antiochia. Dabei verkündigten sie das Wort jedoch nur den Juden.
Die Juden wurden nach der Steinigung Stephanus verfolgt, und dadurch begann die Mission. Unter den Verfolgten waren einige Männer aus Zypern und Kyrene. Diese kamen nach Antiochia und redeten auch zu den Griechen. Sie predigten das Evangelium vom Herrn Jesus. Die Hand des Herrn war mit ihnen, und eine große Zahl wurde gläubig und kehrte zum Herrn um. Das ist die Ausgangsbasis.
Nun erreichte die Kunde davon die Gemeinde in Jerusalem, die als Muttergemeinde aller Gemeinden gilt. Man hörte, dass sich in Antiochia eine Gemeinde gegründet hatte. Daraufhin sandten sie Barnabas, damit er nach Antiochia ging. Als Barnabas dort ankam und die Gnade Gottes sah, wurde er froh. Er ermahnte alle, mit festem Herzen an dem Herrn zu bleiben. Barnabas war ein bewährter Mann, voll Heiligen Geistes und Glaubens. Viele Menschen wurden für den Herrn gewonnen.
Barnabas aber ging nach Tarsus, um Saulus zu suchen. Als er ihn fand, brachte er ihn nach Antiochia. Dort blieben sie ein ganzes Jahr in der Gemeinde und lehrten viele. In Antiochia wurden die Jünger zum ersten Mal Christen genannt.
Wiederum zeigt sich ein vergleichbares Prinzip: Wir sammeln Bausteine und Beobachtungen. Die Apostel hatten in Jerusalem Klarheit. Diese junge Gemeinde, die nach Jochia benannt wird, durfte man nicht allein lassen. Sie brauchte einen bewährten Mann. Antiochia war immerhin eine Stadt mit etwa 500 Einwohnern, in Spitzenzeiten bis zu 800. Das war nach damaligen Maßstäben eine Großstadt im Römischen Reich. Zudem gab es dort eine jüdische Gemeinde von circa fünfzigtausend Menschen. Es war also ein großes Potenzial vorhanden. Diese Gemeinde durfte man nicht allein lassen, deshalb wählte man Barnabas aus.
Der Name Barnabas war Programm. Sein eigentlicher Name war Joseph, wie in Apostelgeschichte 4 nachzulesen ist. Die Jünger gaben ihm den Namen Barnabas, der „Sohn des Trostes“ bedeutet. Wenn also eine junge Gemeinde in der Ferne Unterstützung braucht, dann braucht sie den „Sohn des Trostes“, der da ist und sich zeigt. Das zeigt sich auch später in seinem Verhalten gegenüber Paulus.
Als Paulus nach Jerusalem kam und alle Leute Angst hatten – nach dem Motto: „Jetzt kommt der Christenverfolger als Christ, können wir ihn wirklich zu uns hereinlassen? Oder ist er ein trojanisches Pferd?“ – war es Barnabas, der sich für Paulus einsetzte. Er war der „Sohn des Trostes“.
Barnabas freut sich über das, was er vorfindet, und ermutigt die Gemeinde. Gleichzeitig sieht er, dass die Aufgabe für eine Person zu groß ist und eventuell eine Ergänzung benötigt wird – einen anderen Typus, nämlich Saulus. Er erinnert sich, dass Saulus jetzt aus Tarsus kommt, und macht sich auf die Suche. So entsteht eine gemischte Berufungsgeschichte: Die Apostel senden Barnabas aus, weil sie sagen, er passe dorthin. Barnabas ergänzt das, indem er seinen Verstand einschaltet und sagt: Für diese Aufgabe kenne ich einen, den ich mitnehme. So machen sie sich gemeinsam auf den Weg.
Sie bleiben ein ganzes Jahr in Antiochia im Einsatz. Danach kehren sie zurück und bringen Geld aus Antiochia nach Jerusalem. Als sie aus Jerusalem zurückkehren, nehmen Barnabas und Saulus Johannes mit, der den Beinamen Markus trägt.
So einfach geht es. Diesmal hören wir nichts Spektakuläres darüber, wie Gott im Hintergrund beauftragt oder herausgerufen hat. Offensichtlich haben die Brüder jedoch einen Blick für den Nachwuchsmann und sagen: „Dich nehmen wir mit.“ Markus war ein junger Mann, der aufgefallen war und bekannt war. Er war der Sohn von Maria, in deren Haus die betende Gemeinde versammelt war, als Petrus hilflos vor der Tür stand, anklopfte, Markus die Tür wieder zumachte und verschwand.
Markus stammte aus diesem Haus und war ein Cousin von Barnabas. Das ist im Kolosserbrief nachzulesen. Diesen Nachwuchsmann nahmen sie mit, damit er helfen und lernen konnte. Deshalb berufen die erfahrenen Brüder jetzt einen jüngeren Bruder mit in den Reisedienst.
Als Kurzbeobachtung sammeln wir Puzzlestücke, um später das Bild zusammenzusetzen.
Und jetzt kommen wir zur ersten Missionsreise. In der Gemeinde in Antiochia gab es Propheten und Lehrer, nämlich Banneras, Simeon, genannt Niger, Lucius von Kyrene, Manaien, der mit dem Landesfürsten Herodes erzogen worden war, und Saulus.
Als sie Gottesdienst hielten und fasteten, sprach der Heilige Geist: „Sondert mir Barnabas und Saulus aus zu dem Werk, zu dem ich sie berufen habe.“ Daraufhin fasteten sie, beteten, legten ihnen die Hände auf und ließen sie ziehen.
Nachdem sie nun vom Heiligen Geist ausgesandt waren, kamen sie nach Seleukia. Von dort aus fuhren sie mit dem Schiff nach Zypern. Als sie die Stadt Salamis erreichten, verkündigten sie das Wort Gottes in den Synagogen der Juden. Johannes war als Gehilfe ebenfalls bei ihnen.
Hier einige Beobachtungen: Fünf Männer, Lehrer und Propheten, feiern in der Gemeinde in Antiochia Gottesdienst. Zu dieser Gottesdienstfeier gehörte auch das Fasten. Dabei hatten sie offensichtlich ein feines, offenes Ohr für das Reden des Heiligen Geistes. Sie nahmen wahr, dass der Heilige Geist zu ihnen sprach und sagte, wann er was tun wollte. Saulus sollte er aussortieren, denn für ihn hatte der Geist etwas anderes vorgesehen.
Nach menschlichem Ermessen hätte man sagen müssen, dass das nicht der Heilige Geist sein konnte. „Gott kann doch nicht wollen, dass wir unsere Gemeinde so schwächen. Wir sind doch hier im Zentrum der römischen Welt mit endlosen missionarischen Möglichkeiten. Und das sind unsere Leitfiguren – unmöglich!“ Aber sie waren sicher, dass der Heilige Geist gesprochen hatte. Deshalb wehrten sie sich nicht, sondern gehorchten.
Sie veranstalteten dann eine Aussendungsfeier. Auch bei dieser Feier wurde neben dem Beten das Fasten gepflegt. Mit der Handauflegung wurden Barnabas und Saulus auf den Weg geschickt.
Mir fiel auf, dass diese menschliche Aussendungsfeier gleichzeitig göttliches Handeln war. Im folgenden Vers lesen wir, dass sie „vom Heiligen Geist ausgesandt“ wurden – nicht von der Gemeinde, sondern vom Heiligen Geist. Die Glaubensgeschwister aus der Gemeinde handelten hier im Einklang mit Gottes Handeln.
Das ist ein wichtiger Punkt, den wir uns immer merken dürfen: Wenn wir im Gehorsam unterwegs sind, handeln wir im Namen des Herrn.
Was mir noch aufgefallen ist: Obwohl Johannes Markus nicht explizit vom Heiligen Geist namentlich genannt wurde, hatten sie ihn dennoch bei sich. Offensichtlich darf man zusätzlich zu den klar hörbaren Reden Gottes auch den Verstand einschalten. Das ist eine weitere Erkenntnis: Das eine schließt das andere nicht aus. Johannes Markus gehörte zum Paket dazu.
Nächste kurze Geschichte: Paulus kam in Apostelgeschichte 16 nach Derbe und Lystra. Dort war ein Jünger namens Timotheus, der Sohn einer jüdischen Mutter, die gläubig war, und eines griechischen Vaters. Timotheus hatte einen guten Ruf bei den Brüdern in Lystra und Ikonion.
Paulus wollte Timotheus mit sich nehmen und nahm ihn deshalb mit. Er beschnitt ihn wegen der Juden in jener Gegend, denn sie wussten alle, dass sein Vater Grieche war. Diese Handlung zeigt, dass Paulus auf die Missionssituation Rücksicht nahm.
Das ergänzt sich durch 1. Timotheus 4,14. Dort bekommt Timotheus von Paulus den Hinweis: „Vernachlässige die besondere Gabe nicht, die Gott dir geschenkt hat. Das geschah durch prophetischen Zuspruch, bei dem die Gemeindeältesten dir die Hände aufgelegt haben.“
Aus dieser Timotheusgeschichte lassen sich einige Beobachtungen ziehen. Wie bei Johannes Markus erkennt Paulus mit offenen Augen und offenem Verstand, dass Timotheus ein begabter junger Mann und eine Nachwuchskraft mit Potenzial ist. Diesen Mann will Paulus ausbilden, indem er mit ihm zusammenarbeitet. Das Lernen und Weitergeben wird deutlich in 2. Timotheus 2,2. Dort gibt Paulus Timotheus den Auftrag: So wie ich dich ausgewählt habe, sollst auch du jemanden suchen, der in der Lage ist, wiederum andere auszubilden.
Paulus hat einen Blick dafür, wie Timotheus sich später entwickeln kann. Er sieht einen wachen Verstand und eine offene Haltung. Außerdem gibt es eine Aussendung durch die Ältesten – nicht heimlich oder im Verborgenen –, sondern offensichtlich mit einer offiziellen Sendung.
