Zum Inhalt

Der Sohn Gottes ist erschienen - warum eigentlich?

15.01.2012

Gebet um Erlösung und Hinführung zum Thema

Wir wollen mit diesem Herrn im Gebet sprechen. Treuer Erbarmer und Erlöser Jesus Christus, hilf uns, dass wir es uns zuerst selbst gelten lassen, dass du zur Erlösung gekommen bist. Hilf uns, dass wir uns aus den Klauen des Teufels heraushelfen lassen wollen und ganz dir gehören. Amen!

Liebe Freunde, liebe Schwestern und Brüder, der Sohn Gottes ist erschienen – wozu eigentlich? Wir sind jetzt am zweiten Sonntag nach dem Erscheinungsfest. In der evangelischen Christenheit wird daran erinnert, dass den Weisen im Morgenland der Stern erschienen ist. Diese fragten dann: „Wo ist der neugeborene König der Juden?“ Uns ist der Stern erschienen.

Diese ungewöhnlichen Sterndeuter sind dann vor Jesus und dem Kindlein erschienen. Bereits vorher erschien Joseph im Traum ein Engel. Das erste und auch das zweite Kapitel des Matthäusevangeliums sind voll von diesem Begriff „Erscheinung“. Es ist etwas erschienen.

Am Erscheinungsfest erinnern wir immer wieder an diese Vorgänge, die Matthäus uns schildert. Das Lied, das wir zum Eingang gesungen haben, erinnert an die wesentliche Sache: Nicht der Stern allein ist gekommen, nicht die Magie aus dem Osten. Jesus ist gekommen.

Bedeutung des Erscheinungsfestes und Erinnerung an den Retter

In vielen Kirchen der Welt, vor allem in alten orientalischen Kirchen, wird nicht der 24. und 25. Dezember als Weihnachtsfest gefeiert. Stattdessen gilt das Erscheinungsfest als das eigentliche Fest.

Wie schon oft liegt die Eidlinger Schwesternschaft damit völlig richtig. Sie hält ihre große Jahresversammlung am Erscheinungsfest ab. Dieses zentrale Fest erinnert uns daran, dass der Retter der Welt in unsere Welt erschienen ist.

Neue Perspektiven auf Dietrich Bonhoeffer und die Bedeutung der Fundamentalisten

Warum eigentlich? Kürzlich ist eine neue Biografie über Dietrich Bonhoeffer, den Märtyrer im Dritten Reich, erschienen. Ich hatte immer gedacht, es sei schon genug über Dietrich Bonhoeffer geschrieben und publiziert worden. Doch nun hat ein amerikanischer Historiker einen umfangreichen Band veröffentlicht.

Lohnt es sich, diesen zu kaufen, auch wenn er teuer ist? Ja, kaufen Sie ihn und verschenken Sie ihn danach. So haben Sie doppelt Gutes getan im Namen von Dietrich Bonhoeffer. Ich selbst dachte lange, ich brauche das nicht zu lesen, da ich schon genug über ihn weiß. Doch in dieser neuen Biografie werden uns Seiten von Dietrich Bonhoeffer gezeigt, die bisher kaum bewusst waren.

Zum Beispiel erfährt man, dass Bonhoeffer in jungen Jahren in Amerika gewesen ist. Wie viele junge Menschen war er damals fasziniert von Amerika. Noch einmal, im Jahr 1939, kurz vor Beginn des Zweiten Weltkriegs, erhielt er einen ehrenvollen Ruf nach Amerika, an die Yale Divinity School, als Dozent.

Plötzlich war Dietrich Bonhoeffer erschrocken. All die Professoren, die er bisher verehrt hatte – etwa Professor Niebuhr und andere von Yale und Princeton –, galten als hohe Gelehrte und Ausleger des evangelischen Glaubens. Sie hatten eine große Verkündigung. Doch Bonhoeffer erkannte, dass in dieser, wie man theologisch sagt, liberalen Verkündigung nichts Entscheidendes enthalten war. Es waren eigentlich nur fromme Kommentierungen der Tagesereignisse.

