Herr, wir wollen deine Güte heute Abend wieder ganz neu entdecken – auch in Momenten der Entspannung und aus den Bedrängnissen heraus.
Wir wollen dir begegnen und immer mehr deine Liebe erfahren, besonders durch dein Wort.
Herr, bewahre uns vor allen eigensinnigen Gedanken. Stattdessen wollen wir durch dein Wort lernen, worauf wir uns im Leben und im Sterben verlassen können.
Amen.
Einführung in das Thema der Kindschaft und des Evangeliums
Wir hatten beim letzten Mal die Verse 1 bis 7 aus Kapitel 4 im Galaterbrief besprochen.
In Galater 4 geht es um den Höhepunkt der Zeit, der erfüllt ist: der Augenblick, in dem wir die Kindschaft empfangen. Diese Kindschaft kommt durch die Sendung Jesu. Wir sind Kinder Gottes. Woran erkennt man Kinder? Daran, dass sie zum ewigen Gott „Abba, lieber Vater“ sagen können.
Es ist oft merkwürdig, wie sich das, was wir am Sonntag hören, mit der Bibelstunde verbindet. Mir war das vorher nicht klar, aber es ist eine positive Ergänzung.
Wenn wir immer wieder sehen, wie es Paulus nur um ein Evangelium geht, wird deutlich: Es geht darum, dass wir Kinder Gottes werden, dass wir neue Menschen werden, dass Christus in uns geboren wird und nicht wir selbst leben, sondern Christus in uns.
Jetzt macht Paulus das noch einmal ganz praktisch.
Warnung vor Rückfall in die Gesetzlichkeit
Vers 8, bevor wir das nächste Mal zu dem großartigen Abschnitt kommen – zu der Freiheit, der großen Freiheit eines Christenlebens, frei von allen bedrängenden und belastenden Jochen der Knechtschaft.
Heute noch einmal, aber es ist immer das gleiche Thema: Warnung vor dem Rückfall in die Gesetzlichkeit. Zu der Zeit, als ihr Gott noch nicht kanntet, dientet ihr denen, die in Wahrheit keine Götter sind!
Nachdem ihr aber Gott erkannt habt, ja vielmehr von Gott erkannt seid, wie könnt ihr euch dann wieder den schwachen und dürftigen Mächten zuwenden, denen ihr von neuem dienen wollt? Ihr haltet bestimmte Tage ein, Monate, Zeiten und Jahre.
Ich fürchte für euch, dass ich vielleicht vergeblich an euch gearbeitet habe. Werdet doch wie ich, der ich wurde, wie ihr, liebe Brüder! Ich bitte euch: Ihr habt mir kein Leid getan. Ihr wisst doch, dass ich euch in Schwachheit des Leibes das Evangelium gepredigt habe beim ersten Mal. Und obwohl meine leibliche Schwäche euch ein Anstoß war, habt ihr mich nicht verachtet oder vor mir ausgespuckt. Stattdessen habt ihr mich aufgenommen wie einen Engel Gottes, ja, wie Christus Jesus.
Wo sind nun eure Seligpreisungen geblieben? Denn ich bezeuge euch: Ihr hättet, wenn es möglich gewesen wäre, eure Augen ausgerissen und mir gegeben. Bin ich denn damit euer Feind geworden, dass ich euch die Wahrheit vorhalte?
Es ist nicht recht, wie sie um euch werben – das sind diese falschen Lehrer, die in die Gemeinde eingedrungen sind. Diese Irrlehrer wollen euch nur von mir abspenstig machen, damit ihr um sie werben sollt.
Umworben zu werden, ist gut, wenn es im Guten geschieht – und zwar immer und nicht nur in meiner Gegenwart, wenn ich bei euch bin.
Das Ziel der Missionsarbeit: Christus in uns
Meine lieben Kinder, die ich erneut unter Wehen gebäre, bis Christus in euch Gestalt gewinnt.
Das ist das Ziel, das Paulus bei all seiner Missionsarbeit verfolgte: dass Christus in uns lebt und unser Leben neu gestaltet.
Ich wünschte, ich wäre jetzt bei euch und könnte mit einer anderen Stimme zu euch sprechen, denn ich bin besorgt um euch.
Beispiel aus dem Alten Testament zur Verdeutlichung
Er nimmt hier ein Beispiel aus dem Alten Testament, um es noch einmal klarzumachen. Er sagt: „Mir, die ihr unter dem Gesetz sein wollt, hört ihr das Gesetz nicht?“ Denn es steht geschrieben, dass Abraham zwei Söhne hatte, den einen von der Magd, den anderen von der Freien.
Der Sohn der Magd, von Hagar, wurde nach dem Fleisch gezeugt. Der Sohn der Freien, von Sarah, aber kraft der Verheißung.
Diese Worte haben eine tiefere Bedeutung. Die beiden Frauen stehen für zwei Bundesschlüsse: Einen vom Berg Sinai, der zur Knechtschaft führt – das ist Hagar. Hagar bedeutet den Berg Sinai in Arabien und ist ein Gleichnis für das jetzige Jerusalem, das mit seinen Kindern in der Knechtschaft lebt. Das ist sein rabbinisches Judentum, so bezeichnet er es.
Aber das Jerusalem, das oben ist, das ist die Freie, das ist unsere Mutter. Auf einem Grabstein auf dem Zionsfriedhof in Jerusalem steht dieses Wort. Ich glaube, es steht bei Maria Bender, einer äthiopischen Prinzessin, die Frau eines Missionars war und in Jerusalem starb.
Denn es steht geschrieben: „Sei fröhlich, du Unfruchtbare, die du nicht gebierst; brich Jubel aus und jauchze, die du nicht schwanger bist! Denn die Einsame hat viel mehr Kinder als die, die einen Mann hat.“
Ihr aber, liebe Brüder, seid wie Isa Kinder der Verheißung. Aber wie zu jener Zeit den, der nach dem Fleisch gezeugt war, den verfolgte der, der nach dem Geist gezeugt war, so ist es auch jetzt.
