Einführung in das Thema der Liebe
Ich mache das ganz anders als der liebe Olaf, der euch so einen schönen Zettel mitgebracht hat. Ich finde es viel besser, wenn ihr euch selbst notiert, was euch wichtig ist. Ihr habt ja irgendwo einen Zettel dabei und könnt euch das aufschreiben. Falls ich mal zu undeutlich spreche – ich spreche ja galiläisch, also aus dem Süden Deutschlands – und ihr mich nicht versteht oder protestiert, können wir das auch noch klären.
Das zweite, warum das Thema so problematisch ist, muss ich kurz erklären. Die drei Themen, die ihr bisher behandelt habt, zeigen uns natürlich, wie wir mit Jesus in unserem Leben mehr erfüllt werden. Aber wenn wir von der Liebe reden, haben wir ein Thema, bei dem alle gottlosen Leute der Welt sagen: „Ja, endlich habt ihr etwas Richtiges gesehen. Wir sind auch für die Liebe.“
Die größten Kritiker des Christentums sind alle für die Liebe. In meinem Leben – und ich bin ja schon uralt – habe ich überhaupt niemanden getroffen, der gegen die Liebe war. Andere Leute haben immer gesagt, die anderen sind so böse. Aber ich habe noch nie einen Menschen getroffen, der gesagt hat: „Ich bin böse.“ Stattdessen sagen sie: „Ich bin viel zu lieb, und die anderen sind alle viel zu schwierig.“
Mit der Liebe gibt es ein großes Problem. Ihr wisst vielleicht, dass alle, die die Bibel ablehnen – sei es Buddhisten, Hindus oder andere in eurer Gesellschaft und Umgebung – sagen: Es gibt nur eine Sache in der Bibel, die ist gut, und das ist die Nächstenliebe. Aber Nächstenliebe gibt es in allen Religionen. Das ist auch bei den gottlosen Leuten so, bei den Humanisten und allen anderen. Nächstenliebe ist sogar Grundlage unserer Verfassung. Deshalb ist das ein Problem.
Ihr wisst ja, worauf die gottlosen Leute das immer stützen. Wenn sie mit einem deutschen Bürger sprechen, sagen sie nach kurzer Zeit: „Eine Geschichte in der Bibel ist wirklich gut, und die lebe ich. Das ist das Motto.“ Es ist nämlich die Geschichte vom barmherzigen Samariter.
Nach dieser Geschichte gibt es sogar bei uns einen Arbeiter-Samariter-Bund, und man findet Samariterstifte und viele andere Dinge. Die Geschichte handelt davon, wie ein Mann in Not war und ein Samariter ihm zu Hilfe kam. Jesus hat hier eine ganz tolle Geschichte von der Nächstenliebe erzählt.
Und das machen wir ja auch, sagen die Leute. „So bin ich ja auch veranlagt, ich helfe, wo Not ist.“ Und dann tun sie irgendwo mal eine gute Tat.
Was ist denn jetzt eigentlich falsch daran? Habt ihr das mal durchschaut? Dafür braucht man doch keinen Jesus, oder? Kein Kreuz, keine Sündenvergebung. Denn die Leute sind doch alle gut. Wir sind doch die guten Samariter.
Die Geschichte vom barmherzigen Samariter als Schlüssel
Wer die Bibel dabei hat, soll sie mal aufschlagen: Lukas 10,25-37.
Das ist die am meisten missverstandene Geschichte im Neuen Testament. Ihr kennt die Geschichte, wir müssen sie jetzt gar nicht komplett lesen. Am Ende fragt Jesus: „Wer von diesen dreien ist der Nächste gewesen?“ Die Geschichte beginnt damit, dass ein Schriftgelehrter, ein frommer Bibelmann, mit Jesus diskutieren will. Er fragt: „Wer ist mein Nächster?“ Denn das Gesetz sagt: „Du sollst deinen Nächsten lieben, wie dich selbst“ – das stammt aus dem Alten Testament.
Der Schriftgelehrte will mit Jesus streiten: „Wer ist denn mein Nächster? Wen soll ich lieben?“ Wir sind vorher noch durch Willingen gelaufen, da waren viele Leute auf dem Weg. Diese Frage betrifft also viele Menschen: „Wer ist mein Nächster?“
Jesus gibt eine überraschende Antwort. In Vers 36 fragt er den Schriftgelehrten: „Wer von diesen dreien meinst du, war der Nächste für den, der unter die Mörder gefallen ist?“ Der, der verletzt am Boden liegt, wäre der Nächste für den gewesen, der ihm geholfen hat – der Samariter.
Jesus erzählt diese Geschichte und sagt damit: „Du bist gar nicht der, der Nächstenliebe übt. Du hast Nächstenliebe empfangen von einem Fremden, der verachtet ist.“ Die Samariter waren damals verachtet, und mit ihnen wollte ein Jude nichts zu tun haben. Doch dieser Samariter ist dein Nächster, und er hat dir geholfen. Du bist der, der am Boden liegt – das ist die Geschichte vom barmherzigen Samariter.
Das Entscheidende ist: Du musst zuerst erkennen, dass du derjenige bist, der am Boden liegt. An dir gehen der Levit und der Priester vorbei, also die Vertreter der Religion, aber keiner hilft dir. Dann kommt der Verachtete, an den du gar nicht denkst, und er hilft dir.
Du bist also zuerst der, dem geholfen wird. Jesus sagt uns damit genau das Entscheidende zum Thema Nächstenliebe.
Jetzt hoffe ich, dass ihr mitgekommen seid. Falls nicht, hier die Erklärung noch einmal: Du bist zuerst der, dem Liebe widerfährt. Du wirst beschenkt von einem Fremden, und dieser Fremde ist Jesus, der in dein Leben kommt. Du hast ja nichts gewusst. Der Schriftgelehrte meinte immer, er könne alles, er befolge das Gesetz. Aber er hat nie begriffen, dass er am Boden liegt und die Sünde in sein Leben Wunden gerissen hat.
Dann kommt ein Samariter und führt dich ins Hospital, in die Genesung. Das ist ein Bild, in dem Jesus sich selbst darstellt. Danach sagt Jesus: „Geh hin und tu dasselbe.“
Das ist ganz entscheidend für unser Thema: Kein Mensch hat die Liebe wirklich. Alle bilden sich nur ein, sie seien lieb. Das ist nicht der Fall. Wir sind alle Versager in der Praxis.
Für uns, die wir an Jesus glauben, ist es wichtig, ganz offen zu merken: „Halt mal, bei mir fehlt etwas.“ Was werde ich meiner Frau an Liebe schuldig bleiben? Was bin ich meinen Kindern schuldig geblieben? Was bin ich meinen Gemeindegliedern schuldig geblieben, die ich nicht richtig geliebt habe? Was bin ich den jungen Leuten schuldig geblieben, den Konfirmanden?
Wir sind alle Schuldner der Liebe. Kein einziger Mensch auf dieser Welt kann Liebe wirklich aus sich heraus tun. Darum ist es ein Teil der Heiligung unseres Lebens, dass diese Jesusliebe in unser Leben kommt. Das ist ganz genau entscheidend und wichtig.
Die Notwendigkeit der Jesusliebe und das Problem der Sünde
Wenn man sich heute auf dem christlichen Zeitschriftenmarkt umsieht, besonders bei den evangelikalen Zeitschriften, dann wird kaum noch über die Sünde gesprochen.
Das ist bei euch anders, so wie es gerade in diesem Lied zum Ausdruck kommt. In euren Gemeinden wird noch klar gesagt, dass die Sünde das größte Problem unseres Lebens ist. Niemand sitzt heute Abend hier, auch du und ich nicht, ohne dass er oder sie massiv mit Sünde im Leben zu kämpfen hat. Das ist tragisch. Würden wir alles aufzählen, was an Schmutz in unserem Leben ist, würden wir erröten.
Ich sage: Herr Jesus, ich möchte zuerst deine Liebe erfahren. Das ist ganz wichtig. Ich möchte von dir beschenkt werden. Du musst in das Dunkel meines Lebens hineinscheinen. Ich möchte deine erlösende Kraft erleben.
Wir können doch gar nicht anders leben. Wir sind alle so schreckliche Egoisten, die immer nur an sich selbst, an ihr Recht und an das, was sie brauchen, denken. Deshalb ist es so wichtig, die Liebe zu entdecken. Wo gibt es denn in dieser Welt Liebe?
Wir leben in einer schrecklichen Welt. Neulich sagte ein Nachrichtensprecher: „So schlimme Nachrichten habe ich in zwanzig Jahren noch nie verkünden müssen.“ Wenn man an den Terror des sogenannten ISIS denkt, an Millionen Menschen, die verhungern, an Kinder, die nie sauberes Wasser trinken können und nur sterben, weil sie verschmutztes Wasser haben.
Übrigens, damit Sie es wissen: Es sind eine Milliarde Menschen auf der Welt, die nie in ihrem Leben ein Medikament kaufen können. Wir leben in einer grausamen Welt. Und das alles hat der Mensch verursacht. Das ist nicht Schöpfung, das hat der selbstsichere Mensch gemacht.
Und wir, wir leben bei diesen wenigen Begüterten und Hütten, in all dem Leben, aber von Liebe keine Spur. Die Bibel erzählt schon von Anfang an, wie die ersten Menschen, die Gott geschaffen hat, keinen Frieden hatten. Einer schlägt den anderen tot. Es ist doch keine Welt der Liebe.
So eine Welt, in der die Faust herrscht und Grausamkeiten geschehen, wo einer den anderen fertig macht. Ich wohnte einmal neben einem Kindergarten und habe das von meinem Zimmer aus beobachtet. Bevor der Kindergarten geöffnet hat, kam immer einer, der alle anderen zuerst schlug. Das sind Kinder von drei Jahren. Glaubt nicht, es gäbe unschuldige Kinder. Kinder können so brutal miteinander umgehen.
Schon die kleinen Kinder mit drei Jahren zeigen, dass es keine unschuldigen Kinder gibt. Das steckt tief in unserem Menschsein drin.
