Liebe Schwestern und Brüder,
aufs Tiefste erregt kam einst eine ehemalige Religionslehrerin, die auf einer Bibelschule ausgebildet wurde, vor ein paar Wochen zu mir. Gerade hatten wir in der täglichen Bibellese mit den Geschichten von David begonnen. Es ging darum, wie David bei den Philistern war und bei seinen Steinstreifzügen alle Gefangenen ermorden ließ, damit nicht bekannt wird, in welches Land er eingefallen war.
Diese Dame fragte: „Warum stehen denn solche Geschichten in der Bibel?“ Ich bin froh, dass meine Enkeltochter heute Morgen nicht zur Andacht bei mir war. Wir lesen oft gemeinsam die Bibel. Ich hätte einen roten Kopf bekommen angesichts dieser Lügen Davids und seiner Morde. Uns wurde einst auf der Bibelschule beigebracht: Jeder Satz in der Bibel ist Gottes Wort. Und das ist doch nicht Gottes Wort, diese Lügengeschichten, Morde, Totschlag und Hass.
Da wird man wieder nachdenklich, wenn wir in großer Ehrfurcht vor dem biblischen Wort Gottes davon sprechen, dass es wirklich Gottes Reden ist. Das heißt aber nicht, dass über jedem Satz steht: „Geh hin und tue das Gleiche!“ Sonst müsste auch über der Versuchungsgeschichte Jesu stehen: „Geh hin und tue das Gleiche, versuche so, wie der Satan versucht hat!“ Oder über der Klage: „Tu das hier!“
Das moralische Verständnis hat uns die Aufklärung seit 250 Jahren beigebracht. Wir haben einen Maßstab in uns, was moralisch ist, und wir beurteilen die Bibel danach. Später kam hinzu, dass wir beurteilen, was historisch richtig ist und was biologisch korrekt ist.
Nein, der Leitsatz der Bibel ist: „Wo die Sünde mächtig geworden ist, ist die Gnade noch viel mächtiger geworden“ (Römer 5). Die Gnade will herrschen über die Sünde, auch über die Unvollkommenheiten eines David und einer Michal.
Deshalb hatte der Bischof Stalin schon Recht, wenn er sagte, die Bibel habe nicht unbedingt ein biografisches Interesse an den einzelnen Gestalten, sondern nur an dem, was für die Geschichte Gottes wichtig ist. Das wird erwähnt.
Bewegt uns bei einer solchen Michal, dieser starken Frau mit ihrer Liebe, die David gewinnen wollte, warum sie dann anstandslos die Ehefrau des Palti wurde. Aber David, der später wieder Michal gewinnen wollte, wandte sich anstandslos seiner Liebe Abigail zu. Er sagte: „Wahrscheinlich ist Michal jetzt weg, jetzt gefällt mir die Frau des Nabal“ – und er nahm Ahinoam.
Gut, wir lernen: Früher gab es Nebenfrauen. Bei unseren Konferenzen sagen wir meist zu Beginn: „Nun bitten wir Sie, dass jeder seinen Nebenmann und seine Nebenfrau grüßt.“ Aber damals gab es richtige Nebenfrauen. Das ging nie gut. Das müssen wir aus der Bibel lernen. Schon bei Abraham gibt es Trivialitäten.
Also, wir bekommen die ganze Biografie nicht mit. Aber das Leitwort der Bibel ist: Wo die Sünde mächtig geworden ist, selbst über so einen gehässigen Zornausbruch der Michal: „Wie hast du dich gemein gemacht? Du bist gehüpft wie ein Ziegenbock einst in deinen Herd, du hast dich entblößt vor den Mägden!“ Da hat die Gnade Gottes gewirkt, dass David auch zornig werden konnte, seinen Zorn hinunterschluckte und zur Demut fand. Er sagte: „Ich will gering werden in meinen Augen, auch vor mir selbst und vor Gott.“
Ich habe mir auch überlegt, als diese Dame in Korntal kam, wie steht denn so etwas in der Bibel? Was hätte wohl Franz Schwenkel gesagt? Er war einer meiner ersten geistlichen Lehrer, Landwirt und Stundenlöhner auf der Schwäbischen Alb. Er hätte gesagt: „Liebe Frau, in der Bibel wird doch deutlich, wie selbst David einen Erlöser braucht – und erst recht ich.“
In der Bibel wird deutlich, dass es nicht einfach bloß Geschwätz war, wenn David sagte: „Herr, verzeih mir die verborgenen Sünden, wenn mich die Sünden der Jugend anklagen.“ Das waren nicht bloß ein bisschen merkwürdige Phantasien, sondern Mord und Totschlag, Hass, Blut.
Und wenn Gott später zu ihm sagte: „Nein, lieb gemeint, wenn du mir einen Tempel bauen willst, aber an deinen Händen klebt zu viel Blut“, dann war das nicht symbolisch gemeint, sondern wirklich so.
Deshalb erwähnt die Bibel die Zusammenhänge, damit wir das erkennen. Warum David wohl den inständigsten Psalm gebetet hat: „Entsündige mich mit Isop, auf dass ich rein werde, schneeweiß, entsündige mich.“
Das ist die Grundlinie der Bibel: Eigentlich kommt niemand groß heraus – außer der Herr, unser Gott, und unter denen, die Menschenantlitz getragen haben, unser Herr Jesus.