Doch was sagt die Schrift? „Stoß die Magd hinaus mit ihrem Sohn! Denn der Sohn der Magd soll nicht erben mit dem Sohn der Freien.“
So sind wir nun, liebe Brüder, nicht Kinder der Magd, sondern der Freien.
Schwierigkeit der rabbinischen Schriftauslegung
Das ist eine typische rabbinische Schriftauslegung, die uns beim Lesen oft etwas Schwierigkeiten bereitet und auch mühsamer ist. Deshalb möchte ich später nicht allzu viel Zeit darauf verwenden.
Die Rabbiner haben intensiv mit der sogenannten Allegorese gearbeitet, das heißt, sie haben Wortbedeutungen übertragen. Das ist für uns oft schwerer zu verstehen, ist aber im Judentum bis heute sehr gebräuchlich.
Zeugnisse von Gottes Wirken in der Gegenwart
Wir gehen jetzt wieder zurück zu dem ersten Vers, also Vers 8 unseres Abschnitts. Lassen Sie mich ganz anders anfangen.
Was uns immer wieder interessiert, ist, dass wir hören wollen, was Gott Großes in unserer Zeit wirkt. Am Sonntag war Andrea Hilger aus Maputo, der Hauptstadt von Mosambik, zu Gast. Ich habe immer wieder geschaut, konnte sie aber nicht sehen. Sie hat heute noch so schön erzählt: Dort ist Peter Botha gestorben. Er war ein schlichter Missionar aus Südafrika, der uns in Mosambik viele Türen geöffnet hat.
Sie erzählte einfach, wie groß das jetzt bei der Trauerfeier war, wie diese Afrikaner berichteten, was dieser Mann ihnen an Schrifterkenntnis gebracht hat. Sie erzählten, wie sie in der schweren Zeit des marxistischen Terrors daran gewachsen sind. Das erhebt einen immer wieder, wenn man etwas hört und spürt von den großen Taten Gottes in der Welt.
Wenn wir hören, wo eine Erweckung in unserer Zeit geschieht, wo Menschen zum Glauben kommen, dann wirkt Gott Großes. Wir wollen gerne Großes mit Gott erleben. Meine Großmutter hat immer gesagt: Erzählt mir etwas von den Siegen im Reich Gottes. Wo geschieht gerade etwas? Was habt ihr erlebt? Wie wirkt Jesus mächtig? Das sollte ja auch bei uns so sein.
Vor ein paar Tagen war das bei einem Gespräch wunderbar, als ein Mensch hörend wurde und ich ihm ein Stück Licht bringen durfte. Oder ich habe etwas anderes erlebt, eine Gebetserhörung, die mir mächtig wurde. Etwas von den Siegen im Reich Gottes wollte ich hören und erleben.
Die Realität von Versagen und Zweifel im Glaubensleben
Es ist schön, wenn Christen sich treffen, denn sie sollen sich ermuntern und aufbauen. Wahrscheinlich würden aber, wenn wir uns jetzt umhören, viele sagen, dass sie auch von ihrem Versagen, von ihren Enttäuschungen und Zweifeln erzählen müssten. Sie würden berichten, wie sie versagt haben und wie sie untreu waren.
Man muss jetzt nicht damit anfangen, denn leider gibt es in unserem Leben oft viel Negatives zu erzählen. Das bringt uns jedoch nicht weiter und hilft uns nicht. Wichtig ist, dass wir immer wieder erkennen, dass wir Menschen sind, die nüchtern ihre eigenen Versäumnisse und Fehler sehen. Auch das, was wir nicht fertigbringen, müssen wir anerkennen. Wir dürfen das nicht einfach überspielen und so tun, als könnten wir alles.
Interessant war auch, wie Peter Botha in seinen letzten Lebenstagen sehr durcheinandergebracht wurde. Das geschah durch Leute, die kamen und von prophetischen Weisungen sprachen. Sie sagten ihm, er werde nicht sterben, sondern in drei Tagen geheilt sein. Die angegebene Zeit war dann genau seine Todesstunde.
Das ist heute immer noch sehr heikel. Viele Menschen sind zu leichtfertig, wenn sie ihre großen Meinungen verkünden und denken, sie könnten das im Namen Gottes tun. Das ist heute eine regelrechte Seuche.
Es ist immer wieder gut, auch einmal zu sagen: Ich weiß nicht, was Gott will, und schweige.
Die Balance zwischen Siegen und nüchterner Selbsterkenntnis
Gott wirkt auch heute noch Siege in unserem Leben. Dennoch wollen wir nicht über unsere Verhältnisse leben und keine Sprüche machen, die größer sind, als wir wirklich sind. Das ist heutzutage eine Versuchung: Manche tun plötzlich so, als hätten sie in ihrem Leben große Erfolge erzielt und sagen, seitdem sie Christ sind, lebe ihr Leben besser.
Ich habe Ihnen oft gesagt, dass Sie bis zu Ihrer Todesstunde immer wieder mit dem Jammer konfrontiert sein werden, in Ihrem Leben die Sünde zu erfahren. Vielleicht nehmen Sie das immer deutlicher wahr – ich wünsche Ihnen, dass Sie es immer schärfer sehen. Das ist ein großer Moment, wenn Sie die Gnade Jesu wirklich erfassen dürfen.
Aber man kann das Christenleben nicht einfach wie mit einem Metermaß messen und sagen: „Schau, jetzt bin ich gewachsen.“ So wie Kinder das tun, wenn sie neben eine Latte treten und sagen: „Jetzt bin ich gewachsen.“ Das ist leider kein passender Maßstab für das geistliche Wachstum.
Man kann das Christenleben nicht einfach als lineares Wachstum verfolgen, indem man sagt: „Ich werde immer lieber, ich werde immer besser.“ Sie wissen, dass das nur Menschen tun, die in Heuchelei und Falschheit leben.