Wir saßen vorhin beim Essen so schön zusammen. Einige interessierten sich für den Katechismus und zeichneten den Heidelberger Katechismus. Das ist ein interessanter Katechismus, der lesenswert ist, aus der Reformzeit, von der reformierten Kirche in Heidelberg damals verfasst.
Dort steht schon im fünften Artikel: „Ich bin von Natur aus so veranlagt, Gott und meinen Nächsten zu hassen.“ Das ist unsere Natur.
Und nur die Bibel sagt uns wirklich, dass es so ist. Wir haben die Liebe gar nicht. Die meisten Menschen betrügen sich selbst und sagen: „Ich bin doch so lieb, ich brauche das alles nicht.“ Aber sie sehen nicht den Ernst der Verlorenheit ihres Lebens.
Das hat mir ein bisschen ein Problem bereitet. Lieber Samuel hatte Geduld mit mir. Er sagte, wenn man über Liebe oder Nächstenliebe spricht, muss man erst einmal erkennen, dass man diese Liebe nicht hat. Die Gottlosen machen es uns vor und sagen: „Ich brauche das nicht, ich bin doch so lieb.“ Das stimmt aber gar nicht.
Es fehlt in unserer Welt an Liebe, an echter Liebe. Jesus hat es ja prophezeit in Matthäus 24, in seiner Endzeitrede: „Was wird das Zeichen der letzten bösen Zeit sein? Die Liebe wird in vielen erkalten.“
Alle reden von Liebe. In keiner Generation wurde so viel über Liebe gesprochen wie heute. In jedem Film, im Fernsehen, in allen Romanen und Schundheften wird von Liebe gesprochen. Aber da ist keine Liebe drin, sondern Selbstsucht, wahnsinnige Selbstsucht.
Deshalb gehen die Beziehungen auseinander. Das kann gar nicht funktionieren. Liebe ist etwas ganz anderes.
Man muss sich fragen: Wo kann ich denn überhaupt Liebe finden? Wo kann ich Liebe erleben?
Das ist schon beeindruckend in der Geschichte vom barmherzigen Samariter. Ich hoffe, wir sprechen später noch einmal darüber, damit ich es euch erklären kann.
Zunächst hat Jesus den Pharisäern und Schriftgelehrten gesagt: Du bist nicht der, der die Liebe hat. Du darfst sie empfangen von diesem fremden Samariter, der dich sieht, wie du am Boden liegst und der auf dich zugeht. Das ist die Geschichte, die Jesus mit dir hat und die er in deinem Leben tut.
Darum ist es für uns eine Kernsache, ob wir die Liebe überhaupt erlebt haben. Deshalb möchte ich euch sagen, dass das eigentlich das Thema ist, über das wir jetzt zunächst einmal reden müssen.
Die Bedeutung der Jesusliebe im Glauben
Ich habe oft die Angst, dass wir viel zu viel über Glauben reden. Komisch, denn das ist doch wichtig: Glauben natürlich, glaube es – die Verbindung zu Jesus. Aber der Glaube kommt zu seiner schönsten Form in der Jesusliebe. Jesus liebhaben, das Allerschönste – das ist Glauben.
Wenn du heute Nacht einschlafen kannst und sagst: „Lieber Heiland, Du bist bei mir, und ich bin bei Dir, und alles ist gut. Du bist mein Retter und mein Heiland.“
Wir begegnen vielen Christen, die die Jesusliebe nicht kennen. Die haben Jesus noch nie geliebt. Da gibt es sogar eine Geschichte im Neuen Testament, wo eine böse Hure, die ganz schrecklich gewütet hat, zu Jesus kam. Und da war ein Haus Simon des Pharisäers. Er sagte: „Wenn Jesus wüsste, was für eine Frau das ist, würde er sagen: Die Frau muss weg, Schmutzweib!“
Dieser Simon hat die Tränen über den Beinen von Jesus vergossen, weil er mich geliebt hat. Du hast das größte Manko deines Lebens: Du hast mich noch nie geliebt. Wer mich liebt, dem sind viele Sünden vergeben.
Im Epheserbrief 2 stand früher im Altluther-Text ein schönes Wort, das vielleicht manche noch im Ohr haben: „Jesus liebhaben ist besser als alles Wissen.“ Eine ganz korrekte Übersetzung von Martin Luther. Besser als alles Wissen, als alle Bände von Theologie, die du in dich hineindringst, ist Jesus liebhaben. Dass Christus durch Glauben und Liebe in euren Herzen wohne und ihr erfüllt werdet mit aller Gottesfülle – die Liebe zu Jesus.
Deshalb ist das Denken eine große Gefahr, wenn das Lieben nie dazukommt. Das Lieben kann man nur erfahren über die Wohltaten, die Jesus dir gibt.
Jetzt kommen euch sicher die Stellen im ersten Johannesbrief in Erinnerung: „Lasst uns ihn lieben, denn er hat uns zuerst geliebt.“ Liebe ist doch die Antwort auf das, was Jesus mir gegeben hat. In unserer Natur liegt diese Liebe gar nicht drin. Doch die Liebe hat uns so überwältigt.
Wer einmal erlebt hat, wie die Vergebung von Jesus sein Leben neu macht, der muss lieben. Der wird barmherzig mit den Menschen und ist erfüllt von einer ganz, ganz großen Liebe.
Da steht ja im 1. Korintherbrief dieses Kapitel von der Liebe, 1. Korinther 13. Manche lassen es sich sogar in ihren Ring eingravieren. Wenn Fritz mit Hulda sich verheiratet, sagt der Mensch: „Das soll das Motto sein, die Liebe ist doch die größte Sache.“ Und der merkt gar nicht, dass hier nicht von unserer Liebe gesprochen wird.
Unsere Liebe ist nicht langmütig. Nein, und unsere Liebe wird schnell empört. Wir dulden nicht viel. Die Liebe in 1. Korinther 13 ist keine Anklage, sondern sie passt nur auf Jesus.
Erst wenn du die Jesusliebe in dein Leben hineingetrunken hast, wenn du erfüllt bist von der Liebe Jesu, kannst du das begreifen.
Ihr habt ja in euren Liederbüchern ein ganzes Kapitel über die Liebe. Da sind all die herrlichen Lieder drin.
Wenn die Bundeswehr ihren Zapfenstreich macht, gefällt mir das immer. Ein hoher Politiker wird verabschiedet, dann kommt das „Helm ab“ zum Gebet. Das ist ein uraltes Ritual aus der preußischen Armee. Und dann kommt das Lied: „Ich bete an die Macht der Liebe, die sich in Jesus offenbart.“ Das ist ein Vers von Gerhard Terstegen, einem wunderbaren geistlichen Zeugen unseres geistlichen Lebens in Deutschland.
„Ich bete an die Macht der Liebe, die sich in Jesus aufmacht.“ Alle müssen das miterleben – die Soldaten. Aber ob sie es noch wissen, das müssen dann andere wieder sagen: Wisst ihr, was in dem Vers drinsteckt? „Ich bete an die Macht der Liebe, mit der ich Wurm geliebt war.“ Ich bin doch bloß wie ein Wurm im Dreckboden drin, aber Jesus hat mich geliebt. Das ist das Wunder meines Lebens, und das hat mich herausgezogen. Da kannst du erst überhaupt Liebe erleben.
Leider wissen das die meisten, die sich Christen nennen, in Deutschland nicht mehr. Darum müssen wir es ihnen erzählen und sagen: Das größte Wunder ist die Jesusliebe. Jesus liebt das Unwerte, die Schuldiggewordenen, die Untreuen, die Ungehorsamen.
Deshalb ist das Allgrößte das, was ihr in euren Liedern so schön vom Kreuz singt. Wer von der Liebe singt, der kann vom Kreuz nicht schweigen.
Da gibt es auch schon ein Lied von Klaus Heizmann, herrlich. Die Liebe von Jesus darf ich erfahren. Und die Menschen, die das Kreuz von Jesus nie begriffen haben, dass Jesus für meine Schuld stirbt.
In jeder Generation ist es so, dass man sich so angewöhnt zu sagen: „Na ja, so ist es eben.“ Aber man hat es nie wirklich begriffen.
Stell dir mal vor, da brennt ein Haus. Ein Feuerwehrmann kommt und sagt: „Da oben ist noch ein Kind, das muss man retten.“ Der Feuerwehrmann rennt rein und achtet nicht darauf. Schwer verletzt kommt er mit Brandwunden zurück. Er sagt der Mutter: „Wegen mir wäre es nicht nötig gewesen.“
Jesus hat noch viel mehr gebracht, als er sich Brandwunden holen wollte. Er hat sein Leben gelassen, damit du gerettet wirst.
Wir werden morgen noch von diesem ganz wichtigen Thema sprechen. Wer es einmal begriffen hat, sagt: „Welch eine Liebe hat uns der Vater erwiesen, dass wir böse, schuldig gewordene Leute, die ihr Leben nicht mehr ordentlich führen und die Hölle verdient hätten, Gottes Kinder heißen sollen und es auch sind.“ Das ist das Verdienst von Jesus.
Wer diese Liebe noch nie entdeckt hat, der kann von Liebe noch gar nicht reden.
Das ist der Grund im Neuen Testament, warum für uns die Liebe so wichtig ist. Im Galaterbrief steht, dass die Liebe eine Frucht des Heiligen Geistes ist. Ohne Heiligen Geist gibt es keine Liebe.
Das ist aufgezählt in Galater 5, Vers 22. Ihr kennt es auswendig: Die Frucht des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Gütigkeit, Glaube, Sanftmut, Keuschheit – bis hinein in alle Bereiche.
Deshalb geschieht die Heiligung meines Lebens, die Veränderung erst, wenn ich die Liebe von Jesus erkenne, die offenbar wurde in der Liebe, wie Jesus für uns sündige Menschen am Kreuz gestorben ist und in uns wohnen will.
