Einführung und thematische Einordnung
Sexualität aus biblischer Sicht – die biblische Ordnung für Ehe und Sexualität
Ich möchte vorweg etwas sagen für diejenigen, die es ausführlicher wünschen, was ich heute Abend vortrage. In diesem Buch habe ich einen Artikel geschrieben, der etwa zwanzig Seiten oder etwas mehr umfasst. Darin behandle ich auch die sexualethische Herausforderung des Individualismus, etwa die Frage: Wie viel darf man eigentlich? Das weiß heute kaum jemand genau. Wer das ausführlich nachlesen möchte oder das Buch kaufen will, kann sich bei mir melden. Ich bringe morgen einen Stapel mit.
Wer es lieber kurz haben möchte, bekommt heute Abend eine kurze Zusammenfassung. Eigentlich müsste man über dieses Thema sehr weit ausholen, denn es hat viele verschiedene Facetten. Eigentlich bräuchte ich fünf Abende, um das Thema umfassend zu behandeln.
Heute Abend kann ich Folgendes nicht tun: Ich kann nicht darüber sprechen, wie man dieses Thema eigentlich für eine Jugendgruppe aufbereiten müsste – nämlich seelsorgerlich, werbend und einladend. Ich beschäftige mich viel mit diesem Thema und sage mir oft: Einer muss es tun. Wenn es sonst niemand macht, dann muss ich es eben tun.
Ich erlebe bei vielen Mitarbeitenden große Ängste. Sie sagen: „Herr Gagl, eigentlich haben Sie völlig recht, aber wenn Sie hier wären, könnten Sie sich das nicht vorstellen. Wir holen lieber jemanden von außen, der die Prügel abkriegt und dann wieder geht.“ Das macht mir nichts aus.
Es ist übrigens sehr interessant: Wenn es offene Abende gibt, zu denen groß eingeladen wird, komme ich viel im Land herum, bei vielen offiziellen Veranstaltungen. Die Presse lässt sich aber nie blicken. Bei diesem Thema ist die Presse immer da, vor allem die Lokalpresse. Am nächsten Tag erscheint dann oft ein Verriss in der Schandorfer Kreiszeitung oder einem anderen Lokalblatt. Das lassen sich Lokalredakteure nie entgehen.
Wenn man also mal in der Zeitung erscheinen möchte, muss man mit diesem Thema auf Tour gehen. Wir müssen dabei aber eine Haltung einnehmen wie der ehemalige Bundeskanzler Kohl, der sagte: Schlechte Presse ist besser als gar keine Presse. Also wird man danach regelmäßig kritisiert.
Nein, ich kann es heute Abend nicht so machen, wie ich es bei anderen Abenden tue. Dabei treten die Bibelstellen etwas in den Hintergrund, ebenso die theologische Auslegung. Stattdessen gehe ich die Sache viel seelsorgerlicher, lebensnaher und existenzieller an. So müsste man es eigentlich auch tun.
Heute Abend kann ich auch nicht auf die vielen Gründe eingehen, warum die Situation heute so ist, wie sie ist. Ich muss sagen: Ich kann viele junge Menschen gut verstehen, die sich sagen: „Mensch, ich kann mir diese Sexualethik von der Duretzsch einfach nicht leisten. Ich verstehe sie auch nicht, sie gefällt mir nicht.“ Ich verstehe, dass es heute unglaublich schwer ist, nach biblischen Maßstäben auf diesem Gebiet zu leben.
Ich habe großes Verständnis dafür. Und wenn ihr Jugendarbeit macht, braucht auch ihr dieses Verständnis. Wir sollten nicht als „Law-and-Order-Sheriffs“ auftreten und sagen: „Wer es nicht so sieht wie ich, hat hier nichts zu suchen.“ Nein, wir brauchen ein riesiges Verständnis für junge Menschen und für den Druck sowie die Schwierigkeiten, die es gerade auf diesem Gebiet heute gibt.
Nur so können wir mit ihnen reden, mit ihnen leben und ihnen Liebe sowie Verständnis signalisieren. Es ist wahnsinnig schwierig. Eine der großen Herausforderungen ist, dass mittlerweile die Geschlechtsreife bei jungen Menschen etwa mit dreizehn Jahren eintritt – mehr oder weniger, je nach Geschlecht.
Dazu kommt, dass die Möglichkeit, eine Ehe einzugehen, also wirtschaftliche und emotionale Selbständigkeit, bei jungen Menschen zwischen zehn und fünfzehn Jahren meist noch nicht gegeben ist. Das ist ein großes Problem. Zu biblischen Zeiten war das anders.
Historische Veränderungen und Herausforderungen der heutigen Zeit
Es gibt ein Verzeichnis der Wiener Sängerknaben, und im achtzehnten Jahrhundert sangen diese Sängerknaben bis zum achtzehnten Lebensjahr in diesem Knabenkomitee. Das bedeutet, sie hatten erst mit achtzehn Jahren ihren Stimmbruch, also wurden sie erst mit achtzehn geschlechtsreif. Dadurch verkürzte sich die Zeit, denn wer mit zwanzig heiratet, muss zwei Jahre mit seinem sexuellen Druck irgendwie klarkommen und kann dann aber auch eine sexuelle Erfüllung in der Ehe erleben.
Heute liegt der Zeitpunkt der Geschlechtsreife etwa zehn bis fünfzehn Jahre vor dem Zeitpunkt, an dem man wirklich eine verbindliche Ehegemeinschaft eingehen kann. Das ist ein großes Problem. Diese Zeit muss gestaltet werden. Das hat sich im Laufe der Geschichte verändert, und auf diese Herausforderung braucht man Antworten. Man kann nicht einfach kalt antworten: „So ist es halt, man muss damit leben.“ Nein, man muss auch in einer Gemeinde Wege aufzeigen, wie man miteinander leben kann und wie man diese Zeit sinnvoll gestalten kann.
All das kann ich heute Abend nicht ausführlich behandeln. Vielleicht können wir das in einem Gespräch noch tun oder morgen beziehungsweise übermorgen Abend beim Frageabend noch manches aufgreifen.
Ich spreche heute Abend zu euch als Mitarbeiter, als Menschen, die im CVJM in irgendeiner Weise Verantwortung tragen. Ich möchte euch einfach in ein paar Bibelstellen einige biblische Grundzüge zu einem Thema aufzeigen, über das oft gesagt wird, die Bibel sage nichts darüber.