Das, was in der Zeitung stand, wurde auf der Kanzel noch einmal wiederholt, durchgekaut und ein wenig religiös verbrämt. Die sogenannten Fundamentalisten, die damals schon 1939 als fromme Leute verachtet wurden, galten als einfach und wenig gebildet. Man sagte: „Das sind die Fundamentalisten. Die katholische Theologie verstehen sie nicht, sie sind die schlichten Leute.“

Doch bei diesen Fundamentalisten fand Dietrich Bonhoeffer 1939 geistliche, biblische Kost. Angesichts des drohenden Weltungewitters des Zweiten Weltkriegs erkannte er, dass das, was diese verachteten und verlachten Fundamentalisten als Gottes Wort weitergaben, Trost und Halt bot. Dort gab es Durchblicke, Hoffnung und mehr.

Bonhoeffer geriet auch in die farbigen Gemeinden von Harlem. Wir kennen die Spirituals und die Freude, die darin zum Ausdruck kommt. Dort sagte er: „Da ist die Freude noch vollkommen darüber, dass Jesus als Retter in unsere Welt gekommen ist.“ Das, was die gelehrten liberalen Professoren boten, war dagegen Nebensache und zweitrangig. Verglichen mit der Freude, dass Gott inmitten unserer unruhigen Welt seinen Retter gesandt hat, war all das andere unwichtig.

Wichtigkeit der Unterscheidung zwischen Wesentlichem und Nebensächlichem im Glauben

So eine Biografie könnte für uns ein Prüfstein sein, um auch in unseren Tagen zu fragen, was zweitrangig ist und was in erster Linie wichtig ist. Es ist sicher nicht nebensächlich, dass wir uns als Christen überlegen, wie wir für Gerechtigkeit eintreten können.

Vor zwei Tagen durfte ich in Korntal einen historischen Bericht über den christlich-sozialen Volksdienst geben, der in den Zwanzigerjahren des letzten Jahrhunderts in Korntal entstanden ist. Junge evangelische Christen haben sich damals bemüht, im Durcheinander der Weimarer Republik wieder zur Sache zu rufen: „Gerechtigkeit erhöht ein Volk, aber die Sünde ist der Leute Verderben.“

Es ist wichtig, so ein Wort ernst zu nehmen und nach Gerechtigkeit zu trachten. Dabei wussten sie auch, dass unser menschlicher Verstand beim Streben nach Gerechtigkeit so beschränkt ist, dass wir nie hundertprozentige Lösungen finden können. Wir können immer nur tasten, wo etwa die Richtung zur Gerechtigkeit liegt.

Deshalb ist es wichtig, dass wir Christen nicht bloß von Tag zu Tag leben, sondern auch mitwirken bei dem Bemühen, die herrliche Schöpfung Gottes zu erhalten. Der Friede – ach, wenn ich ihn doch schon zu Hause in unserer kleinen Familiengemeinschaft halten und dazu beitragen könnte! Der Friede ist etwas Herrliches, und Unfriede sowie Spannung sind schmerzvoll.

All das mag wichtig sein, doch dafür hätte der Sohn Gottes nicht in die Welt kommen müssen. Dazu genügt ein bisschen gutes Wollen. Es gehört ein gesunder Menschenverstand dazu, Sachkenntnis und auch eine Portion Demut. Man darf nicht meinen, die richtige Lösung zu haben, sondern sollte fragen, wie die Engländer vornehm fragen: „Could it be?“ – „Wäre es wohl möglich, dass in dieser Richtung eine Lösung denkbar wäre?“

Der göttliche Plan und die zentrale Mission Jesu

Der Sohn Gottes ist gekommen, so sagt der Apostel Johannes im dritten Kapitel seines ersten Briefes. Er ist gekommen, um die Sünden wegzunehmen. Gott wollte unsere Welt nicht im Verderben dahintaumeln lassen.

Gott konnte nicht mitansehen, dass wir in der Versuchung ersticken und unser Leben, je älter wir werden, mit dem Müll des Falschen gefüllt wird. Schlimmer als unsere Mülltonnen am Montagmorgen, wenn nichts mehr hineinpasst. Deshalb hat Gott einen Retter geschickt. Johannes formuliert es so: Er ist gekommen, dass er die Sünden wegnehme. Das hat höchste Priorität, alles andere ist zweitrangig.

Mit den Sünden und der Versuchung wären wir nicht fertig geworden, wenn Gott uns nicht den Retter gesandt hätte.

