Einführung und organisatorische Hinweise
Wer gestern aufgepasst hat, weiß, dass uns im Text noch eine kleine Passage fehlt, nämlich Kapitel 6, die Verse 1 bis 19.
Bevor wir dazu kommen: Wer hat sich auf der Liste für das Buch eingetragen? Gibt es noch weitere Leute, die sich auf diese Nachbestellliste gesetzt haben? Ihr wisst ja, die Liste liegt hinten aus. Vielleicht melden sich alle, die eingetragen waren. Eins, zwei, drei, vier – ihr wart auch eingetragen. Könnt ihr das so machen, dass wir die Bücher einfach verteilen? Dann können die nämlich jetzt schon mitlesen und haben den vollen Vorteil.
Sebastian kümmert sich darum, vielen herzlichen Dank.
Gestern ging es um ein großes Thema: Sexualethik. Es ist nicht alles gut, was man tun kann. Heute steht im ersten Vortrag etwas ganz anderes auf dem Programm: Sprüche 6, Verse 1 bis 19, überschrieben mit „Der Bürge, der Faulpelz und der Unruhestifter“.
Also: der Bürge, der Faulpelz und der Unruhestifter. Man merkt, die Sprüche sind sehr breit aufgestellt. Manchmal redet man über Dinge, die eher selten bedacht werden, zum Beispiel über Bürgschaften.
Warnung vor unüberlegter Bürgschaft
Da heißt es in Sprüche 6,1: „Mein Sohn, wenn du Bürge geworden bist für deinen Nächsten und deine Hand für einen anderen eingeschlagen hast.“
Wir haben also wieder den Vater, der mit seinem Sohn spricht. Der Vater warnt seinen Sohn davor, Bürge für einen anderen zu werden. Der Gedanke dahinter ist, dass man durch das „Einschlagen“ Geschäfte macht.
Vor kurzem, genau letzten Freitag, nachdem ich bei euch war, bin ich noch zu einem Freund gefahren. Dort traf ich jemanden, der mir leichtsinnigerweise einen Abnehmpakt angeboten hat. Die Vereinbarung lautete: Du nimmst bis Januar zehn Kilo ab. Wenn du das schaffst, dann gilt X, und wenn nicht, dann gilt Y. Es war schon etwas spät, man saß zusammen, er streckte seine Hand aus, und ich habe eingeschlagen.
Dann begann ich zu rechnen, wie viele Wochen noch verbleiben und was es bedeutet, in dieser Zeit zehn Kilo abzunehmen. Doch der Punkt ist: Zack – in dem Moment saß ich in der Falle. Genau das beschreibt der Text. Jemand hat für einen anderen versprochen, dessen Schulden zu bezahlen, falls dieser nicht zahlen kann – das ist Bürgschaft.
Die bekannteste Bürgschaft, zumindest für diejenigen, die schon vor einiger Zeit zur Schule gegangen sind, ist das Gedicht „Die Bürgschaft“ von Friedrich Schiller. Dort bürgt ein Freund für Damon mit seinem eigenen Leben, damit Damon rechtzeitig zurückkehrt. Es zeigt, wie knapp die Lage ist und wie auf Messers Schneide alles steht.
Auch in der Bibel gibt es andere Beispiele für Bürgschaften: Juda verbürgt sich gegenüber Joseph für die Rückkehr Benjamins. An einer anderen Stelle bittet Jesaja, dass Gott ihm als Bürge zur Seite steht und für ihn eintritt.
In Sprüche 6 geht es darum, dass der Vater den Sohn eindringlich davor warnt, Bürge für einen anderen zu werden. Das ist ein interessanter Punkt, denn als Christen neigen wir oft instinktiv dazu zu denken: „Wenn ich helfen kann, dann helfe ich.“
Doch hier zeigt uns ein Vers, wie wichtig es ist, auch bei Hilfe, wenn der andere in Not ist, vorher gut darüber nachzudenken. Hilfe will durchdacht sein. Sie kann, obwohl gut gemeint, zum eigenen Ruin führen. Deshalb warnt der Text zuerst vor impulsivem Gutes Tun, das mit mangelndem Unterscheidungsvermögen einhergeht.
Vielleicht sind es vor allem die Jungen, die sich so etwas aufschwatzen lassen, wenn ein anderer sagt: „Komm, investiere mal an dieser Stelle.“
In Vers 2 heißt es dann: „Bist du verstrickt durch die Worte deines Mundes, gefangen durch die Worte deines Mundes.“ Man merkt schon, es wird das Bild einer Falle benutzt: verstrickt sein, gefangen sein. Jemand bringt sich durch seine eigenen Worte in Schwierigkeiten.
Was Salomo hier vermitteln möchte, ist, dass es eine Grenze gibt, wie sehr man sich persönlich in das Leben eines anderen investieren sollte. Liebe wird zur Dummheit, wenn ich mich mit meinem Leben in die Verfügungsgewalt eines Dritten begebe und mein Leben davon abhängt, dass dieser andere sich richtig verhält.
Positiv formuliert: Die Bibel bewertet ein selbstbestimmtes Leben sehr hoch – ein Leben, das unabhängig bleibt und in dem ich nur für meine eigenen Fehler gerade stehen muss. Wenn ich mich so abhängig mache, dass ein anderer mit seinem Verhalten mich ruinieren kann, dann sagt die Bibel: Lass die Finger davon!
Das heißt nicht, dass jede Form von Bürgschaft verboten ist. Zum Beispiel: Anfang Oktober zieht meine Tochter nach Gießen und braucht eine kleine Studentenwohnung. Sie hat kein Einkommen, also darf ich als Vater dafür bürgen. Das ist ein kalkulierbares Risiko, und darum geht es nicht.
Es geht darum, dass du dich nicht so weit aus dem Fenster lehnst, dass, wenn der andere Mist baut, das auf deinem Rücken ausgetragen wird.
Sprüche 6,3-4 sagt: „Tu das nun, mein Sohn, und reiß dich los, da du in deines Nächsten Hand gekommen bist. Geh hin, wirf dich nieder und bestürme deinen Nächsten. Gestatte deinen Augen keinen Schlaf und keinen Schlummer deinen Wimpern!“
Wenn du in so einer Situation bist, Bürge für einen anderen und weißt, dass du zahlst, wenn der andere nicht kann, dann reiß dich los! Wenn du deine Zukunft nicht mehr kontrollieren kannst, weil ein anderer sie kontrolliert, bleibt dir nur eine Hoffnung: Flucht.
Dann lass dich das etwas kosten – mach dich frei! Das ist das allgemeine Prinzip: Mach dich so wenig wie möglich abhängig vom wirtschaftlichen Geschick eines Fremden. Reduziere das Risiko in deinem Leben auf ein Minimum.
Das finden wir auch im Neuen Testament. In 1. Korinther 7 schreibt Paulus etwas Ähnliches. In einer Gesellschaft, in der das persönliche Ansehen davon abhing, in welchen Einflusssphären man unterwegs war, konnte es sinnvoll sein, Sklave zu werden.
Das können wir uns heute kaum vorstellen, aber ein Sklave im Haus des Kaisers war gesellschaftlich angesehen und hatte mehr Einfluss als ein freier Handwerker. Trotzdem sagt Paulus ganz vorsichtig in 1. Korinther 7,23: „Werdet nicht Sklaven von Menschen!“
Ein Sklave hat keine Verfügungsgewalt mehr über sein Leben. Die Idee, nur um des persönlichen Vorteils willen sich in eine solche Situation zu begeben, in der ein Dritter über mich bestimmen kann, ist nicht ratsam. Paulus sagt: Lass die Finger davon!
Hier bei der Bürgschaft ist es ähnlich. Wenn du in einer Situation bist, in der ein anderer mit seinem Verhalten über dein Leben bestimmt, dann gestatte deinen Augen keinen Schlaf und keinen Schlummer deinen Wimpern!
Geh nicht schlafen, mach das zur höchsten Priorität in deinem Leben! Geh hin, reiß dich los! Hoffe nicht, dass es schon irgendwie gut ausgehen wird. Nein, lass es nicht darauf ankommen – reiß dich los!
Vers 5 sagt: „Reiß dich los wie eine Gazelle aus der Hand des Jägers und wie ein Vogel aus der Hand des Vogelstellers.“
Könnt ihr euch das vorstellen? Ich weiß nicht, ob ihr schon mal versucht habt, einen Wellensittich zu zähmen. Ich hatte als kleiner Junge so einen Wellensittich, der nie richtig zahm wurde. Immer wenn ich reingriff, pickte er nach mir und flog weg. Wenn ich ihn hatte, verdoppelte er seine Anstrengungen, um loszukommen.
Das ist das Bild, das hier gebraucht wird: Wenn du in so einer Situation bist und merkst, ein anderer hat dich in seiner Hand, dann verdopple deine Anstrengungen!