Letztes Jahr im Frühjahr hatten wir eine Vorstand- und Mitarbeitertagung, und ich habe dort einige Sätze dazu gesagt. Daraufhin stand eine CVJM-Vorsitzende auf, um einmal klarzustellen, die Bibel sage darüber nichts. Sie räusperte sich und sagte: „Ich glaube aber sehr wohl, dass die Bibel da etwas darüber sagt, aber es ist so ein Ammenmärchen, die Bibel sagt da nichts.“
Was es tatsächlich nicht gibt, ist ein Vers in der Bibel, der in dieser Wortwahl sagt: „Du sollst vor der Ehe nicht miteinander schlafen.“ Einen solchen Vers findet man nirgends in der Bibel. Aber die Sache an sich ist biblisch mehr als ausgetreten und mehr als deutlich.
Mir geht es einfach darum, euch ein paar Argumentationshilfen zu geben und euch einige Wege durch dieses Buch zu zeigen, um in dieses Thema hineinzufinden. Damit nicht alles nur vom Hören und Sagen oder wischiwaschi erzählt wird, sondern damit wir an diesem Punkt einfach einmal klar bekommen, mit allen Bedingungen – was ich heute Abend nicht vollständig sagen kann.
Soweit die Vorbemerkung.
Die Ehe als polare Gemeinschaft
Was ist eigentlich eine Ehe? Wenn wir über Sexualität sprechen und darüber, dass Sexualität in der Ehe zu ihrer Erfüllung kommen soll, dann möchte ich zunächst einmal klarstellen, dass wir verstehen, was es eigentlich bedeutet, wenn zwei Menschen heiraten. Was hat sich Gott dabei gedacht?
Ich habe fünf Punkte, es könnten noch mehr sein, aber diese fünf möchte ich kurz mit euch anschauen.
Die Ehe ist eine polare Gemeinschaft. Das heißt nicht eine kalte Gemeinschaft wie am Nordpol oder Südpol, sondern in der Ehe kommen zwei Menschen zusammen, die wie zwei Pole verschieden sind. Es gibt eine Spannung zwischen ihnen, so wie zwischen zwei Polen. Von vornherein treffen zwei ganz unterschiedliche Wesen aufeinander.
Im Schöpfungsbericht heißt es in 1. Mose 1,26: „Lasset uns Menschen machen“, so beginnt es. Und wie geht es weiter? Am Ende steht: „Und er schuf sie als Mann und Weib.“ In 1. Mose 1,27 heißt es: „Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn; und er schuf sie als Mann und Weib.“
Gott erschafft den Menschen als polares Gegenüber. Weder Mann noch Frau genügen sich an sich selbst, sondern sie sind von Anfang an aufeinander bezogen. Sie ergänzen sich gerade in dieser Verschiedenheit. Gottes Wille ist es, dass in einer Ehe diese unterschiedlichen Menschentypen sich ergänzen und zueinander finden.
Warum ist es nicht gut, dass der Mensch allein bleibt? Weil er als Mann allein und als Frau allein immer ergänzungsbedürftig bleibt. Ihr müsst euch das merken: Eine Ehe ist dazu da, dass ich korrigiert werde. Ich muss einen Modus finden, in einer Beziehung, in einer Ehebeziehung, wie diese Korrektur ein Leben lang funktioniert.
Eine Ehe wird schwierig, wenn man sich nicht mehr gegenseitig korrigiert. Sie wird schwierig, wenn man sich nichts mehr sagen kann. Ich bin immer ein Mensch, der auf Ergänzung angelegt ist, auf Korrektur durch den anderen.
Männer und Frauen – das ist ja auch das Spannungsvolle – fühlen ganz anders, sie denken ganz anders. Gerade in dieser Unterschiedlichkeit brauchen sie einander.
Deshalb ist es für mich aus meiner Perspektive auch sehr wichtig, dass, wenn jemand Single bleibt – ganz gleich aus welchem Grund – er oder sie sich in eine Gemeinschaft begibt. In einer Gemeinschaft kann man sich immer wieder korrigieren lassen und verändern. Man kann sich immer wieder ein Feedback holen.
Wenn jemand allein bleibt, ohne Rückmeldung, dann verschrumpelt er. Das ist ganz normal. Wir sind alle auf Korrektur angelegt. Ohne diese Korrektur wird man eigenartig, man wird ein bisschen „euge“, wie man im Schwäbischen sagt.
Deshalb sind Singles darauf angewiesen, immer wieder in eine Gemeinschaft integriert zu sein, in der man sich Dinge sagen kann, in der man sich korrigieren lassen kann, in der man auf eigene Fehlentwicklungen angesprochen wird. Wir sind immer auf ein polares Gegenüber angewiesen.
So wie sich die Erde nicht drehen würde ohne die beiden Pole und die Spannung, die hier besteht, so würde auch ein Mensch aufhören, sich zu bewegen, wenn er nicht diesen anderen Pol immer wieder hätte.
Die Ehe als Zeugungs- und Lebensgemeinschaft
Siehe ist zweitens eine Zeugungsgemeinschaft. In 1. Mose 1,28 heißt es: „Gott segnete sie und sprach zu ihnen: Seid fruchtbar und mehret euch und füllet die Erde.“ Eine Ehe ist auf Fortpflanzung hin angelegt.
Es ist nicht der einzige Sinn der Ehe, aber es ist ein ganz wesentlicher Punkt, dass aus einer Ehe auch Nachwuchs entsteht. Ich weiß, dass es viele Paare gibt, denen das aus biologischen Gründen nicht vergönnt ist. Und es mag auch seelsorgerliche Gründe geben, warum ein Paar auf Kinder verzichtet.
Aber ganz grundsätzlich ist es ein Defizit, wenn Menschen von vornherein sagen: Kinder sind mir zu mühsam. Man verliert enorm viel Lebensqualität, wenn ein Ehepaar absichtlich auf Kinder verzichtet, obwohl es anders möglich wäre. Eine Ehe ist immer eine Zeugungsgemeinschaft, aus der neues Leben entstehen soll.