Besonders bemerkenswert ist, dass Paulus, der sich so stark dafür eingesetzt hat, dass Heidenchristen nicht beschnitten werden müssen, Timotheus dennoch beschnitt. Dies zeigt, dass die Missionssituation und der Dienst manchmal Leiden und Opfer erfordern, um die Menschen zu erreichen.
Timotheus brauchte die Beschneidung nicht unbedingt für sich selbst, sondern für die Juden, die man erreichen wollte. Auch das war Teil seiner Berufung.
Der würdige Botschafter muss manchmal Dinge tun, die nicht zwingend notwendig sind. Das ist ein Gedanke, dem wir uns stellen dürfen: Was ist manchmal sinnvoll zu tun oder zu lassen, trotz aller christlichen Freiheit? Damit unser christliches Zeugnis besser ankommt und man sagt: „Die gehören zu Jesus.“
Jetzt habe ich viele Berufungsgeschichten durchgesehen. Zwei Sonderformen möchte ich hier der Vollständigkeit halber noch ins Gedächtnis rufen, die mir aufgefallen sind.
Die eine Sonderform ist die Multiplikation von Teams. Dadurch werden mehr Menschen erreicht. Ein Beispiel dafür ist eine eher aus der Not herausgeborene Multiplikatorenlösung beim Beginn der zweiten Missionsreise. Wir sehen Aufteilungen in zwei Teams und die Berufung von Silas, also wieder ein junger Mann, der plötzlich im Paket mit dabei ist. Es scheint ganz normal gewesen zu sein, möglichst viele Nachwuchsleute zu gewinnen.
Wir lesen in Apostelgeschichte 15,36: „Nach einigen Tagen sprach Paulus zu Barnabas: ‚Lass uns wieder aufbrechen und nach unseren Brüdern und Schwestern sehen in allen Städten, in denen wir das Wort des Herrn verkündigt hatten.‘“
Barnabas wollte auch Johannes mit dem Beinamen Markus mitnehmen. Paulus hielt es jedoch nicht für richtig, jemanden mitzunehmen, der sie in Pamphylien verlassen hatte und nicht mit ihnen ans Werk gegangen war. Sie kamen heftig aneinander, so dass sie sich trennten. Barnabas nahm Markus mit und fuhr nach Zypern, Paulus aber wählte Silas und zog fort, von den Brüdern der Gnade Gottes befohlen. Er zog durch Syrien und Kilikien und stärkte die Gemeinden.
Auch hier herrschte zunächst Klarheit: Die Brüder hatten Einigkeit, es war Zeit aufzubrechen. Für sie war klar, dass die explizite Berufung zur ersten Missionsreise offensichtlich auch implizit bedeutete, sich um die Geschwister zu kümmern. Und dann ging es wieder auf Reise. Es gab keinen Dissens, sondern wie so oft Einigkeit oder Klarheit über den Auftrag und was zu tun war. Ob das der Verstand sagte oder der Heilige Geist explizit sprach, sei einmal dahingestellt. Wichtig ist die gemeinsame Klarheit über den Auftrag.
Für Barnabas war klar, dass das damalige Team auch das jetzige Team ist. Paulus hatte eine andere Sicht: Unzuverlässige Mitarbeiter können im Reich Gottes in einer Pionierarbeit nicht zweimal gebraucht werden. Das Risiko, dass jemand wieder ausbüxt, war zu groß. Daher war der Streit vorprogrammiert. Es gab Uneinigkeit darüber, wie man mit Brüdern umgeht, die so einen Dienst und eine solche Geschichte hinter sich haben.
Was war das bei Paulus von den ersten Tagen? Er wurde oft „Balabas und Saulus“ genannt, man muss das mal lesen. Erst später heißt es „Saulus und Balabas“, aber lange Zeit war offensichtlich Balabas der Führende. Jetzt kamen sie scharf aneinander. Es geht ihnen auch nicht immer gut unter Brüdern und Schwestern. Möglicherweise gab es gute Gründe dafür. Ich will nicht sagen, wer Recht hatte oder sich klug verhalten hat, aber es gab gute Gründe, warum es abzusehen war, dass das Ganze mal knallt.
Unterschiedliche Typen prallen aufeinander. Barnabas, der Sohn des Trostes, gibt immer eine zweite Chance. Jeder hat eine zweite Chance verdient – ist das nicht typisch christlich? Dann kommt der geradlinige Paulus und sagt: „Zweite Chance? Erst nach Bewährung. Und nicht bei mir.“ Das kannst du anders machen, aber nicht auf der Pionierarbeitsreise. Erstmal Stabilität.
Man kann nicht ausschließen – ich habe es deshalb bewusst erwähnt – dass Johannes Markus der Cousin von Barnabas war. Man hat manchmal einen blinden Fleck, wenn es um die eigene Verwandtschaft oder Familie geht. Das sehen wir auch noch häufiger. Wie schlimm war das im Alten Testament bei Eli, dem Priester, und seinen Söhnen? Wie schlimm war das bei Samuel und seinen Söhnen, als das Volk kam und sagte, die Söhne seien Könige? Und bei David, der zusah, wie der eine Sohn die Tochter vergewaltigte und wie es weiterging.
Im Umgang mit der eigenen Familie besteht die Gefahr, nicht mehr objektiv zu sein. Das wäre für mich eine Erkenntnis aus dieser Geschichte. Gleichzeitig ist die Trennung so verlaufen, dass daraus Segen entstanden ist. Am Ende sind zwei starke Missionsteams entstanden.
Auch bei Paulus scheint kein endgültiges Urteil gefallen zu sein. Später schreibt er im Kolosserbrief wohlwollend und lobend über Markus und wie hilfreich und nützlich er ist. Kein endgültiges Urteil, sondern im Moment eben nicht. Offensichtlich gab es Versöhnung und wieder gemeinsame Arbeit.
Unterwegs vergrößert Paulus sein Team noch einmal, etwa durch Timotheus. Auch hier gab es einen Auftrag: „Von den Brüdern der Gnade Gottes befohlen“ gab es eine Aussendung, wie sie praktisch wohl aussah.
Das zweite Beispiel für das Trennen und Multiplizieren, damit es ein Team gibt und weitere entstehen, lief dann konfliktfrei ab. In Apostelgeschichte 18, wo Paulus noch in Korinth ist, bleibt er eine Zeit lang dort. Danach nimmt er Abschied von den Brüdern und Schwestern und will nach Syrien fahren. Mit ihm Pritzillat und Aquila. Zuvor ließ er sich in Kenchrea das Haupt scheren, weil er ein Gelübde getan hatte. Sie kamen nach Ephesus und ließen die beiden dort zurück. Sie sind miteinander unterwegs, aber jetzt bleibt ihr dort, die Gemeinde in Ephesus braucht euch.
Paulus ging in die Synagoge, redete mit den Juden, und dann heißt es Abschied nehmen. Der Sonderfall der Sendung lautet: Wir teilen uns auf, gemeinschaftlich ausgewählt, irgendwann getrennt unterwegs, mit dem gleichen Ziel und dem gleichen Auftrag.
Neben diesem Sonderfall Multiplikation habe ich noch einen weiteren Sonderfall gefunden: Platzanweisung durch einen der Verantwortlichen. Aquila und Priscilla waren nicht nur ein Teil, sondern erhielten eine klare Platzanweisung. Paulus als der Hauptverantwortliche sagte: „Ihr bleibt da, das ist eure Berufung, eure Platzanweisung.“
Eine Erkenntnis daraus ist: „Dort seid ihr richtig, hundertprozentig benötigt, ich kann nicht bleiben, ich muss weiterziehen.“
Von Timotheus lesen wir, wie Paulus ihm schreibt. Im ersten Timotheus 1 heißt es: „Wie habe ich dich ermahnt, in Ephesus zu bleiben, als ich nach Makedonien zog, damit du einigen gebietest, dass sie nichts anderes lehren, auch nicht Acht haben auf Fabeln, Geschlechtsregister, die kein Ende haben, und Ehefragen aufbringen, sondern dem Ratschluss Gottes im Glauben dienen.“
Paulus hat Timotheus in Ephesus platziert. Dort hat er eine Aufgabe.
Er schreibt an die Thessalonicher: „Als wir es schließlich nicht mehr aushielten, beschlossen wir, allein in Athen zurückzubleiben. So schickten wir Timotheus, er ist unser Bruder und Mitarbeiter Gottes im Dienst.“
Es gibt also ein Paar, das in Athen bleibt, um dort den Dienst zu tun. Gleichzeitig senden sie einen von ihnen mit einer besonderen Platzanweisung aus: „Du solltest nach Thessalonich gehen, dort wirst du gerade gebraucht.“
Unter Titus lesen wir: „Deswegen ließ ich dich in Kreta, dass du vollends ausrichten solltest, was noch fehlt, und Stadt für Stadt Älteste einsetzt, wie ich dir befohlen habe.“
Das ist ein Gesamtverantwortlicher, der eine Platzanweisung gibt, und ein Mitarbeiter, der – ich weiß nicht, ob willig oder unwillig – diese Platzanweisung annimmt.
Und im Zweiten Timotheus noch ein letzter Hinweis: „Tychikus habe ich nach Ephesus geschickt“, schreibt Paulus dort. Er hat also mal wieder auf einen aus seinem Mitarbeiter-Team verzichtet und ihn nach Ephesus geschickt. Ephesus taucht häufiger auf, dort muss man jemanden hinschicken, warum auch immer. Aber die Leute gingen.
Bisher haben wir uns insbesondere auf den Überregionaldienst fokussiert, also auf den Reisedienst, durch diese Berufungsgeschichten. Aber das Prinzip der Berufung von Mitarbeitern gilt auch innerhalb der Gemeinde, und das ist mir wichtig.
