Es ist Ferienzeit, und ich habe für euch eine vierteilige Reihe zum Thema Gebet vorbereitet. Diese Reihe bietet Theologie, die dich im Glauben wachsen lässt, sowie praktische Impulse für die Nachfolge und deinen geistlichen Alltag.
Mein Name ist Jürgen Fischer. Heute geht es um Antworten auf Fragen zum Gebet.
Einführung in das Thema Fasten und Gebet
Wie ist dieser Text heute zu verstehen, und wie passt er in die gesamte Fastenthematik?
Ich lese ihn zunächst vor und möchte gleich sagen, dass ich bei Jesaja noch kein Experte bin. Jesaja 58 ist ein Fasten, an dem ich gefallen habe, etwa so: Ein Tag, an dem sich der Mensch demütigt, seinen Kopf beugt wie eine Binse und sich in Sacktuch und Asche bettet. Nennst du das ein Fasten und einen dem Herrn wohlgefälligen Tag?
Die Antwort: Die angesprochenen Menschen würden jetzt sagen: Ja. Das muss uns klar sein. Hier werden also Leute angesprochen, die bestimmte Liturgien durchführen, die sie Fasten nennen. Die Frage ist: Seid ihr damit zufrieden? Ja, das ist das Thema, über das wir sprechen.
Wir reden über Menschen, die Dinge tun, die richtig sind, fasten und sich vor Gott demütigen. Sie denken dadurch, mit Gott im Reinen zu sein und ihm etwas zu geben, was er will. Doch nun wird Gott etwas anderes wichtig.
Vers 5 ist ein Fasten, an dem ich gefallen habe? Nein, Quatsch! Vielmehr heißt es in Vers 6: Ist nicht vielmehr das ein Fasten, an dem ich Gefallen habe: Ungerechte Fesseln zu lösen, die Knoten des Jochs zu öffnen, Gewalttätige als Freie zu entlassen und jedes Joch zu zerbrechen?
Besteht es nicht darin, dein Haus dem Hungrigen zu öffnen, dein Brot dem Bedürftigen zu brechen? Besteht es nicht darin, heimatlose Elende ins Haus zu führen? Wenn du einen Nackten siehst, sollst du ihn bedecken und dich deinem Nächsten nicht entziehen.
Die Bedeutung von Glauben und Gerechtigkeit im Leben
An dieser Stelle wird eines deutlich: Religiöse Übungen, die ich vollziehe, sind vor Gott so lange wertlos, wie mein restliches Leben nicht zeigt, dass ich gläubig bin.
Nun wird es spannend: Woran erkenne ich, dass ein Mensch gläubig ist? Als Evangelikale hören wir das vielleicht nicht so gern, aber gläubige Menschen sind gerechte Menschen. Die Bibel trennt nicht zwischen einem gerechten Lebensstil und einem gläubigen Lebensstil. Anders ausgedrückt: Habakuk 2,4 sagt, der Gerechte wird aus Glauben leben. Das bedeutet, der Ungerechte kann überhaupt nicht aus Glauben leben.
Ich muss zuerst eine Entscheidung treffen. In Markus 1,15 sagt der Herr Jesus: „Tut Buße und glaubt an das Evangelium.“ Merkt ihr, das sind zwei Dinge, die zusammengehören. Ich muss mich grundsätzlich zu Gott umkehren, und dann kann der Glaube, das Vertrauen, das daraus entsteht, mich retten, weil ich auf Gott ausgerichtet bin.
Wir trennen das gerne, weil wir oft eine, ich nenne es mal, postprotestantische, gnadenüberzogene Lehre haben. Uns geht es immer nur um Gnade und darum, errettet zu werden. Aber die Bibel sagt an dieser Stelle – und hier müsst ihr euch den O-Ton von Jesus geben – dass Jesus manchmal einfach davon spricht, dass Menschen gerecht leben sollen. Für ihn ist das fast synonym mit Glauben.