Wie gesagt, es mag Gründe geben, und ich kann das seelsorgerlich auch verstehen. Aber der gegenwärtige Modetrend schadet uns. Er schadet uns Menschen, weil wir darauf angelegt sind, uns fortzupflanzen – von Gott her. Er hat uns diese Möglichkeit hineingelegt.
Es ist kein Luxusvergnügen, wenn man Kinder hat, sondern es ist von Gott eine gut gesetzte Ordnung, wenn Menschen neues Leben schaffen oder neues Leben zeugen und dadurch sich selbst fortpflanzen.
Eine Ehe ist auch eine Lebens- und Liebesgemeinschaft. Dieses Element ist von Anfang an da. In 1. Mose 2,21-24 heißt es: „Ein Mann wird Vater und Mutter verlassen und seiner Frau anhängen, und die zwei werden ein Fleisch sein.“ Sie werden sich vereinigen.
Dort ist auch die Liebesbeziehung enthalten – dieses Element, dass man sich emotional verliebt, aneinander hängt und eine tiefere Gemeinschaft miteinander hat als mit irgendeinem anderen Menschen.
Die Ehe als Rechtsgemeinschaft und Besitzverhältnis
Eine Ehe ist auch eine Rechtsgemeinschaft. Diese Rechtsgemeinschaft wird von Anfang an juristisch begründet und geschützt. Hier wird ein Vertrag geschlossen, der vor Gott Gültigkeit hat. Gott ist ein Gott des Rechts, der Ordnung und der Gerechtigkeit – alles hängt miteinander zusammen. Gott schützt eine Ehe auch juristisch. Vor ihm ist es ein gültiger Vertrag, ein gültiger Bund.
Heute sprechen wir vom Ehebund. Wisst ihr, was ein Bund ist? Biblisch gesehen ist ein Bund zunächst eine ganz einseitige Verpflichtung gegenüber einem anderen, zunächst ohne Gegenverpflichtung. Wenn Gott mit dem Volk Israel oder mit Abraham einen Bund schließt, dann ist das zunächst eine einseitige Verpflichtung von Gottes Seite: „Ich will dir, Abraham, treu sein.“ Es liegt dann an Abraham, umgekehrt Treue zu versprechen. Doch Gott verspricht das ganz einseitig.
Phänomenal ist die Geschichte in 1. Mose 15 beschrieben. Abraham schaut nachts in den Sternenhimmel, und Gott spricht zu ihm: „So zahlreich sollen deine Nachkommen sein.“ Dann erscheint eine Feuerwalze. Abraham muss Tiere nehmen und sie in der Mitte halbieren. Es ist ein blutrünstiges Ritual in der Nacht. Gott fährt durch die auseinandergelegten Tierhälften wie eine Feuersäule hindurch.
Was bedeutet das? Durch diesen Akt schließt Gott einen Bund mit Abraham. Er bringt zum Ausdruck: „Ich, Gott, will so handeln, wie diese Tiere halbiert werden, wenn ich mein Versprechen dir gegenüber nicht halte.“ Interessant ist, dass Abraham nicht durch diese Tierhälften gehen muss, weil er das gar nicht kann. Gott verpflichtet sich ganz einseitig gegenüber Abraham.
In einer Ehe verpflichte ich mich ganz einseitig gegenüber meiner Frau: Ich will dir treu sein, in guten wie in schlechten Tagen, bis dass der Tod uns scheidet. Eine ganz einseitige Verpflichtung. Meine Frau gibt mir dieselbe einseitige Verpflichtung. Das ist diese Rechtsgemeinschaft, dieser Bund, der einklagbar ist.
Die Ehe ist auch ein gegenseitiges Besitzverhältnis. Ein Besitzverhältnis, in dem ein Ehepartner einen Anspruch auf den anderen hat. Meine Frau gehört mir, und ich gehöre meiner Frau. Wir gehören einander, wir haben einen Anspruch aufeinander. So fundamental begründet die Bibel das Miteinander in der Ehe.
Gott sagt, in dieser Ehe soll die Sexualität praktiziert werden. Es gibt außer dem Heiligen Geist keine stärkere und tiefere Dynamik und Kraft in unserem Leben als die Sexualität. Nach dem Heiligen Geist ist die Sexualkraft die stärkste Kraft. Wenn man den Heiligen Geist nicht hat, ist sie die zweitstärkste Kraft im Leben eines Christen.
Ohne Sexualität wären wir ziemlich schlappe Menschen. Sexualität ist eine ungeheure Dynamik – nicht nur im Blick auf den Geschlechtsverkehr, sondern unser ganzes Leben ist wesenhaft von dieser Sexualkraft bestimmt. Sie ist eine riesige Quelle der Dynamik für unser ganzes Leben, auch für Beruf, Beziehungen, Freizeit und Gemeinde.
Wir ahnen kaum, welche Kräfte aus der Sexualität in alle anderen Bereiche unseres Lebens hineinfließen. Ich sage immer: Sexualität ist wie ein Atomkraftwerk. Genauso viel Power kommt daraus. Deshalb muss man sie genauso schützen wie Atomkraft – und genau das tut Gott in der Ehe.
Der Beginn der Ehe in biblischer Perspektive
Die zweite Frage, die ich euch gerne stellen möchte, ist: Wann beginnt eigentlich eine Ehe? Hier gibt es die unterschiedlichsten Antworten. Manche sagen, die Ehe beginnt, wenn sich zwei küssen, andere meinen, wenn zwei Geschlechtsverkehr haben, sei die Ehe geschlossen. Wieder andere sagen, es sei das Versprechen im Mondschein auf einer Insel. Manche nennen das Standesamt, andere die Kirche.
Wann beginnt also eine Ehe? Biblisch lässt sich diese Frage nur beantworten, wenn man betrachtet, wie Ehen in der Bibel geschlossen wurden. Dazu lohnt ein Blick auf die Sitten der Verlobung und der Hochzeit in biblischer Zeit.
Eine Hochzeit zu biblischen Zeiten wurde in zwei Schritten vollzogen. Der erste Schritt war die Verlobung. Was geschah bei der Verlobung? Der Bräutigam zahlte dem Brautvater den Brautpreis – das konnten Kamele, Bargeld oder andere Wertgegenstände sein. In vielen Kulturen, auch heute noch, muss man für eine Heirat „blechen“. Manchmal ist es umgekehrt: In Indien etwa muss der Brautvater dem Bräutigam zahlen, wenn er Töchter hat. Kulturell ist das sehr unterschiedlich, wer reich und wer arm wird.