Das Gesetz und seine geistliche Bedeutung
Und deshalb spricht Paulus zuerst von einem Holzweg. Er hat dieses Thema schon mehrmals behandelt und sagt, dass es ein ganz schlimmer Holzweg ist. Gläubige Menschen gehen diesen Weg, weil sie entdeckt haben, dass allein die Gnade Jesu rettet.
Vielleicht sollte ich jetzt doch mal sagen, was ich von dieser Unterzeichnung in Augsburg halte, da mich viele danach gefragt haben. Sie wissen, dass sich 250 Theologieprofessoren dagegen gewandt haben. Sie sagen, dass niemand genau wisse, was man eigentlich mit diesem Papier meint, das unterschrieben wurde. Es ist ein typisches Produkt unserer Zeit.
Deshalb nochmals: Sie wissen, dass wir uns sehr freuen über Christen aus allen Kirchen. Wir wollen niemals eine Gruppierung über die andere stellen. Es geht hier nicht um eine konfessionelle Spaltung. Vielmehr habe ich große Sorge, ob unsere evangelische Kirche wirklich noch begriffen hat, was Rechtfertigung aus Glauben bedeutet.
Ganz einfach gesagt: Es gibt eine Hölle, Menschen gehen verloren, und allein das Blut Jesu rettet sie. Das ist das Evangelium, von dem Paulus spricht. Anders wird kein Mensch gerettet.
Oder wir haben am Sonntag gesagt: Die Schlüssel des Himmelreichs. Diese Schlüssel haben Sie, indem Sie einem Menschen Vergebung der Sünden zusprechen dürfen und ihm sagen können: Du bist ein Kind Gottes, du bist Eigentum Jesu. Wenn jemand Jesus in sein Leben aufnimmt, erhält er Vergebung der Schuld.
Noch einmal: Ich habe das allgemeine Priestertum aller Gläubigen betont. Und jetzt kommt der Holzweg. Denn anschließend sagt man oft: Aber jetzt müssen wir in unserem Leben sichtbare Zeichen unseres neuen Lebens setzen.
Vers 9, zweite Hälfte: „Wie wendet ihr euch dann wieder den schwachen und dürftigen Mächten zu, denen ihr von neuem dienen wollt? Ihr haltet bestimmte Tage ein und Monate und Zeiten und Jahre.“ (Galater 4,9)
Die Gefahr des Gesetzesglaubens und der äußeren Frömmigkeit
Es ist immer ein bisschen schwierig, mit diesen Worten etwas anzufangen: Was sind diese Mächte? Paulus spricht deshalb immer von den Mächten.
Der Indianer im Urwald, in seinem Geisterglauben, ist ein Mensch, dessen Leben bis ins Letzte durch zahlreiche Verordnungen bestimmt ist: Das muss ich tun, das ist richtig, das ist gut, und das muss ich machen. Er lebt in großer Angst, irgendwo diesen Pflichtenkatalog zu verletzen.
Wir haben ja schon vom animistischen Heidentum gesprochen. In allen Religionen der Welt ist alles festgelegt, was jemand tut. Ob er auf die Jagd geht – da muss er die Gestirne fragen, da muss er die Geister fragen. Es ist ein ständiges Hören auf die Stimme der Ahnen und vieles mehr.
Paulus sagt nun, dass im Christenleben nicht wieder Leute entstehen sollen, die dauernd nur nach irgendwelchen Vorschriften leben. Ich habe immer versucht, Ihnen das noch deutlicher zu machen, und eigentlich war das schon am Sonntag im Gottesdienst so. Aber es hat keinen Wert, wenn man es Ihnen nur vorliest.
Luthers Vorrede zum Römerbrief ist das Genialste, was zum ganzen Thema je geschrieben wurde. Es sind eigentlich nur die ersten Seiten, die er dazu schreibt. Diese Vorrede findet man oft in Luthersammlungen, und es gibt auch Bibeln, in denen diese Vorrede Luthers enthalten ist.
Luther sagt sehr simpel: Ihr müsst verstehen, dass das Wort „Gesetz“ bei uns eine ganz andere Bedeutung hat. Ich wiederhole, was wir schon oft besprochen haben: Ihr habt im Straßenverkehr Gesetze, etwa dass man mit dem Auto rechts fährt und nicht links auf der Straße. Das ist doch klar. Diese Gesetze brauchen wir.
Diese Gesetze müssen Sie befolgen. Dabei ist es nicht wichtig, ob Sie das gern tun oder ob Sie das Gesetz lieben. Sie müssen es einfach tun. Sie können es ja widerwillig tun, aber Sie müssen es tun. Wenn Sie sich nicht daran halten, etwa bei Rotlicht zu halten, dann wird Sie irgendwann ein Polizist erwischen, und Sie bekommen eine deftige Strafe.
Das Gesetz behandeln wir Menschen als eine ganz normale Hilfe zum Leben. Martin Luther sagt, dass das göttliche Gesetz dem sehr ähnlich ist: Der Mensch erfüllt es eigentlich ein bisschen widerwillig. Da zitiert er aus dem Römerbrief und zeigt das sehr anschaulich.
Er sagt: Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass du ganz eifrig verpflichtest und sagst, der Mensch soll nicht Ehe brechen und nicht stehlen. Du weißt aber ganz genau, dass in deinem Herzen, in deinem Begehren, das lebt. Du machst es ja eigentlich nur widerwillig. Vielleicht machst du es nur äußerlich, du heuchelst.
Was du nicht von innen heraus tust, ist nicht richtig erfüllt bei Gott. Denn Gott ist anders als im Straßenverkehr, wo keiner nach deinem Herzen fragt. Luther sagt: Das Gesetz ist eine geistliche Größe. Gott will nicht, dass wir das Gesetz widerwillig und missmutig erfüllen, sondern als Kinder.