Könnt ihr sagen, ihr seid ohne Sünde? Antwort: Schweigen. Bei uns kann viel aufgedeckt werden, und wenn Gott Gnade gibt, wird uns auch manches bewusst, was falsch war in unserem Leben – angefangen bei falschen Worten, Gedanken und Taten.
Die Herausforderung der biblischen Erzählungen und die Gnade Gottes
Aber jetzt wollen wir zum heutigen Thema kommen: die Söhne der Zeruja. Ein merkwürdiges Thema, bin ich draufgekommen, muss ich Ihnen sagen. Im Krankenhaus, unter den vielen frommen, hilfreichen Pflegerinnen und Pflegern, kam eines Tages eine Diätassistentin. Ich fragte sie: „Wie heißen Sie, Schwester?“ Sie antwortete: „Ich heiße Zeruja.“
Da sagte ich: „Oh, da haben Sie aber sicher fromme Eltern.“ Sie wurde ganz rot, denn sie kam aus einer charismatischen Gruppe. Da habe ich gedacht, jetzt will ich doch mal nachgehen. Der Begriff „die Söhne der Zeruja“ steht auch in der Bibel. Das war so meine erste Arbeit beim Wiedererwachen aus der Krankheit, mal dem nachzuforschen.
Und da will ich Ihnen einfach ein bisschen was erzählen, wie das mit den Söhnen der Zeruja war. Wir schlagen einmal auf in 2. Samuel 16. Jetzt muss ich Sie ein bisschen in der Bibel herumjagen, aber so bekommen wir einen Gesamteindruck.
Da kommt ein Ausruf Davids in 2. Samuel 16, Vers 10: „Der König David sprach: Ihr Söhne der Zeruja, was habe ich mit euch zu schaffen?“ Ganz ähnlich ist es in 2. Samuel 19, Vers 23: „David aber sprach: Was habe ich mit euch zu schaffen, ihr Söhne der Zeruja, die ihr mir heute zum Satan werden wollt?“
Wann hat denn Herr Jesus mal zu einem Menschen gesagt: „Du Satan“? Denken Sie an die Versuchungsgeschichte Jesu, als Petrus ihn versucht, vom rechten Weg abzubringen. So hat schon David gesagt: „Ihr Söhne der Zeruja, ihr seid mir Versucher.“
Nämlich zweimal. Der Zusammenhang dieser beiden Geschichten ist, dass David vor seinem eigenen Sohn Absalom fliehen musste. Wir haben es in den letzten Tagen in der Bibellese gelesen. Er ging weinend auf den Ölberg hinauf – auch schon eine Spur zu Jesus, der verachtete König.
Da kam Schimi und warf ihm Erdklumpen und Steine zu. Er schimpfte: „Du Guthund, jetzt geschieht dir das Recht, jetzt musst du fliehen!“ Schimi beschimpfte den König. Da sagte Abischai, der Sohn der Zeruja: „Soll ich ihm nicht den Kopf abhauen? Denn er flucht doch nicht bloß dir, David, sondern dem Gesalbten des Herrn. Es ist Gotteslästerung, was der macht, dem haue ich den Kopf ab!“
Noch auf der Flucht, nicht? Da sagte David: „Der Herr hat ihn geheißen.“ Nicht ich. Jetzt wird nicht gemordet. „Ihr Söhne der Zeruja, was habe ich mit euch zu schaffen?“ Er hat den Joab mitgemeint, den blutdürstigen Bruder des Abischai.
Und als David, es steht in 2. Samuel 19, wieder zurückkehrte nach Jerusalem, kam dieser Schimi – früher hieß er Kasimei – und warf sich vor ihm auf den Boden. Da merkte Schimi: „Oh, liebe Güte, jetzt geht mir sein Kragen hoch.“ Er sagte: „Wie habe ich den David beschimpft, als er fliehen musste? Vergib mir, ich habe es nur aus Dummheit gemacht.“
Und da sagte Abischai: „Aber jetzt soll ich ihn niederstoßen?“ Da sagte David noch mal: „Was habe ich mit euch zu schaffen? Jetzt ist ein Tag der Gnade Gottes. Was soll heute Blut fließen? Wollt ihr mir zum Versucher werden?“
David hatte es ja selber rumort, Rache zu nehmen, heimzuzahlen. Wollt ihr mir zum Versucher werden?
Die widersprüchlichen Charaktere der Söhne der Zeruja
Und noch eine dritte Stelle: 2. Samuel 3, ganz zu Beginn des Wirkens von David. Im letzten Vers von 2. Samuel 3, nach dem Tod von Abner, wird berichtet, dass Joab seinen Konkurrenten Abner heimtückisch ermorden ließ.
Joab war ein Sohn der Zeruja und Linkshänder. Er hatte seinen Dolch auf der rechten Seite. Wenn die Leute immer darauf achteten, ob er nach seinem Dolch griff, bemerkten sie gar nicht, dass er ihn schon mit der linken Hand zog. So umarmte er Abner scheinbar freundlich und stach ihn dann nieder. Später erging es auch Amasa so, wie in 2. Samuel 20 beschrieben wird: Joab erstach ihn mit der linken Hand.