Stell dir eine Gazelle vor, die in einer Falle sitzt. Sie wartet nicht, bis der Jäger kommt, um zu verhandeln, sondern sie will raus. Tiere sind zu unglaublichen Anstrengungen fähig, bis hin dazu, dass sie sich ganze Körperteile durchbeißen, nur um zu entkommen. Sie humpeln lieber weg, als sich fangen zu lassen.
Das ist es, was Salomo seinem Sohn erklärt: Wenn du in einer lebensbedrohlichen Situation bist, wenn du dich hast fangen lassen, dann mach dich frei, selbst wenn es dich etwas kostet. Erhalte dir deine Freiheitsgrade!
Minimiere das Risiko in deinem Leben! Mach dich so wenig wie möglich von Menschen abhängig, wenn es nicht unbedingt nötig ist. Natürlich gibt es genügend Bereiche, in denen es notwendig ist.
Aber es gibt bestimmte Bereiche, da ist es einfach dumm. Hier bei der Bürgschaft ist es so ein Fall. Es mag andere Lebensbereiche geben, in denen es auch dumm ist, sich abhängig zu machen, wo man sich aus einer falschen Motivation in ein Risiko begibt, das man besser vermieden hätte.
Reiß dich los!
Der Faulpelz als Warnung vor Nachlässigkeit
Der Erste! Der Zweite! Der Faulpelz!
Der Faulpelz wird in den Sprüchen immer wieder negativ dargestellt. Hier sehen wir ihn zum ersten Mal. Wenn jemand von euch ein Problem mit Faulheit hat – ich werde später sagen, dass die meisten Deutschen wahrscheinlich eher ein Problem damit haben, zu viel zu arbeiten – aber wenn Faulheit dein Problem ist, dann lies die Sprüche. Du wirst viel Spaß dabei haben. Und wenn du noch ein weiteres Kapitel lesen möchtest, dann empfehle ich dir Sprüche 26. Dort gibt es einen ganzen Abschnitt mit Versen über den Faulpelz.
Hier, Vers 6: „Geh hin zur Ameise, du Fauler, sieh ihre Wege und werde weise.“
Nicht nur der Bürger kann sich schnell in Schwierigkeiten bringen, das gilt auch für den Faulen. In diesem Fall ist nicht, wie wir gestern gesehen haben, eine ehebrecherische Frau oder ein Schuldner verantwortlich, sondern die Schöpfungsordnung selbst führt ihn mitten hinein in ein finanzielles Desaster.
„Geh hin zur Ameise, du Faule, sieh ihre Wege und werde weise.“ Der Faule lebt entgegen den Regeln der Schöpfung. Er möchte gern ernten und nicht hungern – das will niemand. Niemand steht auf und sagt: „Super, dass ich heute nichts zu essen habe.“ Aber er möchte ernten, am besten ohne vorher zu säen oder sich darum zu kümmern. Es müsste sich einfach so vor seinen Augen materialisieren. Dann wäre er zufrieden.
Salomo versucht seinem Sohn klarzumachen, dass die Weisheit eines solchen Menschen, wenn man sie darstellen wollte, noch unter der einer Ameise liegt. Denn eine Ameise hat genug Instinkt, fleißig zu sein und in ihrem Leben vorausschauend zu handeln oder zumindest so viel Selbstdisziplin aufzubringen, dass sie im Winter genügend zu fressen hat.
Vers 7 sagt: „Sie hat keinen Richter, Vorsteher oder Herrscher.“ Vers 8: „Sie bereitet im Sommer ihr Brot und sammelt in der Ernte ihre Nahrung.“
Ich finde es schön: Manchmal braucht man, um weise zu werden, nicht mehr als eine Stunde Biologieunterricht. Alles, was der Faule hier braucht, ist, sich mal umzuschauen. Leben ist nicht unendlich kompliziert. Leben ist zwar kompliziert, aber nicht unendlich kompliziert.
Wenn du im Winter etwas essen willst, musst du im Sommer säen und im Herbst ernten. Wenn du im Frühjahr oder Sommer nichts säst und im Herbst nichts erntest, wirst du im Winter nichts zu essen haben. Aus A entsteht C, und aus B entsteht C. Wenn A nicht da ist, gibt es auch kein C. Das ist relativ einfach.
Das ist ein ganz einfacher Bibeltext. Deshalb fragt Salomo hier auch den Faulen, so als hätte er ihn vor Augen: „Bis wann willst du liegen bleiben, du Fauler? Wann willst du von deinem Schlaf aufstehen?“ Wir merken, der Faule ist eine Schlafmütze. Er bleibt liegen, obwohl es eigentlich Zeit wäre, aufzustehen. Wahrscheinlich hat er einfach keine Lust zu arbeiten. Er ist nicht wirklich müde, sondern hat wahrscheinlich genug geschlafen.
Draußen fangen die Ersten schon an zu säen, und er sieht das vielleicht auch. Er weiß, dass jetzt die richtige Zeit wäre, aber ach, was sagt er in Vers 10? „Ein wenig Schlaf, ein wenig Schlummer, ein wenig Hände falten, um auszuruhen.“ Ach, das ist jetzt gerade so richtig schön gemütlich. Grundsätzlich hat er natürlich Recht, es wäre gut aufzustehen, aber er sagt: „Ach, weißt du, noch ein bisschen.“ Er hat kein klares Lebenskonzept. Es ist nicht so, dass er sagt: „Ich schlafe noch 15 Minuten, dann stehe ich auf.“ Nein, es ist vage, ein bisschen dies, ein bisschen das. Da ist kein Durchblick.
Eines Tages wird er aufwachen und hungern. Er hat hier eine Viertelstunde verloren, dort einen Vormittag, und langsam verstreicht die Zeit, die passende Zeit zum Säen. Aber irgendwann ist es zu spät, und dann hilft es nichts mehr.
Wenn du zum Beispiel drei Monate zu spät das Getreide aufs Feld bringst, ist es vorbei. Es wächst zwar noch ein bisschen, aber es reift nichts mehr aus. Es ist einfach zu spät.
Im Neuen Testament mag ich, dass der Apostel Paulus im Epheserbrief davon spricht, dass wir die gelegene Zeit auskaufen sollen. Damit ist gemeint, dass es im Leben eines Menschen Zeitpunkte oder Zeitkorridore gibt, in denen bestimmte Dinge richtig sind. Wenn du diese Zeit verschläfst, gibt es ein „zu spät“.
Wenn jemand wie der Faulpelz sich immer wieder vertröstet und sagt: „Morgen noch ein bisschen, ich will das jetzt nicht präzisieren, nur noch ein kleines bisschen, aber das kommt schon noch, mach dir keine Sorgen, morgen, vielleicht übermorgen, vielleicht überübermorgen, aber bestimmt mache ich es irgendwann“, dann geht die Zeit vorbei und dann ist Schluss, Schicht im Schacht.
Man weiß das, wenn man Erfahrungen gemacht hat, zum Beispiel mit Lateinklausuren. Ich habe den Moment, in dem ich anfangen wollte, die Vokabeln zu lernen, immer wieder vor mir hergeschoben. Ich dachte: „Es ist noch lange hin, das geht schon noch.“ Und irgendwann, wenn du ein schlechtes Gewissen hast und innerlich angespannt bist und dir nicht mehr einreden kannst, noch Zeit zu haben, schlägst du das Buch auf und stellst fest: „Boah, sind das viele!“ Du weißt in diesem Moment, dass es eigentlich zu spät ist. Für eine gute Note reicht es nicht mehr, es geht nur noch ums Durchkommen.
Es gibt gelegene Zeiten für ganz unterschiedliche Dinge im Leben. Ich nenne ein paar Beispiele aus der Bibel: Für eine junge Ehe ist Zweisamkeit dran. Das steht im 5. Mose 24. Eine junge Ehe soll sich umeinander drehen, der Mann darf nicht in den Krieg ziehen. Warum? Weil das die gelegene Zeit ist, einander zum ersten Mal richtig zu erleben, zu genießen, zusammenzuwachsen, eins zu werden. Wenn du das verpasst, kommt es nicht wieder, und du kannst es kaum nachholen.
Oder jetzt, wenn kleine Kinder da sind, dann ist die Zeit, sich als Eltern mit ihnen zu beschäftigen, sie zu belehren, ihnen das Wort Gottes nahezubringen und Weisheit beizubringen.
Ich mache manchmal Seminare mit Männern, und ein Thema ist Zeiteinteilung. Ich habe meist mit Leuten zu tun, die in der Gemeinde engagiert sind. Das Interessante ist, wenn man ihnen dann mal ein ganz einfaches Bild aufmalt: Was machst du heute alles? Und dann fragst du: Was davon kannst du nur heute tun? Die meisten Männer erschrecken, wenn sie erkennen, dass Kindererziehung etwas ist, das in zehn Jahren abgeschlossen ist. Wenn sie es heute nicht tun, kommt es nie wieder.