Wie sagt der Apostel Paulus mal? Die Liebe Gottes ist ausgeschüttet in unser Herz mit Eimern.
Deshalb muss uns die Liebe Christi treiben. Wisst ihr, was das ist? Wie ein Motor. Sie treibt mich an.
Wenn du einmal die Liebe von Jesus erkannt hast, musst du weiterleben.
Darum ist zunächst einmal die Veränderung wichtig. Du kannst Liebe nicht erzwingen. Liebe kann man nicht machen, wie viele denken.
Dann wird alles hölzern und sperrig, weil sie sagen: „Ich möchte jetzt lieb sein.“ Es ist ja nett, wenn Kinder immer sagen: „Mama, ich möchte jetzt lieb sein.“ Wir wissen, das hält gerade mal zwei Minuten.
Das kennen wir von uns selbst: Ich kann Liebe nicht aus Zwang machen.
Das einzige Geheimnis ist nicht, dass man den Leuten sagt: „Du musst lieb sein, du musst lieb sein, du musst lieb sein.“ Sondern man erzählt ihnen, wie die Liebe Jesu sie umhüllt.
Dann wird die Liebe von Jesus sie treiben und erfüllen.
Wenn ihr mit Ehenöten zu tun habt oder mit Spannungen zwischen Kindern und Eltern – wo fehlt es? An der Jesuserkenntnis.
Nur wo Menschen die Liebe von Jesus in ihr Herz aufnehmen, ist Liebe überhaupt möglich.
Beispiele der Jesusliebe in der Geschichte und im Dienst
Ich war viel unterwegs in der Dritten Welt. Es war ein ganz besonderes Geschenk, in der Arbeitshilfe für Brüder tätig zu sein. Früher war ich in der Ostarbeit aktiv, noch zu Zeiten des Kommunismus. Es war sehr schön, in Osteuropa, Russland und den Oststaaten zu arbeiten, wo wir tätig waren, und später auch in vielen anderen Ländern der Welt.
Eine ganz wunderbare Begegnung hatte ich in China mit einem der großen Märtyrer, Wang Mingtao. Er war früher Leiter der Studentenarbeit. Mit über neunzig Jahren predigte er in einer verbotenen Hausversammlung in Shanghai. An einem Sonntagmorgen saßen wir 120 Leute in einer Zweizimmerwohnung auf dem Boden, und der alte Mann hielt die Predigt. Ich konnte zwar nicht alles verstehen, aber ich hörte andächtig zu.
Zum Schluss fragte ich ihn: „Hast du eine Botschaft für die deutschen Christen? Was brauchen wir in Deutschland? Du siehst das ja aus der Perspektive der verfolgten Kirche viel besser. Was ist notwendig?“ Er antwortete: „Ihr habt viele Werke in Deutschland, wahnsinnig viel gemacht. Die Christen sind aktiv. Vergesst die erste Liebe zu Jesus nicht!“
Die erste Liebe zu Jesus ist der Motor des Lebens. Das hat jemand begriffen, der 23 Jahre im Straflager war. Das Christenleben ist das Getriebenwerden von der Jesusliebe. Diese Erneuerung tut uns Not. Deshalb möchte ich immer wieder bitten, dass ihr das in eurem Leben entdeckt. So werdet ihr nicht zu verkrampften Kopfchristen oder bloßen Denkkristen. Die Liebe zu Jesus macht euer Herz wahr.
Diese Liebe befähigt euch, mit den Leuten mitzuleiden, die in Not sind. Ihr seht den Menschen in der Gemeinde, der eure Hilfe braucht, der eure Ansprache braucht. Das Kind, dem ihr begegnet, braucht Lob. Olaf hat es so schön gesagt: „Was würde Jesus tun?“ Wenn die Jesusliebe in deinem Herzen Raum greift, kannst du handeln. Das kannst du nur, wenn sie dein egoistisches Herz verändert und erneuert hat.
Ein Beispiel dafür ist die Geschichte von der Sünderin in Lukas 7,36-50. Die Liebe zu Jesus ist der Kernpunkt. Das ist ein Thema, das in vielen Kirchengemeinden heute nicht mehr gepredigt wird, und es fehlt. Nur aus der empfangenen Jesusliebe kann man ihn lieben.
Jesus zu lieben ist besser als alles Wissen (Epheser 3,14-21). Die Macht der Liebe, die in Jesus offenbar wird, ist ganz wichtig (1. Johannes 3). Wir erinnern uns auch daran, dass Jesus einen Musterjünger hatte, einen Tatmenschen: Petrus. Keiner hat so gesagt: „Für dich mache ich alles, ich gebe mein Leben für dich her, mich können sie totschlagen, ich bin opferbereit.“ Doch Jesus sagte: „Stoppt mal langsam! Ehe der Hahn kräht, wirst du mich dreimal verleugnen.“
Deshalb ist auf vielen Kirchtürmen ein Hahn angebracht – nicht wegen des Wetters, sondern als Erinnerung. So wenig können wir Jesus etwas versprechen. Wir sind sehr untreue Menschen. Petrus war der Beste unter den Jüngern, und doch hat er Jesus verleugnet und sich für ihn geschämt.
Als Jesus ihn wiedertraf, fragte er ihn: „Kann ich mich beim nächsten Mal auf dich verlassen? Hast du einen anderen Charakter? Bist du jetzt stabil? Hast du Glauben?“ Er fragte ihn: „Hast du mich lieb?“ Aus dieser Quelle kommt allein das neue Leben und die Heiligung deines Lebens.
Ich bitte dich, nimm dir in deinem Glaubensleben Zeit, steh bewegt da und sag: „Ich danke dir, lieber Heiland, für deine Liebe.“ Empfange jeden Tag neu die Vergebung von Jesus. Ich bete an die Macht der Liebe, die sich in Jesus offenbart. Ich will stehenbleiben, Herr Jesus, und deine Liebe in mir wirken lassen!
Die Liebe als treibende Kraft im Leben
Einer hat mal ein ganz tolles Bild für die Liebe gebraucht und hat von der Zentrifugalkraft gesprochen. Weißt du, wenn man im Auto eine Kurve fährt, zieht es immer nach außen – das ist diese Fliehkraft. Ganz besonders stark ist sie in Raumstationen, wenn man mit einer Rakete ins Weltall geschossen wird. Dort ist die Fliehkraft noch viel, viel stärker.
Das ist wirklich beeindruckend, wie eine Rakete da hochfliegt, bis sie oben im Weltall ankommt – das ist wahnsinnig! Und oben in der Raumstation schwebt alles. Ein Bibellehrer namens Walter Tlach hat gesagt: So muss uns die Liebe von Jesus treiben, dass die ganze Schwerkraft von uns keine Kraft mehr hat. Dass uns die Liebe Jesu hochtreibt.
Ich bin so froh, dass es nicht etwas ist, was man verkrampft machen kann. Es gibt so viele verkrampfte Christen, die sehen auch so bitterernst aus. Da merkt man, da friert man die Milch im Kühlschrank ein – das ist schlimm, die wird sauer. Die Liebe muss aus der Freude kommen. Wir müssen von Jesus getriebene Menschen sein.
Wenn du dir mal anschaust, die ganzen großen Taten der Liebe in der Diakonie wurden von Menschen gemacht, die von der Liebe Jesu getrieben waren. Um nur ein Beispiel zu nennen: die großen diakonischen Anstalten in Bethel. Sie wurden von Friedrich von Bodelschwingh gegründet. Er war im Berliner Schloss aufgewachsen und ein Spielkamerad des späteren Kaisers Friedrich III. In Berlin bewegte er sich in den feinen Kreisen. Sein Vater war preußischer Innenminister.
Weißt du, was er gemacht hat? Als er Pfarrer war, ist er zu den deutschen Gastarbeitern nach Paris gegangen. Es waren die Ärmsten der Armen. Er bezog eine ganz billige Wohnung und tat aus Liebe etwas für die Ärmsten. Doch dann passierte etwas ganz Schreckliches: Innerhalb von vier Wochen sind alle seine vier Kinder gestorben. Alle vier!
Er saß im Frühjahr auf der Bank vor den Gräbern seiner Kinder – alle waren weg. Er sagte: Die Welt ist so hart. Jetzt müssen wir den Menschen die Liebe Gottes zeigen, die fast verloren war. Schon das Kreuz wurde zu Gold für ihn. Denn es gibt kaum etwas, wo man die Liebe so spüren kann. Es passiert so viel Schweres in der Welt.
Dann kam der Ruf an ihn, ein paar Geisteskranke in Bielefeld zu betreuen. Es waren sechzehn Geisteskranke – damals sagte man noch „Deppen“. Daraus wurde eine Einrichtung mit bis zu sechstausend Kranken, den Ärmsten der Armen. Niemand hat die armen Geisteskranken so ernst genommen wie Bodelschwingh und ihnen die Liebe Jesu gebracht.
Oder die Mathilde Wrede, die als Gouverneurstochter sibirische Gefangene besuchte. Wenn du dir anschaust, was Menschen aus der Liebe zu Jesus schon getan haben, ist das so wichtig. Denn die Nächstenliebe wurde von gottlosen Leuten oft missbraucht. So machen wir das nicht. Es ist etwas ganz anderes, was die Liebe Jesu in Menschen bewirken kann. Sie verändert und erneuert sie.
In Ägypten gibt es Maggie Gobran, die Professorin an einer amerikanischen Universität war. Ihr Mann ist ebenfalls Professor und stammt aus einer reichen Familie. Sie hatte eine Tante, die sich um arme Müllkinder kümmerte, die den Müll zusammenlesen. Über sie ist ein Buch erschienen, und wir stehen in engem Kontakt mit ihr.
Maggie Gobran bemerkte, dass ihre Tante gestorben war und nun jemand den Dienst übernehmen musste. Sie sagte, sie könne die schmutzigen Kinder mit ihrer Krätze nicht anfassen – das sei eklig. Doch dann sagte sie: Jesus. Und plötzlich war kein Ekel mehr da. Sie konnte die Kinder in den Arm nehmen und sie lieben.