Ein paar Beispiele: Apostelgeschichte 6 beschreibt eine rein lokale Jerusalemer Geschichte mit den Diakonen. Es ging um hebräische Juden, griechische Juden und deren Witwen – eine lokale Geschichte. Wir sehen es auch bei Paulus, wenn er an Timotheus oder an Titus Richtlinien für die Erkennung von Ältesten und Diakonen gibt. Dabei ging es zunächst um Mitarbeiter in der Gemeinde. Es war nicht die Frage, ob man Leute findet, die man nach bestimmten Richtlinien aussenden kann, sondern es gab einen Kriterienkatalog – das gleiche Prinzip, das wir an anderen Stellen finden – aber für die gemeindliche interne Mitarbeit.
Petrus gibt in Kapitel 5 seines ersten Briefes ebenfalls Hinweise auf das Verhalten der Gemeinde und der Gemeindeältesten. Daraus lässt sich ableiten, wie jemand charakterlich gereift sein muss, damit er berufen werden kann – und zwar nicht nur für den vollzeitlichen Dienst, sondern auch für das Mitarbeiten in der Gemeinde.
Deshalb scheint es mir, dass Berufung und Sendung ein allgemeingültiges Prinzip für die Gewinnung von Mitarbeitern sind. Das galt damals sowohl für den überregionalen Dienst als auch für den Gemeindedienst. Ich habe keinen Grund anzunehmen, dass es heute anders sein sollte.
Bei Paulus ist mir aufgefallen, dass seine Berufung als Missionar für ihn offensichtlich klar war und er nicht daran zweifelte. Diese Berufung war dauerhaft. Aber die Art und Weise, wie er sie lebte, änderte sich von Zeit zu Zeit und von Ort zu Ort. Manchmal war er längere Zeit an einem Ort, manchmal kürzer unterwegs. Die Kürze der Aufenthalte war manchmal durch Vertreibung bedingt oder durch Gefängnisaufenthalte, bei denen er bis zum Stadttor gebracht wurde. Teilweise war es aber auch gewollt.
Ein weiterer Punkt war, dass Paulus seinen Lebensunterhalt als Missionar selbst verdiente. Man könnte sagen, Paulus war die erste christliche Fachkraft – heute ist das eher wieder der Normalfall. In manchen Ländern kann man als Missionar nicht mehr einreisen, sondern nur noch als christliche Fachkraft. In Korinth wollte Paulus dem Vorwurf, er verdiene Geld mit dem Evangelium, zuvorkommen und arbeitete deshalb als Zeltmacher. An anderen Stellen lesen wir, dass er sich guten Gewissens versorgen ließ, weil „der Arbeiter seines Lohnes wert ist“. Wer für den Dienst des Herrn freigestellt ist, darf sich auch von der Gemeinde guten Gewissens versorgen lassen.
Auch hier zweifelte Paulus offensichtlich nicht an der Aufgabe, für die Gott ihn berufen hatte – trotz aller Höhen und Tiefen, die er erlebte. Die Art und Weise, wie er seine Berufung lebte, wechselte jedoch. Das ist für mich ein weiteres Mosaiksteinchen: Eine Berufung für den Dienst haben wir immer, aber das muss nicht immer dieselbe Platzanweisung sein, um es so zu formulieren.
Bevor wir diese Beobachtungen und Puzzlestücke zusammenfassen, werfen wir noch einen Blick auf die sendenden Gemeinden und die Gemeindegründungen, also auf deren Verhältnis zueinander. Dann haben wir, glaube ich, alle Puzzleteile.
Zum einen ist da Jerusalem, die Muttergemeinde aller Gemeinden. Sie sieht die Verantwortung für eine junge Gemeinde in Antiochia. Barnabas wurde berufen und gesendet. Dabei blieb es nicht. In Apostelgeschichte 11 lesen wir, dass sie später noch Propheten, wie zum Beispiel Agabus, sandten. Barnabas wurde aus Jerusalem nicht alleine gelassen, sondern holte sich Paulus dazu.
Der Muttergemeinde war es wichtig, dass das nicht ein einmaliger Akt ist, bei dem man jemanden schickt und sich dann nicht mehr kümmert. Sie sehen Verantwortung und kümmern sich. In Apostelgeschichte 15 lesen wir von großem Interesse an dem, was dort geschehen ist und was Gott unter den Heiden in Antiochia getan hat.
Es geht noch weiter: Nachdem die Streitfragen im Apostelkonzil geklärt waren, schrieben sie einen Brief. Briefe kann man so schreiben, dass man sie theoretisch versteht und keinen Überbringer braucht. Aber genau das haben die Leute aus Jerusalem nicht gemacht. Sie schickten mit Silas und Judas persönliche Überbringer und Erklärer mit, mit dem Ziel, die Gemeinde zu stärken und zu ermutigen. Das zeigt: Sie wollten die Gemeinde ernst nehmen und investierten Ressourcen, um zwei Leute zu schicken. Es ist also nicht nur so, dass man jemanden beruft und sendet und dann ist es gut. Für eine sendende Gemeinde bleibt eine Verantwortung für das, was die Mitarbeiter in der jüngeren Gemeinde tun.
Auch aus Antiochia liest man Ähnliches. Sie waren die sendende Gemeinde bei der ersten Missionsreise. Dort wählte man aus, unter anderem Sauros von Balabas. In Apostelgeschichte 14 wird von Gemeindeversammlungen mit Missionsberichten berichtet. Man wollte wissen, was dort läuft. Christen haben ein Herz füreinander.
Im Gegenzug fiel mir auf, dass Tochter- und Enkelgemeinden auch einen Blick auf die haben, die ihnen Mitarbeiter geschickt haben. Sie legen Geld zusammen für die Not in Jerusalem. Schon im elften Kapitel der Apostelgeschichte war es so, dass man Geld sammelte. Deshalb kamen Paulus und Barnabas zurück und brachten das Geld. Später übernehmen Gemeinden finanzielle Verantwortung, zum Teil für Jerusalem. Das lesen wir im 2. Korintherbrief, Kapitel 8 und 9. Auch für Paulus persönlich lesen wir immer wieder, dass Gemeinden für ihn finanziell eingestanden sind.
Nun haben wir viele verschiedene Bibeltexte im Schnelldurchlauf angeschaut. Ich versuche jetzt, das Bild wieder zusammenzusetzen. Was fällt auf? Welche Impulse und Fragen ergeben sich? Was bedeutet das für uns und was fordert es von uns?
Zunächst: Bei der Berufung geht es nicht nur um besondere und herausragende Aufgaben und Dienste in der Gemeinde. Jeder Christ hat seine Berufung – das haben wir zu Beginn als Basis gesehen. Auch bei den Berufungen, die wir gerade angeschaut haben, waren einige tatsächlich ganz besondere für den weltweiten Reisedienst, andere nach den Kriterien auch für den Dienst in der Gemeinde. Jeder Christ hat durch seine Nachfolge eine Berufung zum Dienst. Das darf uns ermutigen, denn jeder wird in Gottes Augen gebraucht und ist wertvoll. Es gibt nicht die einen, zu denen man hochschauen muss, und die anderen, auf die man herabschauen darf. Jeder wird im Reich Gottes gebraucht.
Gleichzeitig fordert und diszipliniert uns das. Gott will gelebte Nachfolge. Es gibt nicht die, die arbeiten, und die anderen, die konsumieren dürfen. In der Gemeinde wird jeder gebraucht.
Der zweite Impuls: Das Prinzip der Berufung scheint der Standard im Neuen Testament zu sein. Und zwar völlig unabhängig davon, ob es um innergemeindlichen oder überregionalen Dienst geht und ob es sich um vollzeitlichen Dienst oder ehrenamtliches Engagement handelt. Auch wenn ich nicht so nah an meinem Arbeitsplatz bin, zum Beispiel bei der Firma Bosch oder an der Bank, kann das ein vollzeitlicher Dienst sein.
Was mir außerdem aufgefallen ist und was ich für wichtig halte: Berufungen waren in diesen Geschichten sehr unterschiedlich. Gott geht offenbar ganz intensiv auf die Individualität seiner Geschöpfe ein. Es gibt keinen „Rasen“, der überall drüber passt, sondern Gott beruft ganz individuell.
Mein Eindruck ist, dass immer zwei Faktoren zusammenkommen: Erstens ist Berufung Gottes Werk – er handelt und ruft. Menschen reagieren nur auf Gottes Ruf. Zweitens gibt es in jeder dieser Geschichten eine Bestätigung durch andere Glaubensgeschwister. Gott benutzt Glaubensgeschwister, um die Berufung zu bestätigen. Das gibt Klarheit und Gewissheit, gerade in schwierigen Situationen. Wenn Zweifel kommen, ist es eine große Stärkung, sich daran zu erinnern, dass Geschwister aus der Gemeinde eine Bestätigung gegeben haben – vielleicht sogar explizit gesagt haben, dass man selbst nie auf diese Berufung gekommen wäre.
Die menschliche Seite wird aber immer nach geistlichen Kriterien in die Berufung eingebracht. Es gibt aus der Schrift heraus Hilfestellungen und Kriterienkataloge, wie Mitarbeiter auszuwählen sind. Wenn ich berufe, kann ich die biblischen Vorgaben heranziehen, wie Mitarbeiter leben sollen und welche Gaben sie haben. Im 1. Korinther 12 heißt es, dass der Heilige Geist die Gaben zum Nutzen der ganzen Gemeinde verteilt. Wenn keine Gaben zu sehen sind, stellt sich die Frage, ob ich jemanden für eine bestimmte Aufgabe berufen soll, wenn ich an seinem Nutzen zweifle. Das ist immer eingebettet in eine geistliche Sicht.