Ich rede mit Leuten, die viel in der Gemeinde machen, die sagen: „Ich bin in der Jugend dabei, habe in der Gemeindeleitung zu tun, predige ab und zu, mache noch dies und das und habe auch noch einen Job.“ Dann frage ich: „Wie schaffst du das alles? Was fällt hinten runter?“ Die Antwort ist oft: „Die Familie muss ein bisschen kürzer treten.“ Aber wann willst du deine Kinder erziehen? In zehn Jahren sind sie weg. Du kannst heute die Gemeindeleitung streichen, das kannst du in zehn Jahren machen, das läuft dir nicht davon. Aber die Kindererziehung läuft dir davon. Kindererziehung hat eine gelegene Zeit, und die ist irgendwann vorbei.
Es muss uns klar sein: Für die meisten Dinge im Leben gibt es eine gelegene Zeit. Und ihr, die ihr jetzt so lange durchgehalten habt – ihr gehört zu den Supertreuen, die Montag bis Donnerstag und sogar am Sonntag zugehört haben, manche sogar am letzten Freitag – wann schlaft ihr eigentlich? Ihr habt ja noch anderes zu tun.
Ich freue mich, dass es spannend ist, aber ich möchte euch etwas mitgeben: Die Bibel sagt, wir sollen ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Arbeit und Pausen haben – sechs Tage Arbeit, ein Tag Pause.
Meine Sorge bei vielen Gemeindemitarbeitern, gerade bei den Engagierten, ist, dass sie die Pausen nicht ernst nehmen und mit der Arbeit übertreiben. Wir reden über den Faulen, und sicher gibt es auch in Gemeinden Faulpelze. Aber ich habe eher ein Herz für die Gemeindemitarbeiter, die zu viel machen, die in den Burnout laufen, sich keine Ruhe gönnen, meinen, für alles verantwortlich zu sein und die, wenn sie „Faulpelz“ hören, obwohl sie mehr tun als nötig, immer noch ein schlechtes Gewissen haben.
Denen möchte ich von hier vorne sagen: Überlegt mal, ob ihr vielleicht zu viel Zeit und Energie in Aufgaben steckt, für die ihr nicht berufen oder nicht begabt seid. Oder wenn ihr berufen und begabt seid, für die es im Moment keine Zeit gibt, weil andere Dinge dringender sind.
Lasst uns nüchtern sein: Es gibt diese Zeitfenster. Der Faule macht es uns vor: Er schläft, wenn die anderen säen. Und irgendwann wacht er auf, weil der Kühlschrank leer ist, und dann will er essen – aber da gibt es nichts mehr.
Lasst uns nüchtern auf unser Leben schauen und überlegen, was heute dran ist und was nicht. Das, was heute dran ist, machen wir auch. Wenn das getan ist, gibt es Aufgaben, die wir morgen machen können, die haben wir dann verschoben. Aber das, was ich nicht verschieben kann, wenn ich es nicht tue, bleibt auf der Strecke – und das darf nicht passieren.
Das möchte ich euch einfach nur sagen, weil mir das gerade bei engagierten Leuten immer wieder begegnet. Wir lachen über den Faulpelz, der den Atem immer verschläft. Aber man kann bestimmte Aufgaben nicht nur verschlafen, sondern auch falsch angehen. Du arbeitest an der falschen Stelle und tust nicht das, was eigentlich dran wäre.
Dann kommt Vers 11: „Und deine Armut wird kommen wie ein Landstreicher, und deine Not wie ein gewappneter Mann.“
Landstreicher waren damals eher verrufene Gesellen, eine Art Parasit, den man nicht gerne um sich hatte. Sie standen unangemeldet vor der Tür und rochen vielleicht auch ein bisschen unangenehm. So kommt die Armut daher: Du sagst nicht „Hallo, Armut, komm doch rein“, sondern du möchtest sie eigentlich gar nicht sehen.
Aber die Armut kommt wie ein gewappneter Mann. Gewappnet bedeutet, sie bricht mit Gewalt ins Leben ein. Der Betroffene kann sich kaum wehren. Sie ist gepanzert und raubt ihm Besitz und Würde, vor allem dann, wenn es kein funktionierendes Sozialsystem gibt.
Heute fällt das noch weicher, was Essen, Trinken und eine Wohnung angeht. Aber was es seelisch mit einem macht, faul zu sein, sehen wir bei Menschen, die langzeitarbeitslos sind und sich nach Arbeit sehnen. Das ist nicht gesund. Wir brauchen Arbeit. Selbst wenn es mal Spaß macht, sich ein bisschen mehr auszuruhen, jemand, der gar nicht arbeitet, geht seelisch kaputt.
Zwei Dinge: Das eine war der Bürge, das zweite der Faulpelz. Beides sollen wir nicht sein. Wir sollen nicht für einen anderen bürgen und nicht faul sein.
Ich habe noch ergänzt: Passt auf, wenn ihr viel arbeitet, habt ihr ein Recht auf Pausen. Das Sabbatgebot gilt nicht mehr wörtlich, aber es gilt prinzipiell noch als etwas, das uns weise macht. Gott ist Teil der Schöpfungsordnung. Er will, dass wir mindestens einen Tag in der Woche richtig ausruhen.
Das heißt nicht, dass wir an diesem Tag den Großeinkauf machen oder die Einkommenssteuererklärung oder mit den Kindern Englisch-Nachhilfe geben, sondern dass wir uns wirklich ausruhen, die Batterien wieder aufladen und am nächsten Tag mit neuer Kraft in die Woche starten können.
Seid da nüchtern und schaut, was euch gut tut. Was dem einen gut tut – ich mache noch ein Beispiel, bevor ich weiterziehe: Wenn meine Frau sagt: „Boah, das war jetzt aber erholsam“, meint sie, in einem Raum mit zwanzig anderen Leuten zu sitzen und einen Abend lang zu quatschen.
Den gleichen Abend erlebe ich als absoluten Stressfaktor, der mit Erholung nichts zu tun hat. Meine Erholung beginnt da, wo ich alleine irgendwo sitze, niemand mich anspricht, ich ein gutes Buch habe, einen schönen Kaffee oder eine Zeitung neben mir liegen habe. Da beginnt meine Erholung.
Deshalb müssen wir genau sehen, was uns gut tut. Nicht nur, weil wir nicht arbeiten oder nicht vordergründig arbeiten, erholen wir uns schon. Sei einfach nüchtern.
Wenn du auf lange Sicht leistungsfähig bleiben willst, brauchst du einen echten Ruhetag, an dem deine Seele zur Ruhe kommt. Das sieht bei jedem ganz anders aus. Wir dürfen nicht sagen: „Du musst aber das und das tun.“ Vielleicht bist du jemand, der sich erholen kann, indem er fünf Stunden durchs Kaufhaus shoppt. Für mich wäre das grenzwertig, fast Vorhof zur Hölle – erfahrungsgemäß. Aber für jemand anderen ist das total schön. Wir sind eben unterschiedlich.
Der Unruhestifter als zerstörerischer Typ
Ein dritter Typ, mit dem wir uns nicht identifizieren sollen, wird hier ab Vers 12 ins Spiel gebracht: der Unruhestifter. Er wird beschrieben als ein zerstörerischer Mann, ein heilloser Mann, der mit Verkehrtheit im Mund umhergeht.
Ich weiß nicht, warum Salomo das hier noch erwähnt. Er hat ja schon öfter gesagt, dass der Sohn sich nicht böse verhalten soll, den Weg des Bösen nicht betreten, nicht lügen und nicht betrügen soll. Er soll es nicht auf das Böse anlegen. Und trotzdem bringt er hier jemanden als Antitypus ins Spiel, genau wie den Faulpelz und den Bürgen. Dabei merken wir: Aha, so auf keinen Fall!
Ich habe mir überlegt, ob ich Leute kenne, die so sind. Beim Studium musste ich für mich sagen: Ja, es gibt Typen, die einfach charakterlich schlecht sind. Sie sind gegen jede Form von Gutem gerichtet, bewusst und legen es förmlich darauf an, dass in ihrer Umgebung Beziehungen kaputtgehen. Ich habe bis heute nicht verstanden, wie man so leben kann. Will ich euch auch sagen. Ich könnte mir überhaupt nicht vorstellen, dass solche Leute glücklich sind. Aber es gibt Typen, die so von sich eingenommen sind und so negativ, dass man förmlich sehen kann, wie Gesellschaft in ihrer Nähe kaputtgeht.
Es kann sein, dass sie es bewusst auf Täuschung anlegen. Vers 13 beschreibt, dass er mit seinen Augen zwinkert, mit seinen Füßen scharrt und mit seinen Fingern deutet. Das heißt, er setzt alle Körperteile ein, um Komplizen Zeichen zu geben. Es geht darum, einen anderen, einen dritten, der hier nicht weiter erwähnt ist, zu täuschen.
Das bedeutet: Wenn du mit so einem Typen zu tun hast, zieht er dich einfach über den Tisch. Es ist völlig egal, wer du bist. Er legt es mit allen Mitteln darauf an, dich zu täuschen. Kennst du Leute, bei denen du den Eindruck hast, dass sie dich über den Tisch ziehen wollen, sobald sie den Mund aufmachen? Ich glaube, jeder von euch hat solche Typen schon erlebt. Das ist furchtbar.