Deshalb ist es mir so wichtig, dass diese Liebe echt wird. Das kannst du nicht einfach machen, sondern das schenkt Jesus durch den Heiligen Geist. Er sagt: „Herr Jesus, ich bekenne mein hartes und egoistisches Herz vor dir und bitte dich, mich zu erneuern und zu verändern. Mach mich zu einem Menschen der Liebe, und verändere und erneuere mein Leben.“
Darum kann das nur verstehen, wer die Sünde seines Lebens kennt. Sein Ich sucht sein ganzes Wesen – seinen Geiz, seinen Neid, sein enges Herz. Deshalb ist es so groß, wie Jesus unser Leben erneuern und verändern will. Die Heiligung unseres Lebens wird an diesem Beispiel ganz klar.
Es geht nicht nur darum, ein paar Flecken oder matte Stellen im Leben zu ändern. Wer von euch ein altes Auto fährt, weiß, dass man Rostflecken reparieren kann. Man braucht einen Reparatursatz, spachtelt die Stellen zu und spritzt neue Farbe drüber. Aber im christlichen Leben geht es um eine Totalbekehrung.
Deshalb hängen Heiligung und Bekehrung zusammen. Wo ich mich zu Jesus bekehre, geht es immer um ein neues Leben, ein verändertes Leben, ein neues Tun. In Wort, Werk und Wesen soll Jesus ungestört wirken und mich erneuern und verändern.
Jetzt machen wir eine Pause, um zu lüften. Es ist gut, mal wieder frische Luft hereinzulassen, denn die Luft ist schon seit 30 Minuten verbraucht.
Was für uns ganz wichtig ist: Mit bloßen Appellen und neuem Ruf erreichen wir nichts. Wenn ihr in vielen Gottesdiensten beobachtet, warum sie oft leer und dürftig sind, liegt es daran, dass ständig darüber geredet wird, wie lieb wir sein müssen. Das ist fast ein Modell, das von Fernstenliebe und Migrantenliebe spricht – aber Jesus selbst kommt kaum vor.
Der ganze Appell fehlt die Kraft. Denn wo Jesus ist, da ist Leben. Das war auch beim Kerstdegen so: Er verbrachte Jahre seines Lebens damit, ein treuer Christ zu sein. Er kasteite sich, fastete und tat alles Mögliche. Doch dann merkte er: Die Übergabe an Jesus ist das Geheimnis.
Das ist die Bekehrung, die auch für die Heiligung unseres Lebens wichtig ist. Es ist mir am Anfang so entscheidend, dass wir merken: Es ist nicht etwas, was ich durch frommes Verhalten erreiche oder durch eine Methode. Nein, Jesus muss in deinem Herzen wohnen. Die Liebe Jesu muss dich erfüllen und dein Leben antreiben.
Es ist herrlich, dass du eine neue Kreatur bist und wirklich leben kannst, was Jesus in 1. Korinther 13 mit seinem Leben gezeigt hat: Das alte Leben ablegen bei Jesus und diese neue Form des Lebens leben.
Die Rolle der Nächstenliebe und Feindesliebe im Neuen Testament
Jetzt kommt ein ganz wesentlicher Punkt, bei dem ich mich mit Samuel ein wenig korrigiert habe. Jesus hat im Neuen Testament praktisch nie von der Nächstenliebe gesprochen, und auch der Apostel Paulus erwähnt sie kaum. Jesus sprach nur davon, wenn er das Alte Testament zitierte. Im Alten Testament war die Nächstenliebe eine Grundlage: „Du sollst Gott lieben, deinen Herrn, und deinen Nächsten wie dich selbst.“
Das ist mir sehr wichtig, weil wir das oft in ihrem Befund noch gar nicht so entdeckt haben. Ist Nächstenliebe nicht wichtig? Doch, natürlich. Aber Jesus war es zunächst wichtig, seine Liebe zu offenbaren. Wo seine Liebe da ist, da wird eine Liebe wirksam, die sich zum Nächsten ergießt.
Die Nächstenliebe dürfen wir ruhig als Grundgesetz unserer ganzen Welt ansehen. Sie ist für alle Humanisten und Menschenfreunde wichtig, auch für Atheisten, die ihre Hilfsbereitschaft zeigen. Für uns aber ist entscheidend, dass die Jesusliebe unser Leben erfüllt.
Worüber hat Jesus denn eigentlich gesprochen? Wenn er nicht von der Nächstenliebe sprach, worüber sprach er dann? Von der Feindesliebe. Hier berührt er gleich den schwierigsten Punkt: Ich soll meinen Feind lieben – den Mann, der mir auf die Nerven geht, der mich ärgert und strapaziert. Wie soll das gehen, einen Feind zu lieben?
In der Bergpredigt steht: „Du sollst deinen Feind lieben.“ Das klingt fast unmöglich. Das hat ja nur Jesus selbst getan, der am Kreuz für seinen Mörder betete: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ Jesus verlangt das von uns, weil er mit seiner Liebe unser Herz erfüllen will.
Deshalb ist es so wichtig, viel weiter zu gehen als bloß zur Nächstenliebe. Übrigens, das ist ein hoher Anspruch. Die meisten Menschen, die von Nächstenliebe reden, können ihre nächsten Angehörigen gar nicht wirklich lieben. Das kennen wir aus Familienspannungen und Nachbarschaftsstreitigkeiten.
Wenn man dann fragt: „Wo gibt es jemanden, bei dem es keinen Nachbarschaftsstreit gibt?“, meldet sich meist nur der, der allein im Haus wohnt und keine Nachbarn hat. Denn wir wissen, wie schwer es ist, seinen Nächsten zu lieben – auch im Geschwisterkreis.
Ich komme aus einer Familie mit fünf Brüdern und einer Schwester. Da sind die Funken geflogen. Ich war der Fünfte und habe einiges abbekommen. Aber versteht ihr, bei der Feindesliebe hat Jesus etwas gesagt, weil Hass in unserer Welt der Normalzustand ist.
Vor ein paar Tagen wurde im Bundestag über die Griechenlandhilfen debattiert. Ich war erstaunt, was die Abgeordneten einander an den Kopf warfen: „Das ist eine Lüge, was Sie sagen, Herr Abgeordneter!“ – „Das ist falsch, Sie betrügen uns alle!“ Nicht nur im Bundestag geht es so zu, sondern in der ganzen Welt herrscht oft Grausamkeit.
Wir kennen das alle aus unserem eigenen Herzen: Was Hass, Neid und Geiz anrichten können. Das kann man nur überwinden, wenn Jesus unser Herz erfüllt und die Jesusliebe in uns wohnt.
Jesus hat das im Gleichnis vom Weinstock so schön gesagt: „Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt gute Frucht.“ Heiligung gelingt nur mit Jesusliebe. Jesus muss dein Herz erfüllen, sonst bleibt dein Tun leer, kalt und gefühllos.
Du musst Jesus erkennen und seine Liebe erfahren. Deshalb ist es auch so wichtig, Menschen zu begegnen, die besonders Not mit ihrer Liebe haben, und ihnen zu sagen: „Du musst Jesus kennenlernen.“
Unsere Welt besteht aus Hass, Feindschaft und Bitterkeit – das ist sehr notvoll. Schaut euch in eurer Umgebung um, wie die Verhältnisse sind. Mit dem Gebot, das Jesus gibt – „Ich soll meinen Feind lieben“ – bricht etwas von der himmlischen Welt in unsere irdische Welt ein.
Das ist etwas Großartiges, wenn es dir gelingt. Jesus sagt nicht, man solle feurige Kohlen aufs Haupt des Feindes sammeln, sondern ihm Liebe zeigen, ihm nachgehen, ihm beistehen. Das ist wunderbar.
Vielleicht verändert das schon unser ganzes Denken: Wie kann ich anderen Menschen spürbar machen, was diese große Jesusliebe bedeutet?
Das ist ja überhaupt ein Geheimnis. Wer von euch als Lehrer weiß, wie schwer es ist, einen schwierigen Schüler zu gewinnen? Man kann das nur mit Liebe überwinden.
Ich habe für evangelische Lehrer an freien evangelischen Schulen Referate über die Pädagogik der frommen Pietisten gehalten. Das ist eine alte Generation der Erweckungen in unserem Land der letzten 400 bis 500 Jahre.
Wie haben sie es gemacht, wenn sie ungezogene oder schwierige Kinder hatten? Darf ich es euch mit einem Wort sagen? Nie mit Strafen, immer nur mit Liebe.
Sie nahmen teilweise bis zu 20 schwer erziehbare Kinder in ihre Familien auf – aber nie mit Strenge. Wir meinen oft, evangelikale Erziehung bedeutet Strenge. Doch nur die Liebe von Jesus verändert das Herz.
Wenn du mit schwierigen Menschen zu tun hast, nimm das Beispiel von Jesus, der Menschen durch große Liebe umgepolt hat. Das ist die Feindesliebe – dort, wo sie mir entgegenschlägt und ich sie erfahren kann.
Das ist etwas Bewegendes, wenn man diese unverdiente Liebe erlebt – besonders in der Erziehung schwieriger junger Leute.
Ich bitte euch: Glaubt nicht, dass man Menschen mit Schlägen oder bösen Worten ändern kann. Das ist nie gelungen.
Interessant ist, dass große Pädagogen wie Friedrich August Ludwig Falk, der das Weihnachtslied „O du fröhliche“ gedichtet hat, selbst viel Leid erfahren haben. Er verlor sechs Kinder in Weimar.
Nach den Napoleonkriegen gab es in Deutschland Tausende Straßenkinder, die bettelten, raubten und oft auch prostituierten. Straßenkinder sind keine liebreizenden Engel, sondern „in allen Wassern gewaschen“.
Diebstahl und Raub wurden damals mit Gefängnis und Eisen bestraft. Falk aber errichtete im Lutherhof eine Heimat für diese Kinder und erreichte sie mit Liebe und dem Evangelium.