Lassen Sie mich in einem ersten Gedankengang demnachgehen: Es war Gott, der hinter diesem Plan stand. Die Welt, die armen Menschen, brauchen einen Retter. Der Apostel Johannes hat mit gutem Grund und wahrscheinlich mit Bedacht gesagt: Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre. Er, der Sohn Gottes, ist erschienen.

Es war nicht einfach bloß ein Willensentschluss des Herrn Jesus: „Ich bin gekommen, dass sie das Leben in Fülle haben. Ich bin gekommen, nicht um bedient zu werden, sondern um zu dienen.“ Hinter diesem Willen steht der heilige, vollkommene Wille Gottes, der Vater.

Derjenige, der die Welt geschaffen hat und unsere Welt bis in den letzten Winkel kennt, hat gesagt: Diese arme Welt, die ich geschaffen habe und die von mir abgedriftet ist, braucht einen Retter.

Darauf werden wir in der Bibel immer wieder gestoßen, dass es diesen Plan Gottes gibt. Gott hat diesen Plan seinen Propheten anvertraut, lange bevor Jesus kam. Wenn man zum Beispiel Matthäus 1 aufschlägt, findet man nicht nur die Geschichte vom Stern, der erschienen ist, oder Matthäus 2, wo von den Magiern die Rede ist, sondern immer wieder steht dort: „Auf dass erfüllt würde, was geschrieben ist.“

Diese Hinweise nehmen zu, bis zur Leidensgeschichte wird es immer intensiver. Jesus selbst sprach: „Es muss alles erfüllt werden!“

Hinter dem Weg des Retters Jesus steht der heilige Wille Gottes. Gott sagt: „Ich will, dass du, mein Sohn, die Herrlichkeit bei mir verlässt und zu den armen, armen Menschen hingehst.“

Nun können Sie Ihren eigenen Namen, Ihre Person in diesen Satz einsetzen. Gott wollte, dass Sie einen Retter haben. Diesen Plan hat Gott seinem heiligen Propheten anvertraut, Jahrhunderte bevor Jesus gekommen ist, damit deutlich wird: Das hat Gott vor.

Als Jesus dann in unsere Welt gekommen ist, da wurde dieser Plan erfüllt. Jetzt ist es zum Ziel gekommen. Das war nicht bloß eine Absichtserklärung Gottes, sondern er hat es zur Realität gemacht.

Erfüllung der göttlichen Verheißungen und das Vertrauen darauf

Hermann Betzel, der bayerische Kirchenpräsident während des Ersten Weltkriegs und auch danach, ist schon lange Geschichte. Dennoch war er ein frommer und wichtiger Mann für die Geschichte Gottes. Wenn Gott seinem Volk Menschen anvertraut, die den richtigen Weg weisen, dann verliert das niemals an Bedeutung.

Dieser Herr Betzel hat immer wieder darauf hingewiesen: Was für ein Wunder ist es, dass Zug um Zug, Wort um Wort, das erfüllt wurde, was Gott als sein heiliges Wollen den Propheten anvertraut hat. Er fügte hinzu: Was muss das für ein Aufatmen im Himmel gewesen sein, als die Propheten, die damals oft von ihren Zeitgenossen verspottet wurden, gespürt haben, dass das, was ausgelacht wurde und für unmöglich gehalten wurde, Wirklichkeit geworden ist.

Es gibt kein Wort des Wollens Gottes, das nicht Zug um Zug, Wort um Wort durch Jesus erfüllt wurde. Was Gott gewollt hat, hat er ankündigen lassen und auch eingehalten.

Leider ist es so – und hoffentlich beleidige ich niemanden –, dass ich und vielleicht auch Sie einen recht begrenzten Verstand haben. Haben Sie das auch schon einmal bemerkt? Vieles würden wir gern besser verstehen, bei vielem würden wir gern besser durchblicken. Aber unser Gehirn wiegt eben nur etwa 1200 Gramm.

Die Bibellese, die wir zurzeit aus dem ersten Korintherbrief haben, macht deutlich, wie wir den Geist Gottes verstehen können. Ich muss Ihnen gestehen: Manchmal lächle ich, wenn ein Bibelwort ein wenig abgegrenzt oder abgeändert wird. Wenn es nämlich heißt: „Der Friede Gottes, der höher ist als unsere Vernunft“, dann würde ich immer sagen: Das ist sowieso klar – höher als unsere Vernunft.