Kritik an oberflächlichen religiösen Ritualen
Hier siehst du die Trennung: Es gibt Menschen, die in ihrem persönlichen Leben so handeln. Was tun sie? Sie unterdrücken andere Menschen, das heißt, sie beuten sie aus. Sie helfen nicht, wenn Menschen in Not sind, und zeigen kein Mitleid mit Versklavten, obwohl sie diese befreien könnten.
Diese Menschen gehen einfach weiter, wenn sie jemanden sehen, der nichts anzuziehen hat. Das bedeutet, sie zeigen durch ihr praktisches Leben und ihren Mangel an Barmherzigkeit, dass sie nicht gläubig sind. Einen Mangel an Barmherzigkeit kann man nicht durch ein Mehr an Ritualen wiedergutmachen.
Das ist sehr wichtig zu verstehen. In der Kirchengeschichte ist es immer wieder vorgekommen, dass Menschen Rituale eingeführt haben – sogenannte Sakramente –, die aus sich heraus Glauben darstellen, Glauben erzeugen oder Gerechtigkeit schaffen sollen. Genau das funktioniert hier nicht. Das ist die entscheidende Stelle.
Du kannst auf einer ritualisierten, liturgischen Ebene nach außen hin alles richtig machen. Aber wenn in deinem Herzen keine Barmherzigkeit ist, dann bringst du durch deine Rituale zum Ausdruck, dass du einen Gott der Liebe anbetest – einen Gott, der für die Weisen, die Witwen und die Unterdrückten da ist. Und gleichzeitig streichst du diesen Gedanken durch dein eigenes Leben. Du sagst damit: Ich stehe nicht wirklich für diesen Gott.
Das sehen wir oft im Alten Testament: die Trennung zwischen den richtigen Ritualen und der falschen Herzenshaltung. Vielleicht noch deutlicher wird das, wenn du das Buch Maleachi nachliest. Dort ist das ganz extrem dargestellt (Maleachi 1).
Das geht einfach nicht. Wenn ich faste, was ich tun soll, und mich vor Gott demütige, was Gott sich wünscht, aber dann in meinem Leben unbarmherzig mit anderen Menschen umgehe – was ich durch mein Ritual zum Ausdruck gebracht habe –, dann werde ich tatsächlich zu jemandem, der eigentlich nicht gefastet hat. Er hat nur die äußere Show gemacht.
Parallelen im Neuen Testament: Gemeinschaft und Verantwortung
Und sobald ihr denkt, das ist zum Glück alles Altes Testament, haben wir das gleiche Problem auch im Neuen Testament. Woran denke ich? An welches Kapitel? Wo taucht dieses Problem genau so mitten in der Gemeinde auf? Nein, nicht Laodizea. Ja, genau, 1. Korinther 11. Dort gibt es genau das gleiche Problem.
Die Leute feiern gemeinsam Abendmahl. Ich werde es euch einfach nur kurz erklären. Das Abendmahl war damals tatsächlich ein Abendmahl, also Abend und Mahl. Man kam abends zusammen, aß vorher noch miteinander und feierte im Anschluss an das Abendessen das Abendmahl.
In der Gemeinde gab es zwei Arten von Leuten. Es gab die Häuslebesitzer, also diejenigen, die etwas mehr hatten. Sie konnten es sich erlauben, weil sie sowieso genügend Angestellte hatten, rechtzeitig zu kommen. Diese kamen auch rechtzeitig, brachten ihren Picknickkorb mit und aßen fröhlich drauflos.
Die anderen waren die Habenichtse, die Sklaven. Wenn sie kurz vor dem Abendmahl in der Gemeinde eintrafen, weil sie nicht früher frei bekommen hatten, waren die einen schon betrunken. Sie hatten deutlich genug und ließen den anderen nichts übrig.
Das ist die Situation. Und man denkt sich: Das kann nicht so schlimm sein. Vorsicht! Denn jetzt feiern wir Abendmahl. Was bringen wir durch das Abendmahl zum Ausdruck, wenn der Kelch durch die Reihen geht? Was symbolisieren wir damit?