Das ist immer die große Gabe: Nicht mit Strenge, sondern durch Liebe öffnet man Menschen – so wie Jesus es bei den schwierigsten Menschen tat. Die Zöllner waren schwierige Leute, und die Huren galten als böse Frauen. Jesus erreichte sie nur durch Liebe.
Für uns ist es deshalb so wichtig, dass Jesus uns das Gebot der Feindesliebe als zentral aufgetragen hat: Geduld und Liebe.
Nun mag man sagen: „Ich kann das gar nicht, ich habe diese Liebe nicht.“ Wenn jemand patzig zu mir ist, reagiere ich oft mit „Wie du mir, so ich dir.“ Das steckt tief in uns.
Wenn nicht die Jesusliebe mich innerlich verändert und erneuert, kann ich nicht anders handeln. Wenn der andere kommt mit „Wie du mir, so ich dir“, dann kann ich ihm mit Jesu Liebe begegnen.
Du kannst ruhig zweimal und dreimal probieren, und Jesus sagt, wir sollen siebenmal siebzigmal vergeben, auch wenn es unwürdig war. Das kann nur jemand, der die Jesusliebe erfahren hat.
Sonst wäre das eine fantastische Geschichte, die nicht funktioniert. Die Heiligung des Lebens kommt tatsächlich durch Jesus, und diese neue Grundordnung gilt.
In unseren Zeitungen wird oft falsch zitiert, wenn es heißt: „Auge um Auge, Zahn um Zahn.“ Das wird meist bei den Kriegen um Israel erwähnt und verstanden als „Wenn einer mir ein Auge ausschlägt, schlage ich ihm auch eins aus.“
Das stimmt natürlich nicht. Im alttestamentlichen Gesetz bedeutete „Auge um Auge, Zahn um Zahn“ nur, dass die Strafe der Tat entsprechen muss – ein Grundsatz unserer ganzen Gerichtsbarkeit.
Für Jesus gilt dieses Gesetz nicht mehr. So, wie Jesus mir Liebe erwiesen hat, möchte ich allen Menschen diese Liebe weitergeben.
Das ist die Grundordnung des neuen Ewigkeitsreichs – und das ist nur mit Feindesliebe möglich. Viel, viel mehr als Nächstenliebe.
Nur bekehrte Menschen, die die Liebe Jesu in ihrem Leben haben, können das.
Der Apostel Paulus spricht auch nicht von Nächstenliebe – das war für ihn selbstverständlich für die Menschen in unserer nächsten Umgebung, in unseren Familien. Er spricht ebenfalls von Feindesliebe.
Römer 12,20: „Wenn dein Feind hungert, gib ihm zu essen, dürstet ihn, gib ihm zu trinken.“ Dein Feind! Woher hast du das, wenn du von Jesus noch gar nichts verstanden hast?
1. Johannes 2,9 sagt: „Wer da sagt, er sei im Licht, und hasst seinen Bruder, der ist noch in der Finsternis und hat von Jesus nichts begriffen.“
Darum ist es so wichtig: Es gibt keine Gemeinschaft mit Jesus, wenn sie mein Leben nicht prägt und verändert.
Das ist der einfache Beweis, ob ich es verstanden habe und die Jesusliebe in mich aufgenommen habe – dass sie mich verändert und erneuert.
Auch im Jakobusbrief steht viel darüber: „Liebet eure Feinde“, sagt er. „Segnet die, die euch fluchen, tut wohl denen, die euch hassen. Wenn dein Feind hungert, speise ihn. Bitte für die, die euch beleidigen und verfolgen.“
Das muss die Jesusliebe deines Lebens sein und der Test, ob du begriffen hast, was Jesus an dir getan hat.
Die Jesusliebe ist der Grundbestandteil deines Lebens, der dich erfüllt und antreibt.
Ganz toll ist eine Geschichte aus dem Alten Testament, in den Chronikbüchern, wie Feinde abgeführt wurden. Ein Prophet sagte: „So geht ihr mit Feinden um?“ Schon im Alten Testament wurde gesagt, dass sie Menschen sind.
Dann brachten sie auf einmal Lebensmittel, versorgten die Gefangenen, verbanden ihre Wunden und halfen ihnen.
Das ist eine christliche Lebensordnung, die Jesus noch einmal ganz kraftvoll erfüllt hat.
Darum habe ich mich etwas schwergetan, ihr versteht jetzt das Thema Nächstenliebe besser. Es geht um viel, viel mehr.
Es geht auch darum, dass der, der mir auf die Nerven fällt und mir Probleme macht, an der großen Jesusliebe teilhat.
Das ist ein wunderbares Zeugnis, das man bei Christen kennen sollte: Sie sind keine hartherzigen Menschen.
Es gibt zwar viele hartherzige Christen, die verurteilen und schuldig sprechen, aber das entspricht nicht der Jesusliebe.
Die Liebe am Platz, wo Gott uns hingestellt hat
Jetzt wollen wir noch einen Punkt zur Liebe hinzufügen, der mir plötzlich wichtig wurde: Die Bibel zeigt uns, dass wir die Liebe an dem Ort üben sollen, an dem Gott uns hingestellt hat. Das ist sehr bedeutend.
Es ist schön, dass ich als älterer Mensch für euch Jungen noch sprechen darf. Dafür danke ich euch und genieße es. Wir Alten haben einen Vorteil, nämlich viel Lebenserfahrung. Das, was Olaf erzählt hat, hat mein Herz zum Lachen gebracht.
Wie oft habe ich in meinem Leben gedacht, ich sei nie am richtigen Platz. Ich fühlte mich von Gott zur Mission berufen, kam aber nie wirklich in die Mission. Ich wollte Evangelist sein, bin aber nie dorthin gekommen. Stattdessen landete ich an einem Ort, wo ich gar nicht hinwollte: im Pfarramt. Doch im Rückblick kann ich nur sagen, dass Gott alles wunderbar geführt hat.
Man muss sich aus dem Kopf schlagen, dass man seine eigenen Träume leben kann. Das ist ein gottloser Gedanke. Gott führt ganz anders, als wir es uns vorstellen. Oft braucht es Jahre, bis man begreift, dass Gott einen besser führen konnte, als man es selbst geplant hätte. Das darf ich als älterer Mensch bezeugen, dass ich an dem Platz bin, wo Gott mich hingestellt hat.
Interessant ist, dass dieses Thema im Neuen Testament sogar für Menschen entfaltet wird, die Sklaven waren – das Allerschlimmste. Christen mussten als Sklaven leben, über die man wie über eine Ware verfügte. Das ist kaum vorstellbar.
Schlagen wir 1. Petrus auf, Kapitel 2, Vers 18, und lesen, was Petrus zu den Sklaven sagt: 1. Petrus 2,18-25 zeigt sehr praktisch, wie die Heiligung unseres Lebens aussieht. Dort heißt es:
„Ihr Sklaven, ordnet euch in aller Furcht den Herren unter, nicht nur den gütigen und freundlichen, sondern auch den widerspenstigen und schwierigen! Ihr habt doch alle Vorgesetzte – und ja, es ist nicht leicht bei mir in der Firma.“
Gerade das Zeichen der Heiligung ist, dass ich die Art Jesu in meinem Herzen trage und mich unterordnen kann. Für Sklaven war das damals ein massloses Unrecht. Man könnte meinen, sie müssten aufbegehren und Revolution machen. Paulus predigt jedoch nicht die Revolution gegen das Unrecht, sondern sagt:
„Lebt so, denn das ist Gnade, wenn jemand vor Gott um des Gewissens willen das Übel erträgt und das Unrecht leidet. Denn was für ein Ruhm ist es, wenn ihr wegen schlechter Taten geschlagen werdet und es geduldig ertragt? Aber wenn ihr um guter Taten willen leidet und es ertragt, das ist Gnade bei Gott. Denn dazu seid ihr berufen. Auch Christus hat für euch gelitten und euch ein Vorbild hinterlassen, dem ihr nachfolgen sollt.“
Jesus hat keine Sünde getan, und in seinem Mund fand sich kein Betrug. Er hat nicht widergesprochen, als er geschmäht wurde. Das Bild von Jesus muss in deinem Leben lebendig sein.
Ich möchte euch noch ein paar Geschichten erzählen: Die ersten Deutschen, das waren die Germanen. Der erste germanische Stamm, der das Evangelium annahm, war ursprünglich ein kriegerisches Volk. Sie glaubten an schreckliche Götzen wie Wodan. Diese Religion wurde später von den Nazis missbraucht, was sehr schlimm war.
Die alten Germanen waren in okkulte Dinge verstrickt. Dennoch kamen sie zum Glauben, als sie kleinasiatische Kriegsgefangene machten – heute in der Türkei. Diese Kriegsgefangenen waren Christen. Durch ihr Verhalten führten sie ihre Herren zu Jesus, obwohl sie selbst gebunden waren.
Das ist die wunderbarste Geschichte der Kleingoten, die die ersten Germanen bekehrten: Die Gefangenen bekehrten ihre Herren. Das ist für uns ein Bild, das zeigt, dass es um viel mehr geht als Nächstenliebe unter Christen. Wir sollen auch in schwierigen Verhältnissen für schwierige Menschen beten und ihnen Liebe zeigen.
Es ist sehr schwierig, wenn man zum Beispiel mit Menschen zu tun hat, die Unrecht tun. Dennoch kann man auch dort ein Zeugnis Jesu geben. Es gibt viele Geschichten von Christen, die genau das getan haben – ein herrliches Zeugnis der Liebe, auch an dem Platz, wo Gott sie hingestellt hat, selbst wenn dieser Platz schwierig war.
Die Bedeutung der Diakonie als Ausdruck der Liebe
Jetzt möchte ich noch ein Wort zur Diakonie sagen. Sie ist zuständig für den Sozialdienst, den wir tun, den Liebesdienst in der praktischen Hilfe – sei es in einem Kinderheim, im Kindergarten oder im Altenheim, wo wir pflegen. Der Dienst der Diakonie gehört ganz wesentlich zum christlichen Leben dazu.