Von Ritterlichkeit oder einem ehrlichen Zweikampf kann keine Rede sein, sondern es war ein heimtückischer Mord. David sagt dazu in Vers 38: „Der König sprach zu seinen Männern: Wisst ihr nicht, dass an diesem Tag ein Fürst und Großer in Israel gefallen ist? Ich aber bin heute noch schwach, obwohl ich zum König gesalbt bin. Aber diese Männer, die Söhne der Zeruja, sind härter als ich. Der Herr vergelte dem, der Böses tut, nach seiner Bosheit.“
Damit erhalten wir einen Einblick, dass die Söhne der Zeruja eine wichtige Rolle spielten. Dazu gehörte auch Asahel, der sehr früh gefallen war. Joab nahm es Abner übel, dass dieser einst Asahel getötet hatte. Asahel war gazellenartig schnellfüßig. Wichtig waren vor allem die beiden Brüder Abischai und Joab, die Söhne der Zeruja.
Wenn man die Davidpsalmen liest, findet man immer wieder den Ausruf: „O Herr, gedenke meiner nach deiner Gerechtigkeit, aber wehre den Feinden, wehre den Gottlosen, wehre den Übeltätern, die mich umstellen; denn ich werde mit ihnen nicht fertig.“ Das Hauptproblem sind die Feinde.
Manche Menschen sagen: „Ja, die Welt wäre so schön, wenn es keine Menschen gäbe.“ Aber es muss nicht so radikal sein. Man kann auch sagen: „Es wäre so schön in unserer Welt, wenn es keine Gewerkschaftsbosse gäbe“, würde man heute sagen, „die selbst den Schröder noch davon abbringen, vernünftige Politik zu machen.“ Oder: „Es wäre in unserer Gemeinde so schön, wenn es nicht die vielen jungen Leute mit ihren modernen englischen Liedern gäbe, die ich nicht verstehe.“ Jeder hat so ein paar Leute auf dem Kieker, denn wir sind überzeugt, unsere Sicht der Dinge sei richtig, nicht wahr? Und wenn sich alle nach mir richten würden, wäre das ja auch schon ganz gut.
Doch das kann sich so in uns hochkochen, dass diese Menschen wirklich zu Feinden werden und wir einen Hass entwickeln. Ein ganz großer geistlicher Fortschritt besteht darin – und dahin wollen wir heute noch kommen –, dass David erkennt: „Ich erkenne meine Sünde.“ Wenn Gott mit uns gnädig diesen Weg geht, dann sind wir nicht mehr fixiert auf die Feinde, sondern rufen: „O Herr, bewahr mich vor mir selbst!“
Michael Hahn, der Gründer der Hahn'schen Gemeinschaften in Württemberg, hat einen schönen Liedvers gedichtet:
„Ich stehe immer in Gefahr, das Kleinod zu verlieren.
Der Feind versucht mich immer da und will mich dir entführen.“
Nicht die Feinde, sondern der Satan redet zu mir: Die größte Gefahr bin ich mir selbst. Bei David war dieser geistliche Fortschritt deutlich zu erkennen. Wie gesagt, dahin wollen wir in dieser Stunde noch kommen.
Die familiären Verhältnisse und Loyalitäten der Söhne der Zeruja
Aber jetzt hat er gesehen, dass alles so schön wäre, wenn nicht diese Söhne der Zeruja da wären. Die stören mich. Er fühlt sich als der Edle und beklagt sogar den ehemaligen Feind Abner: „Ein Großer ist gefallen in Israel.“ Doch dann sagt er weiter: „Ihr, ihr Söhne der Zeruja, ihr seid härter als ich. Daher vergelte euch eure Bosheit. Ich bin ja nicht so böse, nicht.“
Wer waren die Söhne der Zeruja? Gleich am Anfang des ersten Chronikbuches werden die Familienverhältnisse erwähnt. Zeruja war eine Schwester Davids. David hatte zwei Schwestern, eine davon war Zeruja. Sie hatte drei Söhne: Joab, Abishai und Asahel. Diese waren also Davids Neffen.
Die Söhne der Zeruja hielten durch dick und dünn zu ihrem Onkel. Als David noch von König Saul gejagt wurde und sich mit seiner kleinen Gruppe in der Wüste verstecken musste, stieß Abishai zu ihm. Im ersten Buch der Chronik heißt er zwar Amishai, aber man ist sich ziemlich einig, dass es derselbe ist.
Als David mit seiner kleinen Gruppe von Kämpfern auf die herannahende Gruppe blickte, rief er über die Felsklippen: „Kommt ihr in Frieden oder wollt ihr mich verfolgen? Seid ihr im Auftrag von Saul da?“ Da ergriff der Geist des Herrn Abishai (oder Amishai), und er sprach: „Dein sind wir, David, mit dir halten wir es, denn dein Gott ist mit dir.“ Diesen Satz habe ich gestern zitiert.
Schön berichtet ist das im ersten Chronikbuch, Kapitel zwölf: „Mit dir halten wir es.“ Das ist der Grundton bei vielen dieser Nebenfiguren der Davidsgeschichte. Die Tendenz ist, dass sie es mit David halten, weil sie merken, Gott ist mit ihm. Gott hat ihn erwählt, Gott hat einen Plan mit ihm.
Ich habe gestern gesagt, das muss unser Leitmotiv in der Gemeinde sein: Nicht, ob mir der Stil und die Menschen gefallen, sondern ob ich mit der Gemeinde zum Herrn hin weiterkomme. So haben die Menschen damals gefragt: „Wenn Gott bei David ist, dann möchte ich zu ihm gehören. Ich möchte in der Nähe Gottes sein.“
Mut und Loyalität im Dienst für David
Von Abischai gibt es mehrere Berichte in der Bibel. Was wissen wir über ihn? Er gehörte zum innersten Kreis Davids. Als Saul sich in der Höhle versteckte, drang Abischai mit David in diese Höhle vor. Als das Feuer fast erloschen war, schlich sich Abischai zusammen mit David zu Saul, der in der Nähe des Feuers lag. Er hob seinen Speer und sagte, er wolle Saul in den Boden stoßen.
