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Hören - wie Jünger hören

25.07.1999Jesaja 50,4

Herr, du kannst dieses Wunder vollbringen.

Ein Wunder am Wattenmeer und die Kraft des Hörens

Ich habe einmal erlebt, wie eine Gruppe junger Männer – damals war es eine reine Jungmännerfreizeit – auf der Hallig Hooge mitten im Wattenmeer zum ersten Mal in ihrem Leben ein richtiges Wunder erlebt hat.

Unser Freizeitleiter Karl Ramseyer, manchen von Ihnen vielleicht bekannt, war in einen Graben getreten. Das ist im Wattenmeer keine Seltenheit, denn dort gibt es viele Gräben. Dabei hatte er ein Hämatom am Knöchel.

Ein Professor, der als Kurgast auf der Insel war – ein Professor aus Hamburg –, schaute sich die Verletzung an und sagte immer wieder: „Ein tolles Ding, so ein Hämatom, ein tolles Ding.“ Er meinte, man müsse ihn ausfliegen, da könne man nicht auf die Fähre warten.

Daraufhin beteten die jungen Männer zwei Tage lang. Das Flugzeug, das von Insel zu Insel hüpfte, sollte kommen, und der Professor schaute noch einmal nach. Er sagte wieder: „Es ist ein tolles Ding.“ Es war kaum noch etwas zu sehen.

Nun, Hämatome schrumpfen auch dann nicht so schnell zusammen, wenn Gott ein Wunder tut. Für die jungen Leute war es dennoch ein großes Erstaunen. Sie erlebten, dass unser Herr Jesus etwas tun kann, das selbst der Professor der Chirurgie als biologisch und technisch kaum möglich bezeichnete.

Ein viel größeres Wunder ist es jedoch, wenn Gottes Wort in unseren Herzen Wurzeln schlägt und wir es hören können.

Die Herausforderung der Verkündigung und das wahre Hören

Ich möchte zuerst ein Wort an alle richten, die in Jungscharen, im Kindergottesdienst oder in Gemeinschaftsstunden das Wort Gottes auslegen. Seit meinem 14. Lebensjahr, also seitdem ich in der Kinderkirche mitmache und Jungschar leite, hatte ich immer das gleiche Problem: Wie bringe ich die biblische Geschichte oder das Bibelwort verständlich rüber?

Wie kann ich es so vermitteln, dass junge Menschen es annehmen? Wie viel „Brühe“ muss ich dazugeben? Was muss ich in die biblischen Geschichten dramatisch noch einbauen? Dieses Problem hat sich bis heute in der Christenheit verstärkt.

Heute versuchen wir, das Evangelium multimedial, professionell und mit toller, rhythmischer Musik, die bis in den Körper hinein mitwummert, zu den Menschen zu bringen. Der Apostel Paulus war kein großer Redner. Er hat selbst gesagt: „Meine Rede ist schwach.“ Er war ein großer Theologe, aber große Theologen sind oft keine großen Redner.

Dennoch hatte er etwas zu sagen, sodass selbst die gelehrten Leute von Athen hinhörten. Das Geheimnis, warum er etwas zu sagen hatte, beschreibt er in 1. Korinther 2: „Was kein Auge gesehen hat, kein Ohr gehört hat und in keines Menschen Herz gekommen ist, das hat Gott mir offenbart.“

Jetzt rede ich davon. Nur wer hören kann, versteht die Wahrheit Jesu. Wer zum ersten Mal das Ohr für einen biblischen Abschnitt geöffnet bekommt, kann darüber so sprechen, wie es das Herz erfüllt. Dann geht der Mund über, und es ist kein Problem mehr.

Die Not der Christenheit heute ist, dass wir oft fasziniert sind von der Frage, wie wir das Wort vermitteln, wie wir es rüberbringen. Vielleicht sind wir deshalb oft Menschen, die gar nicht mehr viel zu sagen haben – auch in unseren Stunden und Gottesdiensten, selbst bei ganz treuen evangelikalen Leuten.

Das Gebet muss sein: Herr, öffne mir das Ohr, dass ich höre wie ein Jünger.

Das Wunder des geöffneten Ohrs in der frühen Kirche

Das ist der Text für den heutigen Tag. Jesaja 50, das Wort aus dem heutigen Losungsbuch, das uns aus dem Alten Testament gegeben ist: „Der Herr hat mir das Ohr geöffnet.“ Gott, der Herr, hat mir das Ohr geöffnet.