Zu biblischer Zeit war es in Israel so, dass der Bräutigam dem Brautvater einen vorher auszuhandelnden Brautpreis zahlen musste. Die Höhe des Brautpreises zeigte, wie viel die Frau wert war. Dabei gab es gewisse Regeln und Grenzen. Zum Beispiel zahlte Jakob für Rahel sieben Jahre Arbeit als Brautpreis – ein relativ hoher Preis.
Interessant ist, dass Jakob bei der Hochzeitsfeier die falsche Tochter untergeschoben wurde. Das ist für mich eines der großen Rätsel der Bibel. Mir wurde erst viel später klar, warum das so war: Jakob wurde bei der Hochzeitsfeier betrunken gemacht. Er war sternhagelvoll und hat es nicht bemerkt. Aus Sicht von Laban war das das einzig Mögliche, denn die älteste Tochter musste damals zuerst verheiratet werden. Da er sie schwer loswurde, war das das Arrangement. Jakob musste dann noch einmal sieben Jahre arbeiten. Er hat also für seine beiden Bräute sehr viel bezahlt – oder zumindest für eine.
Die Verlobung war also die Bezahlung des Brautpreises und der eigentliche Verlobungsakt. Ab diesem Zeitpunkt galten die beiden juristisch als verheiratet. Geschlechtliche Berührung fand noch nicht statt, aber rechtlich waren sie Mann und Frau. Das ist sehr wichtig.
Der zweite Schritt war die Hochzeit. Am Morgen verließ der Bräutigam sein Haus, in dem später die Hochzeitsfeier stattfinden sollte und in dem das Paar leben würde. Er ging zum Brautvater, um nochmals alle Modalitäten zu regeln, beispielsweise die Fädezahl. Währenddessen brachten die Brautjungfern die Braut in das Haus des Bräutigams und bereiteten alles für die Feier vor.
Am Abend kam der Bräutigam in sein Haus, wo die Braut bereits auf ihn wartete. Dann begann die Hochzeitsfeier. Daraus stammt auch die Sitte, den Bräutigam abzuholen, wie im Gleichnis von den zehn Jungfrauen. Die Brautjungfern hatten die Aufgabe, den Bräutigam mit Lampen zu erwarten und abzuholen, weil niemand genau wusste, wann er zur Feier kommen würde. Manchmal konnte es spät werden, wenn der Bräutigam noch mit dem Brautvater oder dem Vater seiner Braut ein paar Schnäpse trank. Deshalb mussten die Brautjungfern mit Lampen bereitstehen, um ihn zu empfangen.
Das Hochzeitsfest dauerte mehrere Tage, nicht nur einen läppischen Samstag. Manche prahlen heute, dass es nur ein paar Stunden dauerte, doch damals wurde oft bis zu sieben Tage lang gefeiert. Im Johannesevangelium Kapitel 2 wird von der Hochzeit zu Kana berichtet, bei der etwa sechshundert Liter Wein ausgeschenkt wurden. Wenn man das pro Kopf rechnet, war das eine ordentliche Feier.
Für Geschäftsleute wurde es manchmal schwierig, an allen Hochzeiten teilzunehmen, weil sie sonst ihr Geschäft vernachlässigen mussten. Deshalb mussten sie oft absagen. Das ist auch der Hintergrund des Gleichnisses vom königlichen Hochzeitsmahl. Die Eingeladenen konnten nicht kommen, weil sie sich um ihr Geschäft kümmern mussten. Dass der König darüber wütete, zeigt, wie wichtig das messianische Hochzeitsmahl ist: Es verdrängt alle anderen Feste. Wenn Jesus kommt, soll man wirklich alles stehen und liegen lassen.
Die antike Kultur war eine Festkultur, auch in Israel. Man feierte ausgiebig, und für Geschäftsleute war es oft schwierig, überall dabei zu sein.
Ich habe euch die Bibelstellen aufgeschrieben; das Blatt bekommt ihr später. Dort könnt ihr die beschriebenen Sitten noch einmal nachlesen.
Heute ist es anders. Übrigens wird nie als Gebot genannt, dass es zu allen Zeiten so sein muss – also Verlobung als juristische Eheschließung mit Brautpreiszahlung und Hochzeit in der beschriebenen Form. Das war ein kultureller Hintergrund der damaligen Zeit. Auch Israel wusste, dass es in anderen Völkern anders ist. Mir geht es hier nur darum, was das Wesentliche des Hochzeitsfestes und der Eheschließung ist.
Der Rechtsakt kommt vor dem Geschlechtsakt. Eine Ehe war damals und ist bis heute in allen Kulturen eine Rechtsgemeinschaft. Ehe ist überall rechtlich geschützt. Früher wurde die Ehe am Stadttor geschlossen. Warum am Stadttor? Dort saßen die Ältesten, die die Richterfunktion innehatten. Diese Ältesten waren Zeugen der Eheschließung zwischen Bräutigam und Brautvater und bestätigten, dass die Ehe juristisch verbindlich geschlossen wurde. Deshalb war sie einklagbar.
David musste zum Beispiel seine Frau Michal bei seinem Vater Saul einklagen. Saul hatte versprochen, dem, der Goliath besiegt, seine Tochter zu geben. David erfüllte diese Bedingung und erwarb juristisch Anspruch auf Michal – der Kopf Goliaths war sozusagen der Brautpreis. Diesen Anspruch musste er einklagen.
Ehe ist eine öffentliche Rechtsgemeinschaft. Vor der öffentlichen Heimführung, vor der Hochzeit, gab es zwischen den Verlobten keinen Geschlechtsverkehr. Das sieht man zum Beispiel in 1. Mose 19, einer ziemlich brutalen Geschichte um Lot.
In Sodom und Gomorra wollten die Einwohner die Boten Gottes sexuell missbrauchen. Homosexualität war in Sodom und Gomorra, wie in vielen antiken Ländern, das eigentliche Ideal der Sexualität. Auch im antiken Griechenland galt wahre Liebe nur zwischen Männern. Frauen galten als Mittel zur Triebbefriedigung und zur Kinderzeugung. Wahre Liebe gab es nur zwischen Männern und Knaben.