Doch David hielt Abischai zurück und sagte: „Saul ist der Gesalbte Gottes.“ So sehen wir, dass Abischai ein loyaler Gefährte Davids war. Mutig setzte er sich für David ein und wäre sogar bereit gewesen, Saul zu töten. Ein mutiger Mann also.
Weitere Berichte über Abischai finden wir in 1. Samuel 26. Ich blättere hier ein wenig in der Bibel, um die Geschichte zu erzählen, in der David zum zweiten Mal Saul verschont. David sagte damals: „So wahr der Herr lebt, der Herr wird ihn schlagen, wenn seine Zeit kommt. Es sei ferne von mir, meine Hand an den Gesalbten zu legen.“ Diese Stelle findet sich in 1. Samuel 26.
Auch in einer anderen Begebenheit wird Abischai erwähnt: Als Schimi David mit Erdklumpen und Steinen beschimpfte und David als „Gesalbten des Herrn“ verspottete, fragte Abischai, ob er Schimi töten solle. Hier zeigt sich, dass Abischai bereit war, zuzuschlagen und seinen Hass zu zeigen.
Noch deutlicher wird das bei Joab, dem Neffen Abischais. Von Joab gibt es viele schlimme Geschichten. Ich habe bereits erzählt, wie er Amasa und auch den Athen erdolcht hat. Besonders tragisch ist die Geschichte mit Absalom.
Man muss jedoch auch ein gewisses Verständnis für Joab aufbringen. Er war nicht nur ein rauer Krieger, sondern spürte, dass das Herz des Königs David für Absalom schlug. Gerade letzte Woche, als wir in der Bibelarbeit über den Tod Absaloms sprachen, fragte mich ein Gemeindeglied in Korntal, ob David blind gewesen sei für die Revolution Absaloms, der das Herz der Männer Israels gewonnen hatte.
Nein, David war nicht blind. Er liebte Absalom. David erkannte, dass Absalom etwas vollbringen konnte: Er hatte die Fähigkeit, die Stämme des Nordreichs Israels an sich zu binden. David sah in Absalom seinen Nachfolger und schenkte ihm die ganze Liebe eines Vaters.
Wie es oft bei eigenen Kindern ist, liebt man sie, auch wenn sie Fehler machen, ungehorsam sind oder einen verletzen. Jesus sagt ja selbst: „Selbst ihr Väter, die ihr arg seid, könnt euren Kindern gute Gaben geben.“ So war es auch bei David und Absalom. David liebte seinen Sohn trotz allem.
Joab spürte das und versuchte, eine Versöhnung zwischen David und Absalom zu stiften. Er sorgte dafür, dass Absalom eine Zeit lang wieder am Königshof willkommen war. Joab hatte ein feines Gespür und konnte Versöhnung anbahnen.
Doch als Absalom sich gegen seinen eigenen Vater wandte, war Joabs Geduld am Ende. Er sagte, er habe sich schon einmal für Absalom eingesetzt, ein zweites Mal aber nicht. Absalom habe Joabs Ruf aufs Spiel gesetzt und ihn hintergangen.
Als David aus Mahanaim auszog, konnte er den Feldherren, auch Joab, sagen: „Verschont mir den Jungen!“ Im hebräischen Text heißt es dort: „Mein Junge“, also „mein Sohn“ – Absalom.
Als dann ein Bote berichtete, dass Absalom in einer Eiche hängen geblieben sei, fragte Joab, warum er ihn nicht gleich getötet habe. Joab sagte, er habe gehört, dass der König befohlen hatte, Absalom zu verschonen. Doch dann ging Joab hin, nahm vier Stäbe und schlug Absalom brutal.
Kurz darauf kamen Joabs Waffenträger und töteten Absalom. Das bedeutet, Joab hatte Absalom zunächst schwer verletzt, bevor die Soldaten ihn erschlugen. Es war eine brutale Tat, die zeigt, wie rücksichtslos Joab vorging. So war Joab eben.
Joabs Rolle als Oberbefehlshaber und die Ambivalenz seiner Persönlichkeit
Warum hat David ihn dann überhaupt zum Oberbefehlshaber gemacht?
Als David eine Hauptstadt für sein Reich suchte, dachte er an die Stadt Jebus, die Stadt der Jebusiter. Diese Stadt war hochgelegen und schien ideal. Jerusalem, die hochgebaute Stadt! Die Jebusiter verspotteten David und sagten, sie bräuchten keine Soldaten auf die Mauern zu stellen. Selbst Blinde und Lahme würden sie abwehren. David aber sagte: Wer als Erster hinaufsteigt und die Stadt erobert, soll mein Oberbefehlshaber werden.
Joab, der Sohn der Zeruja, stieg hinauf und eroberte die Stadt. Es war ein kluges Wort, denn Joab war blutrünstig, und David fürchtete seinen Zorn und seinen unbändigen Hass. Deshalb musste er ihn zum Oberbefehlshaber machen.