In den letzten Wochen hat mich das noch einmal sehr bewegt, als ich mir klargemacht habe, wie sich eigentlich die kleinen, oft schwachen Gemeinden der Mittelmeerwelt entwickelt haben. Wir haben es geschafft, dass sie nicht nur überlebt haben, sondern dass nach 300 Jahren der Mittelmeerraum und die römischen Heerstraßen bis nach Trier, Augsburg und Köln plötzlich Christengemeinden waren. Das Christentum wurde die Religion im Mittelmeerraum.

Diese Gemeinden hatten keine packenden Redner und auch keine einflussreichen Positionen in der Gesellschaft. Ihnen stand der starke römische Staatskult gegenüber. Wer nicht die Opferkörner für den Kaiser darbrachte, musste mit dem Tod rechnen. Außerdem hatten sie mit einer Vermischung der Religionen zu kämpfen, wie sie heute wieder aktuell ist. Islam, Buddhismus und Christentum werden oft als eine Sache gesehen. Das gab es auch in der Mittelmeerwelt: Juden, Christen – alles eine Sache? Nein, haben sie gesagt, Jesus ist der Herr! Und sie wurden nicht von der mächtigen Welle des Synkretismus, der Religionsvermischung, überrollt.

Warum? Wenn man die Apostelgeschichte liest, wird manches von Wundern erzählt, zum Beispiel, dass Lahme wieder gehen konnten. Aber das Hauptwunder war, dass Gott den Menschen das Ohr geöffnet hat. Eine bekannte Stelle ist die von Philippi: Lydia, die erste Christin in Europa, der tat der Herr das Herz auf, sodass sie verstand, was die Apostel sagten. Ganz tief innen ist da etwas aufgegangen.

Doch es begann schon am Pfingsttag, als Petrus, ein Fischer und ungelehrter Mann, seine Pfingstpredigt hielt. Da ging es den Zuhörern durch das Herz. Als Paulus in Pisidien, Antiochien, war, freuten sich die Heiden, als sie das Wort des Paulus hörten.

Gehen Sie der Spur in der Apostelgeschichte nach: Das Wunder geschah über der armseligen Predigt der Apostel, über der oft stotternden Rede. Jesus tat den Menschen Herz und Ohr auf. Es ist etwas Großartiges, wenn Gott das Ohr so öffnet, dass das Herz mitgeht.

Die Schwierigkeit des Zuhörens in der modernen Welt

Normalerweise können wir alle verhältnismäßig gut reden. Manchmal geht uns der Lärm aber auch auf die Nerven. Deshalb hat man etwas erfunden, das man sich ins Ohr stecken kann. Das heißt Oropax. „Pax“ bedeutet Friede und „Ohr“ bedeutet Ohr. So habe ich den herrlichen Frieden im Ohr.

Wenn die Kinder und Enkel noch so schreien, stört mich das kaum. Schlimm wird es nur, wenn ich vergesse, das Oropax herauszunehmen und meine Frau mir eine wichtige Mitteilung machen möchte oder das Telefon läutet.

Offenbar ist es bei uns so, dass die Not unseres Menschenlebens darin besteht, dass wir sagen: „Friede, Gott, stör mich nicht!“ Viele Menschen stören uns nicht, aber wir können gar nicht mehr richtig zuhören. Moderne Psychotherapeuten sagen, dass viel von der Not, wenn Ehen auseinandergehen, daher rührt, dass zwei Menschen aneinander vorbeireden.

Der vornehme englische Gentleman von vorgestern pflegte bei Fragen zu sagen: „Habe ich Recht gehört, wenn ich Sie so verstanden habe, dass Sie meinen ...?“ Da konnte man antworten: „Nicht ganz, aber ein bisschen so“ oder „Nein“. Heute fragen wir gar nicht mehr. Sobald ich zufällig Stichworte höre, meine ich, schon das Gemeinte verstanden zu haben. Wir können nicht mehr zuhören, erst recht nicht mehr beim Wort Gottes.

Ich musste beinahe 70 Jahre alt werden, bevor ich in der Bibel entdeckte, wie oft das Verb „hören“ vorkommt. In der Konkordanz sind es zwölf eng bedruckte Spalten, in denen dieses Tätigkeitswort, dieses Verb „hören“ vorkommt. Meist jedoch im Zusammenhang damit, dass es ein Untätigkeitswort ist, weil wir nicht hören können.