In den ersten beiden Punkten, den Impulsen, die die Bibel mitgibt, habe ich auch erlebt: Bete, bete, bete! In der Regel war es gemeinsames Gebet, als man zur Erkenntnis kam. Das wäre auch ein Ansporn, aus der Individualitätsfalle unserer Gesellschaft herauszukommen. Natürlich kann man auch individuell beten, aber gemeinschaftliches Beten, gemeinschaftlich auf Gott hören und auch gemeinschaftlich gegenseitig bestätigen, ist sehr hilfreich. Wenn beim Gebet ein Gedanke kommt, stellt sich die Frage: Habe ich Gottes Reden gehört oder etwas höchstpersönliches? Beides ist möglich. Wenn wir gemeinschaftlich unterwegs sind und uns gegenseitig ertragen, ist das sehr hilfreich.
Mir fiel auf, dass in der Apostelgeschichte Gebet oft durch Fasten begleitet wurde. In der Vorbereitung auf heute Abend wurde mir bewusst, dass Fasten im Neuen Testament häufiger vorkommt, als ich als langjähriger Bibelleser dachte. Es geht nicht um einen Deal mit Gott, bei dem ich verzichte, um etwas zu bekommen. Auch nicht um Trotz oder Hungerstreik, sondern um das Ausrichten auf den Herrn durch Verzicht. Es wird mir bewusst: „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“. Praktisch kann das bedeuten, dass ich in der Stunde, in der ich sonst esse, stattdessen bete.
Fasten ist also ein ausrichtendes Bewusstsein, kein Handel mit Gott. Dieses Menschliche im geistlichen Rahmen schließt auch logisches Denken ein. Unser Verstand ist Teil der Schöpfung, und wir sollten ihn benutzen. Wir sollten nicht so tun, als kämen alle Gedanken, die uns durch den Kopf gehen, automatisch von Gottes Geist. Übernatürliches kann von Gott sein, aber nicht alles.
Das haben wir in diesen Geschichten immer wieder gesehen: Bei der Auswahl von Nachwuchskräften gibt es keinen einzigen Fall, in dem jemand einfach sagt: „Nehmt Silas mit“, „Nehmt Timotheus mit“ oder „Nehmt Johannes mit“. Stattdessen waren es Erkenntnisse oder Gottes Reden, die nicht beschrieben wurden. Wenn an diesen Stellen Gottes Reden häufig explizit beschrieben wurde, würde es mich wundern, wenn man es gerade hier weggelassen hätte.
Deshalb gilt: Unter Gebet und Bibellesen wird der Verstand benutzt – das ist geistliches Handeln.
Manchmal muss man den richtigen Augenblick abwarten können. Auf der einen Seite Nutzen, auf der anderen Seite wenig abwarten und sagen: Jetzt ist Handeln angesagt.
Ein weiterer wichtiger Punkt ist das Gemeinschaftliche. Ich weiß, ich wiederhole mich heute Abend mehrfach, das ist Absicht. Es ist mir so wichtig, dass Erkenntnisse von besonderer Tragweite, wie das Auswählen und Aussenden von jemandem in die Fremde oder das Anvertrauen einer Aufgabe, eine gemeinschaftliche Erkenntnis sind. Es muss geprüft und bestätigt werden. So verhindern wir Druck und Machtmissbrauch, wenn jemand sagt: „Mir hat Gott gezeigt, dass du das tun sollst.“ Welche Chance hat man, wenn jemand so auf einen zukommt? Ich könnte sagen: „Du hast Gott nicht verstanden“, was anmaßend wäre, oder ich würde mich gegen Gottes Handeln wehren.
Deshalb ist es mir so wichtig, dass vermeintliche oder tatsächliche Einzelerkenntnisse nicht ausgenutzt werden, um zu sagen: „So spricht der Herr, ich habe eine Aufgabe für dich.“ Stattdessen sollte gemeinschaftliches Prüfen und gemeinschaftliches Hören stattfinden: Entspricht das dem Heiligen Geist? Entspricht es der Bibel? Entspricht es den Kriterien, die wir für die Mitarbeit finden, den Gaben, die du hast? So kommt man zu einer gemeinschaftlichen Erkenntnis. Das ist mir sehr wichtig, und ich wiederhole es gerne.
Ein weiteres Prinzip: Berufung ist immer mit Sendung verbunden. Dabei kamen für mich verschiedene Aspekte zusammen. Es gibt Klarheit und Transparenz für alle Beteiligten. In der Gemeinde fragt niemand: „Habt ihr Ahnung, was mit Schosch los ist? Den habe ich zwei Monate nicht gesehen.“ Man sagt: „Ja, den haben wir in die Mission geschickt.“ Das gibt es nicht, wenn eine Sendungsveranstaltung in der Gemeinde stattfindet. Für alle ist klar, wer gesendet wurde.
Zwar fehlen dann vielleicht ein paar Leute im Gottesdienst, aber das sind wenige, die es nicht wissen. So spricht sich das schnell herum. Es gibt also Klarheit und Transparenz.
Gleichzeitig wird es der Gemeinde durch eine bewusste und aktive Sendung noch einmal sehr bewusst: „Wir übernehmen Verantwortung. Wir haben gesendet.“ Das ist nicht vorbei, wenn die Gesandten die Tür hinausgehen. Sie bleiben in der Verantwortung, sich gelegentlich zu melden. Wenn sie keinen Rundbrief schreiben, werden sie schnell vergessen.
Eine Sendung bedeutet, dass die Gemeinde sich daran erinnert, dass sie Mitverantwortung trägt – im Gebet, in der Ermutigung. Heutzutage kann man ja tatsächlich in Sekundenbruchteilen in Afrika oder an anderen Orten der Welt landen. Früher schrieb man Luftpostbriefe, die Wochen oder Monate brauchten, wenn sie überhaupt ankamen.
Welche Möglichkeiten der Ermutigung haben wir heute? In der letzten Missionsstation gibt es E-Mail, man kann einfach Kontakt halten. Die Gemeinde trägt Verantwortung.
Nicht zuletzt heißt es für die Gemeinde auch, dass sie finanzielle Verantwortung trägt. Es ist schlimm, wenn man Leute sendet mit dem Motto: „Guck mal, wie du klarkommst.“ Wenn wir Erkenntnis haben, tragen wir Verantwortung. Das sollten wir uns bewusst machen.
Deshalb halte ich das Thema Sendung für sehr wichtig – nicht nur wegen der Transparenz in der Gemeinde, sondern auch, weil die Gesandten dadurch ermutigt werden. Das ist besonders wichtig, wenn jemand sein gewohntes Umfeld verlässt. Ob ich von Ostfildern nach Wagnern gesendet werde, ist noch leichter auszuhalten, aber wenn ich in ein anderes Sprachumfeld oder einen anderen Kulturkreis komme, oder wenn ich durch meine Hautfarbe auffalle, wie wichtig ist es da, Ermutigung auf dem Weg zu bekommen? Das sollten wir nicht unterschätzen.
Nun einige Punkte, die mir nicht aufgefallen sind, aber die ich in der heutigen Zeit immer wieder höre:
Das Prinzip „Ich mache nur die Dinge, die mir Freude machen, andere Dinge kann Gott für mich nicht wollen“ habe ich in diesen Geschichten nicht gefunden.
Ich habe auch keine Stellenanzeigen gesehen, in denen in der Gemeinde 17 Leute gesucht werden, die sich freiwillig melden sollen, und wenn sich keiner meldet, hat man Pech gehabt und hofft, dass es sich ausreicht.
Ich habe auch nirgendwo die Antwort gefunden: „Ja, ich sehe die Berufung auch, aber ich nehme sie nur an, wenn folgende drei Bedingungen erfüllt sind.“ Ich habe es gesucht, aber nicht gefunden.
Auch andere Geschichten, die wir vielleicht noch hätten dazunehmen können, habe ich nicht gefunden.
Ebenso habe ich nicht entdeckt, dass Christen, die eine Berufung erhalten haben, sie rundweg abgelehnt hätten. Das mag vorgekommen sein, aber es wird nicht berichtet. Oder es war damals klar, dass eine echte Berufung nach den Kriterien, über die wir gesprochen haben, angenommen wird. Wenn die kommt, kann man nicht Nein sagen.
Das hätte man vielleicht vor der Berufung genauer fragen müssen.
Noch konkreter ein paar Fragen an uns:
Leben wir in unseren Gemeinden das Thema Berufung ganz konkret? Oder ist das eher der Einzelfall, und im Normalfall warten wir, bis Gemeindeglieder bereitwillig kommen?
Haben wir ein gemeinsames Grundverständnis in unseren Gemeinden, dass wir das Prinzip Berufung leben wollen? Oder denken da nur zwei oder drei Leute so?
Falls nicht: Sollte das, was ich herausgearbeitet habe, Zustimmung finden und als biblisch wichtiger Weg anerkannt werden, wie gehen wir das an, damit es in der Gemeinde ankommt? Damit man versteht, dass das ein guter Weg ist, den die Bibel vorzeichnet.
So wird es kein Kulturschock, wenn man plötzlich beginnt, Berufungen auszusprechen und alle fragen: „Was ist denn jetzt los? Bis gestern gab es das nicht, und heute reden alle von Berufungen.“
Parallel oder besser als Vorarbeit zur Kommunikation: Wie stellen wir sicher, dass wir tatsächlich nach biblischen Prinzipien berufen und sehr sorgfältig mit einzelnen Eindrücken umgehen?
Wie gehen wir damit um, wenn wir Geschwister berufen?
Wie sieht das in der Praxis unserer Ältestenarbeit aus? Ist Gebet und Verkündigung wirklich deren Hauptaufgabe?
Geben wir als Gemeindeglieder unseren Ältesten den Freiraum, sich zurückzuziehen, gemeinschaftlich zu beten und vielleicht auch mal zu fasten?
Wo haben wir als Gemeindeglieder die Begabungen der anderen im Blick?