Mir wurde mal ein Auto zu Schrott gefahren. Ich hatte noch einen Rest davon und wollte ihn verkaufen. Ich setzte das Auto in die zweite Hand, und dann kam jemand vorbei, der den Rest kaufen wollte. Kennt ihr dieses Gefühl, wenn jemand vor euch steht, der euch den Rest eures Autos abkaufen will, und ihr denkt: Das kann nicht wahr sein? Das ist irgendwie gruselig. Aber weggehen kann man auch nicht, weil es der Erste ist, der angerufen hat, und man ihm eigentlich zugesagt hat. In diese Richtung geht es.
Vers 14 sagt: Verkehrtheiten sind in seinem Herzen, er schmiedet Böses zu aller Zeit und streut Zwietracht aus. Leute wie zur Zeit Noachs, die einfach nur Böses im Sinn haben, ständig in Gedanken auf Verkehrtes ausgerichtet sind, ständig von Schlechtigkeit getrieben. Jemand, bei dem es ständig Knatsch gibt, bei dem du immer wieder hörst: "Jetzt hat er schon wieder Krach mit irgendjemandem." Es kann auch eine Frau sein. Wenn ein Mensch mit allen immer im Streit lebt, kann es sein, dass er so ein Typ ist, der es einfach nicht schafft.
Vers 15: Darum wird plötzlich sein Verderben kommen, im Augenblick wird er zerschmettert werden ohne Heilung. Dieses Thema zieht sich wie ein roter Faden durch das Buch der Sprüche: Wer Böses sät, wird Böses ernten. Der andere zerstört und wird plötzlich, ohne es zu erwarten, selber zerschmettert werden – ohne Heilung und ohne Rettung.
Man kann sich vor so einem Typen nur in Acht nehmen. Ich denke, deshalb steht es auch in den Sprüchen. Es gibt diesen Typ Mensch, und wenn du ihm begegnest und dir alle Sinne sagen: Achtung, Vorsicht!, dann sei auch vorsichtig. Es geht nicht darum zu denken: "Na ja, der wird mit mir schon lieb umgehen." Das wird er wahrscheinlich nicht tun. Zieh dich einfach ein Stück zurück.
Vers 16: Sechs sind es, die der Herr hasst, und sieben sind seiner Seele ein Gräuel. Hier präsentiert Salomo sieben schlechte Eigenschaften, die Gott in unserem Leben nicht sehen möchte. Diese Eigenschaften sind genau im Leben eines solchen Unruhestifters zu finden.
In der Bibel findet man öfter Formulierungen wie hier: sechs und sieben. Es gibt das auch mit eins und zwei. Zum Beispiel heißt es in Hiob 33,14: "Doch auf eine Weise redet Gott und auf eine zweite, und man wird es nicht gewahr." Es geht mir nur um diese Zahlworte eins, zwei, dann gibt es das mit drei und vier. Da heißt es zum Beispiel: "Drei sind es, die mir zu wunderbar sind, und vier, die ich nicht erkenne" (Sprüche 30,18).
Es gibt auch die Formulierung sechs und sieben. Hier haben wir eins, es gibt noch mehr davon – immer eine Zahl und dann plus eins dahinter. Vielleicht habt ihr euch öfter gefragt: Was soll das? Das macht ja gar keinen Sinn. Sind es jetzt sechs oder sieben? Ich wäre da völlig verwirrt, wenn jemand sagt: "Sechs sind es, die der Herr hasst, und sieben sind seiner Seele ein Gräuel." Dann würde ich sagen: Entscheide dich doch einfach – sechs oder sieben. Oder mach sechs und halb, von mir aus, ist mir auch egal, aber entscheide dich.
Was ich euch jetzt mitgeben muss, ist: Es handelt sich hier einfach nur um ein Stilmittel. Die Zahlen spielen überhaupt keine Rolle, sondern eine ganz untergeordnete. Im Idealfall passen sie irgendwie dazu, im Zweifelsfall spielen sie gar keine Rolle. Man nennt das einen Parallelismus.
Ein Parallelismus will zweimal dasselbe sagen, und doch auf eine etwas unterschiedliche Weise. Um ein sehr bekanntes Beispiel eines Parallelismus zu nehmen, das sich auch als deutsches Sprichwort eingebürgert hat: Sprüche 16,18 – "Vor dem Verderben kommt Stolz, und Hochmut kommt vor dem Fall."
Wenn ihr genau hinhört, habt ihr es da oben? Macht das mal mit der revidierten Elberfelder. Es wird gleich kommen. Also nochmal: "Vor dem Verderben kommt Stolz, und Hochmut kommt vor dem Fall." Ihr könnt diesen Satz in zwei Teile zerlegen. Der erste Teil: "Vor dem Verderben kommt Stolz", der zweite Teil: "Hochmut kommt vor dem Fall." Ihr werdet merken, beide Teile sagen eigentlich dasselbe aus. Man könnte einen weglassen und würde inhaltlich wenig verlieren.
Seht ihr? Alles, was nach dem Komma kommt, könnte man streichen, weil es im ersten Teil schon steht. Für uns ist das eher lästig, weil man denkt: Warum muss ich zweimal lesen, was mir einmal gereicht hätte? Aber das ist für die hebräische Poesie die Stilfigur schlechthin.
Wenn wir an Poesie denken, denken wir an Endreime: "Ich bin klein, mein Herz ist rein." Das ist deutsche Poesie, Endreim. Der Hebräer denkt sich: Na ja, wenn sich das nur am Ende reimt, ist das vielleicht gar nicht so interessant. Wie wäre es, wenn man nicht den Endreim favorisiert, sondern Gedanken wiederholt? Wie hier, wo der erste und der zweite Teil eigentlich dasselbe aussagen, aber mit anderen Worten.
Ihr könnt euch vorstellen, diese Idee, einen Gedankenreim zu produzieren, nicht einen Endreim, sondern einen Gedankenreim, inhaltlich eine Verbindung zwischen den Zeilen zu schaffen, die zusammengehören. Da kann man natürlich ein bisschen spielen. Man kann das Gleiche sagen, eine leichte Entwicklung einbauen, es stufenartig aufbauen oder – ich finde es am wenigsten attraktiv, aber es wird gemacht – man kann es mit Zahlen garnieren: eins, zwei, drei, vier, sechs, sieben.
Das liegt hier vor: ein numerischer Parallelismus. Ihr merkt euch einfach nur: Parallelismus bedeutet Gedankenreim, ähnliche Ideen kommen mehrfach vor, und darin sind die Hebräer einfach groß.
Es geht also gar nicht um sechs und sieben, obwohl jetzt sieben Eigenschaften kommen, die wir uns noch vor der Pause schnell anschauen.
Erstens: hohe Augen. Das heißt ein überhebliches Wesen. Gott ist gegen jede Form von Überheblichkeit. Das können wir uns einfach merken. Wenn du stolz wirst, dann ist das eigentlich die Untugend schlechthin. Wir müssen kapieren, dass wir vor Gott nicht diejenigen sind, die etwas zu sagen haben. Menschen, die Gottesfurcht lernen wollen, dürfen nicht hochmütig sein. Wenn du denkst: "Ich weiß es besser, Gott hat mir gar nichts zu sagen", dann ist es vorbei. Dann kann Gott dir nicht helfen, sondern nur warten, bis du merkst: "Oh, ich habe mich geirrt."
Zweitens: eine Lügenzunge. Das wissen wir schon. Es wird einfach nicht gelogen. Wo das ist, sagt Gott: "Ich mag das nicht, das ist ein Gräuel." Wir sagen die Wahrheit, okay? Nehmen wir uns einfach vor, für die nächsten, sagen wir mal, fünfzig Jahre, und dann ist es gut.
Drittens: Hände, die unschuldiges Blut vergießen. Wir wollen nichts damit zu tun haben. Das ist eigentlich vorsätzlicher Mord, der hier gemeint ist. Manchmal denke ich, ich mag da ein bisschen eigen sein, aber jetzt müsst ihr vorsichtig zuhören. Ich sage, das ist meine Meinung, okay?
Meine Meinung ist: Ich habe keine Aktien daran, weil ich nicht weiß, an welchem Blutvergießen ich mich beteilige. Ich habe irgendwann entschieden: Wenn einer auf Nahrungsmitteln spekuliert und irgendwo anders jemand den letzten Sack Reis nicht mehr kaufen kann und daran stirbt, ist irgendjemand ein Mörder. Und ich möchte es nicht sein.
Nur damit wir nicht sagen: "Hab’ ich noch nie." Pass auf, dass unsere Finger nicht irgendwo mit drin sind, dass wir nicht zu Leuten werden, an deren Händen fremdes Blut klebt. Ich finde es momentan in unserer Welt superschwer, mit sauberen Händen durchzukommen. Es ist wirklich schwer, weil alles so verflochten ist.