Wir meinen immer, wir müssten den Himmel stürmen, damit Gott hört. Das haben die Baalspropheten gemeint: „Baal, erhöre uns, erhöre uns!“ Sie haben sich geritzt, damit Gott sie hört.

Gott hört gut. Jedes unnütze Wort hört er mit. Es ist nicht das Problem Gottes, dass er nicht hört. Aber wir sind so schwerhörig, dass wir Gottes Wort vernehmen können.

Das Hören als göttliche Berufung und menschliche Herausforderung

Denken Sie an die Mose-Geschichte. Gott hat Mose berufen, weil er das Schreien Israels gehört hat. Sein Mitleid ist entbrannt. Dann beruft er Mose und sagt: „Geh du hin, du sollst der Befreier sein.“

Mose antwortet: „Ach, sie werden nicht auf mich hören. Wenn ich ihnen sage, Gott ist mir begegnet, wenn ich ihnen sage, ich mache das Wunder mit dem Stab, und wenn ich meine Hand hier auf meine Brust lege, dann sollen sie herauskommen. Ich kann nicht alle Wunder tun, sie werden nicht auf mich hören.“ Nicht nur das Herz des Pharao ist verstockt, sondern auch das Herz des von Gott geliebten und auserwählten Volkes ist verkrustet, vernarbt, verknorpelt und verstockt.

Vielleicht verstehen Sie jetzt, warum Mose dem, was er seinem Volk hinterlassen hat und was bis heute in der Synagoge und im Volk Israel das Grundbekenntnis ist, den Anfang mit „Höre, Shema Jisrael“ gemacht hat. „Höre, Israel!“ – damit wollte er die Menschen wachrütteln. Wenn sie in der Synagoge am Freitagabend Gottesdienst feiern, spricht man dort noch miteinander, anders als in vielen Kirchen, wo das leider oft nicht mehr der Fall ist. Man begrüßt sich, und dann ruft einer „Schma Israel“, der andere antwortet „Schma Israel“ – höre, jetzt müssen wir auf Gott hören, nicht mehr auf unser Geschwätz.

Mose war als großer Vorläufer Jesu eine Ankündigung sondergleichen. Er sagte: „Ein Prophet wie ich, ein Fürbitter wie ich, ein Erlöser wie ich, einer, der euch speist, wie ich es getan habe, wird der Herr aus dir und deinen Brüdern erwecken. Den sollt ihr hören.“ Dabei ist nicht wichtig, welche Wunder er vollbringt, sondern was er zu sagen hat. Hört auf seine Worte!

Die Bedeutung des täglichen Hörens und der inneren Bereitschaft

Es ist doch peinlich: Neulich, bei dem großen achtzigsten Geburtstag des Hensler Verlags, hat der Ministerpräsident mich gesehen. Er sagte: „Herr Schäffbuch.“ Ich war schon froh, dass er nicht „Herr Scheffold“ gesagt hat, dass er meinen Namen sogar wusste, und hat ein paar Worte mit mir gewechselt.

Am Abend habe ich kaum mehr meine Krawatte ausgezogen vor Ehre. Der Herr Minister, der Teufel persönlich, hat mit mir geredet. So heißt unser Ministerpräsident hier. Und wenn Gott mit mir reden will, dann denke ich: „Oh, jetzt habe ich heute noch nicht meine Bibel gelesen.“

Zum Leben eines rechten Christen gehört doch die tägliche Stille und das Bibellesen. Das Essen habe ich nicht vergessen, und den Süßstoff in meinem Kaffee auch nicht. Warum fällt es mir so schwer, als wäre es eine harte Pflicht, wenn der heilige, ewige Gott mit mir reden will? Das ist eine Verkrustung, eine Verknorpelung; da ist es in mir pelzig.

Und da tröstet es mich nicht, wenn es immer wieder von den Jüngern heißt, sie verstanden nicht, was Jesus sagen wollte. Es war ihnen verborgen, sie begriffen nicht, was Jesus meinte. Da war es, als ob das Wort Jesu nicht in sie eingedrungen wäre, wie Regentropfen, die am Regenschirm abprallen.

Jesus hat das ja gekannt. Er hat im Gleichnis vom vierfachen Ackerfeld gesagt: Die Sorge dieser Welt kann verhindern, dass das Wort eindringt. Geldsorgen – je mehr wir haben –, Geldsorgen, ob es auch zum Abzahlen des Häuschens reicht, Sorgen um Kinder, um Enkel, Sorgen um die Zukunft unseres Volkes, mein Herz, wie es mit meinen Knochen ist.