Ganz einfach: Wir symbolisieren nach 1. Korinther 10,17, dass wir ein Leib sind, ein Team, dass wir zusammengehören. Ich stehe für dich ein, und du stehst für mich ein. Dein Leben ist mir wichtig, und mein Leben ist dir wichtig.
Genau das macht das Abendmahl aus. Wenn ich mit jemandem Abendmahl feiere, so seltsam es klingt, habe ich eine Verantwortung für diese Person. Und zwar eine Verantwortung dafür, dass es der Person gut geht.
Wenn ihr jemanden tauft, dann ist diese Person jetzt in die Gemeinschaft eingetreten. Sie hat das Recht auf euren Schutz, auf eure Versorgung, auf eure Gebete, auf euer Mitdenken und auf euer Für-einander-Sein.
Die Konsequenzen von fehlender Gemeinschaft im Abendmahl
Und wenn ich nun Abendmahl feiere und damit ausdrücke: Wir sind ein Team, ja, wir gehören zusammen, wir bauen hier das Reich Gottes – du und ich, haha! –, dann erschaffe ich es nicht einmal, eine halbe Stunde oder dir etwas zum Essen aufzuheben, damit du auch noch etwas bekommst. Stattdessen habe ich einfach so viel Spaß daran, mit meinen anderen reichen Kumpels fröhlich einen draufzumachen.
Damit zerstöre ich mit meinem Leben das, was ich durch das Ritual des Abendmahls eigentlich zum Ausdruck bringen will.
Schauen wir jetzt kurz in 1. Korinther 11, denn das ist ein so eindrucksvoller und zugleich erschreckender Text. Im Kapitel 11 geht es zunächst einmal darum, dass ihr seht, wie wichtig das Warten ist. Wir finden das in Vers 33: „Daher, meine Brüder, wenn ihr zusammenkommt, um zu essen, so wartet aufeinander.“
Doch sie haben nicht gewartet. Herrlich, oder? Sie warten nicht. Und Gott greift ein – und zwar auf eine Weise, die in Vers 30 beschrieben wird: „Deshalb sind viele unter euch schwach und krank, und ein Gutteil sind entschlafen.“
Du denkst dir: Das kann doch nicht wahr sein! Es kann doch nicht sein, dass Gott eine Gemeinde schwächt. Plötzlich geht es vielen schlecht, sie sind krank, und es gibt mehr Todesfälle, als man erwarten würde – eine sogenannte Übersterblichkeit. Versteht ihr das?
Du fragst dich: Was ist denn los? Und Gott sagt: Ihr wartet beim Abendmahl nicht aufeinander.
Da greife ich mich ein bisschen an den Kopf und frage mich, ob ich wirklich ein richtiges Verständnis davon habe, was ich beim Abendmahl tue.
Zusammenfassung: Glaubwürdigkeit von Ritualen durch gelebte Nächstenliebe
Wenn du am Abendmahl teilnimmst, drückst du damit aus, dass jeder in der Gemeinde Teil deines Teams ist. Dein Geldbeutel ist sein Geldbeutel. Wenn jemand Not hat, stehst du an seiner Seite. Wenn er dich braucht, bist du für ihn da.
Wenn du das nicht so siehst, isst und trinkst du dich selbst zum Gericht.
Damit sind wir beim gleichen Thema, das wir bereits in Jesaja 58 hatten. Du vollziehst ein Ritual und zeigst nach außen, dass du dein Leben änderst. Du fastest und demütigst dich, um auszudrücken, dass du für Gott leben möchtest.
Doch alles, was Gott wirklich wichtig ist – nämlich der barmherzige Umgang mit Menschen – interessiert dich nicht. Das darfst du nicht tun.
So verstehe ich Jesaja 58 und auch die anderen Stellen im Alten Testament, die diese Problematik ansprechen.