Ich mache mir immer mehr Gedanken darüber, wie wir leben müssen und ob wirklich die billigste Jeans immer die beste ist. Irgendjemand muss für 50 Cent die Stunde arbeiten. Wenn ich sie kaufe, kann ich sagen: "Ich weiß ja nicht, wo das herkommt." Ja, wir wissen es ganz genau. Wir wissen es viel zu genau.
So, und jetzt habe ich euch genug schlechtes Gewissen gemacht. Ich denke nur, wir müssen in diese Richtung ein bisschen weiterdenken.
Vers 18: "Ein Herz, das heillose Anschläge schmiedet." Da ist jemand, der ständig über Böses nachdenkt: Wie kann ich einem anderen Böses tun? Das kommt nicht in die Tüte. "Füße, die ins Verderben laufen" – Füße sind hier ein Bild für den Lebensweg. Jemand rennt wirklich, um anderen Böses zu tun. Das ist irre.
Wir sollen Friedenstifter sein, Lastenträger. In unserer Umgebung sollen sich Leute wohl und leichter fühlen. Da ist jemand, der legt es genau aufs Gegenteil an. Er will fremde Leben zerstören.
Dann kommen die zwei letzten Eigenschaften:
Wer Lügen ausspricht als falscher Zeuge – das ist besonders fies. Denn genau in dem Moment, in dem ein Zeuge im Gericht auftritt, geht es um die Wahrheit. Sonst ist es zwar auch wichtig, aber ein Tick weniger wichtig. Denn von deiner Zeugenaussage hängt ab, ob ein anderer verurteilt wird.
Ich finde es ganz fantastisch, ich hätte das gerne in unserem Rechtssystem. Im Alten Testament ist es so, dass jemand, der unter Eid im Gericht lügt, einen Meineid leistet. Die Strafe bekommt er, wenn das herauskommt, und zwar die Strafe, die der Angeklagte bekommen hätte, wenn man ihm geglaubt hätte.
Versteht ihr das? Jemand lügt, und ein anderer wird dafür verurteilt. Wenn es herauskommt, dass es ein Meineid war, bekommt der Lügner nicht nur eine Verwarnung oder ein kleines Strafgeld. Er bekommt genau die Strafe, die der andere bekommen hätte oder bekommen hat aufgrund seiner Lüge. Das ist sehr gefährlich. Da überlegt man sich das zweimal.
Und das Letzte: Wer Zwietracht ausstreut zwischen Brüdern. Der Begriff Brüder in der Bibel kann für leibliche Brüder stehen, aber auch für nahe oder weitere Verwandtschaft. Das ist Gott deshalb ein Gräuel.
Denn die kleinste Zelle der Gesellschaft ist die Familie. Jemand, der bewusst Familie kaputtmacht, Zwietracht sät und Familienbande zerreißt, dem die Familie nicht heilig ist und der sich an der Stelle nicht bemüht, ist Gott tatsächlich ein Gräuel.
So, drei Typen, mit denen wir nichts zu tun haben sollen, denen wir nicht ähnlich sein sollen: Du bist ein Bürge – reiß dich los! Du bist ein Faulpelz – steh auf! Lass die gelegene Zeit nicht vorbeigehen.
Und wenn du in deinem Leben überall Streit findest, vielleicht Dinge, die hier gesagt worden sind, wie Lüge, dann lass es sein.
Einführung in Sprüche Kapitel 8: Die Weisheit ruft laut
Sprüche Kapitel 8. Wenn wir gemeinsam Sprüche 8 studieren, werden zumindest diejenigen, die von Anfang an dabei waren, denken: Das kenne ich doch schon, das habe ich doch schon mal gehört. Das liegt daran, dass Salomo sich wiederholt – so wie wir uns wiederholen müssen, wenn wir unseren lieben Kleinen die wichtigen Lektionen des Lebens beibringen wollen. Kinder merken sich nämlich nicht alles beim ersten Mal, und Schüler sowieso nicht. Deshalb erlaubt sich Salomo, Dinge zweimal zu sagen. Aber er sagt sie natürlich nicht genau gleich.
In Kapitel 1, Verse 20-33, hatten wir die Weisheit schon personifiziert. Sie stellte sich dar, als sei sie eine Frau – Frau Weisheit –, die laut schreit und sich deutlich verständlich macht. Und das haben wir hier wieder, in Sprüche 8, Verse 1-36, von mir überschrieben mit „Das Schreien der Weisheit, Teil 2“.
Vers 1: Ruft nicht die Weisheit, und lasst nicht die Einsicht ihre Stimme erschallen? Eine rhetorische Frage. Salomo antwortet: Ja, das stimmt! Die Weisheit ist tatsächlich laut. Oben auf den Erhöhungen am Weg, dort, wo die Pfade zusammenstoßen, hat sie sich aufgestellt. Bei den Toren am Zugang zur Stadt, am Eingang der Pforten, schreit sie. Da haben wir es wieder: Weisheit, Frau Weisheit, macht sich hörbar und will gehört werden.
Für mich ist das so wichtig, weil es in der Antike eine Redekultur gab. Es gab eine Strömung, man nennt diese Leute Sophisten. Sie hatten großen Spaß daran, Vorträge zu halten – einfach so, just for fun. Sie konnten im ersten Vortrag für eine Sache sein, und alle waren begeistert und dafür. Dann hielten sie noch einen Vortrag und waren einfach gegen dieselbe Sache, für die sie eben noch waren. Alle sagten: „Boah, wie macht der das denn? Einmal nimmt er uns mit, und wir sind dafür, einmal nimmt er uns mit, und wir sind dagegen. Klasse, was der nicht alles mit Sprache kann!“
Die Weisheit, die Salomo hier beschreibt, will aber nicht einfach nur Humor oder rhetorisches Talent beweisen. Es geht ihr auch nicht darum, sich hinter die Mauern eines Klosters oder in eine große Bibliothek zurückzuziehen. Sie will laut sein, sie will ganz bewusst ihrer Position Nachdruck verleihen und dafür sorgen, dass…
Vers 4: Zu euch, ihr Männer, rufe ich, und meine Stimme ergeht an die Menschheit, damit alle von ihr mitbekommen. Die ganze Menschheit – oder Jesus würde sagen: „Wer Ohren hat zu hören, der höre.“ Ja, man kann ja hören und hören. Man kann hören, wenn Schallwellen auf mein Ohr treffen und innen etwas zum Schwingen bringen. Und dann kann man hören, wenn das, was da schwingt, auch in meinem Verstand ankommt und womöglich mein Leben prägt.
Jeder, der solche Ohren hat, jeder, der sagt: Ich will lernen, ich bin noch nicht fertig, ich habe vielleicht schon graue Haare, aber ich will noch dazulernen – für den ist die Weisheit da. Sie tritt hin und schreit, will sie ganz laut und deutlich rufen, damit er sie auch hört.
Und was sagt sie?
Vers 5: Lernt Klugheit, ihr Einfältigen, und ihr Toren, sucht ein verständiges Herz! Das kennen wir schon: Lernt Klugheit, ihr Einfältigen! Immer wieder dieses Bild: Es gibt Menschen, die noch nicht fertig sind, einfältig sind, und die Weisheit möchte ihnen Klugheit vermitteln. Vielleicht gibt es nur eine kleine Chance, das mag sein, aber Weisheit ringt um diese kleine Chance, dass Menschen Klugheit und ein verständiges Herz erlangen.
Vers 6: Hört, denn Vortreffliches will ich reden, und das Öffnen meiner Lippen soll Geradheit sein; denn mein Gaumen spricht Wahrheit aus, und Gesetzlosigkeit ist meinen Lippen ein Gräuel. Wenn Weisheit das sagt, dann sagt sie nicht weniger als das: Alles, was hier steht, ist etwas ganz Besonderes, Vortreffliches und absolut Vertrauenswürdiges – Geradheit.
Wenn wir uns mit Gottes Weisheit beschäftigen, dann ist das nicht eine Weisheit, die als Meinung neben anderen Weisheiten steht. Gott sagt – oder Salomo sagt hier: Die Weisheit, die Gott uns vermittelt, ist ganz besonders und absolut vertrauenswürdig. Und es geht so weit:
Vers 8: Alle Worte meines Mundes ergehen in Gerechtigkeit, es ist nichts Verdrehtes und Verkehrtes in ihnen. Wenn man so einen Vers liest, muss man sich entscheiden: Entweder ist der, der das sagt, ein altersschwacher König, getrieben von grenzenloser Vermessenheit – Salomo sagt seinem Sohn: Hör dir an, was ich zu sagen habe, alles ist Gerechtigkeit, es ist nichts Verdrehtes und Verkehrtes in diesen Worten. Oder ich kann glauben, dass Salomo unter der Leitung des Heiligen Geistes uns Dinge sagt, die wir durchdenken müssen, die aber wirklich wahr sind.
Er definiert für uns einen Raum, in dem wir absolut sicher sein können, dass wenn ich mich und mein Denken darauf aufbaue, ich ein Fundament habe, das trägt, das wirklich trägt, und dass, wenn ich es genau so mache, mein Leben gelingen wird.