Die Sorge kann uns so besetzen wie im Winter, wenn Flüsse oder Seen zufrieren. Zuerst setzt sich am Rand eine leichte Schicht an, und in kurzer Zeit ist die Eisdecke zu. So können die Sorgen dieser Welt, die Begierden, das Verlangen nach Dingen mein Hören auf Gottes Wort zerstören.

Die Bedeutung des Bewahrens und Vertiefens des Wortes

Man kann darüber erschrecken: Hier ist oft nur Seelsorge vorgekommen, dass viele Menschen noch ihren Konfirmationsspruch wissen und dass dieser sie durchs Leben begleitet. Wissen Sie Ihren Spruch auch noch?

Ich habe meinen mitten im Krieg bekommen. Damals gab es kaum noch Konfirmationssprüche. „Uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben“ – ich habe mich furchtbar über dieses Weihnachtswort geärgert.

„Sei dem, tröste mich, mir ist der Sohn Gottes gegeben.“ Kennen Sie Ihren Spruch noch? Viele Menschen belassen es dabei, bei diesem einen Häppchen eines Gotteswortes. Dabei ist die Bibel voll mit herrlichen Worten Jesu, die alle eine Membran werden können, durch die der lebendige, ewige Gott heute zu mir redet.

Man kann nur sagen: Herr, tu doch mein Ohr auf!

In den Evangelien wird berichtet, wie einmal ein Taubstummer zu Jesus gebracht wurde. Taubstumme haben meist Sprechwerkzeuge, sie könnten reden, aber sie haben nie von Kindertagen an Sprache gehört, das Gehör funktioniert nicht.

Sie brachten diesen Menschen zu Jesus, der ganz verschlossen war. Jesus rührte ihn an, berührte seine Ohren und sprach: „Ephphatha“, das heißt: „Tu dich auf!“

Es war wie ein Vollmachtswort, ähnlich dem, als Jesus über die tobenden Wogen rief: „Schweig und verstumme!“ Diesmal war es das Wort „Tu dich auf!“

Wie Mose in der Wüste einen Felsen schlug und Wasser daraus hervorströmte, so kann Jesus dieses Wunder tun: dass mein verknorpeltes, abgeschottetes Ohr für das Wort Gottes geöffnet wird.

Tu dich auf!

Das offene Ohr als Voraussetzung für Glauben und Erkenntnis

Wir kennen die Geschichte von den beiden Jüngern Jesu, die nach dem Karfreitag in ihr Heimatdorf zurückkehrten. Für sie war alles vorbei. Betrübt schlichen sie ihren Wegen nach. Sie sprachen über die Ereignisse: Jesus war ein großer Prophet gewesen, mächtig in Taten und Worten. Doch jetzt hatten sie ihn gekreuzigt. Das Grab war leer. Heute Morgen waren die Frauen am Grab gewesen und berichteten, sie hätten Engel gesehen. Man wusste nie, was Frauen sich alles ausdenken. Trotzdem gingen auch sie zum Grab – und es war tatsächlich leer. Nun schien alles keinen Sinn mehr zu haben. Für sie war alles vorbei.

Da sprach Jesus zu ihnen: „O, ihr dummen Leute, ihr Toren, warum habt ihr so träge Herzen, dass ihr nicht versteht, was schon bei den Propheten und in den Psalmen steht?“ Er öffnete ihnen die Schrift, sodass sie es verstanden. Danach mussten sie sagen: „Brannte nicht unser Herz in uns?“ Es war nicht nur ein Genuss für die Ohren, sondern etwas, das tief ins Herz drang. Dort, wo eigentlich die Leitung des Ohrs hingehen soll – zum Herzen –, wurde ihr Herz bewegt. Es empfand Mitleid mit den Menschen, die klagten, und Freude über die Herrlichkeit, die sie an diesem Tag sahen und hörten. Ihr Herz brannte.

Der Herr Jesus kann es vollbringen, dass er nicht nur die Schrift öffnet, sondern auch die Menschen selbst. So oft sagte Jesus: „Wer Ohren hat zu hören, der höre!“ Man merkt es: Dieser Grundton zieht sich durch die ganze Bibel, angefangen bei Mose mit dem Shema Israel – „Höre, Israel!“ Jesus richtet diesen Ruf nicht nur als Aufforderung oder Mahnung an uns, sondern als Vollmachtswort. Er bewirkt, dass in unserem Herzen etwas aufgeht. Dass wir, wie es heute heißt, hören wie ein Jünger hört.