Die Söhne der Zeruja – wir wissen nicht genau, ob sie bestimmte Eigenschaften von ihrer Mutter geerbt haben. Vielleicht ist das der Grund, warum die Mutter immer erwähnt wird. Ich nehme vielmehr an, dass Zeruja aus dem Haus Isais stammte und in einer Segenslinie stand. Einst wurde über Ruth, die Moabiterin, gesagt: „Gesegnet seien deine Nachkommen dem Herrn.“
Diese Segenslinie begann mit der Moabiterin Ruth und war eine besondere Auswahl Gottes, eine besondere Elite. Zeruja gehörte auch zu dieser Linie, ebenso ihre Söhne. Doch den Segen kann man nicht einfach vererben.
Wir würden gerne den Segen, den wir erhalten haben, auch unseren Kindern und Enkeln weitergeben. Unsere Eigenarten, die wir in unseren Genen haben, unsere Ecken und Macken, die vererben wir. Meine Frau lächelt manchmal über unseren Enkelsohn Daniel und auch über unseren ältesten Sohn Erdmann. Erdmann hat seinen Großvater nie gesehen, aber er trinkt seinen Kaffee mit zwei komischen Fingern, als wären sie verwundet. Das ist irgendwo in den Genen drin. Und erst recht unser Enkelsohn Daniel, der trinkt seinen Kaffee auf ähnliche Weise – ich weiß nicht warum.
Was werden wir alles von den 170 Genen, die wir haben, vererben? Doch der Segen, wenn er nicht ersehnt, erbeten und gewollt wird, lässt sich nicht einfach weitergeben. Und ein abgelehnter Segen ist fast schlimmer als ein Fluch.
Es ist keine Spielerei mit dem Segen. Deshalb, wenn die Söhne der Zeruja erwähnt werden, stellt sich immer die Frage: Wie geht es weiter mit dem Segen? Wollen sie aus eigener Kraft leben oder aus der Kraft Gottes, als gesegnetes Volk?
Die Linie zu Jesus in den Geschichten der Söhne der Zeruja
Wo ist die Linie hin zu Jesus bei diesen merkwürdigen Geschichten? So hat Frau Lieselotte Haase in ihrem Buch, das oben aufliegt, geschrieben: „Merkwürdige Geschichten der Bibel.“ Bei diesen merkwürdigen Geschichten der Söhne der Zeruja – wo ist die Linie zu Jesus?
Einmal könnte man sagen: Der Herr, der Herr Jesus, hat ja beim Johannes und Jakobus auch gesagt: Ihr Donnersöhne! Als Jesus von Galiläa nach Jerusalem zog, in die heilige Stadt, und übernachten wollte im Samariterdorf Heerberge, suchte er dort Zuflucht. Doch die Samariter nahmen ihn nicht auf. Sie traten das primitive Recht des Altertums, das Gastrecht, mit Füßen. Da sagen Jakobus und Johannes: Jesus, sollen wir nicht Feuer fallen lassen auf dieses Dorf, so wie Elija Feuer fallen ließ auf diese Hauptleute?
Jesus aber antwortet: Wisst ihr nicht, wes Geistes Kinder ihr seid? Der Menschensohn ist nicht gekommen, die Menschen zu verderben, sondern zu erhalten. Eine erste zarte Verbindungslinie zwischen dem, was er David gesagt hat – „Da wollt ihr mir zum Satan werden“ – und heute, wo er Heil gibt: „Wisst ihr nicht, wes Geistes Kinder ihr seid?“
Aber es gibt noch eine viel stärkere Linie, die ich vorher schon angedeutet habe. David, der immer wieder meinte: Meine Feinde, die Gottlosen, die Übeltäter, die an mich wollen, die Bösen – sie sind es, die mein Leben stören. Ich suche den Frieden, aber sie fangen den Streit an, heißt es in einem der Psalmen. Dieser Psalm wird zwar nicht David zugeschrieben, aber er klingt so treuherzig: „Ich suche den Frieden, doch die anderen Leute sind so böse, sie fangen den Streit an.“
Das steht über der furchtbaren Tragödie mit Bathseba und dem Mord an ihrem Ehemann Uriah. Übrigens hat sich Joab auch in dieses Mordkomplott hineinziehen lassen. Er führte den Befehl gehorsam aus: Er stellte Uriah an die erste Linie, zog sich dann zurück und ließ ihn in vorderster Linie fallen. Joab war also rücksichtslos, wenn es darauf ankam.
In dieser Uriah-Geschichte merkt David: „Reinige mich von meiner Sünde, entzündige mich mit Isop, dass ich schneeweiß werde.“ Er erkennt, dass er sich selbst die größte Gefahr ist. Psalm 139 sagt: „Prüfe mich, erfahre mich, wie ich es meine, und sieh, ob ich auf bösem Wege bin.“ Nicht die bösen Feinde sind es, die Übeltäter, sondern ich weise mir hier deinen Weg.
Darf ich bitten? Psalm 86 ist ein Beispiel. Sie werden viele Psalmen finden, bei denen man fast entsetzt ist, dass David sagt: „Herr, hilf mir um meiner Gerechtigkeit willen.“ Da war ihm noch gar nicht aufgedeckt, wie viel Not in seinem eigenen Leben ist. „Vernimm mein Schreien von Lippen, die nicht trügen, ich sage immer das Richtige“, so heißt es im Psalm 86 – ein ganz ungewöhnlicher Psalm unter den anderen Davidspsalmen.