Darum ist es interessant, dass etwa die Frau von Chiang Kai-shek – einem chinesischen Präsidenten – Christin war. In der Zeit, bevor der Kommunismus China übernahm, sagte sie: Die Religion des Konfuzius in China hat nie ein Altenheim gebaut, nie! Sie haben auch nicht dafür gesorgt, wie es den Alten dort ging. Es ist eine ganz besondere Form der christlichen Liebe, aktiv zu werden, eine Not zu erkennen und eine Aktion zu starten.
Bei uns in Tuttlingen, das liegt in Richtung Bodensee, waren drei Gemeinschaftsleute, die damals das Problem sahen, dass viele Alte keinen Altenheimplatz hatten. Diese drei Männer haben eine Initiative ins Leben gerufen – ein großes Altenheimgebot. Gott hat seinen Segen dazugegeben, sodass es bis heute unter der Leitung der Pietistischen Gemeinschaft steht und einen sehr großen Dienst tut. Auch das ist entscheidend: Ich darf Liebestätigkeit tun.
Das haben wir schon im Neuen Testament bei den ersten Diakonen. Der erste Diakon, Stephanus, zeigt uns, was heute bei unserer Diakonie oft falsch läuft. Er hatte ein so klares Jesuszeugnis, dass es zu einem Prozess kam, in dem er zum Tod verurteilt und gesteinigt wurde. Stephanus war der schönste Jesuszeuge. Wir können nicht Ja sagen zu einer Diakonie, die kein Jesuszeugnis hat.
Heute gibt es in Deutschland etwa 450 Mitarbeiter in der kirchlichen Diakonie. Aber wer von ihnen kennt Jesus wirklich, kann beten und ein Jesuszeuge sein? Hier liegt das Problem unserer kirchlichen Diakonie. Dennoch sollten wir wieder Diakonie machen, bei der wir sagen: Wir wollen uns um die Alten, die Bedürftigen oder die unbetreuten Kinder kümmern.
Ich freue mich sehr, dass heute viele die Initiative ergreifen bei den Kitas. Wir betreiben Kitas mit gläubigen Christen, in denen wir ganz klar auch die Jesusbotschaft weitergeben. Das ist der Auftrag der christlichen Liebe. Und das gehört zu unserer Heiligung. Dabei geht es um alle Gaben meines Lebens, die ich in der Liebe einsetze.
Heute spricht man viel von Gottesdiensten. Im Neuen Testament kommt das Wort Gottesdienst interessantweise nicht besonders oft vor, ebenso wenig wie das Wort Nächstenliebe. Wo aber begegnet Gottesdienst? Zum Beispiel beim Besuch von Witwen und Waisen – also der praktischen Liebe.
Oder Paulus schreibt in Römer 12: Stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern verändert euer Herz. Er fordert uns auf, unsere Leiber als Opfer hinzugeben, zum Dienst. Das ist euer vernünftiger Gottesdienst. Das heißt, meinen Leib in diesen Dienst der Liebe hineingeben und das praktizieren.
Das ist heute besonders wichtig. Ich sage gerne: Wo kann ich dienen? Wo kann ich etwas einbringen? Schon wenn ich zur Versammlung gehe, sollte ich fragen: Wer braucht mich heute? Auf wen gehe ich zu? Wo ist ein Einsamer, den ich aufrichten kann? Wo muss jemand gelobt oder ermutigt werden? Die Liebe von Jesus weitergeben, der mir so viel Liebe gegeben hat.
Ich muss darauf achten, den vernünftigen Gottesdienst zu tun – mit meinem Leben, mit meiner ganzen Existenz Gott zu dienen. Die zweite Meile mit jemandem gehen, der mich um etwas bittet, und ihm etwas ganz Besonderes geben.
Die Herausforderung der Bruderliebe in der Gemeinde
In der Bibel spielt die Liebe in einer ganz besonderen Beziehung eine Rolle. Wir haben bereits die Feindesliebe besprochen, die Hingabe unseres Leibes und die Diakonie in der praktischen Tat. Welche Form der Liebe kommt jetzt noch dazu? Die Brüderliebe.
Die Brüderliebe haben wir schon angesprochen. Sie ist besonders kompliziert, weil der Bruder einem auf die Nerven gehen kann, weil er einem so nah ist und weil er Probleme macht. Selbst in einer Gemeinde gibt es schnell Streit, auch im ältesten Kreis. Das passiert sehr schnell, zum Beispiel bei den Trägern, in der Jugendarbeit oder im Mitarbeiterkreis.
Leider ist die christliche Gemeinde oft von Spannungen geprägt, und Christen teilen sich deshalb häufig auf. Sie gründen schnell neue Gemeinden und wundern sich dann, warum kein Segen darauf liegt – wegen menschlicher Spannungen. Die Bruderliebe ist kompliziert, weil man das größte Opfer bringen muss: Man muss das, was an einem anderen ist und Probleme macht, mittragen.
Der Apostel Paulus erwähnt im Galaterbrief einen Fall, der für uns heute besonders aktuell ist. Wenn dein Bruder von einem Fehler übereilt wird und plötzlich in eine böse Sache hineingerät, was machen wir dann? Paulus schreibt in Galater 6, dass wir ihn nicht ausschließen sollen. Stattdessen sollen wir ihn der Kirchenzucht unterwerfen. Das ist oft geschehen.
Paulus fordert uns auf: „So helft ihm wieder zurecht mit sanftmütigem Geist, ihr, die ihr geistlich seid.“ Liebe Freunde, wir versündigen uns oft am Bruder. Viele Menschen werden von Fehlern übereilt, reagieren im Zorn oder treffen einsame Entscheidungen. Die Gemeinde besteht aus vielen Fehlern – wir sind alle mit dabei.
Wie wir reagieren, ist entscheidend. Paulus sagt: „Helft ihm wieder zurecht mit sanftmütigem Geist, ihr, die ihr geistlich seid.“ Das bedeutet, wir sollen den Geist Jesu in uns haben. Der Heilige Geist ist ein Geist, der gerade die Fehlbaren tragen kann. Das merken wir schon, wie wir bei der Erziehung gesehen haben: Strenge und hartes Urteil helfen nicht.
Besonders schlimm ist das Hinten-herum-Reden. Interessanterweise sündigt unser Mund am meisten durch Worte, die eine Sache schlimmer machen. Im Jakobusbrief wird eindrucksvoll beschrieben, was die Zunge anrichten kann: Kleine Ruder steuern ein ganzes Schiff, und die Zunge, ein kleines Glied, kann einen ganzen Wald anzünden.
Das Schlimme an Worten in der Gemeinde kennt ihr alle aus euren Gemeinden. Worte kann man nicht zurücknehmen. Wenn du Steine wirfst, kannst du sie wieder aufsammeln – Worte aber nicht. Jeder vergisst nie, wenn ihm einmal etwas Böses oder Unrechtes gesagt wurde. Diese Verletzungen bleiben oft ein Leben lang.
Man kann alte Menschen fragen, die noch immer an eine Verletzung aus ihrer Kindheit denken. Zum Beispiel, wenn der Prediger damals sagte: „Du freches Kind!“ und das nie vergeben wurde. Es sitzt als Wunde und Bitterkeit tief drin. Deshalb müssen wir vorsichtig sein mit dem, was wir mit unserer Zunge sagen.
Alles, was wir mit Liebe tun wollen, wird zur Karikatur, wenn wir nicht offen und direkt unter vier Augen sprechen. Das gibt es. Wenn jemand gar nicht hört, holen wir die Ältesten und sagen: „Wir haben da ein Problem.“ Aber es geht nicht, dass wir schreckliche Parolen in der Gemeinde verbreiten.
Die Gemeinden werden dadurch zerstört. Sie können kein Zeugnis mehr geben, weil keine Liebe und keine Wärme mehr da sind. Man hört dann Sätze wie: „Der hat das von seinem Vater, und da war schon diese Sache, und sein Bruder auch, und wir kennen die ganze Geschichte.“ Natürlich ist das oft wahr, aber wir helfen damit nicht in der Jesusliebe.
Das Tolle ist: Jesus war verschwiegen, wenn es um die Fehler der Menschen ging. Es hat keinen Sinn, über andere zu reden. Wir müssen die Dinge vor Jesus bereinigen, auch in der Seelsorge mit Menschen reden. Darum ist es so wichtig, dass wir das tun.
Der Apostel Paulus sagt im Galaterbrief, dass dies unser neues Gesetz ist. Er spricht von einer neuen Lebensordnung, in der wir in der Art Jesu leben. Plötzlich merken wir, dass die Jesus-Gesetze unsere neue Lebensordnung sind. Sie sind gut und heilbringend. Diese Ordnung gehört zum Gesetz der Freiheit, wie es im Jakobusbrief heißt.
Dieses Gesetz der Freiheit ist die neue Lebensordnung, die Jesus uns gegeben hat, weil er uns in seiner großen Liebe geliebt hat. Für uns gibt es keine andere Möglichkeit, als diese Ordnung mit Haut und Haar zu leben.
In der Bergpredigt erzählt Jesus, wie es sein wird, wenn er kommt. Dann ist plötzlich die Tür zur königlichen Hochzeit in der Ewigkeit geschlossen. Draußen stehen einige und klopfen an die Tür und sagen: „Herr, tu uns auf! Wir haben doch in deinem Namen Wunder getan, wir haben prophetische Aussagen gemacht.“ Aber Jesus sagt: „Ich kenne euch nicht.“
Jesus kennt nur die, die in seiner Ordnung leben. Deshalb ist es für uns eine Verpflichtung, diese Ordnung konsequent zu leben.
Abschluss und persönliches Zeugnis
Jetzt muss ich sagen, dass mir all das, was ich euch heute Abend gepredigt habe, sehr fehlt. Ich habe es mir heute Abend noch einmal selbst gepredigt, weil ich es wieder brauche. Ich kann nur sagen: Jesus, gieße deine Liebe ganz neu in mein Herz hinein. Du musst mich verändern und erneuern, ich brauche das.
