Habe ich noch eigene Erfahrungen beizusteuern, ist das eine gute Sache, denn heute wollen wir uns mit konkreten Religionen beschäftigen. Gestern diente unser Gespräch eher als Einleitung. Dabei ging es darum, was Religion allgemein bedeutet, was sie ausmacht und mit welchen Aspekten von Religion wir uns auseinandersetzen können.
Wir haben auch einen Blick auf die Geschichte der Religion geworfen, zumindest teilweise. Besonders behandelten wir die Religionen, die die europäische Kultur maßgeblich beeinflusst haben. Dazu zählen die römische und griechische Religion, etwas von der ägyptischen Religion sowie keltisch-germanische Religiositäten.
Diese Themen konnten wir natürlich nur anreißen, denn innerhalb von zwei Stunden ist mehr nicht möglich. Ich habe einige Götternamen genannt und grundlegende religiöse Vorstellungen vorgestellt. Dabei habe ich auch die Unterschiede zwischen den Religionen erläutert.
Einführung in die heutige Themenreihe
Wir wollen uns heute mit den großen Weltreligionen beschäftigen – den liebenden und gegenwärtigen Religionen. Dabei werden wir feststellen, dass uns die meisten dieser Religionen auch in Deutschland begegnen.
Es ist sicherlich so, dass nicht alle Religionen in gleicher Intensität in Deutschland vertreten sind. Dennoch leben wir zunehmend in einer multireligiösen Gesellschaft, in der viele verschiedene Religionen präsent sind – ganz gleich, wie stark das propagiert wird oder nicht.
Wir beginnen mit dem Hinduismus und machen dann mit der ostasiatischen Religion des Buddhismus weiter. Heute Morgen werden wir uns anschließend dem Judentum beziehungsweise dem Islam zuwenden, den großen Religionen.
Falls wir heute Abend noch Zeit haben, beschäftigen wir uns mit Taoismus, Konfuzianismus und Shintoismus. Diese ebenfalls ostasiatischen Religionen sind in China, Korea und Japan prägend. Zudem sind sie in der Form des New Age oder der Esoterik auch bei uns heute vertreten. Das sind die grundlegenden Gedankenmodelle.
Der Hinduismus – eine Religion ohne einheitliches Selbstverständnis
Wenn ich nun etwas über den Hinduismus beginne, möchte ich zunächst eines sagen – und das wird vielleicht manche hier überraschen: Den Hinduismus als Religion gibt es eigentlich gar nicht. Ist das überraschend? Ja, nicht wahr? Ihr kommt hierher, wollt etwas über den Hinduismus erfahren, und ich sage euch schockierenderweise: Den Hinduismus gibt es gar nicht.
Das ist kein intellektueller Trick, bei dem ich sage, im Hinduismus und Buddhismus sei ja sowieso alles Maya, also nur eine Illusion, und deshalb existiere der Hinduismus nur als Vorstellung. Nein, der Hinduismus existiert tatsächlich nicht als einheitliche Religion.
Jetzt fragt ihr euch vielleicht: Was steht dann in den ganzen Büchern über den Hinduismus? Dort findet man verschiedene religiöse Vorstellungen. Aber ich möchte dieses Rätsel gleich lösen: Der Begriff „Hinduismus“ stammt aus dem britischen Kolonialvokabular.
Als die Engländer nach Indien kamen, um das Land zu erobern und zu besetzen, nahmen sie wahr, welche Religionen die Menschen dort hatten. Da sie nicht genau durchschauten, was sie sahen, fassten sie die vielfältigen religiösen Praktiken und Glaubensvorstellungen unter einem Sammelbegriff zusammen: Hinduismus.