Morgens weckt der Herr mir das Ohr, damit ich höre wie ein Jünger. So kann der Herr wecken, öffnen und aufmachen, sodass wir plötzlich etwas vernehmen, was wir noch nie gehört haben. Die Christenheit wird erst dann neues Leben bekommen, wenn einige anfangen, über die Heilige Schrift zu hören und zu lauschen, als hätten sie diese Geschichten noch nie gehört.

„Herr, teile mir jetzt zu, was du mir sagen willst.“ „Rede, Herr, dein Knecht hört!“ So hat es der junge Samuel gesagt. „Rede, Herr, ich möchte hören, ich möchte endlich auch etwas Vernünftiges und Bleibendes hören.“

Praktische Hinweise zum besseren Hören und Verstehen

Sie sind im Bibelkurs und haben das Vorrecht, in den nächsten Wochen aufmerksam hinzuhören. Lassen Sie Ihr Gebet sein, dass das Gehörte nicht nur vorbeirauscht, sondern ganz tief in Ihnen wirkt, weil Jesus geöffnet hat.

„Rede, Herr, so will ich hören,
und die Andacht wird erfüllt“,
so heißt es im Gesangbuch. Dieses Lied wird immer wieder aufgenommen, denn Gott öffnet mir das Ohr. Wir wollen das Wort Gottes richtig hören.

Der Bibel werden uns einige Anweisungen gegeben, wie wir richtig hören sollen und was dabei herauskommen soll. Doch zuerst möchte ich Ihnen ein paar Erfahrungswerte mitgeben.

Wie können wir menschliche Hilfen nutzen? Schreiben Sie bei jeder Verkündigung mit. In Korntal haben Sie zwar oft skeptisch nachgesehen, ob nicht jemand von der geheimen Staatspolizei zuhört – das war dort nicht üblich. In Schorndorf haben wir an jedem Platz in der Kirche Oktavblöcke mit Kugelschreibern ausgelegt. Die Konfirmanden haben schnell die Kugelschreiber mitgenommen und ihre Gemälde auf die Oktavblätter gemalt.

In Afrika ist es selbstverständlich, etwas zum Schreiben dabei zu haben. Ich habe im tiefsten Afrika erlebt, dass ein Tageslichtprojektor vorhanden war. Einer bediente ihn und schrieb die Hauptgedanken auf, damit die anderen, falls sie nicht wissen, was sie aufschreiben sollen, es wenigstens von der Leinwand abschreiben konnten.

Ich möchte Ihnen etwas mitgeben: Am besten ist es, wenn Sie ein Oktavheft haben. Früher nannte man das kleine Hefte, die man für Klavierstunden nutzte. Schreiben Sie wichtige Gedanken, Formulierungen und Bibelworte auf. Wenn Sie zum Beispiel dreiviertel Stunden beim Zahnarzt warten müssen und Angst haben, dann lesen Sie diese Notizen in der S-Bahn. Dort liest man nicht wie andere die Bildzeitung, sondern rekapituliert das Gehörte.

Das Kurzzeitgedächtnis muss gerade eine halbe Stunde halten. Ich kann doch nicht alles in mein Langzeitgedächtnis aufnehmen – mein Kopf ist nicht so groß. Aber für die nächste halbe Stunde reicht es. Wie ist die Telefonnummer? Ah ja, gut, ich kann sie aufschreiben. Die Schlagzeile von gestern aus der Zeitung weiß ich nicht mehr. Ich nehme sie kurz ins Kurzzeitgedächtnis auf, aber morgen ist das Schnee von gestern und ich brauche es nicht mehr lange zu merken.

In unserer Zeit, in der wir die meisten Informationen nur schnell aufnehmen, besteht auch die Gefahr, dass wir beim Bibellesen oder beim Hören der Auslegung eines Gotteswortes ebenfalls nur „husch husch“ zuhören. Wir sagen oft: „Ein Ohr rein, das andere raus.“

Wir müssen jedoch manche Dinge ins Langzeitgedächtnis aufnehmen und bewusst trainieren. Das heißt, wir müssen ausgeruht sein, wenn wir das Wort Gottes hören. Wenn ich von meinem Tagesgeschäft schnell zum Bibellesen umschalte, bin ich noch so erfüllt von allem, was mich bewegt. Im Ruhestand ist das oft noch schlimmer als im aktiven Dienst, denn dann kann ich gar nicht richtig hinhören. Ich muss eine Pause einlegen.