Lot wehrte sich dagegen, seine Gäste auszuliefern. Er hatte zwei Töchter, die verlobt waren, aber noch keinen Mann kannten und deshalb noch keinen Geschlechtsverkehr hatten. Sie waren rechtlich schon verlobt, aber noch nicht verheiratet.
Eine ähnliche Situation zeigt sich bei Maria, als ihr verkündet wird, dass sie schwanger ist. Sie wundert sich, weil sie zwar verlobt ist, aber noch keinen Verkehr mit Joseph hatte. Der jeweilige Rechtsstand einer Frau wurde damals auch durch die Kleidung sichtbar. Man konnte einer Jungfrau an der Kleidung ansehen, dass sie Jungfrau war.
Das sieht man zum Beispiel in 1. Mose 24, als der Knecht Eliezer für Isaak eine Frau sucht. Er erkennt an der Kleidung, dass Rebekka Jungfrau ist – im Unterschied zu verheirateten Frauen, die andere Kleidung trugen.
Auch in 2. Samuel 13 wird deutlich, wie der Rechtsstand einer Frau durch Kleidung ausgedrückt wurde. Tamar, die von ihrem Halbbruder Amnon vergewaltigt wurde, zerriss sich den Ärmel ihres Kleides oder nähte ihn ab, um zu zeigen, dass sie keine Jungfrau mehr war. Die Kleidung machte ihren neuen Status sichtbar.
Der Rechtsstand der Frau war eine juristische Angelegenheit. Auch Jesus versteht die Ehe als eine geschützte Rechtsgemeinschaft. Werfen wir dazu einen Blick auf einige Bibelstellen.
In Matthäus 5,27-32, Teil der Bergpredigt, heißt es: Ihr habt gehört, dass gesagt ist: „Du sollst nicht Ehe brechen.“ Ich aber sage euch: Wer eine Frau ansieht, sie zu begehren, der hat schon in seinem Herzen die Ehe gebrochen. Wenn dich dein rechtes Auge zum Abfall verführt, so reiß es aus und wirf es von dir. Es ist besser, dass eins deiner Glieder verderbe, als dass dein ganzer Leib in die Hölle geworfen werde. Es ist auch gesagt: Wer sich von seiner Frau scheidet, der soll ihr einen Scheidebrief geben – wieder eine juristische Einrichtung des Alten Testaments. Ich aber sage euch: Wer sich von seiner Frau scheidet, es sei denn wegen Ehebruchs, macht, dass sie die Ehe bricht. Und wer eine Geschiedene heiratet, bricht die Ehe.
Diese rechtliche Begründung zeigt, dass die Ehe eine geschützte Rechtsgemeinschaft ist, die vor allem die Frau schützen soll.
In Matthäus 19,1-9 beruft sich Jesus auf 1. Mose 2 und die Schöpfungsordnung. Die Ehe ist keine Notfallverordnung nach dem Sündenfall, sondern wurde schon bei der Schöpfung Gottes gestiftet. Jesus zitiert 1. Mose 2,24: „Darum wird ein Mann Vater und Mutter verlassen und seiner Frau anhängen, und die zwei werden ein Fleisch sein. So sind sie nun nicht mehr zwei, sondern ein Fleisch. Was nun Gott zusammengefügt hat, das soll der Mensch nicht scheiden.“ Gott und Jesus schützen die Ehe.
Jesus erkennt auch nicht an, wenn zwei in sexueller Gemeinschaft leben, ohne verheiratet zu sein. Als Jesus der Frau am Jakobsbrunnen begegnet, weiß er, dass sie fünf Männer hatte und jetzt mit einem Mann zusammenlebt, ohne juristisch verheiratet zu sein. Er sagt: „Der, den du jetzt hast, ist nicht dein Mann.“ Obwohl sie in geschlechtlicher Gemeinschaft leben, verweigert Jesus dem Mann den rechtlichen Titel „dein Mann“, weil sie nicht in einer ehelichen Gemeinschaft leben.
Ähnlich war es bei David und Bathseba. Bathseba konnte David erst dann „ihren Mann“ nennen, und David sie erst dann „seine Frau“, als die Ehe rechtsgültig geschlossen war. Erst dann war der Begriff „dein Mann“ oder „deine Frau“ erlaubt.
Nirgendwo in der Bibel begründet Geschlechtsverkehr eine Ehe. Das Ammenmärchen, dass zwei, die miteinander schlafen, verheiratet sind, ist falsch. Öffentlichkeit und Rechtsschutz sind aus biblischer Sicht die entscheidenden Kriterien für den Beginn einer Ehe.
Deshalb könnte ich auf die kirchliche Eheschließung verzichten, auch auf die standesamtliche. Es würde mir genügen, wenn man sagt: In dem Moment, wo ein Mann den ersten Umzugskarton über die Schwelle der Wohnung seiner Frau trägt und ein Zeuge dabei ist, und eine Unterschrift stattfindet, sind die beiden verheiratet. Öffentlichkeit und Rechtsverbindlichkeit sind entscheidend.
Weltweit werden Ehen sehr unterschiedlich geschlossen, aber diese beiden Elemente müssen zusammenkommen. Man kann die rechtlichen Verhältnisse ändern. In Norwegen ist die kirchliche Eheschließung gleichzeitig rechtlich verbindlich, anderswo geht man gar nicht in die Kirche.
Im Alten Testament war die Eheschließung kein großer geistlicher Akt, sondern der Brautvater spendete den Brautsegen – ein schlichter Akt. Man braucht keinen Gottesdienst dazu, und ich als Pfarrer könnte auch darauf verzichten, dabei zu sein. Aber Öffentlichkeit und Rechtsverbindlichkeit sind entscheidend – vor allem als Schutz für die Frau. Alle sollen wissen: Die gehören jetzt zusammen.
Ab diesem Moment, wenn der Mann seinen Umzugskarton über die Schwelle trägt, sind sie verheiratet. Dann kann alles geschehen, was zur Ehe gehört, auch in Bezug auf Sexualität. Aber diese beiden Elemente – Öffentlichkeit und Rechtsverbindlichkeit – müssen zusammenkommen.