Wo verlangen wir vielleicht von unseren Ältesten eher, dass sie Manager sein müssen, anstatt ihnen Raum für Verkündigung, Gebet und Fasten zu geben? Und wundern uns dann, wenn Prinzipien der Berufung nicht funktionieren können, weil sie zu sehr mit anderen Aufgaben belastet sind?
Wie sind die Gepflogenheiten in unseren Gemeinden bezüglich Mission und Evangelisation?
Kennen Missionare oder Missionarinnen, für die wir regelmäßig beten und vielleicht auch spenden? Würde das funktionieren? Oder würden wir verstörte Blicke ernten und sagen: „Bitte ruf mich jetzt nicht auf“?
Haben wir als Gemeinde eigene Missionare, über die wir regelmäßig berichten, für die wir beten und als Gemeinde zusammenstehen?
Wie beten wir in Gebetskreisen für Missionare und Evangelisation? Wie wird die Gemeinde zur betenden Gemeinde?
Und wie oft begleiten wir das Gebet wenigstens gelegentlich mit Fasten?
Das würde ich mir wünschen.
Nicht im Sinne, dass jemand sich damit brüstet und sagt: „Ich bin der tolle Hecht, ich mache das“, das kennen wir aus der Bergpredigt: „Ihr habt euren Lohn schon.“ Nein, sondern das Denken, das wir in der Apostelgeschichte mehrmals gesehen haben.
Ist das irgendwo bei uns verankert oder ist das weit weg?
Wie konkret beten wir regelmäßig für Mitarbeiter im Auftrag Jesu?
Wie suchen und fördern wir Nachwuchs im Sinne von Lehrfähigkeit, Lehren und geleiteter, begleiteter Jüngerschaft? Oder lassen wir sie eher laufen und sagen: „Es wird sich schon entwickeln, jeder ist für sich selbst verantwortlich“?
Noch eine ganz persönliche, kritische Frage an jeden, der heute Abend oder später dieses Video bis zum Ende anschaut:
Würde ich eine Berufung durch Glaubensgeschwister – insbesondere durch die Gemeindeleitung – annehmen, wenn ich weiß, dass gemeinschaftlich gebetet und hinterfragt wurde und zu einer gemeinschaftlichen Erkenntnis gekommen ist? Wenn der Berufungsprozess eine echte Berufung ist und kein Schnellschuss?
Wenn ich sage: „Das nehme ich nicht an“, dann brauchen wir keine Kultur der Berufung einzuführen, weil ich das dann von anderen auch nicht erwarten kann.
Ich glaube nicht, dass man schweigend immer Ja sagen muss. Man kann ja offen fragen: Wie sieht euer Prozess aus? Habt ihr an das und das gedacht? Und wenn ihr meine Argumente hört, bekommt ihr einen neuen Blick oder bleibt ihr bei eurer Erkenntnis? So kann man offen reden.
Aber bin ich bereit, mich rufen zu lassen? Da sage ich: Nein, das sind halt nicht meine.
Das war jetzt das Zusammenfügen im Sinne von Impulsen, Bildern und Fragestellungen.
Zum Schluss habe ich ein paar Wünsche mitgebracht.
Mein Wunsch an Sie: Helfen Sie mit, eine Kultur der Berufung zu leben. Nehmen Sie das mit in unsere Gemeinden, damit wir heute Abend verstanden haben, dass Berufung, das Prinzip der Berufung, wichtig und richtig ist.
Sprechen Sie in den Gemeinden mit den Verantwortlichen. Sprechen wir nicht aus ungeprüften Erkenntnissen, sondern sprechen wir Aktivberufungen aus. Statt „Ich suche drei Jungscharleiter, wer meldet sich freiwillig?“ könnten wir sagen: „Wir haben gebetet, wir haben die Erkenntnis, Johannes, du hast nach unserer Erkenntnis die Begabungen, du wärst eine tolle Nachwuchskraft. Ich nehme dich in meine Fittiche, im ersten Jahr sind wir zusammen dran, dann lasse ich dich los, bin aber in der Nähe für dich da.“
Ich will Mut machen: So schwer es ist, wenn wir erkennen, dass die besten Mitarbeiter für den überregionalen vollzeitlichen Dienst in einer anderen Stadt oder in einem anderen Land berufen sind, vertrauen wir Gott und senden diese Leute aus. So wie die Christen in Antiochia gesagt haben: „Wenn Gott das spricht, lasst es einfach so stehen und vertraut.“
Mein zweiter Wunsch: Schaffen wir ein Bewusstsein und ein Herz für Mission und Evangelisation in unseren Gemeinden. Vielleicht über Lehren, was die Schrift dazu sagt, wie normal das Bestandteil des Christseins ist.
Fragen wir: Wer kennt Missionare? Wer kennt jemanden und kann mich bekannt machen? Das ist eine persönliche Beziehung, ganz anders, wenn man jemanden kennt und schreiben kann: „Wie geht es dir an dem und dem Ort?“ Kontakt aufnehmen zu Missionsgesellschaften, Missionare einladen zu Gemeindeveranstaltungen – ich würde dazu ermutigen. Das ist ein Teil unserer Gemeinde, den wir haben.
Mein letzter Wunsch: Beten wir um Mitarbeiter – ganz praktisch. Machen wir eine Gemeindeliste. Ich weiß, in Zeiten der DSGVO ist das nicht einfach. Aber wenn man Namen sammelt, auch aus früheren Listen, und ein Arbeitsteam hat, das sich ums Putzen kümmert, kann man so die meisten Namen zusammenbekommen.
Dann beten wir jeden Tag für zwei oder drei Leute von dieser Liste. Legen wir sie Gott hin, fragen ihn, ob er für sie eine besondere Aufgabe hat. Lass es sie erkennen, lass es die Gemeindeleitung erkennen.
Tun wir das gemeinsam mit anderen Christen. Fangen wir wieder mit Fasten an in einzelnen Gebetszeiten. Man muss ja nicht gleich eine ganze Woche fasten. Warum nicht mal vom Frühstück bis zum Abendessen nichts essen und die Zeit zum Beten nutzen?
Wir schicken niemanden weg, den wir in einer öffentlichen Veranstaltung ausgesendet haben. Auch den Jungschar-Mitarbeiter, den Seniorenkreis-Mitarbeiter, die Schwester im Frauenkreis oder die Frauenarbeitsgruppe – wie man die Dienste heute nennt.
Auch die, die in der Gemeinde da sind, zeigen wir vor der Gemeinde: „Die haben wir erkannt, berufen und eingesetzt.“ Für sie tragen wir als Gemeinde Verantwortung.
Was wünsche ich mir noch? Etablieren wir in unseren Gemeinden Systeme der Jüngerschaftsschulung. Nicht zufällig, dass mal zwei zusammenkommen, sondern überlegen wir, wie kreative Wege aussehen, wie Jung und Alt zueinander kommen, wie sie zusammenarbeiten können.
Die Jüngeren erleben die Älteren und sagen: „Wie macht die das?“ Dabei entsteht Gespräch.
Besprechen wir in der Gemeinde, wie passende Paare oder Teams von erfahrenen und weniger erfahrenen Christen zusammenkommen. Machen wir es verbindlich. In unserer Gemeinde ist das keine Option, sondern eine Erwartung, weil das unsere Nachfolger und die himmlische Gemeinde stärkt.
Das wollen wir so. Und du bist der Gemeindeleitung rechenschaftspflichtig, wenn du es nicht tust.
Ein ganz anderer Denkansatz.
Ich wünsche mir, dass wir das Thema Jüngerschaftsschulung in der Gemeinde erleben.
Mein letzter Wunsch ist vielleicht der härteste und deshalb kommt er zum Schluss: Öffnen wir den Geldbeutel und tragen die Berufung, die wir aussprechen, auch finanziell mit – persönlich oder als Gesamtgemeinde oder beides.
Warum sollte die Gemeinde nicht jeden Monat hundertfünfzig Euro für einen Missionar geben? Ich kann selbst noch im Hunderterbereich dazugeben. Der Missionar braucht garantiert mehr.
Deshalb wünsche ich mir, dass wenn wir eine Kultur der Berufung leben, sie den letzten Schritt mit beinhaltet – und der kostet manchmal etwas.
Das war’s.
Ich bin gespannt, ob für den einen oder anderen hier in der Runde, die live dabei ist, oder für diejenigen, die uns in den nächsten Tagen und Wochen anschauen, Impulse dabei waren.
Wenn Sie etwas umsetzen und Erfahrungen machen in ein paar Wochen oder Monaten, würde ich mich riesig freuen, wenn ich einen Anruf, eine Mail oder einen Besuch am BSK bekomme nach dem Motto: „So haben wir es gemacht, es hat überhaupt nicht funktioniert, war völliger Käse, was ich an dem Abend gehört habe“ oder „Das war ein wertvoller Impuls und in unserer Gemeinde hat es zu einer guten ersten Veränderung geführt.“
Das würde mich sehr interessieren.
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Uns liegt viel daran, Menschen für den Dienst in der Gemeinde auszurüsten – mit solchen kostenfreien Angeboten oder auch mit unseren Seminaren. Die kann man einzeln belegen, man muss nicht gleich ein Studienprogramm beim BSK machen.
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Wer sagt: „Das ist mir wichtig und ich kann etwas dafür geben“, dem sind wir für eine Spende an das BSK sehr dankbar.
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Herzlichen Dank, eine gute Nachtruhe und eine gute Heimreise!
Falls im Chat noch Fragen sind, kann ich jetzt noch antworten. Für unsere kleine Runde hier können wir im Gespräch bleiben.
Eine gute Nacht, eine gute Heimreise und bis bald mal wieder!
Bevor wir nun diese Beobachtungen und Puzzlestücke zu einem Bild zusammenfügen, werfen wir noch einen Blick auf die sendenden Gemeinden und die Gemeindegründungen beziehungsweise Neugründungen sowie ihr Verhältnis zueinander. Dann haben wir, glaube ich, alle Puzzleteile beisammen.