Früher war es wichtig, dass man einfach ein oder zwei Chöre gesungen hat – als Abschottungspolster vom üblichen Tageslauf. Wir brauchen gewisse Stillhaltepausen. Oft, wenn ich telefoniere und jemand bei mir ist, rufe ich in meiner klein gewordenen Familie, die meistens aus meiner Frau besteht, ruhig in die Küche: „Ich möchte hören.“ Dann müssen die anderen Geräusche weg sein, wenn ich wirklich etwas vernehmen will.

Ich weiß von einem vielbeschäftigten Banker: Wenn er zur Mittwochs-Bibelstunde kommt, lehnt er sich immer an eine Säule und bleibt stehen. Die Leute fragen sich, ob das sein Platz ist. Er ist so todmüde, dass er einschlafen würde, wenn er sitzt. Er muss stehen, weil er etwas mitnehmen möchte.

Helfen Sie sich selbst und sammeln Sie, was Ihnen hilft, aufmerksam zu hören und aufzumerken. Vielleicht lesen wir die Bibel auch viel zu oft leise. Lesen Sie Ihren Bibelabschnitt laut und überlegen Sie, welches Wort wirklich betont gehört.

Zum Beispiel in 2. Timotheus 3,12: „Alle, die fromm leben wollen in Christus Jesus, müssen Verfolgung leiden.“ Welches Wort wird betont? „Alle, die fromm leben wollen, die fromm leben wollen in Jesus Christus, müssen …“ Wissen Sie, welches Wort betont wird? „Verfolgung ertragen, erleiden.“

Beim Lautlesen und beim Überlegen, welches Wort betont gehört, hören wir ganz anders zu.

Ehrfurcht und Offenheit beim Hören auf Gottes Wort

Die Not bei Schüleraufführungen ist oft groß, wenn dieses herrliche Stück von Tolstoi entdeckt wird. Ach, wie betonen sie dabei genau oder falsch bei unseren Laienspielen!

Es begab sich aber zu der Zeit – es begab sich zu der Zeit an sein Gebot. Verstehen Sie? Überlegen Sie, welches Wort betont gehört. Wenn man es laut sagt, merkt man erst, worauf es hinausläuft. Dann merken Sie plötzlich, dass Lukas gleich am Anfang sagt: „Ich habe dir, lieber Theophilus, aufgeschrieben, alles, wie Jesus anfing zu tun und zu lehren.“

Jetzt geht es weiter mit dem zweiten Abschnitt der Apostelgeschichte, wie es weiterging, auch nachdem Jesus in den Himmel gefahren war. Die Betonung macht oft den Unterschied; sie schließt uns ein. Sehen Sie selbst nach Hörhilfen. Aber noch viel wichtiger ist etwas anderes.

Wenn Gott redet, kann man erschrecken. Jesaja hat das im Tempel von Jerusalem erlebt: „Weh mir, ich vergehe, denn der heilige Gott redet mit mir.“ Das Volk Israel am Berg Sinai sagte zu Mose: „Komm, geh du hinauf und hör zu, wir können das nicht ertragen, wenn Gott redet.“ Sie fürchteten sich.

Wenn wir die Bibel aufschlagen, ist es nicht so, als würden wir unsere Einkaufsliste durchgehen, was wir noch bei Lidl oder Aldi besorgen müssen. Höre: Der Herr, der ewige Gott, will mit dir reden. Das verlangt eine heilige Ehrfurcht, damit Gott mit mir reden kann. Und ich will so hören, dass es auch zum Verstehen kommt – so wie Jesus den Jüngern von Emmaus geholfen hat zu verstehen, dass das Leiden zur Herrlichkeit Jesu gehört.

Gott erhöht die Erniedrigten und macht uns Zusammenhänge klar. Gehen Sie mir bloß einem Wort nach: Gott demütigt die Hochmütigen und erhöht die Erniedrigten. Wo kommt das alles vor? Schaffen Sie sich einen lila Bleistift an, streichen Sie es überall an, fangen Sie bei den Psalmen an. Da merken Sie, wie oft der Grundgedanke Gottes auftaucht, der dann in der Auferstehung Jesu Wirklichkeit wurde.