Unsere heutige Regelung ist sicherlich eine der angenehmsten. Zu Luthers Zeiten war das anders. Als Luther Katharina von Bora heiratete, sagte er: „Da wir nun einmal beieinander sind, wollen wir uns auch herzlich lieb haben.“ Es war keine Liebesheirat, sondern eine zweckmäßige Ehe. Er sagte, er liebe sie nicht gerade, aber er schätze sie. Sie bekamen sechs Kinder. Liebe kann ja auch wachsen.
Eine Inderin hat mir gesagt: In Deutschland ist es so, dass bei der Ehe ein heißer Topf von der Herdflamme genommen wird. In Indien wird ein kalter Topf auf die Herdflamme gesetzt. Da ist etwas Wahres dran.
Bei Luther war es so, dass der juristische Akt tatsächlich der Geschlechtsverkehr war. Deshalb musste in der Hochzeitsnacht ein Zeuge am Bett sitzen – der Stadtkämmerer Bugenhagen aus Wittenberg. Er musste sich wie bei allen Paaren ans Bett setzen und das Geschehen begutachten. Erst dann konnte er gehen, wenn alles seinen juristisch richtigen Gang genommen hatte. Das war die Rechtsverbindlichkeit und die Öffentlichkeit.
Ob uns das heute lieber ist, lasse ich offen. Aber diese beiden Dinge müssen zusammenkommen: Der Rechtsakt kommt vor dem Geschlechtsakt.
Vor- und ausserehelicher Geschlechtsverkehr aus biblischer Sicht
Und schließlich das Letzte: Wie wird vor- und außerehelicher Geschlechtsverkehr beurteilt? Eigentlich ist dies durch die ganze Schrift hindurch eindeutig.
Im Neuen Testament gibt es im Grunde nur zwei Begriffe: Ehebruch und Unzucht. Es wird jedoch nirgends im Neuen Testament genau beschrieben, was diese beiden Begriffe bedeuten. Diese Begriffe basieren auf der hebräischen Sprachformulierung des Alten Testaments. Wenn man wissen will, was die beiden griechischen Begriffe porneia für Unzucht und moichaja für Ehebruch bedeuten, muss man ins Alte Testament schauen. Was dort damit gemeint ist, wird im Neuen Testament ebenfalls zum Ausdruck gebracht.
Für die Bibel ist jeder vor- und außereheliche Geschlechtsverkehr schlicht und ergreifend Sünde – und zwar von Anfang an.
1. Mose 34 erzählt eine ziemlich brutale Geschichte von Dina, einer Tochter Jakobs, und einem Hewiterfürsten namens Hamor. Dieser Fürst trifft Dina, entbrennt in heißer Liebe und vergewaltigt sie kurzerhand. Danach gefällt ihr das offenbar immer noch, im Gegensatz zu Amnon und Tamar. Er gewinnt sie lieb und möchte sie heiraten. Es findet ein Hochzeitsfest statt.
Nachher aber machen die Brüder von Dina die ganze Sippe nieder – samt Bräutigam, Brautvater und der ganzen Stadt. Sie legen sie kurzerhand alle um. Die Begründung ist hochinteressant. In 1. Mose 34,7 heißt es: "Da kamen die Söhne Jakobs vom Felde. Und als sie hörten, dass Fürst Hamor Dina vergewaltigt hatte, wurden sie zornig, weil er eine Schandtat an Israel begangen und bei Jakobs Tochter gelegen hatte. Denn so etwas durfte nicht geschehen."
Hier kommt altes Gottesrecht zum Ausdruck: Das darf vor der öffentlich-rechtlichen Hochzeit nicht geschehen. Die Söhne Jakobs sind empört, dass so etwas in Israel passiert ist.
In Vers 31 wird als Begründung genannt, warum sie so brutal die ganze Sippe niedergemacht haben: "Durfte Hamor denn an unserer Schwester wie an einer Hure handeln?" Für die Brüder von Dina war nicht so sehr die Vergewaltigung das Hauptproblem – so brutal sie auch war –, sondern dass Hamor nicht vorher die Ehe mit ihr geschlossen hatte. Das war für sie das eigentliche Problem. Weil er sie vor der Eheschließung vergewaltigt hatte, hatte er an ihr wie an einer Hure gehandelt. Er hatte den Geschlechtsverkehr vor der Eheschließung vollzogen.
Ein ähnliches Beispiel findet sich in 2. Samuel 13 bei Amnon und Tamar. Amnon, Halbbruder von Tamar, beide Kinder Davids, gewinnt sie lieb. Er lässt sich von ihr Kuchen backen und nutzt verschiedene Tricks, um sich ihr näher zu bringen. Das ist alles zunächst in Ordnung. Tamar schlägt vor, die Reihenfolge einzuhalten und zum König David zu gehen, damit er nichts dagegen hat und eine schnelle Hochzeit stattfinden kann. Das war damals zeitlich kein Problem, wenn die Fehde nicht zu groß sein musste.
Doch Amnon rafft es nicht, kontrolliert seine Hormone nicht und vergewaltigt sie. Psychologisch interessant ist, dass er sie danach überdrüssig wird. Er hat nach dem Gewaltakt keine Lust mehr, sie zu heiraten. Amnon wird später umgebracht, weil er Tamar vergewaltigt hat – weil er die Reihenfolge nicht eingehalten hat, also nicht zuerst die öffentlich-rechtliche Eheschließung gesucht hat, sondern zuerst den Geschlechtsakt vollzog.
Ehebruch ist biblisch gesehen jede außereheliche Geschlechtsgemeinschaft bei bestehender Ehe. Wenn Menschen verheiratet sind und außerhalb dieser Ehe mit einem anderen Menschen Geschlechtsverkehr haben, nennt die Bibel das Ehebruch. Im Neuen Testament heißt das griechische Wort dafür moichaja.
Was ist nun Unzucht? Heute Morgen wurde Unzucht im Kontext des Verkehrs mit Prostituierten in Korinth angesprochen. Unzucht umfasst aber generell alle übrigen Fälle von Geschlechtsgemeinschaft ohne eheliche Bindung.
Das zeigt sich zum Beispiel in Hosea 4,13, einem Gerichtswort über Israel: "Darum werden eure Töchter auch zu Huren und eure Bräute zu Ehebrecherinnen." Hier wird deutlich, dass Bräute, die juristisch schon verlobt sind, bei Geschlechtsverkehr Ehebrecherinnen werden. Töchter, die noch nicht verlobt sind, können nicht Ehebrecherinnen werden, sondern werden zu Unzüchtigen.