Es tut mir leid, wenn man schuldig geworden ist. Der Herr Jesus will auch diesen Schaden heilen. Ich hoffe, dass er heute Nacht manches mit Jesus ordnen kann und die Weichen richtig stellt. Wir brauchen bis an unser Lebensende immer wieder neu die Gnade und Barmherzigkeit unseres Herrn Jesus.
Jetzt kann man gern noch Fragen stellen oder sagen, wie man es machen wollte. Ich weiß nicht, ich habe jetzt genug geredet, die Müdigkeit nimmt zu. Aber ich habe die wesentlichen Dinge bedacht.
So, noch einmal der Liedsänger. Danach haben wir noch eine Frage oder Ergänzungen, falls noch Dinge da sind, die man vertiefen sollte. Vielleicht habt ihr Ergänzungen oder ihr sagt, jetzt müssten wir noch etwas klären, oder etwas ist nicht richtig deutlich geworden zu diesem wichtigen Thema: Was muss ich tun?
Ein schönes Beispiel war von Olaf, wie er einen Obdachlosen zur Evangelisation eingeladen hat. Es ist überhaupt toll, dass wir daran erinnert werden: Ich muss auf Menschen zugehen, die nicht in meinem Freundeskreis sind.
Ich finde es immer wieder eine ganz tolle Sache, was 1990 in Zentralasien passiert ist. Seid euch bewusst, dass dort viele gläubige Jesusleute leben, zum Beispiel in Kasachstan und Kirgisistan. Aber es ist nie gelungen, einen Kasachen oder Kirgisen in die Versammlung zu bringen. Ich habe manche gefragt und immer wieder die gleiche Antwort bekommen: „Die stinken so schrecklich nach Knoblauch. Würde ich nie im Auto mitnehmen“, hat mir einer mal gesagt.
Franz Thiesen und Heinrich Voth sind nicht ausgesiedelt, sondern haben 1990, als die Freiheit kam, angefangen, auf die Kirgisen zuzugehen. Das hat mich bewegt: Hunderte von kirgisischen Gemeinden sind aus der Jesusliebe entstanden.
Man muss sich auch bewusst machen, dass es für uns keine Schranken gibt. Die Leute, die Gott uns auf den Weg stellt, sind heute ganz wichtig. Ich finde es enorm, wie heute die Iraner zum Glauben kommen. Migranten in eurer Nähe – wir haben auch die Aufgabe, auf sie zuzugehen.
Ich war neulich beeindruckt, wie Hein Spindler, Direktor vom Bodenseehof der Fackelträger, nach Belgrad gegangen ist und unter Roma und Zigeunern arbeitet. Das ist ein Abstieg. Er war Bibelschuldirektor im Bodenseehof und ging dann zu den Zigeunern, bei denen eine Festspeise ein Igel ist und solche schönen Sachen. Das ist eine Sache aus Liebe, um Menschen Jesus großzumachen, aus Liebe. Und das ist schwer.
Wir haben von Feindesliebe gesprochen, aber jeder Missionar muss das tun. Ich war schockiert, als ich bei den Indianern war und die Missionare erzählten, dass man da in einen Trug spuckt und das Getränk, das man bekommt, der Begrüßungstrank ist. Da könnte ich kein Indianermissionar werden. Es ist interessant, dass man manchmal seinen Ekel aus Liebe zu Jesus überwinden muss.
Man muss sich auch bewusst machen, dass es manchmal leichter ist, im Pflegeheim oder wenn man die eigene Mutter pflegt, als einen ganz fremden Menschen zu betreuen. Also muss man sich bewusst machen, dass die Jesusliebe uns verändern will. Unser ganzes Wesen soll so werden, dass wir auf andere zugehen können.
Bei der Nächstenliebe – die geht noch, wenn es jemand in meiner Nähe ist. Aber auch das hat seine Spannungen, wie bei der Bruderliebe. Jesus hat uns aufgerufen, auch die zu lieben, die uns hassen und uns schwere Not machen. Wir müssen uns das bewusst machen, aber es kann nur so sein, dass ich von der Jesusliebe überwunden werde.
Das war bei Heinz Spindler so. Ich habe verfolgt, wie er nach Belgrad ging und entdeckte, wie die Ärzte sich bekehrten und was das für eine Aufgabe ist. Das wird bei euch ganz genauso sein. Es braucht dieses Opfer, diese zweite Meile, die man mit einem Menschen gehen muss, um ihn zu überwinden.
Habt ihr noch andere Dinge zu diesem wichtigen Thema? Wachsen in der Heiligung, in der Liebe, wachsen! Bitte!
Ein Beispiel vielleicht spontan: Wenn man merkt, dass jemand von der Stimmung her bedrückt ist, eher depressiv, und man weiß, dass es oft gut tut, rauszugehen, wenn das Wetter schön ist und die Sonne scheint, um die Stimmung zu heben. Aber die Person will nicht raus, möchte einfach nicht.
Dann gibt es Situationen, in denen man sagt: „Okay, ich nehme dich jetzt einfach mit, auch wenn du nicht willst.“ Und dann war das Ergebnis, dass die Person später sagte: „Ja, es hat mir wirklich gutgetan, es hat mir gepasst.“ Aber in einer ähnlichen Situation will sie dann wieder nicht mitgehen.
Normalerweise muss man sagen: Zwang richtet Zorn an. Bei uns selbst, also das Gesetz, das uns zwingt, richtet Zorn an, fordert, aber kann nicht helfen. Es ist etwas anderes, wenn ich jemanden mitnehme und sage: „Komm, wir packen das an“, und ihn ermuntere. Das ist eine Aufmunterung.
Aber mit Zwang erreicht man sicher nichts. Das wissen wir auch von unseren Kindern: Wenn wir sagen: „Jetzt müssen wir“, sperren sie sich oft, strampeln und legen sich auf den Boden. Dann geht gar nichts mehr. Das bleibt ein Leben lang so. Wenn uns jemand zwingen will, wehren wir uns, auch im hohen Alter.
Ich kann nur in der Liebe begleiten. Liebe hat etwas Wunderbares, eine Himmelsmacht. So heißt sogar ein Schlager: „Die Liebe ist eine Himmelsmacht“ – ein weltlicher Schlager, der das entdeckt hat.
Was ist Liebe? Meistens ist es eine sehr selbstsüchtige Liebe. Das, was heute unter irdischer Liebe gespielt wird, ist oft brutal: Menschen leben nur für sich selbst und gehen sofort auseinander, wenn der andere nicht mehr ihren Wünschen entspricht.
Deshalb ist es ganz wichtig, dass wir uns in die Jesusliebe und noch schöner in die Liebe Gottes, des himmlischen Vaters, versenken, der die Verlorenen sucht und für sie alles opfert und hergibt. Erst wenn diese Liebe unser Herz verändert hat, wissen wir, dass sie die größte Gabe ist, die uns am meisten befriedigt und Freude macht.
Das ist ganz schön, denn das, was man bekommt, ist oft gar nicht so freudenerweckend. Das Schönste ist das Geben. Es ist seliger, zu geben als zu nehmen. Das kennen wir auch von Kindern: Wie freut sich ein Kind, wenn es der Mutter eine Freude machen kann.
Liebe ist eine wunderbare Sache, wenn es uns gelingt, einem anderen Liebe zu erweisen. Man muss darüber nachdenken, wie man das kann. Das ist auch für eine Gemeinde wichtig, aus der ihr überall kommt. Es muss eine spürbare Liebe sein, wo man merkt, dass sie sich lieb haben. Dort wird das auch gelebt.
Dort wird auch ein Kind ernst genommen, und es gibt keinen, der entwürdigt oder herabgewürdigt wird. Mir ist das ganz besonders wichtig, weil ich 40 Jahre im Gemeindedienst war und oft gemerkt habe, dass sich viele Schwestern von den Männern herabgewürdigt fühlen.
Darf ich das mal aussprechen? Als Frau gilt man oft nichts. Das wäre furchtbar, wenn wir nur eine Macho-Rolle spielen würden und die Frauen nicht ernst genommen würden. Auch wenn biblische Ordnungen sagen, dass im Ältestenkreis keine Frauen vertreten sind, sollen sie umso mehr ihre Würde, Anerkennung, Liebe und Geltung in der Gemeinde haben.
Wir müssen an diesen Stellen wach werden und lernen, was wir tun können, damit keine Menschen an den Rand gedrückt werden. Das gilt auch für junge Leute, die ernst genommen werden müssen, aber auch für die Alten.
Das ist das Tolle: Die lebendige Gemeinde ist etwas ganz Wunderbares und Praktisches, und sie wirkt weit hinaus.
Zwingen sehe ich keine Chance. Es hat keinen Wert, einen Alkoholiker zu zwingen, nicht mehr zu trinken. Er muss selbst dazu bereit sein. Das kann bedeuten, dass man unter Umständen ansehen muss, wie die Person eingebunden werden soll.
Es ist notvoll. Ich sehe oft junge Leute, die sich selbst zerstören. Ich hätte am liebsten die Drogen aus der Hand gerissen und zertrümmert, aber man erreicht wenig. Es ist interessant, wie wenig wir erreichen können. Wir haben keine Macht.
Wie oft wollte ich Leute rütteln, wenn Ehen kaputtgehen: „Was macht ihr hier? Warum?“ Aber das ist oft nur ein Bagatellanlass. Mit Zwang erreicht man nichts.
Darum ist es so toll, dass wir ein Mittel haben: das Gebet. Damit können wir an die Herzen kommen, weil Jesus den Schlüssel zum Herzen hat. Er kann verändern und erneuern.
In vielen Fällen wollte man mit Feuer und Schwefel dreinhauen, aber es nützt nichts. Wir wissen selbst, wie wir reagiert haben, wenn jemand liebenswürdig zu uns kam.
Ich hatte oft schwierige Konfirmanden, junge Burschen mit 13 oder 14 Jahren, die einen wirklich reizen können. Gerade wenn man mit ihnen vernünftig reden will, ist das schlimm.