„Herr, neige deine Ohren, erhöre mich, denn ich bin elend und arm. Bewahre meine Seele, denn ich bin dein!“ Und jetzt machen wir weiter bei Vers elf: „Weise mir, Herr, deinen Weg, dass ich wandle in deiner Wahrheit. Erhalte mein Herz bei dem Einen, dass ich deinen Namen fürchte.“
David sagt: „Ich bin elend, Herr, ich weiß doch gar nicht den richtigen Weg. Die Gefahr liegt bei mir.“ Das ist ein ganz neuer Ton bei David. Da sehe ich die Linie zu Jesus, Matthäus 16,24: „Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst!“ Wie viele Verkündigungen über diesen Vers machen dann hoppla hopp weiter: „Nehme sein Kreuz auf sich“, und dann wird gesprochen, wir müssen Krankheit auf uns nehmen und mancherlei Nöte.
Das schlimmste Kreuz ist, wenn wir zu uns selbst Nein sagen müssen – in unserer Selbstgerechtigkeit, in unserer Selbstzucht, in unserer Selbstliebe. Jesus sagt: „Wenn einer zu mir gehören will, wenn er mir nachfolgen will, herzliche Einladung: Kommt doch her zu mir!“ Aber dann ist das Erste, was er dabei lernen kann und lernen wird, sich selbst zu verleugnen.
Denn so, wie er selbst gesagt hat: „Nicht wie ich will, sondern wie du willst.“ Unser keiner lebt sich selber, Römer 14,7: „Keiner stirbt sich selbst.“ Leben wir so, leben wir dem Herrn. Eine ganz wichtige Linie: Die Selbstverleugnung war bei David ein entscheidender Schritt, wegzukommen von dem Ruf: „Oh, ihr Söhne der Zeruja, es wäre alles so schön, wenn es euch nicht gäbe, ihr wärt mir zum Satan.“ Hin zu dem: „Weise mir, Herr, deinen Weg.“
Die Gefahr des eigenen Ichs und die Notwendigkeit der Selbstverleugnung
Im Revolutionsfrankreich, nach der Französischen Revolution, ließen die Machthaber in Paris eines Tages ein Edikt ergehen. Dieses richtete sich auch an alle noch existierenden Pfarrer. Sie sollten am nächsten Sonntag gegen die Tyrannen predigen.
Dieser Erlass erreichte schließlich auch Steintal und den Papa Oberlin. Er las das Edikt der Gemeinde vor und sagte: „Wir haben heute die Pflicht, von den Verantwortlichen in Paris, gegen die Tyrannen zu predigen. Das mache ich gerne.“ Doch er fügte hinzu: „Der schlimmste Tyrann ist unser eigenes Ich.“
Dieses Ich sagt: „Du hast Recht, tu das, was dir gut tut, übernimm nur nicht das, was dir Schwierigkeiten macht.“ Es bringt uns in Sünde, lässt uns unsere Sünde überhaupt nicht erkennen und wirkt gegen das Prinzip „Das eigene Ich verleugne sich selbst“. So hat es Papa Oberlin formuliert, und es hat mich sehr berührt.
Ein moderner Schriftsteller, der aus dem Judentum stammt, Isaac Singer, sagte einmal: „Wann endlich werden wir erlöst werden von der schlimmsten aller Nöte, von unserer Eigenliebe und Selbstsucht?“ Gut, er kommt aus dem Judentum, aber dieses Gespür zu haben, ist wichtig: Schlimmer als Inflation, Hunger und Kriege ist die Selbstsucht, die Selbstgerechtigkeit, die Selbstliebe – das eigene Ich.
„Ich, wie komme ich da heraus? Bekomme ich Recht?“ Diese Haltung zerstört unsere Gemeinden. Bei vielen Ehekrisen und Ehenöten ist nicht, wie man meint, der andere schuld, sondern dass ich nicht zu dem komme, was ich eigentlich gemeint habe und was mir zusteht. „Wann begreift der andere, was er an mir hat?“ Stattdessen ist alles darauf ausgerichtet, „Wann begreife ich endlich, was ich an meinem Ehegefährten habe?“
So viel Selbstzucht in unserem Leben zerstört unsere Gemeinden und den Segen, den Gott uns geben will. „Ein jeglicher sei gesinnt, wie Christus Jesus auch war, der nicht an sich selbst gedacht hat.“
Aber wir waren ja bei den Söhnen der Zeruja. Darf ich Sie noch einmal bitten, aufzuschlagen in 2. Samuel 24? Dort wird etwas deutlich von dem Wechsel, in den der lebendige Gott David hineingezogen hat. Es wird auch liebenswert von Joab berichtet, damit wir keinen falschen Eindruck von ihm bekommen.
2. Samuel 24 beschreibt das Ende des Wirkens und Lebens von David: „Der Zorn des Herrn entbrannte abermals gegen Israel, und er reizte David gegen das Volk und sprach: Geh hin, zähle Israel und Juda.“
Diese Bibelstelle ist schwierig und viele Menschen fragen sich: Warum steht im Vaterunser „Und führe uns nicht in Versuchung“? Führt Gott denn in Versuchung? Der Jakobusbrief macht deutlich: Gott selbst versucht niemanden, sondern jeder wird von seiner eigenen Sündhaftigkeit versucht.
Das heißt, bei Hiskia zog der Herr seine Hand ab, damit deutlich wurde, was in seinem Herzen ist. So sollen wir nicht alle Bewahrung, wenn Gott uns vor unseren eigenen dummen Gedanken bewahrt, uns zuschreiben. „Ich bin so standhaft, ich bin reinen Herzens dabei, der Herr bewahrt mich vor allen Dummheiten.“ Der Herr zog seine Hand ab, damit deutlich wurde, was wirklich mein Witz ist.