Wir wollen nicht nur von biblischen Häppchen leben: „Fürchte dich nicht, ich habe dich erlöst!“ Verstehen Sie die Zusammenhänge. Wir haben einen Gott, der kontinuierlich wirkt, nicht nur zufällig etwas schafft – in einem großen Zusammenhang. „Wie du warst vor aller Zeit, so bleibst du in Ewigkeit.“

Ich wünsche euch im Bibelkurs, dass euch die Zusammenhänge aufgehen. Und ich möchte so hören: „Herr, hilf mir dazu, dass es zum Bewahren kommt.“ „Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren.“ Wo steht das? Ihr Schriftgelehrten, in der Bergpredigt, ja. Bewahren in einem feinen Herzen bei der Auslegung vom Saatkorn, also immer wieder.

Lassen Sie mal andere Christen fragen: „Wo steht das?“ Und dann merken sie, „Oh, ich kenne meine Bibel gar nicht.“ So dürften Juristen nichts schaffen mit ihrem Gesetzbuch, die wissen, was in § 88 steht, ohne es aufzuschlagen. Nicht besser als „steht irgendwo da“. Also: Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren.

Die Wirkung des Wortes Gottes im Leben und die Aufforderung zum Tun

Die Not – Sie kennen die Geschichte sogar: Der Landesbischof Sorg hat bezeugt, dass er zu seiner Frau gesagt hat, sie wollten seit Mittag noch einmal klären, was das Losungswort ist. Doch zu Mittag wussten sie überhaupt nichts mehr; es kam nichts von Gott vor, nicht wahr?

Bewahren – Da ist der Teufel, der das Außenherz reißt, hat Jesus gesagt, so wie die Raben die Saatkörner aufpicken. Wir müssen aufpassen, dass wir das Wort Gottes bewahren.

Vielleicht ist der Vergleich am falschen Ort, aber wenn Sie eine Duftflasche haben – Sie können auch ein Weinfass mit edlem Inhalt sagen – und selbst wenn die Duftflasche leer ist, ist sie fast geleert. Sie werden den Geruch noch riechen, den Geschmack der Eichenbohnen, noch ein bisschen von dem, was fast zerstäubt in der Duftflasche ist, was drin war.

So sollte man uns doch abspüren, wenn das Wort Gottes, das schaffende Wort Gottes, in uns eingedrungen ist, dass unser Wesen anders geworden ist.

Ich möchte so hören, dass es auch zum Tun kommt. Die Bergpredigt, die ja im Augenblick der Bibellese dran ist, sagt Jesus am Schluss: „Wer diese meine Rede hört und tut, den vergleiche ich mit einer klugen Frau, die ihr Haus auf dem Fels baute.“ Es steht zwar vom Mann, aber gemeint ist ein kluger Mensch, der nicht auf modrigen Lehm oder auf Sand baut, sondern auf festem Grund. Wer diese Rede hört und tut.

Heute Morgen im Gottesdienst wurde so eindrücklich darüber gepredigt, dass wir Menschen alle ein ruhiges Plätzchen suchen, wo uns kein Mensch mehr begegnet, der uns auf die Nerven geht. Dann hat der Prediger gesagt: „Wir bringen uns selber doch mit, mit unserer Unruhe.“ Wir halten uns keinen halben Tag in der Ruhe aus; da ist der Fernseher, da kriegt man Zeitungen, wo kann man Postkarten einschmeißen – Unruhe.

Wir kommen mit unserer Unruhe. Und er hat uns wichtig gemacht: Sorge dafür, dass der Herr Jesus dein Herz stillen darf.

Und jetzt habe ich gehört, dass er Ende Juli durch den August in dieser Ferienzeit mit mir gehen soll, damit es auch zum Tun kommt.

Herr, stille du mein Herz, mein unruhiges Herz, dass ich nicht bloß ein ruhiges Plätzchen am Waldesrand suche, sondern dass du mein unruhiges Herz stillst – hören und tun.

Und ich will so hören, dass es Frucht bringt. Mein Leben soll doch umgestaltet werden durch Gottes Wort, dass Frucht aus meinem Leben herauswächst.

Und dass mein Mund übergeht, dass ich von dem reden muss, was Gott mir gegeben hat.

Die Verantwortung im Umgang mit Gottes Wort

Liebe Schwestern und Brüder,

es gibt eine Stelle, bei der ich immer etwas leide: Wenn wir Christen Geburtstagsgrüße oder Kondolenzbriefe schreiben und dabei einfach „Gottes Segen“ oder „herzliche Teilnahme“ hinzufügen. Das erscheint mir zu oberflächlich.