Das ist ja das Beste für unser Leben, wo wir zur Entfaltung kommen. Deshalb erkennen wir durch das Gesetz unsere Schuld, weil wir es eigentlich nur gezwungen erfüllen. Und da kommt Paulus in Römer 7 an: Wir sind Menschen unter die Sünde getan. Wir können das Gesetz gar nicht richtig erfüllen.
Wir können es zwar äußerlich erfüllen und sagen: Ich habe noch keinen Menschen getötet, ich habe noch keinen Banküberfall gemacht usw. Aber im Herzen müssen wir sagen, wenn uns Jesu Wort in der Bergpredigt trifft: Natürlich habe auch ich unreine Gedanken im Kopf, ich habe Habgier, und ich tue meinen Nächsten gern übervorteilen, wenn es mir dient. Ich bin ein Egoist durch und durch.
Also: Gut, das Gesetz kannst du äußerlich erfüllen wie im Straßenverkehr, aber Gott sucht die geistliche Erfüllung des Gesetzes. Darum hilft es nichts. Und jetzt sagt Paulus hier: Warum wendet ihr euch nach eurer Bekehrung wieder diesen Gesetzen zu?
Der Grund ist ganz einfach: Der Mensch meint, er könne damit sein Image pflegen, er könne dadurch sagen: Ich bin doch ein frommer Mensch. Beobachten Sie das einmal, wie man sich gern macht und sagt: Schau mal, wie lange ich fasten kann und wie lange ich meine Pflichten erfülle. Das ist eigentlich immer zum Angeben vor anderen.
Der Paulusersatz hat für ein geistliches Glaubensleben gar keine Bedeutung. Ich habe gleich am Anfang unserer Auslegung vom Galaterbrief gesagt, dass es eine Not von jungen Christen gibt. Nicht nur altersmäßig junge, sondern die, die frisch zum Glauben gekommen sind, frisch bekehrt.
Diese werden ganz schnell rigoros und wollen lauter Ordnungen machen. Sie werden auch ganz wild und sagen: Das ist nicht gut, das muss man alles bekämpfen und so weiter. Sie werden eifriger.
Paulus sagt: Pass auf, fall nicht zurück auf den Holzweg. Sie wissen, was ein Holzweg ist: Da kann man schön darauf spazieren gehen, aber er führt nicht ans Ziel. Irgendwo endet er im Dickicht.
Du kannst auf dem Weg des Gesetzes auch nicht die Heiligung deines Lebens verbessern. Man hört es ja immer wieder: Wäre es nicht wichtig, dass man jetzt auch die Gebote predigt?
Ich habe immer gern Predigtreihen gemacht, aber ich habe mich mein Leben lang gehütet, eine Predigtreihe über die zehn Gebote zu halten. Denn ich habe immer gefürchtet, dass man sehr schnell in sehr simplen Ratschlägen endet, die dem Menschen wenig helfen.
Ich bin überzeugt, dass die Gebote verbindlich für uns sind, aber sie können nur von Kindern erfüllt werden, in denen der Geist des Vaters lebt, wo Christus in unserem Leben ist.
Meine Frau und ich haben jetzt bei unseren Jugendmitarbeitern das Thema „Ehre Vater und Mutter“. Wir müssen noch daran ringen, wie wir das mit unseren Jugendmitarbeitern in Bad Liebenzell, wo sie ihre Freizeit verbringen, besprechen können. Dabei wollen wir deutlich machen, dass Gott es als Geschenk meint und nicht als Pflicht.
Die Gebote sind eine Verheißung für unser Leben, wenn er uns die Gebote gibt. Sie sind Verheißungen dessen, was Christus aus unserem Leben machen will.
Paulus ist also nicht gegen Ordnungen, sondern er fragt: Warum wollt ihr euch wieder diesen kümmerlichen, schwachen und dürftigen Mächten zuwenden, denen ihr von neuem dienen wollt?
Die Freiheit des Geistes und die Gefahr der Anpassung
Ich möchte zu diesem Gesetz noch etwas hinzufügen: In unserem Protestantismus ist es immer wieder so, dass man dem Christen genau vorschreibt, was heute evangelisch sein soll.
Man muss eine bestimmte politische Einstellung haben, ebenso eine bestimmte soziale Haltung. Was dabei einfach fehlt, ist die Freiheit des Geistes.
Deshalb gibt es auch keinen wirklichen Aufbruch und kein lebendiges Leben. Alles wirkt erzwungen und modisch angepasst.
Der Rückschritt ist unmöglich geworden
Warum ist es unmöglich, wieder zu den alten Ordnungen zurückzugehen? Vers 9, Anfang, mein zweiter Punkt: Dieser Rückschritt ist jetzt unmöglich geworden. Warum?
Wir haben doch Gott erkannt. Wo haben wir Gott erkannt? Im Kreuz Jesu haben wir seine Liebe erkannt. Ich bin vor Gott ein verlorener Sünder und werde durch seine Gnade allein gerecht. Das ist Rechtfertigung. Ihr habt es doch einmal erkannt.
Und jetzt meint ihr, ihr könnt es mit eurer Willenskraft schaffen? Nein! Das Wunder eures Lebens ist die Gnade Gottes, die euch trägt. Ihr könnt auch euer Heiligungsleben nur in der Gnade leben. Ihr könnt euer Eheleben nur in der Gnade leben. Ihr könnt euer Berufsleben nur in diesem göttlichen Erbarmen leben, in dieser Liebe Gottes, die euch trägt.
Ihr habt doch Gott einmal erkannt. Wie könnt ihr euch wieder zurückwenden zu diesen alten, brüchigen Mächten?
In Kapitel 1, Vers 12 heißt es: Gott hat seinen Sohn in mir geoffenbart. Für Paulus war das die Kraft. Er hat Jesus erkannt, und das blieb zeitlebens für ihn der Motor. Er sprach auch davon, dass die Liebe Gottes wie mit Eimern in sein Herz ausgeschüttet ist. Er hat immer wieder davon gelebt, und das hat ihn getrieben und getragen.