Bei mir ist das so: Ich weiß nicht, ob es euch auch so geht, aber solche Verse sind für meinen Glauben immer wieder eine Anfrage: Jürgen, bist du wirklich einer, der Gott ganz vertraut? Woran sehe ich das? Ob ich Gott vertraue, sehe ich am Ende nur im praktischen Alltag, ob ich ein Gläubiger bin. Man kann ganz leicht sagen: Am Sonntag, Herr Jesus, das ist ganz einfach. Am Sonntag sagen das alle, das muss ja irgendwie stimmen. Aber was am Montag von dem Herrn noch übrig bleibt, sieht man an der Art und Weise, wie wir leben, wie wir reden, wie wir unsere Prioritäten setzen, wie wir unsere Zeit einsetzen. Genau daran sieht man es.
Letztlich sieht man es daran: Glaube ich Gott? Glaube ich ihm bis runtergebrochen auf das einzelne Gebot, auf den einzelnen Vers, der in der Bibel steht? Glaube ich ihm auch dann noch, wenn es sehr, sehr nahe kommt, wenn dieser Glaube meine persönlichen Entscheidungen prägt? Wie weit bin ich an der Stelle bereit, mit Gott zu gehen? Oder folge ich dann doch lieber meinem Verstand oder dem, was die Gesellschaft mir vorgibt? Ja, wir müssen uns oft entscheiden. Wahrer Glaube zeigt sich ganz praktisch auf der Ebene des Alltags. Und wenn er sich da nicht zeigt, dann müssen wir uns die Frage gefallen lassen: Warum nicht?
Vers 9: Sie alle sind richtig dem Verständigen und gerade denen, die Erkenntnis erlangt haben. Die Weisheit Gottes ist dem, der verständig ist und dem, der Erkenntnis erlangt hat, richtig. Warum? Weil er das gelebt hat. Also der, der sich auf die Weisheit Gottes einlässt, bekommt am Ende seines Lebens die ganz sichere Gewissheit: Das war absolut gut.
Jetzt merkt ihr schon am Ende: Wenn ich verständig geworden bin, wenn ich Erkenntnis erlangt habe, wenn ich weise geworden bin, dann fällt es mir relativ leicht zurückzuschauen und zu sagen: Wow, war alles gut. Das Problem ist, wenn ich nicht zurückschaue, sondern am Anfang stehe und nach vorne schaue und sage: Was kommt wohl raus, wenn ich den Weg gehe, wenn ich die Bibel lese und konkrete Entscheidungen treffen soll? Gott sagt „Hü“, und alle anderen sagen vielleicht „Hot“, und ich denke: Dann mache ich jetzt „Hü“ oder „Hot“, und ich lasse mich auf „Hü“ ein – und „Hü“ ist vielleicht ein bisschen kompliziert, und ich habe „Hü“ vielleicht auch nicht gleich richtig verstanden, sodass nur so ein „Hü-Ort“ rauskommt, so ein bisschen gut und so ein bisschen, und ich gehe ganz vorsichtig in die Richtung, so ein bisschen am Anfang noch nach links und rechts schwankend, und ich lasse mich darauf ein. Wenn ich den Weg zu Ende gegangen bin, ist klar: Ich schaue zurück und sage: Klasse, „Hü“ war richtig.
Aber am Anfang ist die Frage, ob „Hü“ richtig ist, ganz schwierig. Es geht wirklich nur, wenn wir Glauben haben und uns darauf verlassen, mit ganzem Herzen darauf vertrauen, dass Gott die Wahrheit sagt in seinem Wort.
Die Weisheit redet weiter: Nehmt meine Unterweisung an und nicht Silber, Erkenntnis und Liebe als feinstes Gold. Wir wissen, Silber und Gold sind keine bösen Dinge. Weisheit hat sogar die Verheißung des Reichtums, des Wohlstands. Doch in dem Moment, wo Silber und Gold zu Gegenspielern werden, wo ich mich entscheiden muss zwischen den beiden, dann soll ich mich definitiv nach Weisheit ausstrecken.
Denn…
Vers 11: Weisheit ist besser als Korallen, und alles, was man begehren mag, kommt ihr nicht gleich. Hatten wir schon. Also jetzt hatten wir das. Für die, die heute zum ersten Mal dabei sind: Ja, aber hatten wir schon, wissen wir schon. Weisheit geht einfach über alles. Egal, was du einsetzen musst, egal, was du opfern musst – deinen persönlichsten Traum, den du investierst und auf den Altar legst, um Weisheit zu gewinnen, es wird sich lohnen.
Dann spricht die Weisheit:
Vers 12: Ich, die Weisheit, wohne bei der Klugheit und finde schlaue Erkenntnis. Den Vers mag ich. Weisheit wohnt also wie in einer Wohngemeinschaft mit Klugheit. Und wer Weisheit und Klugheit hat – natürlich denkt ihr jetzt an Parallelismus –, ja, das ist irgendwie das Gleiche: Weisheit und Klugheit. Wo das ist, also wenn man Weisheit im Leben hat, dann ist sie die Grundlage dafür, dass man schlaue Erkenntnis findet.
Und schlaue Erkenntnis ist diese Mischung aus Einsicht auf der einen Seite und so ein bisschen mentaler Beweglichkeit. Das ist so dieses: Du kommst noch mit bei dem, was läuft. Du kriegst das irgendwie noch auf die Reihe, wie Leben funktioniert. Du weißt einerseits etwas, und du kannst mit dem, was du weißt, auch etwas anfangen. Du kommst irgendwie recht entspannt durchs Leben. Du brauchst eine Entscheidung? Und du findest die Entscheidung.
Aber wie komme ich da hin? Ich komme nur dann dahin, wenn ich für mein Denken ein brauchbares Fundament habe und wenn sich mein Denken in ethischen Grenzen bewegt, wo ich einfach weiß, die gibt es, und die halte ich ein. Zum Beispiel, was wir vorhin hatten: die Grenze, es wird nicht gelogen, Punkt.
Wenn ich diese Grenzen nicht mehr habe, wenn ich kein Fundament aus Weisheit in meinem Leben habe, dann werde ich zwar formal richtig denken, aber die Ergebnisse werden schräg sein. Und ich werde am Ende für das, was ich gedacht habe, ernten, was ich sehe.
Und was du vorhin an Eltern brachtest, die Beispiele, wo man mit den Kindern eher grob umgeht und so ein bisschen mit kurzen Imperativen, nicht mehr als drei Worte. Die Eltern sind ja auch nicht gestartet mit der Idee: „Wir wollen mal so werden, und das ist genau unser Ziel.“ Wir sind am Ende einer Kette rausgekommen. Am Anfang dieser Kette standen andere. Es standen Leute, die wahrscheinlich dreißig, fünfzig Jahre vorher die Weichen gestellt haben. Sind das Endprodukt oder vielleicht noch nicht mal Endprodukt, aber sind das, wo man heute sagt: Was ist denn da rausgekommen? Da wollten wir doch gar nicht hin.
Als die Leute die sexuelle Revolution ausgerufen haben und Befreiung, und jeder mit jedem, da wollte man doch nicht die Familie auflösen. Da wollte man doch nicht 40 Jahre später den Singlehaushalt. Also die alleinerziehende Mutter. Man wollte doch nicht, dass Kinder ohne Väter groß werden. Man wollte all diese Dinge doch nicht. Man hat doch gedacht, man macht etwas Gutes. Aber es ist einfach rausgekommen am Ende.
Man wollte eigentlich schlaue Erkenntnis, aber man hatte keine Weisheit und keine Klugheit. Warum? Weil man die Grenzen abgelehnt hat, die Gott vorgegeben hat. Und außerhalb dieser Grenzen kannst du formal richtig denken, nur dass das, was rauskommt, Murks ist.
Vers 13: Die Furcht des Herrn ist, also was heißt es, mit Gott zu leben? Das Böse hassen. Ganz einfach: Wir schmeißen das Böse aus unserem Leben raus, wir sind die Guten. Ausnahmsweise mal, vielleicht nicht oft, aber das ist unser Ziel. Wir hassen das Böse. Du darfst das Böse hassen. Keine anderen Menschen, aber das Böse darfst du hassen. Da darfst du wirklich dagegen sein.
Stolz und Hochmut und den Weg des Bösen und falsches Gerede hasse ich, genau wie wir es vorhin hatten. Das ist Gott einfach ein Gräuel.
Und die Weisheit sagt: Mein sind Rat und Einsicht. Und du denkst dir: Ja, das weiß ich schon, ich bin der Verstand, okay. Aber jetzt kommt ein neuer Begriff: Mein ist die Stärke.
Und dieser Begriff ist neu, weil Rat, Einsicht und Verstand ja ganz nette Dinge sind, aber wenn du keine Durchschlagskraft hast in deinem Leben – also wenn deine klugen Gedanken zwar klug sind, aber nichts bewirken, wenn ihnen die Power fehlt –, dann bringen sie dir nichts.