Seitdem ist dieser Begriff geprägt. Der Hinduismus besteht – und das werden wir in den nächsten beiden Stunden feststellen – aus ganz unterschiedlichen Elementen. Das heißt, bei fast allem, was ich euch jetzt sage, werdet ihr Hindus treffen, die sagen: „Das glauben wir ja gar nicht.“
Dann denkt ihr vielleicht, jetzt ist das doch die Überzeugung, die Hindus vertreten, so meint doch ein Hindu, gerettet zu werden. Und dann trefft ihr einen anderen Hindu, der sagt: „Nein, nein, das glaube ich nun gar nicht.“
Es gibt tatsächlich vollkommen gegensätzliche Auffassungen im Hinduismus, die sich geradezu widersprechen scheinen. Dennoch gibt es einige gemeinsame Grundmerkmale, die das Glaubensbekenntnis sowie die weltlichen und religiösen Vorstellungen eines Hindus vereinen. Diese gemeinsamen Glaubensgrundlagen möchte ich hier schon vorwegnehmen.
Sonst wird euch nämlich auffallen, wenn ich euch verschiedene Modelle vorstelle, dass ihr sagt: „Ja, aber das widerspricht doch dem anderen, das kann doch nicht stimmen, entweder so oder so.“ Stimmt – aber beim Hinduismus gibt es Hindus, die das eine vertreten, und andere Hindus, die das andere vertreten.
Es gibt keine einheitliche Auffassung im Hinduismus. Und das macht das Ganze noch schwieriger: Manche Hindus vertreten sogar Dinge, die sich widersprechen. Das ist ja doch vollkommen unlogisch. Aber für den Hindu spielt das keine Rolle.
„Das ist widersprüchlich“ – das spielt keine Rolle, denn die Welt ist sowieso nur vordergründig, eine Illusion. Deshalb ist es egal, ob man diese oder jene Auffassung vertritt. Das ist doch ganz unwichtig.
Von daher werden wir auch merken – und das möchte ich hier schon vorausschicken –, dass der Hinduismus eine Religion ist, die uns total fremd ist. Ihr werdet sehen, dass die Grundlagen der Weltwahrnehmung und die Vorstellung von Gott vollkommen anders sind, als wir es von unserer christlichen Prägung gewohnt sind.
Manche Dinge werden uns vollkommen absurd erscheinen. Trotzdem sind viele Menschen davon überzeugt und leben damit. Ihnen scheint unsere Auffassung seltsam.
Wir werden merken, dass Judentum und Islam uns viel näherstehen – in Bezug auf die Vorstellungswelt, die religiösen Werte und die Vorstellungen von Gott und Erlösung – als der Hinduismus, Buddhismus, Shintoismus, Taoismus und andere fernöstliche Religionen.
Gut, das also zur Einleitung.
Verbreitung und gesellschaftliche Bedeutung des Hinduismus
Ich habe hier zunächst eine Folie aufgelegt, die nicht ganz den aktuellen Stand widerspiegelt, aber zumindest eine Tendenz zur Verbreitung des Hinduismus zeigt.
Deutlich zu erkennen ist, dass die meisten Hindus mit großem Abstand in Indien leben, hier mit rund 635 Millionen. Das sind inzwischen auch ein paar mehr, wobei ja nicht alle Inder Hindus sind. Es gibt in Indien, wie wir gerade auch wieder festgestellt haben, beispielsweise in Kaschmir überwiegend Muslime. Auch in anderen Teilen Indiens leben überwiegend Muslime. Außerdem gibt es einige Prozente Christen und noch andere Religionen.
Nicht alle Inder sind also Hindus, aber die weit überwiegende Zahl der Inder gehört dem Hinduismus an. Die gegenwärtig regierende Partei in Indien ist ebenfalls eine hinduistische Partei, also eine religiöse Partei. Wie vielleicht bekannt ist, schränkt diese Partei die Missionsarbeit stark ein. Sie erklärt den Hinduismus zur nationalen Religion Indiens und geht deshalb sehr stark gegen christliche Mission vor. Einige Missionare wurden aus dem Land ausgewiesen, und es wurde offiziell verboten, Missionsarbeit zu betreiben.