Paulus hat nie gesagt: „Wenn ihr wollt, müsst ihr euch nur anstrengen.“ Er hat Christus vor die Augen gemalt und gesagt: „Diese Kraft treibt!“ Und ähnlich war es auch beim Kolosserbrief am Sonntag.
Ihr seid Auserwählte, ihr seid Geliebte. Wenn ihr Grimm, Neid und Hass in eurem Leben überwinden wollt, müsst ihr zu Christus kommen und die Liebe Christi anziehen. Nur so könnt ihr eure dunklen Triebe in eurem Leben überwältigen. Ihr könnt es nicht mit irgendwelchen eigenen Ordnungen und Verpflichtungen.
Es gibt verkrampfte Christen. Heiligung – das Wort ist ganz wichtig. Aber wie heilige ich mein Leben? Das geht nur aus der immer neuen Entdeckung der Gnade Jesu, seiner Vergebung, seiner Liebe.
In ihrem Leben waren das immer die größten Zeiten, als sie die Gnade Jesu ganz neu erfahren haben und von seiner Liebe getragen wurden. Es gibt kein anderes Evangelium. Ihr habt doch Gott erkannt. Warum wollt ihr jetzt wieder zurück?
Paulus’ Schwachheit als Zeichen göttlicher Kraft
Und jetzt kommt ein weiterer Punkt, denn Paulus sagt in Vers 13: "Ihr wisst doch, wie ich bei euch war."
Das gehört ganz stark dazu: Warum war Paulus ein so schwacher Bote? Wir haben ja Bilder von Paulus, gemalt von Rembrandt oder Dürer. Nach dem, was er hier in den Briefen immer erzählt, muss seine Erscheinung schwach gewesen sein. Er hat auch ganz offen immer erzählt, wie er körperlich durch seine Krankheit angefochten war.
Und das ist wirklich ein Geheimnis: Warum hat Gott Paulus so schwach gemacht? Er wusste doch, wie man dient. Warum war er denn so angeschlagen? Paulus sagt, man kann wahrscheinlich die Gnade Jesu nur dann richtig verkündigen, wenn nichts an eigener Stärke das noch verdecken kann.
Vielleicht haben wir auch immer wieder die Tendenz zu meinen: "Guck mal, wie schön der aussieht" oder "wie toll der das kann." Vielleicht war es doch das Geheimnis von Ludwig Hofacker, dass er körperlich völlig zerbrochen war. Oder war es das Geheimnis von Paulus, dass er sich mit der letzten Kraft durchgeschleppt hat?
In 2. Korinther 12 sagt Paulus: "Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig." Was meint er mit den Schwachen? Das sind die, denen die Luft ausgeht, die nicht mehr können.
Ich sehe immer den Gegensatz: eine starke Kirche mit allen Gewändern – ich will das jetzt nicht negativ schildern – die großen Kirchenversammlungen. Ich habe gelitten, als ich den Vatikan besucht habe und durch die Peterskirche ging. Wenn ich Paulus vor mir sehe als einen schwachen Zeugen, der die Gnade Jesu ergriffen hat, dann war das eine Kraft, von der er getragen wurde.
Das Evangelium ist in wenigen Jahren bis nach Spanien gelaufen, und niemand konnte es aufhalten. Wenn Sie dann die Verfolgung anschauen, das war ja die Bitte von Friedrich Hensel. Deshalb wollten wir gar nichts mehr machen. Warum er das mit diesem Buch noch einmal getan hat, sagt: Sammelt das einmal in unserer Zeit, wo man immer Siege erleben will.
Es gibt Siege, viele Siege, aber Gott macht seine Siege oft mit Menschen, die er auf ganz tiefen Wegen führt. Was Bodelschwing für Jesus bauen durfte, war genial. Aber man muss wissen, wie Gott diesen Ministersohn, den Spielkameraden des deutschen Kaisers, der seine ganze Jugend mit Kaiser Friedrich verbracht hat – der nur 88 Tage regierte –, so tief geführt hat. Wie er den Grab seiner Kinder erlebt hat und wie der Alleingemeinde nur noch die Gnade Jesu hielt.
Das hat er gelebt in seinem Liebesdienst an den Kranken. Dort hat sich das Evangelium ausgebreitet, weil Kriegsgefangene einst ihren Bewachern die Liebe Jesu vorgelebt haben im Zeugnis. Und das war die Kraft, die Europa besiegt hat.
Wir nennen das Evangelium nach Europa die irisch-schottischen Mönche. Wir wissen ja immer viel zu wenig davon. Warum haben unsere alten germanischen Väter ihren Wodan und alles andere weggetan? Da kamen Leute, die gesagt haben: "Wir wollen um Jesu willen heimatlos sein." Das waren ganz schlichte Leute, erfüllt von der Liebe Jesu, die hier das Evangelium verkündeten.
Und das war nicht Bonifatius. Bonifatius hat Europa nur an den Vatikan angeschlossen, er hat es römisch gemacht. Aber das Evangelium wurde großenteils durch die irisch-schottischen Mönche weitergetragen – ganz schlichte Wanderburschen, die nur erfüllt waren, Jesus zu dienen.
Dann kamen die Sendboten von Martin von Tours, die vielen Martinskirchen in unserem Land, die die Liebe des Martin mit dem Mantel weitergetragen haben – ganz schlichte Evangeliumsboten.
Und verstehen Sie, warum ich sage: Ich will das jetzt nicht schlecht machen, die Peterskirche, wem sie gefällt, den Vatikan und so soll sich daran freuen. Aber eine machtvolle Kirche – das Fernsehen bringt das noch – doch wir wissen, dass zur gleichen Zeit die ganze Welt sagt, die Kirche habe für uns keine Bedeutung mehr und sei hohl.