Stattdessen sollten wir so lange in unserer Bibel oder im Losungsbüchlein suchen, bis der Herr Jesus uns ein Wort schenkt, das wir für den trauernden Menschen oder den, der Geburtstag hat, weitergeben können. Ich möchte heute ein solches Wort zurufen, das mir wichtig geworden ist. Dann können wir genau dieses Wort schreiben.

Wir müssen wieder dahin kommen, dass uns Gottes Reden so tief trifft, dass wir es auch für andere Menschen weitergeben können. Gottes Wort muss wieder elementar in unser Volk hineinwirken. Und wir sind die Transformatoren, die es aufnehmen und weitergeben können.

Der Herr Jesus hat gesagt: „Was ich euch ins Ohr rede, das ruft von den Dächern.“ Gemeint sind die Flachdächer Israels. Heute würde man sagen: Es schreit durch die Lautsprecher hinaus. Gebt weiter das Wort, das ich euch zugeteilt habe.

Nur der Herr Jesus allein kann unser verkrustetes Herz öffnen. Wir sollen eine Sehnsucht bekommen und sagen: „Herr, tu mein Ohr auf!“ Lass mich nicht damit zufrieden sein, dass auch die Jünger dich oft nicht verstanden haben. Ich möchte etwas Vernünftiges von dir mitbekommen – etwas Neuschaffendes, etwas, das Frucht bringt.

Das Wunder des lebendigen Wortes und die Sehnsucht nach Offenheit

Liebe Geschwister,
Bekenntnis sei mir gestattet: Je älter man wird, desto mehr staunt man darüber, wie brandneu, wie aktuell und wie quellfrisch die Bibel reden kann. Es ist schade um jeden Tag, an dem man nicht mit großer, gespannter Erwartung auf Gottes Wort in der Bibel gelauscht hat.

Nicht, weil die Bibel ein besonders heiliges Buch ist, sondern weil Jesus über seine Apostel und Propheten gesagt hat: „Wer euch hört, hört mich.“ Er will diese Worte als Membran benutzen, durch die er zu uns spricht. So wie im Telefon nur eine kleine Metallscheibe ist, die durch Stromstöße in Bewegung gesetzt wird, damit wir eine Stimme hören, so sind es ein Blechstück und Papier – Worte der Apostel und Propheten.

Und der lebendige Gott will es benutzen, damit ich sein Wort höre, als wäre es direkt an mich gerichtet. Wenn unser Leben beinahe hundert Jahre alt wird – was ich niemandem wünsche – und wir treue Leser der Bibel wären, hätten wir vermutlich nur an einigen Stellen an der Oberfläche der Herrlichkeit des Wortes Gottes geritzt.

Es ist so großartig, dass unser Herr Jesus für uns dieses Leben bestimmt hat, damit wir uns für ihn entscheiden können: „Herr, ich möchte dein Reden hören und dass es in Ewigkeit weitergehen soll, dass du uns lehrst.“

Auf dem Grab von Kierkegaard in Kopenhagen, dem großen Religionsphilosophen, steht: „Dann will ich mich laben an Lebensbächen und ewig, ewiglich mit Jesus sprechen.“ Ach, da wird gar nicht mehr wichtig sein, welche Fragen ich habe und warum manches so geschehen ist. Er wird mich lehren, die großen göttlichen Zusammenhänge zu verstehen, und ich darf heute schon daran teilnehmen.

Wenn dieses Wunder geschieht, dass wir uns das Ohr öffnen lassen, ist das größer als alle Wunder. Größer als wenn ein Hämatom in wenigen Stunden heilt, ist es, wenn Gott unser Hören heilt. Darum wollen wir bitten: Herr Jesus, wir danken dir, dass du darauf aus bist, unser Hören, unsere Hörbereitschaft und unsere Hörfähigkeit zu heilen.

Sprich du dein göttliches „Hephata“ und tu dich auf über jedem von uns. Herr, wir wollen nicht bloß von ein paar Konserven leben, von einigen Dingen, die uns einmal wichtig wurden, von Kommentaren oder Auswendig Gelerntem. Wir wollen von lebendigen Worten leben, die du heute und morgen zu uns sagst.

Lass uns gespannt und erwartungsvoll sein. Hilf uns, dass all das andere, was stören will – das Schlimmere als alle Tinnitus-Geräusche und Ohrgeräusche – still wird, sodass wir von deinem Wort leben.

Jetzt wollen wir gespannt darauf zugehen und uns das zum Gebetsanliegen machen: Öffne du uns das Ohr, damit wir hören können, wie Jüngerinnen und Jünger hören. Amen.