Aber alle Vernunft der Welt zusammengenommen, alle Philosophien können nicht das Geheimnis durchdringen, warum der Retter Jesus für uns Menschen die ewige Rettung ist, warum er Sünden wegnehmen kann. Das können wir nicht verstehen.

Gottes Logik und das Geheimnis der Sündenvergebung

Es gibt in der Bibel einige zarte Hinweise, die uns helfen zu begreifen und zu ahnen, was geschah, als das Volk Israel von Gott aus Ägypten befreit wurde – nach mehr als 400 Jahren Sklaverei. Das war schlimmer als 60 Jahre DDR. Über 400 Jahre Sklaverei – und Gott hat sein Volk befreit und in die Freiheit geführt.

Kaum waren sie frei, beteten sie ein goldenes Kalb als Gott an und fielen vom lebendigen Gott ab. So ein Stierbild – das sei unser Gott, der uns befreit hat. Da machte Gott Mose deutlich, wie tief erschüttert er war. Gott sagte: „Mit diesem Volk kann ich nichts mehr anfangen.“ Man kann Herrlichkeit um Herrlichkeit gewähren, aber sie begreifen nicht, dass es das Vorrecht ihres Lebens ist, dass der lebendige Gott sich um sie kümmert.

Gott wollte das Volk vertilgen und mit Mose neu anfangen. Mose aber sagte: „Lieber Gott, nicht das! Lieber tilge mich aus dem Buch des Lebens, aber lass sie leben.“ Er trat stellvertretend für das Volk ein und sagte: „Erledige mich!“ So etwas sagt man normalerweise nicht. Es gibt zwar hohe Sprüche wie „Einer für alle, alle für einen“, aber Mose war der Auserwählte Gottes, in dem Gottes Pläne konzentriert waren. Er konnte sagen: „Lieber mich, aber sie nicht.“

Da sagte Gott: „Moment, ich will die Sünde heimzahlen, wenn meine Stunde gekommen ist. Ich will dein Opfer nicht annehmen, deine Bereitschaft, dich hinzuopfern für das Volk.“ Gott wollte die Sünde heimzahlen, wenn seine Zeit gekommen ist. Ich denke, diese Stunde hatte er im Blick, als er dem Volk Israel als altem Mann sagte: „Einen Propheten wie mich wird der Herr erwecken.“ Einen, der einmal stellvertretend eintreten darf für die Sünde des Volkes.

Das ist etwas, was wir Menschen mit unserem Verstand nicht begreifen können. Wir sagen: „Das hält sich im Kopf nicht aus, da blicke ich nicht durch, das ist für mich nicht logisch.“ Doch Gott hilft uns mit seiner Logik. Die Logik der Bibel besteht darin, dass das, was Gott angekündigt hat, auch eingetroffen ist. Wir meinen oft, verlässlich sei nur das, was wir begreifen. Die Logik der Bibel aber heißt: Was als klares Wollen Gottes angekündigt ist, ist auch eingetroffen. Darauf kannst du dich verlassen.

Die größte dieser Ankündigungen lautet: „Fürwahr, er trug unsere Krankheit und schleppte sich ab mit unserer Schuld, mit unserer Sünde.“ Er trug sie. Der Professor Hermisson von Tübingen hat gesagt, die Verben überschlagen sich richtig: Er schleppte sich ab, er trug. Er ließ sich unsere Sünde aufbürden. „Fürwahr, wir hielten ihn für einen, der von Gott geschlagen ist, aber nein, er hat unsere Krankheit getragen. Er ist geschlagen worden wegen unserer Sünde, er hat das auf sich genommen.“

Diese große Ankündigung wurde vom Apostel Johannes aufgenommen, in dem kurzen Satz: „Er, der Sohn Gottes, ist erschienen, dass er die Sünde wegnehme.“ Das gilt auch schon für unsere Versuchlichkeit. Der Herr Jesus will uns in diesem Bereich heilen.

Ich hoffe, dass wir, je älter wir werden und je mehr unsere Gebrechen zunehmen, auch spüren, dass er Sünde wegnimmt, die uns freimacht von Versuchungen. Aber noch wichtiger ist: Dass er all das Falsche in meinem Leben, das, was Gott elendtraurig machen müsste – so traurig, dass er sein Angesicht von mir abwendet und sagen müsste: „Mit dir habe ich nichts zu tun“ –, dass das durch Jesus weggenommen ist.