Ich habe mich gefragt, warum viele von ihnen später treue Mitglieder unserer Jugendarbeit wurden. Wahrscheinlich, weil man am meisten für sie gebetet hat. Wenn man mit einem Menschen nicht mehr weiterkommt, kann man noch mit dem Herrn reden.
Manchmal hat man als Verantwortlicher Angst, in so eine Gruppe zu gehen. Man weiß, sie haben es darauf angelegt, einen zu ärgern. Aber sie sind nicht glücklich. Es sind unglückliche Menschen in schwierigen Zuständen.
Besonders die, die suchtkrank sind, lügen oder stehlen. Wie kommt man da ans Herz? Es ist wichtig, dass wir uns von der Liebe Jesu leiten lassen, wie wir ihnen Liebe zeigen können.
Eine Liebe, die nicht alles zulässt und sich nicht missbrauchen lässt, aber ihre Würde und Freundlichkeit zeigt, hat eine ganz große Bedeutung.
Gibt es weitere Dinge, Widerspruch oder Ergänzungen? Ihr habt sicher auch gute Kenntnisse. Wenn nichts mehr kommt, schließen wir ab.
Ich würde bitten, dass jeder von euch fünf Worte sagt. Dann kommt meine Frau dran. Ohne meine Frau wäre ich keine fünf Prozent wert.
Jetzt erzählt mal die Frau, was ich gemacht habe. Ich habe lange durchgehalten, während sie sich Gedanken gemacht hat, was Gott mit unserem Leben will.
Meine Frau wollte ein ganz anderes Leben führen. Sie wollte Diakonin werden. Dann kam ich, als sie 18 Jahre alt war.
Es ist interessant: Sie hat ihr ganzes Leben als Pfarrfrau der Gemeinde gedient. Es ist manchmal lustig, wenn sie gefragt wird: „Was machen Sie beruflich?“ – Sie hat in unserer Gemeinde entscheidende Dinge getan, damit ich frei arbeiten konnte.
Auch bis heute telefoniert sie viel mit Alten und Kranken.
Wir waren zuerst im Schwarzwald, dann 30 Jahre in der Stuttgarter Innenstadt. Es war eine sehr schöne Gemeindearbeit mit weiter Ausstrahlung. Viele kennen die Sermon-Online-Gottesdienste, die wir dort hatten, und die Jugendarbeit.
Wir hatten natürlich Kämpfe, weil wir einen klaren biblischen Kurs hatten und die Schwierigkeiten, die Olaf Latzler kannte.
Im Jahr 2000 lasen wir in der Zeitung, dass unsere Gemeinde aufgelöst werden sollte. Das war der feste Plan des Oberkirchenrats. Es wurde nur dadurch verhindert, dass ich vorzeitig in den Ruhestand ging, was meine Frau absolut nicht wollte.
Es war ein schwerer Schock. Wir hatten 1000 Leute sonntags in zwei Gottesdiensten, ein sehr großes, lebendiges Gemeindeleben. Meine Frau leitete vier Chöre.
Nebenbei haben wir viele Missionen betrieben. Ihr habt gesagt, die Mission war mein Herzensanliegen.
Gott hat uns viele Besucher ins Haus gegeben, und wir haben so viele Missionen getrieben, wahrscheinlich niemand sonst in Deutschland, und das einfach nebenbei, ohne dass ich dafür angestellt war.
Wir haben das Werk „Hilfe für Brüder“ gegründet, das von Nordkorea bis Kuba einheimische Christen betreut. Was wir mit „Licht im Osten“ in Russland begonnen haben, haben wir dann weltweit gemacht.
Wir haben schwache Gemeinden gestärkt. Die Arbeit von „Hilfe für Brüder“ war eine wunderbare Arbeit, die viel aktiviert hat.
Wir haben überall die Not der bedrängten und verfolgten Christen gesehen. Oft habe ich Besuche gemacht, um das auszukundschaften. Meine Frau hat die Gemeinde betreut, und daraus ist das Werk gewachsen, das Fachkräfte ausgesandt hat.
Das war ein Vorschlag von Bundeskanzler Helmut Kohl: ein evangelikaler Entwicklungsdienst, der heute noch besteht. Christliche Fachkräfte sind mindestens drei Jahre im Einsatz, zum Beispiel Ärzte, Professoren, Hebammen, Handwerker, um Kirchen der Dritten Welt zu unterstützen.
Die Leute waren in 40 Ländern tätig. Das war sehr schön, auch in Kasachstan, wo wir dankbar waren, wenn russischsprachige Leute dort waren.
Gerade die Kasachen sagten: „Wir können so viel für Arbeitslose tun. Schickt doch jemanden, der etwas von Computern versteht.“ Toll!
In allen Ländern, in Südamerika, Afrika und Asien, durften wir viel tun, auch in verschlossenen Ländern wie Laos, Kambodscha und China. Dort gibt es die größte Gruppe.
Ein Mitarbeiter von uns war sogar drei Jahre als Dozent in Pjöngjang an der kommunistischen Staatsuniversität, bezahlt von der Bundesregierung – ein Jesuszeuge in Pjöngjang. Wir können nicht mehr darüber reden, aber der Herr hat seine Wege.
Das war für uns sehr schön. Einen dritten Dienst haben wir noch: „Coworkers International“. Das sind Leute, die für ein Jahr in die Dritte Welt gehen und dort mitwirken.
Habt ihr noch etwas vergessen, Beate?
Das ist unser Leben gewesen. Es hat uns sehr reich gemacht. Ganz besonders reich hat uns das gemacht, wo alles begann: die Verbindungen nach Russland durch „Licht im Osten“ im Jahr 1967.
Ich bin dazugestoßen, es war noch die Zeit des strengen Kommunismus. Unsere Kinder haben von Anfang an in den Abendgebeten für die inhaftierten Christen in Russland gebetet.
Georgi Wiens war damals bei uns dabei, und der Rat der Angehörigen der Gefangenen hat uns sehr bewegt.
Für uns ist das einfach groß. Ich hätte nie gedacht, dass der eiserne Vorhang einmal aufgeht. Ich hätte alles für möglich gehalten, aber nie das.
Wie war es, als die ersten Deutschen kamen? Das war bewegend für uns, und wir freuen uns, dass ihr hier seid.
Wir hoffen, dass euch der Wohlstand hier und das Freiheitsleben nicht zum Verhängnis werden, sondern dass ihr das mit Distanz und Kritik beurteilen könnt.
Viele bei uns haben das Glaubensfeuer verloren. Die Versuchungen sind größer als in Russland, und die Bedrängnis des Glaubens ist größer als bei uns.
Man braucht einen noch größeren Mut, um hier Christ zu sein und klar zu leben. In Russland waren die Fronten klar, hier sind sie völlig verwischt.
Das ist das Allerschlimmste: Jesus treu zu bleiben.
Deshalb freuen wir uns.
Gibt es noch eine Frage zu unserem Leben? Gerne.
Wir haben vier Töchter, drei davon sind mit einem Pfarrer verheiratet – einer von der FGG, zwei von der Landeskirche. Gläubige Leute.
Wir haben 24 Enkel und drei Urenkel, so alt wie ich.
Das ist ganz arg schön, aber das Gebet ist auch hier alles.
Wenn man sieht, wie junge Leute heute aufwachsen – ich sage ganz freimütig: Ich wollte heute nicht mehr jung sein.
Was über das Internet in das Leben junger Menschen einfließt, ist irrsinnig.
Wir sind damals anders aufgewachsen. Ich habe noch den Krieg als Kind miterlebt, die Bombenangriffe gehört, wir haben gehungert. Das waren die Segenszeiten unseres Lebens.
Wir hatten gar nichts mehr, und der Vater war in Gefangenschaft. Wir haben die ganze Not miterlebt.
Aber für unsere jungen Leute ist es ganz arg schwer, und nur Jesus kann sie bewahren, dass sie dort nicht untergehen.
Es ist furchtbar.
Wir wissen auch, wie eure Familien sehr bedroht sind.
Ich freue mich sehr, dass ich unter den Diensten auch die Justizvollzugsanstalt in Heimsheim betreue. Dort machen wir im Schwarzen Kreuz mit, einen schönen Bibelkreis.
Das sind Lebenslängliche, aber es gibt auch eine Abteilung mit russischen Jugendlichen.
Ich freue mich immer, dass dort russischsprachige Brüder sind, die gläubige Leute sind und auch die Gefallenen erreichen.
Das ist eine große Not, die wir im Gebet haben müssen.
Leute, die hierher kamen, denen die Freiheit zum Verhängnis wurde und die von einer Mafia abgeworben werden und verlockend darauf eingehen, wo es Geld gibt.
Ich verstehe das gut. Ich war ja auch mal jung und weiß, wie das ist, wenn man Versuchungen erliegt.
Aber das Leben ist reich. Ich kann nur sagen: Jede Stunde ist schade, wenn man nicht konsequent mit Jesus geht.
Das ist der einzige Weg.
Es gibt so unheimlich viele Möglichkeiten, und vor allem hungert die Welt nach Jesus.
Die Botschaft ist da.
Ich habe in 30 Jahren Innenstadtgemeinde in Stuttgart gesagt: Kein Haus ist verschlossen, wenn man Hausbesuche macht.
Alle Leute warten darauf, und man kann mit allen Menschen beten und ihnen das Evangelium weitergeben, auch wenn sie aus der Kirche ausgetreten sind.
Sie schwätzen ein bisschen, aber sie hungern nach Jesus.
Es gibt keine Erlösung, keine Sündenvergebung in keiner Religion dieser Welt.
Es gibt keine Hoffnung über den Tod hinaus in keiner Religion oder Weltanschauung.
Die Leute sind leer und werden mit materiellen Dingen nicht satt.
Deshalb habt ihr einen ganz wichtigen Dienst: Ihr seid Missionsboten in Deutschland.
Das ist das ganz Wichtige in unserem Land.