So war es damals auch, als David in grenzenlosem Übermut sagte: „Jetzt wollen wir doch mal sehen, was für ein Reich ich habe.“ Man muss beim modernen Staat Israel sehen, dass sie mit ihren Siedlungen sagen: „Wir wollen das Reich Davids wiederherstellen.“ Dieses Reich erstreckte sich bis Damaskus, das große Reich.
Der König sprach zu Joab und zu den Hauptleuten, die bei ihm waren: „Geht umher in allen Stämmen Israels, von Dan bis Beerscheba, und zählt das Kriegsvolk, damit ich weiß, wie viele es sind.“
Joab antwortete dem König: „Der Herr, dein Gott, tue zu diesem Volk hinzu, wie es jetzt ist, noch hundertmal so viel, dass mein Herr, der König, seine Augen daran erfreuen kann. Aber warum verlangt mein Herr, der König, so etwas zu tun?“
Doch das Wort des Königs stand fest gegen Joab und die Hauptleute des Heeres. So zog Joab mit den Hauptleuten des Heeres aus, um das Volk Israel zu zählen, und sie durchzogen das ganze Land.
Joab hatte ein Gespür dafür, dass es nicht durch Heer oder Macht geschehen wird. „Wenn der Herr unser Gott ist, David, du hast doch eigentlich erlebt, wie du mit einer kleinen Streifschar in der Wüste warst und der Herr mit dir war. Du warst stärker als Saul. Und David, du hast erlebt, wie du als kleiner Hirtenbub mit einer Schleuder den starken Goliath besiegt hast.“
Joab hatte hier ein geistliches Gespür. Doch David ließ das Volk zählen, und Gott ließ David wissen, dass er Missfallen daran hat.
Wir lesen weiter: Der Seher Gad, der Prophet, kam zu David. In Vers 12 heißt es: „So spricht der Herr: Dreierlei lege ich dir vor, wähle dir eins davon, dass ich es dir tue.“
Gad kam zu David, sprach es ihm an und sagte: „Willst du, dass drei Jahre lang Hungersnot in dein Land kommt? Oder dass du drei Monate vor deinen Widersachern fliehen musst, die dich nicht verfolgen? Oder dass drei Tage Pest in deinem Land ist? Bedenke nun wohl, was ich antworten soll dem Gott, der mich gesandt hat.“
David sprach zu Gad: „Es ist mir sehr angst, aber lass uns in die Hand des Herrn fallen.“
Denken Sie an Jesus: „In deine Hände befehle ich meinen Geist.“ Denn seine Barmherzigkeit ist groß. „Ich will nicht in Menschenhand fallen.“
Die Gnade Gottes inmitten von Schuld und Versagen
Ich muss in unserem Hinterkopf ein Klicken erzeugen. Liebe Brüder, wir müssen ganz tief in die Bibel eintauchen. Was war die Hauptnot bei Jesus, als er nach Jerusalem hinaufging? Nicht die Marter, sondern die Tatsache, dass er in die Hände der Menschen gegeben werden würde. Der ewige Sohn Gottes, der zuvor im Hause Gottes war, wurde in Menschenhände übergeben.
Schon bei David gab es eine Vorankündigung, die furchtbar war: Es ist schlimm, den Menschen ausgeliefert zu sein. Oft haben wir den Eindruck, dass schon die Mietpartei im Haus, die uns nur Böses will, oder Angehörige, die plötzlich in die Familie kommen, uns bedrängen. Dann denken wir: „Er hole mich heraus aus den Menschenhänden.“ Doch auch das quält unseren Geist nicht immer.
Als der Engel des Herrn in Vers 16 die Hand ausstreckte, um Jerusalem zu verderben, reute den Herrn das Übel. Er sprach zum Engel, der das Verderben anrichten sollte: „Es ist genug, lass nun deine Hand ab.“ Der Engel des Herrn war bei der Tenne Araunas, des Jebusiters.
Als David den Engel sah, der das Volk schlug, sprach er zum Herrn: „Siehe, ich habe gesündigt. Ich habe das Böse getan.“ Das habe ich in meiner Bibel dick gedruckt, damit wir wissen, worauf es ankommt. Was haben diese Schafe getan? „Lass deine Hand gegen mich und meines Vaters Haus sein.“ Das ist die größte Gnade Gottes: Wenn wir wirklich erkennen und nicht nur singen: „Ich, ich und meine Sünden, die sich wie Körnlein finden des Sandes am Meer, die haben dir, der Erretter, das Elend gebracht, das dich schlägt. Herr, bin ich vor dir.“
Demütigt euch vor der gewaltigen Hand Gottes. Demut kann aber schnell verfliegen. Als vor zwei Jahren die Krankheit über mich hereinbrach, war ich ganz schnell dabei zu sagen: „Herr, ich erkenne meine ganze Unwürdigkeit, ich bin auf dein Erbarmen angewiesen.“ Das ist gut, wenn man das sagt. Aber dann werden sie wieder etwas gesünder, bekommen mehr Kraft und werden eingeladen zu Lehrhöhen und anderen Aufträgen. Plötzlich denkt man: „Ja, ist alles prima, ich bin toll.“ Das Gefühl, „ich bin gar nichts“, verfliegt unheimlich schnell.