Und jetzt kommt die Weisheit und sagt: Ja, also ich bin die Stärke. Ich habe nicht nur ein paar kluge Gedanken auf Lager, sondern ich bin deshalb ein so wirkungsvoller Begleiter für dein Leben, weil ich in der Lage bin, das, was du dann denkst, auch wirklich funktionieren zu lassen.
Ach ja, einfach ein persönliches Beispiel: Ich bin in der Art, wie ich leite, jemand, der gut etwas anschieben kann, aber ich bin nicht so gut, wenn es angeschoben ist, es am Laufen zu halten. Da sehne ich mich schon nach dem nächsten Projekt, das ich anschieben kann. Ich bin ein guter Anschieber, aber wenig gut, so auf Dauer etwas am Laufen zu halten.
Jetzt habe ich mir für mich selber gedacht: Das muss ich ändern, habe mir das auch aufgeschrieben und sage: Ich möchte es lernen. Ich möchte es lernen, mit Teams auf lange Sicht zu arbeiten. Warum? Na ja, weil es mir an Durchschlagskraft mangelt.
Also, ich habe oft gute Gedanken, ja, und so auf den ersten zwanzig Metern gebe ich denen auch richtig Druck mit, aber wenn da nichts mehr nachkommt, dann versanden die einfach. Das heißt, ich habe Ideen, ich habe eine ganze Kladde voll Ideen, die man mal machen sollte in der Gemeinde. Aber ich weiß gar nicht, wie ich das schaffen soll, weil solange ich nicht auf Dauer etwas am Laufen halten kann, solange bin ich einfach der Falsche dafür.
Und die Weisheit sagt: Ich bin die Richtige, weil ich gebe dir nicht nur am Anfang den Druck und die Richtung vor, sondern ich sorge dafür, dass das, wenn das mal rollt, auch funktioniert und gelingt. Sie ist genau das, was du brauchst, damit du für ein Leben lang die Hilfe, Kraft und Stärke besitzt, die du brauchst.
Vers 18: Dann wirbt sie ein bisschen wieder, das kennen wir schon: Reichtum und Ehre sind bei mir bleibendes Vermögen und Gerechtigkeit einverstanden.
Vers 19: Meine Frucht ist besser als Gold und feines Gold, und mein Ertrag ist besser als auserlesenes Silber. Ihr denkt, haben wir auch schon gehört? Stimmt. Die Weisheit sagt ständig: Wenn du mir folgst, geht es dir richtig gut.
Wenn du mir folgst – und jetzt werden Bilder aus der Landwirtschaft entlehnt –, dann sichere ich dir Frucht und Ertrag. Und das ist mehr als nur materieller Wohlstand. Weisheit verspricht uns die Qualität von Reichtum, den man mit Geld nicht kaufen kann.
Das können ganz unterschiedliche Dinge sein, wie zum Beispiel eine gute geistliche Beziehung zu Gott, ein intaktes Familienleben, dass wir vor Süchten bewahrt bleiben, dass wir vor falschen Lebensentscheidungen bewahrt bleiben, dass wir tiefe Freundschaften aufbauen können, einen guten Namen besitzen in der Gesellschaft – wen interessiert das heute noch? Die Sprüche sind voll davon, einen guten Namen zu bewahren, dass man an uns nichts rummäkeln kann –, Gelassenheit zu finden, Freude zu finden, ein gutes Gewissen – all diese Dinge sind Folgen davon, Frucht, Erträge, wenn ich es auf Weisheit anlege.
Vers 20: Die Weisheit sagt: Ich wandle auf den Pfaden der Gerechtigkeit, mitten auf den Pfaden des Rechts. Niemand, der das Recht beugt, lebt weise. Niemand, der ungerecht lebt, lebt weise. Lasst uns das einfach mitnehmen aus der Woche, wo das Böse, das Ungerechte, das Falsche in unser Leben tritt, tritt als Begleiterin immer, immer die Unweisheit, immer die Dummheit mit in unser Leben. Der Weise ist immer der Gute.
Vers 21: Um die, die mich lieben, Reichtum erben zu lassen und um ihre Vorratskammern zu füllen. Weisheit möchte uns beschenken auf der ganzen Ebene. Weisheit möchte, dass wir nicht zu kurz kommen.
Ich habe gesagt, viele Gedanken kommen uns bekannt vor in Kapitel 8. Das waren jetzt die, die uns bekannt vorkommen. Jetzt kommt ein neuer Gedanke, ein Gedanke, der mit der Schöpfung zu tun hat.
In Vers 22 und Vers 23 startet ein Gedanke. Es geht um die Frage: Wo kommt Weisheit eigentlich her? Und wir werden lesen: Der Herr schuf mich zu Beginn seines Weges, vor seinen Werken von jeher.
Es geht jetzt um Schöpfung. Gott erschafft die Welt. Und die Weisheit sagt: Bevor die Welt wurde, war ich. Gott überlegt sich: Ich möchte mir gern da so, ich probiere das mal mit Schöpfung. Wir müssen nicht streiten, wie das genau war, aber Gott überlegt sich Schöpfung, und vorher, chronologisch davor, kommt Weisheit, entsteht Weisheit.
Ich war eingesetzt von Ewigkeit her, von Anbeginn, vor den Uranfängen der Erde. Das bedeutet Folgendes: Gott lässt aus seinem Charakter heraus ethische Regeln fließen, und er legt diese ethischen Regeln fest – das ist Weisheit. Und dann schafft er in Raum und Zeit einen Rahmen, in dem diese Regeln gelten.
Erst kommt die Weisheit, das Prinzip: Wie soll man leben? Was ist gut, was ist böse? Und dann gibt es dazu eine Box, die Schöpfung, in der diese Regeln gelten. Das heißt aber, Weisheit gilt generell. Weisheit ist nicht der Veränderung unterworfen. Weisheit ist eine eigenständige Größe neben der Schöpfung.
Also auch wenn die Schöpfung sich weiterentwickelt und eine Generation die nächste ablöst, eine Kultur die nächste Kultur, Weisheit ist nichts Innerweltliches, nichts, was sich mit den Kulturen und dem Denken der Menschen verändert, sondern Weisheit ist davor. Weisheit ist das, was immer schon galt und immer gelten wird. Sie ändert sich nicht. Weil Gott sich nicht ändert, tut sie es auch nicht. Sie stammt aus der Ewigkeit und ist mit dem Anbeginn der Schöpfung verknüpft.
Vers 24-26: Ich wurde geschaffen, als die Tiefen noch nicht waren, als noch keine Quellen reich an Wasser waren, ehe die Berge eingesenkt wurden, vor den Hügeln wurde ich geschaffen, als er die Erde und die Felder noch nicht gemacht hatte und die ersten Schollen der Erde. Das nimmt Bezug auf den Schöpfungsbericht. Bevor alles, was im Schöpfungsbericht beschrieben wird, losgeht, da war schon Weisheit da. Und dieses lange Alter, das sie hat, gibt ihr dieses besondere Gewicht.
Vers 27-29: Als er die Himmel errichtete, war ich dabei, als er einen Kreis abmaß über die Fläche der Tiefe, als er die Wolken droben arrangierte, als er Festigkeit gab den Quellen der Tiefe, als er dem Meer seine Schranken setzte, damit die Wasser seinen Befehl nicht überschritten, als er die Grundfesten der Erde aufstellte. Wieder dieser Moment, wo alles eingerichtet wird, wo Gott ein Ökosystem zum Laufen bringt, wo Raum und Zeit entstehen, wo die Weisheit sagt: Ich war schon da.
Vers 30: Da war ich Schosskind bei ihm. Das ist auch eines dieser Bilder. Ich stelle mir so ein Schosskind vor. Wir wissen, was ein Schosskind ist – so etwas Kleines, Glucksendes, das auf deinem Schoss sitzt. Das ist ein Schosskind. Weisheit sagt: Ich war Schosskind bei ihm und war Tag für Tag seine Wonne, vor ihm spielend alle Zeit.
Es ist diese enge Verbindung, diese unglaublich liebevoll-zärtliche Verbindung zwischen Gott auf der einen Seite und der Weisheit auf der anderen Seite. Du kannst sie nicht trennen voneinander. Und die Weisheit selber steht jetzt – sie ist nicht nur Gott ganz nah, sitzt ihm bildlich gesprochen auf dem Schoss –, sondern sie will Mittler sein. Sie will sich stellen zwischen dem Gott, dem sie entspricht, dem sie nah ist, und den Menschen.
Und Weisheit hat dich lieb. Ich hoffe, dass du das weißt. Weisheit ist nicht gefährlich. Manchmal schon, ja, aber Weisheit hat auch etwas ganz Kindliches, etwas, das dich einladen möchte, es lieb zu haben, ihm eine Chance zu geben, sich mit ihm zu beschäftigen.