Ich sage Ihnen nochmals: In unseren Kopf geht das logisch nicht hinein – angekündigt und in Jesus erfüllt. „Fürwahr, er trug unsere Krankheit und lud auf sich unsere Schmerzen.“

Als Jesus sich aufmachte zu diesem Weg ans Kreuz, betete er das Gebet, das in Johannes 17 berichtet ist: „Vater, die Stunde ist da, dass du den Sohn verherrlichst.“ Jetzt beginnt die entscheidende Stunde.

Die zentrale Stunde der Erlösung und die Bedeutung der Heilungen

Auch wenn in den Evangelienberichten von Matthäus, Markus und Lukas eine Fülle von Heilungen erwähnt wird, von Wundern, wie Jesus Menschen wohlgetan hat und wie er als Seelsorger die Not der Menschen gesehen hat, so ist die Stunde gekommen, in der das Entscheidende geschieht.

Das Entscheidende, das wir voller Dankbarkeit singen können: Jesus kam, um uns zu erlösen. Preise den Herrn! Alle Sünden hast du getragen, sonst müssten wir verzagen. Erbarme dich über uns, o Jesus!

Dazu ist Jesus erschienen: dass er die Sünden der Welt wegnehme. Als Jesus sich auf den Weg machte und diese Stunde begann, stand dahinter eine dramatische Begebenheit. Johannes der Täufer hatte einst über Jesus ausgerufen und dabei Begriffe aus Jesaja 53 aufgenommen: „Wie ein Schaf, das zur Schlachtbank geführt wird, tat er seinen Mund nicht auf.“ Johannes sagte zu seinen Jüngern: „Siehe, das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt!“

Ein paar Jahre später war Johannes im Gefängnis, von Herodes zu Unrecht eingesperrt. Als er hörte, dass Jesus Blinde sehend machte, Lahme gehen ließ und Tote durch seine Kraft auferstehen ließ, wie es in Matthäus 11 beschrieben ist, fragte er seine Jünger: „Bist du der, der kommen soll, oder sollen wir auf einen anderen warten?“ Johannes hatte von den Werken Jesu gehört – wie Jesus umherzog und Gutes tat. Die Emmausjünger sagten, dass Jesus viel Gutes getan hatte, und Petrus berichtete im Haus des Cornelius in Caesarea, dass Jesus viele Krankheiten geheilt habe.

Als Johannes von diesen Werken hörte, wollte er von seinen Jüngern wissen, ob Jesus wirklich der Messias sei. Viele Ausleger meinen, Johannes der Täufer habe an Jesus gezweifelt. Doch er zweifelte nicht wirklich. Vielmehr wollte er Jesus auf die Hauptsache hinweisen. Er hatte Jesus doch angekündigt als das Lamm Gottes, das der Welt Sünde trägt. Nicht als einen großen Zampano, der wie ein Heilungskünstler durch die Lande zieht und die Kranken gesund macht, als ob das die Hauptsache wäre.

Johannes sagte: „Ich habe dich doch nicht angekündigt als den großen Wundertäter, sondern als das Lamm Gottes. Was ist denn jetzt los mit dir, Jesus?“ Es war wie ein großer Stupser des Vorläufers an Jesus: „Komm doch endlich mal zur Hauptsache!“

Doch Jesus brauchte keinen Stupser, keine Ermutigung. Er wirkte die Werke Gottes, damit die Menschen glauben sollten, dass der Vater in ihm ist und er der Sohn Gottes. Die Heilungen dienten dazu, dass die Menschen begreifen: „Ich komme von Gott.“

In Johannes 12 heißt es: „Aber obwohl ich solche Werke tat, glaubtet ihr nicht.“ Im Grunde genommen, so hat der große Theologe Martin Kähler einmal gesagt, führen die Evangelien- und Passionsberichte zur Leidensgeschichte Jesu hin. Jesus tat Gutes in Galiläa und Jerusalem, vollbrachte Wunder in Samarien und schickte seine Boten mit der Vollmacht aus, Kranke zu heilen und Dämonen auszutreiben. Doch der Erfolg blieb aus, es kam keine große Volksbewegung.