Deshalb wollen wir uns festmachen und uns von David sagen lassen: „Herr, erweise deine Gnade an mir, dass ich erkenne, wie viel Not in mir selbst ist, wie viel Versuchung, wie viel Undank.“ Schreiben Sie doch einfach mal auf ein Stück Papier all die Situationen, in denen Sie den Herrn in Ihrem Leben angefleht haben: „Hilf mir, ich bin verloren!“ Und der Herr hat Sie herausgeholt. Sie brauchen schnell ein zweites Stück Papier, denn wir vergessen es vielleicht, wenn wir uns wieder besser fühlen und haken es ab.
Die Gnade Gottes zeigt sich darin, dass Jesus uns nicht nur befehlen muss: „Wer mir nachfolgen will, der verleugne sich selbst.“ Sondern dass der Herr Jesus so enge Gemeinschaft mit uns haben will, dass wir es schaffen, uns nicht mehr selbst an die erste Stelle zu setzen.
Der gesegnete Gottesmann Engels – hoffentlich finde ich es in meinen Papieren – hat sich zum Glauben durchgerungen. Jakob Gerhard Engels schrieb einen Zettel mit dreißig Punkten: „Ich will! Ich will mich nicht mehr vor anderen Menschen rechtfertigen. Ich will mich weniger vor anderen Menschen genieren. Ich will nur noch, wenn es ganz nötig ist, politische Urteile abgeben.“
Das sind unsere tiefsten Emotionen, egal ob wir bei der CDU oder SPD sind – oft voller Rechthaberei. Was ich gerade zufällig denke, ist nicht das Wichtigste. „Ich will mich beim Reden und Ermahnen vor nervöser Aufregung hüten. Ich will mich noch mehr beschränken in dem, was ich brauche.“
Meine Mutter hat ihre fünf Söhne und unsere Schwester gelehrt: Wenn man in die Stadt zum Einkaufen geht, muss man immer wissen, was man nicht braucht. Denn die Werbung macht einem klar, was man unbedingt braucht. Da ist der Geldbeutel leer und die Kreditkarte schnell überzogen. Aber das war damals in armseligen Zeiten.
Unser Ich wird noch größer, auch wenn wir immer denken: „Was ich noch brauche, was ich noch nicht habe.“ Ich will mich einschränken und nur nehmen, was ich brauche. Ich will nie selbst Recht behalten und nur dann eine Sache richtigstellen, wenn es nötig ist.
Das alles liegt daran, dass wir es ernst nehmen, wenn der Herr Jesus sagt: „Du bist mein, ich sorge doch für dein Recht, ich komme doch für dich auf.“ Dann müssen wir nicht mehr so sehr selbst für unser eigenes Ich, für unser Selbst sorgen.
Herausforderungen in der Gemeinde und der Weg zur Versöhnung
Die Söhne der Zeruja waren für David eine große Anfechtung, auch innerhalb der Gemeinde. Es ist wichtig, dass der Apostel Paulus dies aufgegriffen hat. Er sagt: „Zürnt ihr, so sündigt nicht“ und mahnt: „Lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen!“
Oft wird behauptet, die erste Christenheit habe nur vor Liebe gestrotzt. Das ist jedoch ein Märchen. Es wird immer wieder erzählt, als stünde es in der Bibel, doch weder die Bibel noch die Kirchengeschichte belegen, dass die ersten Christen besonders anziehend gewesen wären. Es ist eine Wanderlegende, dass die Heiden gesagt hätten: „Wie haben sie einander so lieb!“
Irgendwann hat das jemand erfunden. Wäre es wahr, hätten weder Jakobus, Paulus noch Petrus irgendeinen ihrer Briefe schreiben müssen, um zu erklären, wie sie einander lieb hatten. Tatsächlich gab es Krach, Rivalitäten und sogar Erbschaftsstreitigkeiten. Sie gingen vor die Richter, es herrschte Durcheinander – und das schon in der ersten Gemeinde.
Das zeigt: Es ist nicht selbstverständlich, dass wir einander lieben. Vielmehr ist es normal, dass wir uns an den Nächsten aufregen, die mit uns im Glauben den gleichen Weg gehen wollen. Vielleicht singen sie anders, kleiden sich anders oder haben eine andere Überzeugung. In der Gemeinde Jesu sind wir so unterschiedlich, dass wir aneinander verrückt werden können.
Je näher wir zusammenarbeiten, desto schwieriger wird es. Das hat David bei den Söhnen der Zeruja erlebt. Er sagt: „Oh, ihr Söhne der Zeruja, wenn ich euch nicht hätte, ihr seid mir zum Satan geworden.“ David fand auf einem langen Weg zu Gott. Er betet: „Herr, weise mir deinen Weg, bewahre mich vor dem Übel. Ich habe gesündigt, du treuer Herr Jesus, du Hirte und Bischof unserer Seelen.“
Führe auch uns dahin, dass wir unsere ganze Bedürftigkeit erkennen und unsere Angewiesenheit auf dich. Es ist tröstlich, dass du das tun kannst. Wir sehen nicht nur Menschen als Feinde, Gefährdungen oder Störenfriede, sondern erkennen, dass wir genug an uns selbst zu arbeiten haben.
Du möchtest so gern dieses Arbeitsfeld übernehmen. Gib, dass wir dir erlauben, an uns zu arbeiten. Alle Schrift, die von dir durchhaucht ist, ist nützlich zur Lehre, zur Aufdeckung von Schuld und zur Erziehung in der Gerechtigkeit. So werden wir Menschen Gottes und zu jedem guten Werk geschickt.
Danke, dass du das mit uns vorhast. Amen.