Wenn der Staat morgen die Kirchensteuer abschafft, dann bricht alles in sich zusammen – so die Kraft der Kirche. Das hat Luther so schön in der Reformation immer gesagt: Es ist doch das Evangelium von Jesus und von der Gnade Jesu, wovon die Kirche lebt. Und das kann keine Macht der Welt ausrotten.
Man kann die Kirchen wegnehmen, der Kommunismus konnte alle Prediger in Straflager bringen. Diese Gnade Jesu ist es, die treibt. Und das wird in unserer antichristlichen Zeit, in die wir immer stärker hineingehen, genauso sein: Christus baut heute seine Gemeinde.
Er wird es tun, wo Menschen seine Gnade ergreifen und von seiner Liebe getrieben werden. Da wird Gemeinde gebaut werden, und Großes wird geschehen – in aller Schlichtheit und Bescheidenheit.
Paulus’ Dienst in der Schwachheit
Jetzt schauen wir uns noch einmal die Krankheit des Paulus etwas genauer an, seinen Dienst in der Schwachheit. In Vers 13 heißt es, dass ich euch beim ersten Mal in der Schwachheit des Leibes das Evangelium gepredigt habe.
Es besteht die Gefahr, dass eine Predigt zu stark wirkt, rhetorisch glatt vorgetragen wird und nur Mut machen will. Besser ist es, ganz schlicht, aber echt zu sein. Wenn man sein Zeugnis weitergibt, wird das die Herzen berühren, besonders wenn man Jesus so mit seinem Wort weitergibt, wie man sein Wort in der Schwachheit des Fleisches vernimmt.
In Vers 14 war die leibliche Schwäche für die Galater ein Anstoß, ein Ärgernis. Sie fragten sich natürlich, wie das möglich sein könne. Wenn Gott mit Paulus wäre, müsste er ja gesund sein. Doch es ist ein Geheimnis Jesu gewesen, dass er seine Boten immer angeschlagen genommen hat. Calvin sagte einmal: Mein Leben ist ein beständiger Todeskampf. So versteht man auch seine Schriften besser und warum er so viel begriffen hat, nämlich dass allein Christus trägt.
Man versteht dadurch auch, warum unsere satte und materialistisch reiche Zeit so schwach ist an Gotteserfahrungen. Sie haben es ja immer wieder erlebt, wie auch bei uns allen diese schweren Zeiten, auch die Zeiten der Krankheit, große Segenszeiten sind.
Der Pastor sagt: Ihr habt mich nicht verachtet, nicht von mir weggestoßen, sondern ihr habt mich aufgenommen wie einen Engel Gottes, ja wie Christus Jesus. Denn ihr habt von ihm das bekommen, der euch Christus gezeigt hat.
Es ist immer wieder schön, die Liebe zu erleben, die man in einer Gemeinde erfährt. Und immer, wenn man diesen Dienst tut, anderen Menschen hilft, Christus zu erkennen, ist das gar nicht eine Eigenschaft, die uns selbst gehört. Paulus sagt, ich habe von euch eine Liebe bekommen, die mir gar nicht zugestanden hat. Aber ihr habt eine Lebenswende bei Paulus erfahren, und er sagt: Ihr wart doch so glücklich in der ganzen Schwäche meines Dienstes.
Nun rätselt man darüber, ob Paulus eine Augenkrankheit hatte, weil er sagt, ihr hättet am liebsten eure Augen ausgerissen und mir geschenkt. Oder ist das nur bildliche Sprache? Jedenfalls hätten die Leute für Paulus alles hergegeben.
Deshalb fragt Paulus: Warum habt ihr euch denn wieder umdrehen lassen durch diese falschen Propheten und falschen Lehrer, die bei euch eingedrungen sind?
Gefahr falscher Lehrer und der Anspruch auf höhere Heiligkeit
Und das müssen sie wissen: In der Christenheit besteht immer die Gefahr, dass Menschen kommen und behaupten, das Christenleben bestehe in einer selbstgemachten Heiligkeit. Sie sagen dann plötzlich, dass es zwar richtig ist, das Christenleben beginne mit der Gnade Jesu, aber es gehe auch noch weiter.
Dann müsse man höhere Erfahrungen machen, und es komme eine ganze Reihe von Dingen hinzu. Es gebe Stufen, die man durchschreiten müsse. Charles Haddon Spurgeon, den ich sehr schätze – er war ein großer Prediger in England – hat gesagt: „Bis zum Tod bleibt es meine ganze Theologie: Christus starb für mich. Weiter will ich nie kommen.“
Er betonte, dass es keine höheren Offenbarungen gibt. Auch an höhere Visionen und Träume glaubt er nicht.
Das war besonders schwer bei der Pfingstbewegung, die um die Jahrhundertwende begann. Sie brachte jene ganz verderbliche Lehre in unsere frommen Kreise hinein, dass man das reine Herz in dieser Welt erreichen könne.
Wenn die Leute nur ein bisschen ehrlich zu sich selbst gewesen wären, hätten sie sagen müssen, dass das nicht stimmt. Doch man kann sich im Frommen in so viele Lügen hineinschaukeln.
Deshalb sollten wir nüchtern bleiben.
Paulus’ Erleben von Siegen und Leiden
Das war Paulus sehr wichtig. Er sagt: Ich war so unter euch – warum ist das gekommen? Erlebe ich keine Siege mit Jesus? Doch, ich erlebe Siege. Wir erleben viele, viele Siege.
Wir haben auch sehr viele Gebetserhörungen erlebt und erleben sie täglich. Und doch tragen wir auch viele Schwächen miteinander, ebenso viele schwere Wege. Viele gehen durchs Leiden und erleben kein Wunder, andere wiederum erleben Wunder.