Zum einen ist da Jerusalem, die Muttergemeinde aller Gemeinden. Wir sehen, dass sie die Verantwortung für eine junge Gemeinde in Antiochia übernimmt. Barnabas wurde berufen und gesendet. Doch dabei blieb es nicht. In Apostelgeschichte 11 lesen wir, dass später auch Propheten wie Agabus gesandt wurden. Die Gemeinde aus Jerusalem ließ Barnabas nicht allein, sondern er holte sich Paulus dazu.
Der Muttergemeinde war es wichtig, dass dies kein einmaliger Akt war. Es war nicht so, dass man jemanden schickt und dann ist einem das egal. Stattdessen kümmern sie sich und sehen Verantwortung. In Apostelgeschichte 15 lesen wir von großem Interesse an dem, was in Antiochia geschehen ist und was Gott dort unter den Heiden gewirkt hat.
Es geht noch weiter: Nachdem die Streitfragen im Apostelkonzil geklärt waren, schrieben sie einen Brief. Briefe können so verfasst sein, dass man sie theoretisch versteht und keinen Erklärer braucht. Doch genau das taten die Leute aus Jerusalem nicht. Sie schickten mit Silas und Judas persönliche Überbringer und Erklärer mit. Dabei ging es darum, die Gemeinde zu stärken und zu ermutigen. So wichtig war ihnen die Gemeinde, dass sie die Ressourcen aufbrachten, zwei Personen zu entsenden. Das war eine gute Investition in die Gemeinde.
Es ging also nicht nur darum, jemanden zu senden und zu berufen, sondern für die sendende Gemeinde blieb auch eine Verantwortung für das, was die Mitarbeiter in der jüngeren Gemeinde, in der Gemeindegründung, taten.
Auch aus Antiochia lesen wir Ähnliches. Sie waren ebenfalls sendende Gemeinde bei der ersten Missionsreise. Sie wählten Barnabas aus, und in Apostelgeschichte 14 wird von der Gemeindeversammlung mit Missionsberichten berichtet. Man wollte wissen, was dort geschah. Christen haben ein Herz füreinander.
Im Gegenzug fällt auf, dass auch die Tochter- und Enkelgemeinden einen Blick auf die haben, die ihnen die Mitarbeiter geschickt haben. Sie legen Geld zusammen für die Not in Jerusalem. Schon im elften Kapitel der Apostelgeschichte lesen wir, dass Geld gesammelt wurde. Deshalb kamen Paulus und Barnabas zurück und überbrachten das Geld.
Auch später übernehmen Gemeinden finanzielle Verantwortung, zum Teil für Jerusalem. Das lesen wir im 2. Korintherbrief, wenn wir Kapitel 8 und Kapitel 9 anschauen. Auch für Paulus persönlich lesen wir immer wieder, dass Gemeinden für ihn finanziell eingestanden sind.
Wir haben nun viele verschiedene Bibeltexte im Schnelldurchlauf betrachtet. Ich versuche jetzt, das Bild wieder zusammenzusetzen. Was fällt auf? Welche Impulse und Fragen ergeben sich daraus für uns? Was bedeutet das für uns und was fordert es von uns?
Zunächst vorweg: Bei der Berufung geht es nicht um besondere und herausragende Aufgaben oder Dienste in der Gemeinde. Jeder Christ hat seine Berufung – das haben wir zu Beginn als Grundlage gesehen. Auch bei den Berufungen, die wir gerade angeschaut haben, waren einige tatsächlich ganz besondere, etwa für den weltweiten Reisedienst. Andere Berufungen waren eher innergemeindlich. Jeder Christ hat durch seine Nachfolge auch eine Berufung zum Dienst.
Das darf uns ermutigen, denn jeder wird in Gottes Augen gebraucht und ist wertvoll. Es gibt nicht die einen, zu denen man hochschauen muss, und die anderen, auf die man herabschauen darf. Jeder wird im Reich Gottes gebraucht. Gleichzeitig fordert uns das heraus und diszipliniert uns. Gott will gelebte Nachfolge. Es gibt nicht die, die arbeiten, und die anderen, die konsumieren dürfen. In der Gemeinde wird jeder gebraucht.
Der zweite Impuls betrifft das Prinzip der Berufung. Dieses Prinzip scheint der Standard im Neuen Testament zu sein. Dabei ist es völlig egal, ob es sich um innergemeindlichen oder überregionalen Dienst handelt, ebenso unabhängig davon, ob der Dienst vollzeitlich oder ehrenamtlich geleistet wird. Auch wenn ich nicht direkt an meinem Arbeitsplatz als Tagesarbeiter, bei Bosch oder an der Bank tätig bin, kann das ein vollzeitlicher Dienst sein.
Mir ist außerdem aufgefallen, dass Berufungen in den Geschichten sehr unterschiedlich sind. Offenbar geht Gott bei der Berufung intensiv auf die Individualität der Menschen ein. Es gibt keinen „Rasen“, der überall gleichmäßig drüberpasst, sondern Gott geht individuell auf jeden ein.
Mein Eindruck ist, dass immer zwei Faktoren zusammenkommen: Zum einen ist Berufung Gottes Werk – er handelt und ruft. Menschen reagieren nur auf Gottes Ruf. Zum anderen gibt es in jeder Geschichte eine Bestätigung durch andere Glaubensgeschwister. Gott benutzt also die Glaubensgeschwister, um die Berufung zu bestätigen. Das schafft Klarheit und Gewissheit, vor allem in schwierigen Situationen. Wenn Zweifel kommen, kann es eine große Hilfe sein, sich daran zu erinnern, dass Geschwister aus der Gemeinde diese Berufung bestätigt haben – vielleicht sogar explizit gesagt haben, dass man selbst nie auf diese Berufung gekommen wäre. Das ist eine große Stärkung.
Die menschliche Seite, von der ich gerade sprach, wird aber immer nach geistlichen Kriterien in die Berufung eingebracht. Auch das habe ich beobachtet. Die Schrift gibt Hilfestellungen und Kriterien, wie man Mitarbeiter auswählt. Wenn ich als Berufender denke, kann ich die biblischen Vorgaben heranziehen, wie Mitarbeiter leben sollen, welche Charaktereigenschaften sie haben sollten und wie es um ihre Gaben und Begabungen steht. Im 1. Korinther 12 heißt es, dass der Heilige Geist Gaben zum Nutzen der ganzen Gemeinde gibt. Wenn keine Gaben sichtbar sind, stellt sich die Frage, ob jemand für eine bestimmte Aufgabe berufen werden soll, wenn der Nutzen zweifelhaft ist. Alles ist also eingebettet in eine geistliche Sicht.
Diese beiden Punkte sind Impulse, die die Schrift gibt. Zusätzlich habe ich erlebt: Bete, bete, bete! In der Regel war das auch gemeinsames Gebet, als man zur Erkenntnis kam. Das wäre auch ein Ansporn für uns, aus der Individualitätsfalle unserer Gesellschaft herauszukommen. Natürlich kann man auch ganz individuell alleine beten, das geht. Aber wir möchten Mut machen, gemeinschaftliches Beten zu fördern, gemeinschaftlich auf Gott zu hören und dann auch gemeinschaftlich gegenseitig zu bestätigen.
Ich frage mich oft: Wenn mir beim Gebet ein Gedanke durch den Kopf geht, habe ich dann Gottes Reden gehört oder nur ein höchstpersönliches Reden? Beides ist möglich. Wenn wir gemeinschaftlich unterwegs sind und uns gegenseitig ertragen, ist das sicher sehr hilfreich.
Mir fiel auf, dass in der Apostelgeschichte Gebet oft durch Fasten begleitet wurde. Bei der Vorbereitung auf heute Abend ist mir bewusst geworden, dass Fasten im Neuen Testament häufiger auftaucht, als ich als langjähriger Bibelleser zuvor wahrgenommen habe. Dabei geht es nicht um einen Deal mit Gott – ich verzichte auf etwas und bekomme dafür etwas –, auch nicht um Trotz oder einen Hungerstreik. Das wäre die falsche Haltung.
Fasten meint vielmehr, sich durch Verzicht auf den Herrn auszurichten. Es wird mir bewusst: Von ihm kommt alles, der Mensch lebt nicht vom Brot allein. Praktisch kann das bedeuten, dass ich in der Stunde, in der ich sonst esse, stattdessen bete und auf Gott blicke.
Fasten ist also kein Handel mit Gott, sondern ein ausrichtendes Bewusstsein. Der Mensch lebt nicht vom Brot allein.
Zum Menschlichen im geistlichen Rahmen gehört auch das logische Denken. Unser Verstand ist Teil der Schöpfung. Wir sollten nicht so tun, als könnten nur wilde Eindrücke, die uns durch den Kopf gehen, von Gottes Geist geleitet sein. Übernatürliches kann von Gott sein, aber er hat uns den Verstand geschenkt, damit wir ihn benutzen.
Das haben wir in den Geschichten immer wieder gesehen. Vor allem, als es um die „Nachwuchsleute“ ging, haben wir nie gehört: „Nehmt Silas mit“, „Nehmt Timotheus mit“ oder „Nehmt Johannes mit“. Stattdessen waren es Erkenntnisse, Gottes Reden, die nicht explizit beschrieben wurden. Und da so häufig explizites Reden Gottes sonst beschrieben wird, würde es mich wundern, wenn man gerade an diesen Stellen Gottes Reden ausgelassen hätte.
Deshalb gilt: Unter Gebet und Bibellesen muss auch der Verstand benutzt werden. Das ist geistliches Handeln, und das ist mir wichtig.
Manchmal muss man den richtigen Augenblick abwarten können – auf der einen Seite Nutzen sehen, auf der anderen Seite abwarten und sagen: Jetzt ist Handeln angesagt.