Im Deutschen hat Luther Unzucht immer mit Hurerei und Unzüchtige mit Huren übersetzt. Eigentlich steht hier der Begriff Unzucht, den man so einfügen muss.
Diese beiden Begriffe decken alle Formen geschlechtlicher Gemeinschaft jenseits der Ehe ab: Wer verheiratet ist, kann nur Ehebruch begehen; wer nicht verheiratet ist, kann Unzucht begehen. Mit diesen beiden Begriffen ist alles abgedeckt.
Genau diesen Sprachgebrauch aus dem Alten Testament übernimmt das Neue Testament in allen entsprechenden Stellen. Ich habe hier nur drei Beispiele angeführt, es gibt aber noch eine ganze Reihe weiterer, die ich euch erspare. Im Buch sind sie nachzulesen.
So viel zu den biblischen Kontexten. Man merkt, man muss ein bisschen in der Bibel blättern, nachschauen und forschen. Aber dann ergibt sich ein sehr schlüssiges Bild, das die Bibel zu diesem Thema abgibt – und eigentlich auch klare Maßstäbe, die hier gesetzt werden.
Bedeutung für die Jugendarbeit und gesellschaftliche Herausforderungen
Für mich ist diese Frage eine entscheidende Frage im Blick auf unsere Jugendarbeit. Eine wirklich entscheidende Frage, weil hier bei jungen Menschen Entscheidungen fallen.
Wir können viel über visionarische Jugendarbeit nachdenken, wir können viel über Gemeindeaufbau nachdenken, wir können viel über neue Formen und neue Ideen usw. nachdenken. Das ist unglaublich wichtig und gut. Aber wir dürfen nicht meinen, unsere Jugendarbeit hätte Zukunft, wenn wir den Bereich der Ethik links liegen lassen.
Gott segnet Gehorsam, und Gott segnet, wenn Menschen in seiner Spur bleiben. Wenn Menschen das nicht tun, kann man die tollsten Ideen des Gemeindeaufbaus produzieren – Gott kann nicht segnen. Deshalb ist es mir wichtig, dass wir uns nicht vor diesem Thema drücken, auch wenn eine ganze Welt spottend über uns herfällt, auch wenn alle nur den Kopf schütteln und empörte Eltern anrufen, um zu fragen, was wir mit ihren Kindern machen und was wir da für abstruse Gedanken verbreiten.
Es wird in Zukunft leichter werden, als Christ identifizierbar zu werden – das ist die gute Nachricht. Die andere Nachricht ist: Es wird uns viel, viel mehr kosten als bisher. Wir konnten uns bisher hinter einer gutbürgerlichen Moral verstecken und sagen: Na ja, das ist doch selbstverständlich. Bis vor 30 Jahren war das noch so. Heute können wir uns das nicht mehr leisten und in Zukunft noch viel, viel weniger.
Wir werden wirklich als die Deppen einer Gesellschaft dastehen. Aber entscheidend ist nicht, wie man von einer Gesellschaft dasteht, sondern wie man vor Gott dasteht. Deshalb lasst uns hier einfach mutig vorangehen und mutig den Mund aufmachen.
Es kostet in diesem Bereich genauso viel Mut, wie wenn man missionarisch einen Menschen auf Jesus anspricht. Es kostet genauso viel Mut, manchmal in einem Gespräch Menschen auf Sexualität, Sexualmoral und biblische Leitlinien hinzuweisen.
Ich konnte jetzt vieles nicht seltsam sagen. Ich möchte noch etwas sagen: Vielleicht ist mancher oder manche heute Abend jetzt sehr betroffen, weil sie Dinge zum ersten Mal hören oder vielleicht zu spät hören. Es wäre gut gewesen, manches früher zu hören.
Es gibt nichts, was nicht vor Gott wieder in Ordnung gebracht werden könnte. Ich sage manchmal: Gerade Leute, die hier schon manches hinter sich haben und vielleicht auch manche Fehler gemacht haben, können ganz großartige Zeugen werden. Ganz großartige Zeugen vor einem Jugendkreis, vor einer Gemeinde, wenn sie erzählen, wie sie es gehandhabt haben, wie es schlecht war vielleicht und wie sie es anders machen würden.
Wir können auch von unserem Versagen lernen – von einem ehrlichen, offenen Zeugnis über Dinge, die schiefgelaufen sind in unserem Leben, und wie Gott auch Dinge heilen kann und vielleicht schon geheilt hat. Auch das ist möglich.
Es gibt für alle eine ganz große Zukunft bei Gott, ganz gleich, was in der Vergangenheit war. Vergangenheit kann bei Gott immer neu gemacht werden.
Jetzt singen wir ein Lied, und dann, denke ich, können wir auch noch ein bisschen vielleicht Fragen sammeln. Ihr könnt alles einbringen – Fragen, Ergänzungen oder sonst was.
Diskussion und Nachfragen aus dem Publikum
Ja, das war die einfachste Frage. Ich lege die nachher hinten hin, oder sie legt sie hier vorne hin. Hat noch Jürgen? Nein, nein, nein, der Punkt ist der: Der hat die also getroffen, sie haben miteinander geschlafen. Ob gewaltsam oder nicht, ist an dieser Stelle gar nicht entscheidend.
Nun war diese Frau nicht mehr Jungfrau und damit sozial draußen. Aber der rechtlich-juristische Akt ist nicht der Geschlechtsverkehr, sondern jetzt kommt das Eheschließungsverfahren in Gang. Nachträglich soll diese Ehe auch noch rechtlich und juristisch geschützt werden, weil er sie im Grunde in soziale Abseits gestellt hat, indem er sie vergewaltigt hat.
Um diese Frau zu schützen, wird er jetzt verpflichtet, sie nachträglich zu heiraten. Das ist aber keine Legitimation für den vorehelichen Geschlechtsverkehr, sondern eine Maßnahme, die er ergreifen muss. Um die Frau zu schützen, soll er auch die Rechtsverpflichtung eingehen und auf sich nehmen, damit sie nicht später im sozialen Abseits steht. Das ist der Punkt.
Aber die Ehe beginnt nicht mit dem Geschlechtsverkehr, sondern mit der anschließenden Eheschließung.