Das soll zur Klärung dienen, warum wir, auch wenn wir große Wunder erleben, nicht mit großen Fanfaren darauf aufmerksam machen. Denn auch wenn wir Gebetserhörungen erleben, sitzen zehn andere da, die sagen: „Ich habe nichts gehört, wie der Herr mir geantwortet hat.“ Sie bleiben ihm treu, doch sie warten im Leiden. Auch das gehört zum Christenstand.
Diese Menschen wissen: Gott ist für mich, weil er seinen Sohn Jesus gegeben hat. Deshalb kann mich nichts aus seiner Hand reißen. Das bleibt so, auch wenn ich nichts fühle und nichts spüre. Auch wenn ich angefochten bin, gilt das.
Und das ist so schön, dass wir auf diesen Punkt kommen. Denn man spürt, wie es immer wieder in jeder Generation der Christenheit eine Versuchung ist, sichtbar zu machen, dass man einen höheren Stand hat als andere. Man sagt: „Wir sind eben so, wir haben das erlebt, wir können das wirklich nachmessen, und wir können das jetzt sagen.“
Beispiel Ludwig Krapf und die Kraft Gottes in der Schwachheit
Es ist interessant, wo Sie in der Mission hinschauen möchten, wenn wir das Beispiel von Ludwig Krapf nehmen. Er gilt heute sicher als einer der größten Männer in der Geschichte Kenias. Bis zum Schluss sagte er jedoch, er habe mit seiner Mission wenig erreicht. Das ist für den Herrn und für die Menschen oft verborgen, aber nicht für Gott.
Gott kann Segen aus der Schwachheit hervorbringen. Das müssen Sie in der ganzen Bibel sehen – es ist ein Grundgesetz, das immer wieder berührt wird. Zum Beispiel in Jesaja 31. Dort sagt Israel immer wieder: „Wir gehen nach Ägypten, wir setzen auf die Pferde von Ägypten.“ Doch Gott antwortet: „Nein, nein, ich will nicht die Machtmittel.“ Gott braucht nicht die Fürsprache der Welt.
Vielleicht habe auch ich lange Zeit geglaubt, wir müssten darauf achten, dass die Presse kommt und alles andere. Aber das ist ein falscher Weg. Wir brauchen nicht die Fürsprache der Welt. Wenn Sie Jesaja 31 und 32 aufschlagen, sehen Sie, wie Gott sagt: „Ich mache mein Heil aus der Schwachheit heraus, bei den Geringen. Durch Stille sein und hoffen würdet ihr stark sein. Wehe denen, die ihn abziehen nach Ägypten, um dort etwas zu suchen.“
Ägypten steht für den Menschen und nicht für Gott, und seine Rosse sind Fleisch und nicht Geist. Aber der Herr – siehe, der Herr wird sein Reich aufrichten. Er wird einen König regieren lassen.
Die Gemeinde Jesu wächst aus Schwachheit
Warum hat Gott seinen Sohn Jesus in der Krippe in Bethlehem in die Welt gesandt? Warum nicht in einen Palast?
Weil die Gemeinde Jesu immer aus der Schwäche herauskommt. Gott zeigt dies deutlich. Paulus sagt in 1. Korinther 1, dass Gott nicht viele Starke oder Edle beruft. Vielleicht meinen wir, wir seien besonders, aber der Herr fragt: Wer bist du denn? Was schwach und gering ist, hat Gott erwählt, um das Starke zunichtezumachen.
Gott wollte damit etwas zeigen. Die Gemeinde Jesu besteht durch alle Generationen hindurch aus Menschen, die den Heiland, Jesus, und seinen Opfertod dringend nötig haben. Es ist eine Gemeinschaft von Sündern, die erkannt haben, dass das teure Blut Jesu für sie geflossen ist. Durch den Glauben fassen sie dieses Geschenk und erfahren, dass ihr Schaden durch Jesu Tod geheilt wird.
Das ist die evangelische Rechtfertigungslehre, die Luther entdeckt hat. Und diese Wahrheit ist zu allen Zeiten gültig, auch heute, in der Jahrtausendwende. Es ist das Evangelium, das die Menschen anzieht – nur das.
In all der Ärmlichkeit und Schwäche unseres Dienstes können wir nichts anderes tun. So hat es auch die Mission erlebt. Besonders das Leiden ist ein Vorbild. Paulus sagt in 1. Korinther 4,12: „Werdet wie ich!“ Es ist wichtig, dass wir voreinander sagen: Wir sind keine Menschen, die durch Erscheinung beeindrucken können. Wir sind schwach, aber wir haben einen starken Herrn, der Großes mit seiner Gemeinde wirkt.
Beispiel Rosalie Hahn: Zeugnis im Leiden
Wir haben dieses Beispiel gewählt, da es immer das einfachste und aussagekräftigste ist: die Mutter vom Kultusmeister Hahn, Rosalie Hahn, auch Lalla Hahn genannt. Sie litt schon als Kind sehr schwer und trug auch im Baltikum durch ihre Lebensführung große Leiden. Sie war im Rollstuhl. Für eine Mutter mit vielen Kindern war es schon schwer, im Rollstuhl zu sitzen.
Ein Pfarrer sagte zu diesem Evangelisten Hahn, dass die Frau mit ihren kurzen, schmerzlichen Krankenbesuchen einem Gemeindeglied mehr gegeben habe als hundert Predigten von ihm. Hahn hat gut gepredigt, aber das, was die Frau unter Schmerzen weitergab, war ein besonderes Christuszeugnis in aller Klarheit. Dabei wurde nichts mit irdischer Stärke vermischt.
Das ist sehr wichtig, denn man muss das wiedererkennen – gerade in unserer Zeit, in der alles auf Power getrimmt wird. Ja, es gibt Power, aber es ist die Kraft Christi. Diese Kraft ist im Kreuz verborgen und kann nicht vor der Welt demonstriert werden.
Die Welt kann diese Kraft nur an äußeren Zeichen erkennen. Sie sieht, wenn beim Fußball Tore geschossen werden, wenn etwas leuchtet oder wenn etwas groß herausgestellt wird – etwa wenn Mika Häkkinen siegt oder nicht siegt, oder Ferrari gewinnt. Das ist für die Augen der Welt.