Auch in den öffentlichen Medien wird der Hinduismus seit der Machtübernahme dieser Regierung stark gefördert. Es gibt also eine deutliche neue Prägung zugunsten des Hinduismus.
An zweiter Stelle steht Nepal mit fast 17 Millionen Hindus, dann folgen Bangladesch, Indonesien, Sri Lanka und Pakistan. Pakistan ist überwiegend islamisch, aber es gibt dort auch 1,3 bis 1,4 Millionen Hindus.
Was auffällt, ist, dass relativ viele Hindus außerhalb Asiens leben. Bis zur siebten Stelle sind alle Länder in Asien. Danach gibt es viele Hindus in Südafrika, den USA und Großbritannien.
Das liegt daran, dass Großbritannien früher ein Kolonialreich in Indien hatte und vielen Indern die britische Staatsbürgerschaft gewährte. Heute leben in manchen Stadtteilen Londons oder anderer britischer Großstädte relativ viele indischstämmige Bürger, die ihren Glauben mitgebracht haben und dort ihre Tempel errichten. In Europa sind die meisten Hindus im Vereinigten Königreich anzutreffen.
In den USA ist die Situation ähnlich. Viele Inder sind in den letzten 150 Jahren in die USA ausgewandert, um wirtschaftlich voranzukommen. Dort leben sie meist in relativ abgeschotteten Gemeinschaften, mit wenig Integration in die übrige Bevölkerung.
Es erscheint manchmal so, als gebe es ein multikulturelles Zusammenleben, in dem alle friedlich miteinander leben. Das ist in den USA jedoch kaum der Fall. In amerikanischen Städten ist die Bevölkerung relativ getrennt. Zwar ist dies nicht offiziell vorgeschrieben, aber es ist klar erkennbar: Inder wohnen in Stadtvierteln, in denen hauptsächlich andere Inder leben. Chinesen leben in Chinatown, die europäischen Nachkommen in überwiegend weißen Vierteln, und Afrikanischstämmige in überwiegend schwarzen Vierteln.
Die einzige Vermischung findet bei der High Society statt. Reichtum macht alle Menschen gleich. Wer Multimillionär ist und sich eine Villa in einem edlen Stadtteil leisten kann, gehört zu den Reichen, unabhängig von Hautfarbe oder Herkunft. Die normale Bevölkerung lebt jedoch relativ strikt getrennt.
Das fiel mir auch bei meinem Besuch in den USA auf, besonders in den Gemeinden. Auch dort sind die Gemeinden relativ getrennt. Das ist schade, aber ich erinnere mich an eine Gemeinde, die ich gestern kurz erwähnt habe. Wir wurden eingeladen auf einen Campingplatz, wo wir eine indianische Gemeinde besuchten. Dort waren fast ausschließlich Indianer.
In einer anderen Gemeinde in San Francisco waren fast nur Schwarze. Wir fielen dort wirklich auf und fühlten uns fremd. Die Mentalität war anders, nicht besonders charismatisch, aber typisch. Zwischendurch wurde „Halleluja“ gerufen, und während des Singens wurden Fächer verteilt, mit denen sich die Gemeindemitglieder Luft zufächelten. Für uns war das ungewohnt, aber wir haben den Gottesdienst genossen. Das waren auch unsere Geschwister, aber fast ausschließlich Schwarze, sicher zu 95 Prozent.
Andere Gemeinden waren hauptsächlich chinesischstämmig, wiederum andere europäischstämmig. Es gibt also eine starke Ausdifferenzierung nach Nationalität.
Auch unter den Indern ist das so. Wir haben uns meist die billigsten Motels ausgesucht, die oft indischen Besitzern gehörten. Mit einigen dieser Menschen sprachen wir. Sie sagten uns immer wieder, dass sie mit der verkommenen Gesellschaft in den USA nichts zu tun haben wollen. Ihre Kinder heiraten natürlich nur Inder, das ist klar. Die indischstämmigen Menschen legen großen Wert darauf, zusammenzuhalten. Sie sagen, sie gehören zusammen, weil sie die wichtigen Werte bewahren und sich nicht von der Gesellschaft beeinflussen lassen.