Mir ist das Thema Gemeinschaftlichkeit sehr wichtig. Ich weiß, ich wiederhole mich heute Abend mehrfach, aber das ist Absicht. Es ist mir so wichtig, weil die Erkenntnisse von besonderer Tragweite sind.
Das Auswählen und das Fremdschicken von Menschen, das Anvertrauen von Aufgaben, die sie bisher nicht hatten, muss eine gemeinschaftliche Erkenntnis sein. Es muss geprüft und bestätigt werden. So vermeiden wir Druck oder Machtmissbrauch, wenn jemand sagt: „Mir hat Gott gezeigt, dass du das tun sollst.“
Welche Chance hat man, wenn jemand auf mich zukommt und sagt: „Gott hat mir gezeigt“? Ich könnte sagen: „Du hast Gott nicht verstanden“ – das wäre eine Anmaßung – oder ich könnte mich gegen Gottes Handeln wehren.
Deshalb ist es mir so wichtig, vermeintliche oder tatsächliche Einzelerkenntnisse nicht auszunutzen und zu behaupten: „So spricht der Herr, ich habe eine Aufgabe für dich.“ Stattdessen muss das gemeinschaftliche Prüfen und Hören im Mittelpunkt stehen. Entspricht das dem Wirken des Heiligen Geistes? Entspricht es der Schrift? Entsprechen die Kriterien, die wir für Mitarbeit haben, den Gaben, die jemand besitzt?
Darauf sollten wir achten, damit wir zu einer gemeinschaftlichen Erkenntnis kommen. Das ist mir sehr wichtig, und deshalb wiederhole ich das an dieser Stelle gerne.
Das nächste Prinzip, das mir aufgefallen ist, wenn wir das Bild wieder zusammensetzen aus den vielen Einzelstellen: Berufung ist immer mit Sendung verbunden. Auch hier kamen für mich einige verschiedene Aspekte zusammen.
Es gibt Klarheit und Transparenz für alle Beteiligten. Zum Beispiel kann in der Gemeinde oder vielleicht irgendwann in einem größeren Kreis die Frage aufkommen: „Habt ihr eine Ahnung, was mit dem Schosch los ist? Den habe ich jetzt schon seit zwei Monaten nicht mehr gesehen.“ Dann sagt jemand: „Ja doch, den haben wir doch in die Mission geschickt.“ So etwas gibt es nicht, wenn man eine Sendungsveranstaltung in der Gemeinde macht. Dann ist es für alle klar.
Vielleicht fehlen an dem Tag im Gottesdienst einige, aber das sind wenige, die es nicht wissen. Und es spricht sich sicher schnell herum. Es herrscht also Klarheit und Transparenz für alle Beteiligten. Gleichzeitig wird es der Gemeinde durch eine bewusste und aktive Sendung sicher nochmals sehr bewusst.
Wir übernehmen Verantwortung. Wir haben gesendet. Das ist nicht einfach vorbei, wenn die Gesandten zur Tür hinausgehen. Sie bleiben vielleicht noch in der Verantwortung, indem sie sich gelegentlich melden. Und wehe, sie schreiben keinen Rundbrief – dann werden sie sowieso schnell vergessen.
Eine Sendung bedeutet, dass wir noch einmal ins Gedächtnis gerufen werden: Wir als Gemeinde tragen Mitverantwortung – im Gebet, in der Ermutigung. Heutzutage kann man ja tatsächlich in Sekundenbruchteilen auch in Afrika oder an allen Ecken der Welt Kontakt aufnehmen.
Als ich klein war, habe ich Luftpostbriefe geschrieben. Ich weiß nicht, ob das heute noch jemand kennt: ganz dünnes Papier, das fast nichts wog. Und es dauerte dann Wochen oder Monate, bis ein Brief, wenn er überhaupt ankam, in Afrika eintraf. Nicht immer ging eine Karawane zur Missionsstation.
Welche Möglichkeiten der Ermutigung haben wir heute? In der letzten Missionsstation gibt es E-Mail. Da kann man auch mal einfach Kontakt aufnehmen. Wir als Gemeinde tragen Verantwortung.
Ich möchte das jetzt nicht weiter ausführen. Aber nicht zuletzt heißt es für die Gemeinde auch, dass wir eine finanzielle Verantwortung tragen. Es ist immer schwierig, wenn man Leute sendet nach dem Motto: „Guck mal, wie du klarkommst.“ Aber wenn wir Erkenntnis haben, dann tragen wir Mitverantwortung. Auch das sollten wir uns bewusst in unserer Erfahrung halten.
Deshalb halte ich das Thema Sendung für so, so wichtig. Nicht nur aus Sicht von Klarheit und Transparenz in der Gemeinde, sondern auch, weil die Gesandten dadurch ermutigt werden. Das ist besonders wichtig, wenn man sein gewohntes Umfeld verlässt.
Ob ich jetzt von Ostfildern nach Wagnern gesendet werde, das lässt sich vielleicht noch leichter aushalten. Aber wenn ich in ein anderes Sprachumfeld komme, in einen anderen Kulturkreis, wenn ich plötzlich derjenige bin, der durch seine Hautfarbe auffällt – wie wichtig ist es da, eine Ermutigung auf dem Weg mitzubekommen! Das sollten wir nicht unterschätzen.
Und jetzt habe ich nur ein paar Punkte zusammengestellt, die mir nicht aufgefallen sind, die ich aber in der heutigen Zeit immer wieder höre.
Das Prinzip „Ich mache nur die Dinge, die mir Freude machen, andere Dinge kann Gott für mich nicht wollen“ ist mir bei den Geschichten, die ich heute Abend gezeigt habe, nirgendwo begegnet.
Ich habe auch keine Stellenanzeigen gefunden nach dem Motto: „Wir suchen in der Gemeinde noch 17 Leute, die irgendetwas tun, bitte meldet euch.“ Und wenn sich eben keiner meldet, haben wir Pech gehabt. Es besteht die Hoffnung, dass sich ausreichend und die richtigen Leute melden.
Ebenso habe ich nirgendwo eine Antwort gefunden wie: „Ja, ich sehe die Berufung auch. Aber ich nehme sie nur an, wenn folgende drei Bedingungen erfüllt sind.“ Ich habe danach gesucht, aber nichts gefunden.
Auch bei anderen Geschichten, die wir vielleicht noch hätten dazunehmen können, hier aber aus Zeitgründen weggelassen haben, habe ich so etwas nicht entdeckt.
Was ich ebenfalls nicht gefunden habe, war, dass Christen, die eine Berufung erhalten haben, diese rundweg abgelehnt haben. Vielleicht hat es das gegeben, aber es wird nicht davon berichtet. Oder es war in der damaligen Zeit klar: Wenn eine Berufung in dem Sinne, dass es eine echte Berufung nach den Kriterien, über die wir gesprochen haben, ist, dann kann ich nicht Nein sagen.
Das hätte man vielleicht eher mal fragen müssen: Haben wir die Berufung zu Ende gedacht?
Noch konkreter einige Fragen an uns, und dann geht es bald Richtung Ende.
Leben wir in unseren Gemeinden das Thema Berufung ganz konkret? Dort ist es eher der Einzelfall, und im Normalfall warten wir darauf, dass Gemeindeglieder bereitwillig kommen.
Die zweite Frage: Haben wir ein gemeinsames Grundverständnis in unseren Gemeinden, dass wir dieses Prinzip der Berufung leben wollen? Oder denken nur zwei, drei Leute so? Falls nicht, sollte das, was ich herausgearbeitet habe, auf Zustimmung stoßen und sagen: Das ist ein biblisch wichtiger Weg.
Wie gehen wir das an, damit es in der Gemeinde ankommt und verstanden wird, dass dies ein guter Weg ist? Ein Weg, den die Bibel vorzeichnet. So entsteht kein Kulturschock, wenn man ab morgen plötzlich berufen wird und niemand versteht, was los ist. Bis gestern gab es das nicht, und heute reden alle von Berufungen.
Parallel oder besser sogar als Vorarbeit zur Kommunikation: Wie stellen wir sicher, dass wir tatsächlich nach biblischen Prinzipien berufen? Und wie gehen wir sehr sorgfältig mit der Absicherung einzelner Eindrücke um?
Wie gehen wir damit um, wenn wir Geschwister berufen? Wie sieht es in der Praxis unserer Ältestenarbeit aus? Habe ich mich gefragt, ist Gebet und Verkündigung wirklich deren Hauptaufgabe? Geben wir als Gemeindeglieder unseren Ältesten den Freiraum, sich zurückzuziehen, gemeinschaftlich zu beten und vielleicht auch mal miteinander zu fasten?
Wo haben wir als Gemeindeglieder gegenseitig die Begabung der anderen im Blick? Wo verlangen wir vielleicht von unseren Ältesten eher, dass sie Manager sein müssen, anstatt ihnen Raum für Verkündigung, Gebet und Fasten zu geben? Und wundern uns dann, wenn solche Prinzipien der Berufung vielleicht gar nicht funktionieren können, weil man zu den eigentlichen Aufgaben nicht kommt.
Wie sind die Gepflogenheiten in unseren Gemeinden? Welche Stellen haben Mission und Evangelisation? Kennen Missionare oder Missionarinnen, für die wir regelmäßig beten und vielleicht sogar spenden? Würde das funktionieren, oder würden wir verstörte Blicke ernten, wenn man sie darum bittet?
Haben wir als Gemeinde eigene Missionare, über die wir regelmäßig berichten, für die wir beten und mit denen wir als gesamte Gemeinde etwas zusammenleben? Wie beten wir in Gebetskreisen für Missionare oder die Evangelisation? Wie kann die Gemeinde eine betende Gemeinde sein?