Das ist im Grunde eine Auslegung dessen, was in Jesaja 53 steht: Jesus war der Allerverachtetste und Unwerteste. Derjenige, der so viel Gutes getan hat, wurde von seinen Feinden am Kreuz bescheinigt: „Den anderen hat er geholfen, aber sich selbst kann er nicht helfen.“ Weg mit ihm! Wenn man auf jemanden verzichten konnte im großen palästinensischen Bereich, dann auf diesen Jesus.

Dass Jesus Gutes getan hat, Kranke heilte und Blinden das Sehen wiedergab, sollte bescheinigen: „Ich komme doch von Gott, aus der heilen Welt Gottes.“ Doch sie glaubten ihm nicht. Er war der Allerverachtetste und Unwerteste.

„Vater, die Stunde ist da, dass dies zur Erfüllung kommt.“ Jesus kam, um uns zu erlösen – preise den Herrn! Und sie dürfen in jeder Versuchung sagen: „Erlöse mich, Herr Jesus!“ Die Aufgabe, die Jesus vom Vater hat, ist die Erlösung, dafür ist er ans Kreuz gegangen.

Wenn die Versuchung stärker war als ihre eigene Kraft und sie als Bewahrung des Herrn Jesus erfahren durften, können sie getrost sagen: „Vater, jetzt lass deine durchbohrte Hand auch auf diese Schuld gelegt werden, da sie nicht mehr gilt in Ewigkeit.“

Es ist erschütternd, dass du die Sünde wegnimmst. Jede feierliche Beichte oder persönliche Beichte vor dem Herrn Jesus, in der wir sagen: „Vater, es tut mir leid“, wird erhört. Denn in der Kraft dessen kam Jesus, uns zu erlösen. Der Sohn Gottes ist erschienen, damit er die Sünde wegnimmt.

Die Realität des Lebens und die befreiende Botschaft

Lassen Sie es mit sich gehen, denn das ist die Realität unseres Lebens: Es läuft so viel falsch, auch wenn wir es gar nicht wollen. So viel Dunkles, Garstiges ist da, Unvollkommenes und Unrichtiges.

Es gibt doch nichts Treffenderes und Wichtigeres für ein Menschenleben, als dass da einer ist, der unsere Sünde wegnimmt.

Noch eine Frage: Ist denn das ganz nebensächlich, dass Jesus Krankheiten heilen und Wunder tun kann? Der Evangelist Matthäus gibt darauf eine Antwort. Er nimmt das Wort, dass Jesus alle Schwachheiten getragen hat, schon zu Beginn seines Evangeliums auf.

Ich darf Ihnen aus Matthäus 8 vorlesen, eine Stelle, die Matthäus als Evangelist kühn formuliert hat:
„Und sie brachten zu ihm am Abend viele Kranke und Besessene, und er trieb die Geister aus durch sein Wort und machte alle Kranken gesund.“

Damit wurde erfüllt, was durch den Propheten Jesaja gesagt ist: „Er hat unsere Schwachheit auf sich genommen und unsere Krankheit getragen.“

Die vielen Berichte in den Evangelien zeigen das große Erbarmen des Herrn Jesus mit aller Art von Schwachheit – sogar Besessenheit, dämonische Gedanken, die durch unseren Kopf und unser Herz gehen. Es jammerte Jesus des Volks.

Jesus ließ die Kraft aus sich herausfließen, wie sie jene blutflüssige Frau erfahren hat. Sie hatte jahrelang vergeblich bei Ärzten nach Heilung gesucht und berührte Jesus. Jesus fragte: „Wer hat mich angerührt?“

Er sagte dies, obwohl viele Leute um ihn waren. Doch Jesus spürte: „Eine Kraft ist von mir ausgegangen.“ Es hat Jesus etwas gekostet, die Krankheit zu heilen. Er war nicht bloß ein großer Zampano, ein Heilungskünstler, der einfach gesagt hat: „Sei rein!“

Jesus litt. Am Friedhof von Bethanien weinte er an einem Grab. Nach einem Tag mit Kranken, Besessenen und Lahmen war er so erschöpft von den Heilungen, dass er beim Seesturm auf dem See Genezareth nicht einmal aufwachte, als die Jünger schrien: „Herr, wir gehen unter!“ Er schlief im Boot todmüde.