Ja. Ja, nee, ja. Du meinst, wenn zwei miteinander schlafen, wenn die Hormone sie überkommen und die Leidenschaft glüht und uns dann kein Halten mehr gibt, was ist denn?
Nein, ich würde nichts sagen, dass dieses Gesetz Mose für das Neue Testament übertragen wird. Dieses Gesetz wird heute im Neuen Testament nicht wiederholt. Es ist zunächst einmal Unzucht, was hier geschehen ist. Es ist sicherlich gut, wenn das nachher in eine Ehe mündet. Ich halte es für den besten Weg, wenn das nachher in eine Ehe mündet. Aber es ist nicht der zwingende Grund, dass sie nachher heiraten müssen.
Mir ist es lieber, sie überlegen sich das sehr gut. Ob das wirklich richtig war, stellt sich nicht die Frage, sondern ob sie zueinander passen und ob das gut geht. Also all diese Überlegungen, die zwei Menschen überhaupt treffen müssen, bevor sie heiraten, müssen sie auch hier treffen.
Es soll und kann hier keine Zwangsehe geben, nur weil zwei miteinander geschlafen haben. Die Beziehung kann auch wieder auseinandergehen. Es ist besser, eine intakte Beziehung zu haben als eine Zwangsehe.
Das war damals in Israel anders. Das Gesetz Mose, das in Jesus erfüllt wurde, wird im Neuen Testament so nicht mehr wiederholt.
Aber Moment mal: Wenn du das Gesetz Mose für die Gemeinde verpflichtend machen willst, was eindeutig weder Jesus noch Paulus noch alle neutestamentlichen Apostel getan haben – Jesus ist das Ende des Gesetzes (Römer 10,4).
Dir würden die Ohren schlackern, wenn du alles halten möchtest, was im Gesetz Mose geschrieben steht.
Ja, das ist jetzt eine gute Frage. Grundsätzlich ist Jesus das Ende des mosaischen Gesetzes. In Jesus ist das Gesetz zu seinem Ziel gekommen.
Was ich hier gemacht habe, ist eigentlich schlicht und ergreifend zu erklären, was die neutestamentlichen Begriffe Unzucht und Ehebruch bedeuten. Diese werden im Neuen Testament eindeutig als Gebote für den Umgang der Geschlechter miteinander formuliert: Ehebruch und Unzucht.
Ich habe jetzt im Grunde einen ganz langen Bogen gemacht, um zu erklären, dass diese beiden Begriffe vom Alten Testament her zu verstehen sind und was das Alte Testament unter diesen beiden Begriffen verstanden hat. Deshalb diese ganzen Stellen.
Diese ganzen kulturellen Hintergründe des damaligen Israel und des mosaischen Gesetzes sind in Jesus aufgehoben und erfüllt.
Worauf es aber ankommt, und das versuchte ich zu erklären: Der Rechtsakt kommt vor dem Geschlechtsakt. Auch im Neuen Testament wird jeder vor- und außereheliche Geschlechtsverkehr als Sünde beurteilt.
Das versuchte ich zu erklären durch diese ganzen alttestamentlichen Stellen.
Vom Neuen Testament her ist das manchmal sehr unscharf, weil eigentlich alles klar war und sie das nicht ausführen mussten. Aber die Begriffe werden im Alten Testament eindeutig erklärt, und der Kontext wird erläutert.
Deshalb ist das für das Neue Testament her eigentlich logisch und erklärbar, was dahinter zu verstehen ist. So wollte ich es verstanden haben.
Ja, doch, du hättest es machen können mit dem Zusatz, dass Paulus und das ganze Neue Testament die Homosexualität von der ethischen Grundlage des mosaischen Gesetzes her beurteilen, ohne dass die Gesetze noch gültig sind für die Gemeinde.
Aber das Neue Testament bewertet den Sachverhalt ganz genau wie das Alte Testament.
Die entscheidenden Stellen wären noch geschickt gewesen, wenn du Römer 1,26 und 1. Korinther 6,11 noch zitiert hättest. Dann hättest du es vom Neuen Testament her begründet.
Das ist aber schwierig.
Ein typisches evangelikales Loch ist der Sabbat, der Sonntag.
Der Sonntag wird nirgendwo im Neuen Testament erwähnt, dass er geheiligt werden soll. Auch das ist so eine evangelikale Blindschleiche.
Im dritten Gebot steht nur: Du sollst den Sabbat heiligen. Das ist aber Samstag. Das ist ein Gesetz Mose, das in Christus erfüllt und aufgehoben ist und im Neuen Testament nirgendwo wiederholt wird.
Der Sonntag ist ein Arbeitstag. Die ersten Christen haben sieben Tage in der Woche geschafft.
Es ist eine gute Ordnung Gottes, wenn man ruht und wenn man einen Tag hat zum Ausruhen. Aber man kann den Sonntag zum Beispiel nicht mit dem dritten Gebot begründen.
Ansonsten: Christus ist das Ende des Gesetzes.
Aber das ist vielleicht auch ein bisschen eine Frage für Samstagabend.
Ja, das darf schon anders sein. Wir haben ja ein weites Herz unter uns.
Jetzt auch ein bisschen lauter.
Die Ehe als universelle Schöpfungsordnung
Die Ehe ist nicht nur eine Angelegenheit für Christen. Sie betrifft alle Menschen und ist eine Schöpfungsordnung, die für jeden gilt. Ganz gleich, ob Menschen an Gott glauben oder nicht – wobei es natürlich wünschenswert ist, dass sie an Gott glauben – sollen sie in der Ehe miteinander leben.
Wer Gott kennt, sucht auch den Segen Gottes für die Ehe. Doch Gott segnet auch seine Schöpfungsordnung, unabhängig davon, ob Menschen ihn kennen oder nach ihm fragen.
Gott segne die Ehe, ganz gleich, ob Menschen nach ihm fragen oder nicht. Wie bereits erwähnt, ist die konkrete Ordnung wichtig: zunächst das Standesamt, dann die Kirche oder nur die Kirche, oder auch gar nichts.
Was die Ehe betrifft, ist es wichtig, dass sie öffentlich und rechtlich geschützt ist. Für mich persönlich reicht es, wenn man mit dem Umzugskarton über die Schwelle zieht. Dennoch muss die Ehe öffentlich und rechtlich abgesichert sein.