Das Geschehen Christi aber kann die Welt mit ihren Augen nicht wahrnehmen, denn es ist geistliches Geschehen. Eine Gemeinde ist daher gefährdet, wenn sie sich ständig von solchen äußeren Faszinationen leiten lässt.
Paulus sagt: „Werdet wie ich!“ Dabei geht es nicht darum, das Leiden zu suchen oder zu wünschen. Ganz im Gegenteil. Es geht darum, das Leiden mitzutragen. Viele von uns haben schwere Lasten zu tragen, und wir wollen sie mittragen, ohne viel darüber zu sprechen. Wir wissen, dass Jesus sich dadurch mächtig verherrlichen wird – auch auf einem schweren Weg.
Der Herr hat sein Wort immer gehalten und gerade auf schwierigen Wegen umso herrlicher gewirkt. Wir wissen, dass die Gemeinde Jesu immer gewachsen ist, auch dort, wo es so aussah, als würde die Verfolgung triumphieren und die Gemeinde zerschlagen.
Der Kirchenkampf im Dritten Reich war für die Kirche ein Geschenk, weil endlich wieder klar war, wo die Fronten verlaufen. Das ist heute nicht mehr so selbstverständlich, denn heute glaubt man oft, alles sei klar.
Warnung vor falschem Eifer und Selbstsucht
Paulus sagt, es gibt Eifer, aber es gibt zwei Arten von Eifer. Er spricht noch einmal an, dass sie um euch eifern, sie werben um euch. In Vers 17 heißt es eigentlich: Sie eifern um euch, aber sie tun es falsch. Diese Leute wollen nur groß herauskommen, sie wollen ihren Namen groß machen. Das ist das Allerschlimmste – wenn es in unserer Gemeinde um Namen geht und nicht um Jesus.
Es geht immer nur um Jesus und den Herrn. Paulus sagt, wenn Menschen kommen und nur sich selbst herausstellen wollen, ist das ganz furchtbar. Wenn wir eifern oder um Menschen werben, dann tun wir das, damit Christus Gestalt gewinnt. Darum wollen wir eifern: dass Christus im Leben von Menschen Raum gewinnt. Darum geht es, sonst um nichts.
Paulus war großartig darin, wie er selbst ertragen hat, dass man ihn in Korinth etwa für unfähig hielt. Man nannte sein Auftreten peinlich und schwächlich. Am liebsten sollte er gar nicht mehr kommen. Wir können uns kaum vorstellen, dass Paulus solche harten Worte von den Gemeinden hören musste, die er selbst gegründet hatte. Doch er sagt: Das ist richtig, gut so. Ich will euch nur auf Christus hinweisen.
Er war völlig frei von Ruhm und Erfolgsdenken. Er sagte nur: Fallt nicht in die Hände von Schaumschlägern, die euch nur an sich binden wollen (Vers 19). Christus aber soll in euch Gestalt gewinnen. Dafür kämpfe ich, damit Christus in euch sein Werk tun kann. Ich bin besorgt um euch.
Dieser Kampf um das Gesetz, von dem wir jetzt gesprochen haben, hat eine sehr wichtige Bedeutung für uns. Wir sollten ein Leben lang darum ringen, auf der einen Spur des Evangeliums zu bleiben. Darum ging es heute. Es sollten keine bösen Worte gegen irgendeine Seite fallen. Es ging nur darum, zu klären, wo dieses Thema in unserer Zeit wieder zum Vorschein kommt.
Ermutigung zum fröhlichen Gehen mit Jesus
Ich möchte Ihnen Mut machen: Gehen Sie den Weg mit Jesus ganz fröhlich. Der Herr wird Sie gebrauchen, wird Sie zum Segen setzen – auch in aller Schwäche und Ohnmacht.
Sie können auch Ihre Niederlagen, Ihr Versagen und Ihre Untreue ehrlich annehmen. Sagen Sie ruhig: „Gut, ich bin froh.“ Es ist wichtig, sich nicht in scheinheilige Höhen zu steigern, sondern nüchtern zu bleiben und zu sagen: „Ich bin ein Mensch, der täglich die Gnade Jesu braucht.“
Meine Großmutter ging sogar so weit zu sagen, dass sie keinen Pfannkuchen backen könne ohne die Gnade Jesu. Oft merken wir, wie uns im Leben so viel misslingt, dass wir sagen: „Ich werde immer abhängiger von ihm.“ Und wir wollen immer mehr Christus fassen und von dem Wunder seiner Liebe leben.
Abschließende Gedanken zum Beispiel von Ismael und Isaak
Das machen wir beim nächsten Mal. Jetzt habe ich das hinten doch noch vergessen, das wollen wir noch kurz anführen. Es geht nur noch um den Abschnitt, in dem er sagt, dass er das an einem Beispiel demonstriert.
Er nennt den Sohn der Hagar, Ismael. Ismael war eigentlich nur ein Kind nach dem Fleisch. Er war nicht der Verheißene. Isaac war der Verheißene.
Sie können mit allem Druck und mit aller Verkrampfung nichts für Christus erreichen. Gar nichts. Sie können wie verrückt schaffen, ihre Kinder anschimpfen und verhauen – alles. Trotzdem werden sie keine Christen daraus machen. Sie können die Kinder auch in die Kirche zwingen, es bringt nichts.
Die Kinder kommen nur aus der Verheißung, aus dem Verheißenden. Natürlich werden wir darum ringen. Wir werden wieder Paulus bemühen, darum kämpfen und reden. Aber ich weiß, dass es nur Gott tun kann.
Und das sagt der Hirte: So war es doch auch bei Israel. Was Ismael war, das war eine fleischliche Linie. Zum Glauben kann man nur aus der Verheißung kommen, da, wo Christus Gestalt gewinnt.