Jesus ließ sich sein Herz und seine Nieren gehen – die Schwachheiten, auch die, die wir heute psychosomatische Schwierigkeiten nennen.

Doch die eigentliche Stunde kam: Jesus hatte diese Sprechstunde mit den Kranken. Es wären noch viele Schwerkranke in Galiläa und Jerusalem gewesen, die er hätte heilen können. Aber dann brach Jesus auf zum Weg ans Kreuz, denn das war die entscheidende Stunde.

Missverständnisse über Jesu Heilungen und die Hauptaufgabe der Christen

Es wird heute in der Christenheit oft missverstanden, dass Jesus heilen konnte und Gutes tat. Dieses Missverständnis zeigt sich in zwei Richtungen.

Zum einen wird angenommen, Jesus müsse alle Krankheit sofort wegnehmen. Wenn er das nicht tut, wird vermutet, dass eine verborgene Sünde der Grund sei oder dass man nicht richtig glaube. Die Zeichen, die Jesus an Kranken und Schwachen vollbrachte, sollten jedoch auf ihn hinweisen – nicht darauf, dass alle Krankheit bereits jetzt genommen wird.

Die Krankheit wird erst dann endgültig genommen, wenn wir das Vorrecht haben, an dem Ort zu sein, wo es heißt: „Es wird kein Tod mehr sein, kein Leid, kein Geschrei.“ Das ist die Zukunft, die kommen wird. Jesus hat angekündigt, dass er dies bringen kann. Seine Heilungen und Wunder sollten ihn groß machen als den Bevollmächtigten Gottes, der stellvertretend für unsere Schuld leiden kann und unsere Sünde wegnehmen kann.

Die zweite Richtung, in der das Heilungswerk Jesu heute leider oft falsch verstanden wird, ist der Eindruck, Jesus habe hinter jeder Heilung gesagt: „Gehe hin und tue das Gleiche.“ Es ist der Christenheit nicht verheißen, dass unsere Hauptaufgabe darin besteht, zu heilen.

Wir sind dankbar für alle Wunder, die der Herr Jesus in unserem Leben getan hat. Es gibt viele Wunder, die auf unsere Gebete hin von Jesus erhört wurden. Ob es ein verlorener Schlüssel war, den wir drei Tage gesucht haben, oder dass wir nach langem Junggesellendasein eine richtige Frau gefunden haben – das ist oft noch wesentlicher als ein Schlüssel. Unser Leben ist voll von Wundern.

Das Entscheidende ist jedoch, dass wir nicht bei den Wundern stehen bleiben. Ich könnte viel von den Wundern erzählen – übermorgen muss ich in Kornwestheim berichten, was ich mit Jesus erlebt habe. Dann hört man kaum auf, von den Wundern, der Bewahrung, der Hilfe und den klaren Gedanken zu berichten, die Jesus gibt.

Aber die entscheidende Stunde ist, dass ich mir auch von Jesus meine Sünde wegnehmen lasse. Ich lasse mir aufdecken, worüber der Herr Jesus eigentlich traurig sein müsste. Er muss etwas anderes sagen. Ich will mir aufdecken lassen, wie der Herr Jesus bei Ihnen aktiv werden will. Er sagt, er möchte nur etwas wegnehmen – schwäbisch gesagt: „Da ist nun Putzen, komm, lass mich doch helfen.“

Das ist der wahre Arzt unseres Lebens. Jesus ist erschienen, wozu eigentlich der Sohn Gottes erschienen ist: dass er Sünde wegnehme. Jetzt lassen Sie es sich auch wegnehmen. Amen!

Schlussgebet und Danksagung

Herr Jesus Christus, das war das heilige Amt, das du vom Vater übertragen bekommen hast: du, der Geliebte Gottes, der Bevollmächtigte!

Du nimmst auf wunderbare Weise Sünde weg – eine Weise, die wir nie ganz verstehen können, aber die wir annehmen und gelten lassen wollen. So wird es einmal sein, wenn wir vor dem Thron des Vaters erscheinen: Dann heißt es für uns, dass alles in Ordnung ist, alles gereinigt und alles weggenommen ist.

Geh ein zu deines Herrn Freude! Amen.