Wenn man so ein kleines Kind hat, das ist ja immer wieder drollig. Da werden Kinder geboren, und dann kommen die Mütter das erste Mal mit dem Kinderwagen so rein. Die abgebrühtesten Gerle wollen in diesen Wagen reinschauen. Es ist einfach absurd, oder? Ach, ist ja süß, gülle, gülle, gülle, ja, es ist einfach irre. Wie so ein kleines Kind. Und wenn die dann noch ein bisschen größer sind, darf ich es mal halten? Das aber? Oh ja, das ist aber klein, also das ist doch… geht ja gar nicht, Schosskind, richtig.
Und diesen Zugang malt Salomo vor Augen. So wie wir an der Stelle ein natürliches Interesse haben, aufgeschlossen sind, so sollen wir mit Weisheit umgehen. Und die Weisheit möchte so mit dir umgehen.
Das heißt hier: spielend auf dem bewohnten Teil seiner Erde, und ich hatte meine Freude an der Menschheit. Weisheit möchte dir nur Gutes tun, sie ist wirklich ungefährlich. Sie ist nicht wie diese ehebrecherische Frau, die wir gestern betrachtet haben, die erst Lippen hat voller Honig und dann so einen glatten Gaumen, und du fällst auf ihre Tricks rein und am Ende stehst du als Verlierer da.
Das ist Weisheit Gottes. Die Weisheit Gottes kommt daher ungefährlich wie ein kleines glucksendes Kind, das dir in die Augen strahlt, dir seinen Lolli hinhält und dich fragt, ob du mal dran lutschen möchtest. Das ist die Weisheit Gottes. Sie hat dich lieb.
Und deswegen kann sie sagen:
Nun denn, ihr Söhne, hört auf mich! Weil sie so drauf ist: Hört doch, du musst keine Angst haben.
Glücklich sind, die meine Wege bewahren. Wirklich glücklich! Dieser Begriff – wir hatten ihn schon – dieses Gesegnetsein, dieses Durch-und-durch-Gesegnetsein. Möchtest du das? Egal, wo du heute stehst und auf ein Leben zurückblickst mit ein paar Fehlentscheidungen, wo du sagst: Das hätte ich gerne richtiger gemacht, aber habe ich nicht, Punkt. Und jetzt schaue ich nach vorne, jetzt mache ich es richtig, jetzt lasse ich mich auf Weisheit ein, jetzt fange ich an, Weisheit zu studieren.
Jetzt mache ich mich wie Beispiel Indiana Jones – ja, ich meine die Machete – jetzt schlage ich mich durch den Dschungel. Ich will es einfach verstehen. Und wenn es die nächsten fünf Jahre dich kostet, um diese Verse zu studieren, dann sind das fünf Jahre. Überleg mal: Fünf Jahre! Das ist doch ein Lacher! Fünf Jahre, Mann! Da hättest du Zeit.
In fünf Jahren könntest du, das sind nur neunhundert Verse, das muss man sich mal überlegen. Das geht eigentlich noch. In fünf Jahren hast du tausendfünfhundert und irgendwas Tage Zeit dafür, das ist irre. Du könntest dir für jeden Vers zwei Tage nehmen. Vielleicht machst du es auch ein bisschen strukturierter, vielleicht am Anfang schneller durch, und dann hast du bestimmte Verse, bei denen du sagst: Die muss ich nacharbeiten.
Vielleicht machst du es wie meine Frau: Kauf dir so eine Box mit Buntstiften, ordnest jeder Farbe ein Thema zu und liest das einfach einmal im Monat durch, wo du was zu dem Thema findest. Und das machst du einfach mal so ein Jahr lang, dass du einmal im Monat deine Sprüche durchliest und einfach nur schaust, was steht denn da wo. Und wenn du dann durch bist und all die Themen gefunden hast, die da drinstehen, dann schreibst du das mal zusammen und denkst darüber nach.
Ich weiß nicht, wie du es machst. Aber die Weisheit sagt: Hört Unterweisung und werdet weise und verwerft sie nicht. Das ist die Antwort: Hör zu, lass dir was sagen.
Glücklich der Mensch, der auf mich hört, indem er an meinen Toren wacht, Tag für Tag, an den Pfosten meiner Türen wartet. Wer sich der Haustür der Ehebrecherin nähert, tritt einen in den Tod.
Und jetzt kommt eine andere Frau, jetzt kommt Frau Weisheit, und sie verspricht das genaue Gegenteil: Wer ihr nahe ist, wer Tag für Tag auf sie hört, wer ihr wachsam und wartend begegnet, der wird glücklich.
Man wird nicht von alleine weise. Und ich weiß nicht, was ihr im Hauskreis macht. Das kann auch ein Hauskreis-Ding sein, dass man sagt: Ach, nehmen wir uns halt die Sprüche vor. Ich meine, warum nicht? Ja, also es wird euch genug Gesprächsstoff geben.
Und ich lade euch ein: Bei den Versen, wo ihr nicht weiterwisst, schickt mir einfach eine Mail. Es gibt manches, das ist nicht immer einfach vom Text her. Es ist halt auch dreitausend Jahre alt, und es ist eine andere Kultur. Und es sind andere gesellschaftliche Schwerpunkte gesetzt. Es ist eine andere Sprache. Das Hebräisch ist an dieser Stelle nicht immer einfach, gerade weil die hebräische Poesie durch diese kurze Formulierung in den Sprüchen – wenn dieses ganz kurz poetisch heißt – im Hebräischen auch kurz formuliert wird. Da kommt eine Mehrdeutigkeit rein. Da braucht man ein bisschen Zeit.
Aber wenn ihr nicht weiterwisst, entweder überspringt ihr den Vers einfach und sagt: Okay, der ist jetzt nicht dran, oder aber ihr schickt mir eine Mail. Aber kümmert euch drum!
Wacht an ihren Toren Tag für Tag!
Vers 35: Denn wer mich findet, hat das Leben gefunden und Wohlgefallen erlangt von dem Herrn. Es gibt nichts Größeres als Weisheit zu finden. Wer sie hat, hat Leben, wer sie nicht hat, hat kein Leben.
Und egal, wie frustriert du heute bist, wo du sagst: Mann, das hat doch alles keinen Sinn mehr. Falsch! Es hat Sinn.
Egal wie alt du bist, wenn du sagst: Ich habe doch nur noch zehn Jahre. Na gut, zehn weiße Jahre, ist auch okay, besser als nichts. Und wenn du jung bist, also letzte Reihe, ihr sowieso, das wisst ihr ja, also das ist euer Buch, das ist einfach für euch geschrieben. Es ist so fantastisch, also ich mag das so.
Aber wir müssen uns auch klar machen, was passiert, wenn wir es nicht tun. Und das ist die grausame Kehrseite der Medaille:
Vers 36: Wer mich verfehlt, tut seiner Seele Gewalt an, alle, die mich hassen, lieben den Tod.
Wenn du sagst: Nee, so eine Bibelwoche muss es jetzt aber wirklich gewesen sein, mehr Zeit investiere ich nicht – also vier, fünf Abende und noch zwei Sonntage –, ja, also bitte, wenn das nicht reicht für ein Leben voller Weisheit, dann weiß ich nicht, was ich noch investieren kann.
Wenn das deine Denke ist, dann ist das dein Vers: Wer mich verfehlt, tut seiner Seele Gewalt an.
Wir werden ernten, was wir säen. Wir werden am Ende nur dann als Gewinner dastehen, als die Glücklichen dastehen, wenn Gottes Wort sich Vers für Vers mit seiner Weisheit in unserem Leben verwirklichen darf, wenn da etwas wächst.
Das muss nichts Großes und Atemberaubendes sein. Vielleicht sind es kleine Entscheidungen, die jetzt einfach anstehen, die du richtig machst. Dann machst du die richtig. Und irgendwann kommen die Großen hinterher, oder sie ergeben sich einfach.
Aber egal, wo du stehst: Ich wünsche dir als Ergebnis dieser Bibelwoche – und ich mache hier so einen kleinen formalen Schnitt – wir sind noch nicht zu Ende, wir haben am Sonntag noch Kapitel 9 –, aber irgendwie ist doch die Bibelwoche jetzt so ein Stückchen rum, weil am Sonntag ist eingebettet in so einen Gottesdienst – ich wünsche dir von Herzen diesen Biss und diesen Blick auf den Wert von Weisheit, der sich versteckt hinter einem alttestamentlichen Buch, das ein Tick zu dick geworden ist, das ist mir schon klar.
Aber es ist deshalb so dick, weil wir so viel Information brauchen, um unser Leben meistern zu können und um das, was wir selber verstanden haben, weiterzugeben an die nächste Generation. Um nicht in einer modernen, individualistischen Sicht nur uns selber zu sehen, sondern uns zu begreifen in einer Abfolge, in einer Dynastie von Gläubigen, wo ich das, was ich empfangen habe, vielleicht von meinen Vätern, vielleicht direkt von Gott aus der Bibel nehme und durchreiche an die nächste Generation, damit auch in fünfzig und hundert Jahren in Oberkrämer noch Christen sind.
Amen.