Und dann stolpernd oder krabbelnd wie kleine Kinder: Wer erlebt in seiner Gemeinde, dass das Gebet wenigstens gelegentlich mit Fasten begleitet wird? Das würde einladen. Nicht im Sinne von: Jemand steht da, klopft einem auf die Schulter und sagt, ich bin der tolle Hecht, ich mache das. Das kennen wir aus der Bergpredigt: Wer so zur Schau stellt, bekommt seinen Lohn bereits. Aber ist dieses Denken, das wir in der Apostelgeschichte ein paarmal gesehen haben, irgendwo bei uns verankert oder ist es so weit weg?
Wie konkret beten wir regelmäßig für Mitarbeiter im Auftrag Jesu? Wie suchen wir den Nachwuchs und fördern ihn im Sinne von Lehrfähigkeit, Lehren und gelebt begleiteter Jüngerschaft? Oder lassen wir sie eher laufen und sagen: Es wird sich schon entwickeln, jeder ist für sich selbst verantwortlich?
Und noch eine ganz persönliche, kritische Frage an jeden Einzelnen, der heute Abend oder irgendwann später dieses Video bis zum Ende anschaut: Würde ich eine Berufung durch Glaubensgeschwister, besonders durch die Gemeindeleitung, annehmen? Und das unter der Voraussetzung, dass wirklich gemeinschaftlich gebetet, hinterfragt und zu einer gemeinschaftlichen Erkenntnis gekommen wurde – also dass der Berufungsprozess eine echte Berufung ist und kein Schnellschuss?
Wenn wir jetzt sagen: Das nehme ich nicht an, dann brauchen wir auch keine Kultur der Berufung einzuführen, weil ich das dann von anderen nicht erwarten kann.
Ich glaube übrigens nicht, dass man da schweigend immer Ja sagen muss. Man kann ja genau die Frage stellen: Wie sieht euer Prozess aus? Habt ihr an das und das gedacht? Wenn ihr von mir die und die Argumente hört, bekommt ihr einen neuen Blick oder bleibt ihr bei eurer Erkenntnis? So kann man ganz offen reden.
Aber bin ich bereit, mich rufen zu lassen? Und da sage ich: Nein, das ist halt nichts für mich.
Das soll jetzt als Zusammenfügen im Sinne von Impulsen, Bildern und Fragestellungen verstanden werden.
Zum Schluss habe ich noch einige Wünsche mitgebracht, die ich mit Ihnen teilen möchte.
Mein erster Wunsch ist: Helfen Sie mir, eine Kultur der Berufung zu leben. Nehmen Sie das mit in unsere Gemeinden. Es ist wichtig, dass wir heute Abend verstanden haben, dass Berufung, das Prinzip der Berufung, richtig und bedeutend ist. Sprechen Sie in den Gemeinden mit den Verantwortlichen darüber. Dabei sollten wir immer im Blick behalten, dass wir keine ungeprüften Erkenntnisse verbreiten. Statt einfach zu sagen: „Ich suche drei Jungscharleiter, wer meldet sich freiwillig?“, könnten wir aktiv Berufungen aussprechen. Zum Beispiel: „Wir haben darüber gebetet und die Erkenntnis gewonnen, dass Johannes die Begabungen hat. Du wärst eine tolle Kraft in der Jungschar. Im ersten Jahr arbeiten wir zusammen, ich begleite dich, und danach lasse ich dich los, bleibe aber in der Nähe für dich da.“
Ich möchte Mut machen, auch wenn es schwerfällt, wenn wir erkennen, dass die besten Mitarbeiter für den überregionalen vollzeitlichen Dienst vielleicht in einer anderen Stadt oder sogar in einem anderen Land berufen sind. Vertrauen wir Gott und senden wir diese Menschen aus – so wie die Christen in Antiochia es getan haben. Wenn Gott das spricht, sollten wir es einfach so stehen lassen und darauf vertrauen.
Mein zweiter Wunsch: Schaffen wir ein Bewusstsein und ein Herz für Mission und Evangelisation in unseren Gemeinden. Vielleicht durch Lehren, die aufzeigen, was die Schrift dazu sagt und wie selbstverständlich Mission Teil des Christseins ist. Fragen Sie in der Gemeinde, wer Missionare kennt oder jemanden, der mit Missionaren in Kontakt steht. Persönliche Beziehungen sind hier sehr wichtig. Wenn man jemanden kennt, kann man auch mal schreiben und fragen, wie es an einem bestimmten Ort läuft.
Ich würde auch empfehlen, Missionsgesellschaften und Missionare zu Gemeindeveranstaltungen einzuladen. Das ist ein Teil unserer Gemeinde, der oft wenig Beachtung findet, aber sehr wichtig ist.
Mein letzter Wunsch für heute: Beten wir um Mitarbeiter – und zwar ganz praktisch. Erstellen wir eine Gemeindeliste. Ich weiß, dass das in Zeiten der DSGVO nicht einfach ist, aber man kann Namen beobachten, aufschreiben und vielleicht Listen aus der Vergangenheit nutzen. So entsteht ein Überblick über die meisten Gemeindemitglieder. Dann beten wir jeden Tag für zwei oder drei Personen von dieser Liste. Legen wir das Gott hin und fragen ihn: „Ist das eine besondere Aufgabe für diese Person? Lass es sie erkennen, lass es die Gemeindeleitung erkennen.“
Tun wir das gemeinsam mit anderen Christen und beginnen wir vielleicht wieder mit dem Fasten in einzelnen Gebetszeiten. Man muss nicht gleich eine ganze Woche fasten. Warum nicht einfach mal vom Frühstück bis zum Abendessen nichts essen und dafür die Mittagspause für Gebet nutzen? Oder sich in kleinen Gebetsrunden engagieren.
Wir sollten niemanden wegschicken, den wir in einer öffentlichen Veranstaltung ausgesendet haben – sei es den Jungscharleiter, den Mitarbeiter im Seniorenkreis, die Schwester im Frauenkreisteam oder andere Dienste in der Gemeinde. Zeigen wir vor der Gemeinde, dass wir sie erkannt, berufen und eingesetzt haben. Für diese Menschen tragen wir als Gemeinde Verantwortung.
Was wünsche ich mir noch? Mein zweitletzter Wunsch ist, dass wir in unseren Gemeinden ein System der Jüngerschaftsschulung etablieren. Es sollte nicht zufällig passieren, dass mal zwei zusammenkommen, sondern wir überlegen uns kreative Wege, wie Jung und Alt zueinanderfinden, gemeinsam arbeiten und ins Gespräch kommen können. Die Jüngeren erleben die Älteren und fragen: „Wie macht die das?“
Besprechen wir in der Gemeinde, wie passende Paare oder Teams aus erfahrenen und weniger erfahrenen Christen zusammenkommen können. Und machen wir es verbindlich. In unserer Gemeinde ist es keine Option, dass es nett wäre, sondern eine Erwartung, die wir aneinander haben. Denn das stärkt unsere Nachfolger und unsere himmlische Gemeinde. Wer dieser Erwartung nicht nachkommt, ist der Gemeindeleitung rechenschaftspflichtig. Das ist ein ganz anderer Denkansatz, aber ich wünsche mir, dass wir das Thema Jüngerschaftsschulung wirklich erleben.
Nun zu meinem letzten Wunsch, der vielleicht der härteste ist – deshalb kommt er zum Schluss: Öffnen wir den Geldbeutel. Tragen wir die Berufung, die wir aussprechen, auch finanziell mit – persönlich oder als Gesamtgemeinde, oder beides. Warum sollte die Gemeinde nicht jeden Monat 150 Euro für einen Missionar geben? Ich selbst kann auch noch im Hunderterbereich dazugeben. Der Missionar braucht garantiert mehr.
Deshalb wünsche ich mir, dass, wenn wir eine Kultur der Berufung leben, wir auch den letzten Schritt gehen – und das kostet manchmal etwas.
Das war’s schon. Ich bin gespannt, ob für den einen oder anderen hier in der Runde oder für diejenigen, die uns in den nächsten Tagen und Wochen anschauen, Impulse dabei waren. Wenn Sie etwas umsetzen und in ein paar Wochen oder Monaten Erfahrungen sammeln, würde ich mich sehr freuen, wenn Sie sich melden – sei es per Anruf, Mail oder Besuch beim BSK.
Sagen Sie gerne, ob es überhaupt nicht funktioniert hat, ob es völliger Unsinn war, was Sie an dem Abend gehört haben, oder ob es ein wertvoller Impuls war, der zu einer guten ersten Veränderung in Ihrer Gemeinde geführt hat. Das interessiert mich sehr.
Wenn es hilfreich war, empfehlen Sie uns weiter. Abonnieren Sie unseren YouTube-Kanal, damit Sie immer informiert sind, wenn neue Themen erscheinen. Empfehlen Sie das BSK weiter! Uns liegt viel daran, Menschen für den Dienst in der Gemeinde auszurüsten – sei es mit kostenfreien Angeboten oder unseren Seminaren, die man auch einzeln besuchen kann, ohne gleich ein ganzes Studienprogramm zu belegen.
Zum Schluss noch ein Hinweis: Uns ist wichtig, das Studium kostengünstig anzubieten. Wir haben vorhin besprochen, dass Berufung manchmal ihren Preis hat. Zur Berufung gehört häufig auch Ausbildung. Deshalb freuen wir uns riesig, wenn Sie dem BSK eine Spende zukommen lassen. Wenn Sie andere Projekte unterstützen oder keine Möglichkeit haben, ist das auch in Ordnung. Dann kommen Sie einfach beim nächsten Mal wieder – digital oder live.
Herzlichen Dank, eine gute Heimreise und wenn noch Fragen im Chat sind, kann ich diese gerne beantworten. Für unsere kleine Runde hier gilt: Wir können im Gespräch bleiben.
Eine gute Nacht, gute Heimreise und bis bald mal wieder!