In den USA und Südafrika sind zahlreiche Inder bereits im 19. und 20. Jahrhundert ausgewandert.
Vielleicht erinnert ihr euch an die Geschichte von Mahatma Gandhi. Er lebte zunächst in Südafrika, war dort als Anwalt tätig und setzte sich für die Gleichberechtigung der Inder ein, die dort als Arbeiter und Fachkräfte lebten.
Während der Apartheid nahmen die Inder eine Zwischenposition ein. Zwischen den weißen und den schwarzen Südafrikanern gab es die sogenannten Farbigen, zu denen vor allem die Inder gehörten. Gandhi kämpfte für ihre Rechte, bevor er später nach Indien zurückkehrte, um dort die Unabhängigkeitsbewegung gegen Großbritannien zu führen.
Das war also ein Überblick zur Verbreitung des Hinduismus.
Grundlegende Glaubensüberzeugungen und heilige Schriften
Wenn wir uns fragen, was Hinduismus ist, dann habe ich hier gerade ein Zitat von Gandhi. Er sagt: „Ich nenne mich ein Hindu, weil ich an die Veden, die Upanishaden, die Puranas und alles, was zu den Hindu-Schriften gehört, glaube. Darum glaube ich auch an die Varnas und an die Wiedergeburten. Ich glaube an Varnas und einem nach meiner Meinung strikt vedischen Sinn. Ich glaube an den Schutz der Kuh in einem viel umfassenderen als dem üblichen Sinne. Ich verwerfe die Bilderverehrung nicht.“
Ist also alles klar, woran ein Hindu glaubt? Euch wird vielleicht aufgefallen sein, dass einige Fremdwörter genannt wurden, mit denen ihr so unmittelbar wahrscheinlich nichts anfangen könnt. Es geht hier um einige der heiligen Schriften, die es in Indien gibt und auf die sich die indische Religion stützt. Dazu möchte ich nun ein kleines bisschen sagen.
Bevor ich das tue, habe ich meines Wissens auch noch eine Folie, die euch etwas von der Geschichte des Hinduismus vor Augen führt. Denn der Hinduismus hat über mehrere Jahrtausende eine starke Veränderung erlebt. Ich hatte hier zumindest mal eine Folie, die das vor Augen führte, sehe sie jetzt aber nicht. Wenn sie mir später noch in die Hände fällt, werde ich sie euch zeigen.
Was ich hier erst einmal aufführe, ist der Stammbaum des Hinduismus. Er zeigt schon einige Punkte der Religiosität. Zunächst seht ihr, dass grob unterschieden wird zwischen den Dichnoiten, den Schivaiten und den Schaktas. Das sind große, wir können sagen, Konfessionen, wenn wir mal die christlichen Begrifflichkeiten gebrauchen, im Hinduismus. Es gibt also verschiedene Gruppen, die unterschiedliche Gottheiten verehren und verschiedene Wege der Erlösung beschreiben.
So wird hier unterschieden: Unten seht ihr, dass die Wurzel des Hinduismus eigentlich der Vedismus ist. Das bezieht sich auf die sogenannten Veden, die Gandhi auch als eine der Grundlagen seiner Glaubensüberzeugung erwähnt hat. Hier seht ihr dann, wie sich der Baum im vierten, fünften, siebten und ersten Jahrhundert aufspaltet in die verschiedenen anderen Zweige der hinduistischen Religion.
Dann gibt es weitere Aufspaltungen, jeweils mit der Jahreszahl dazu, und hier sind die Namen der verschiedenen religiösen Gruppierungen. Wenn ich das einmal so mache, können wir das besser lesen. Diese ganzen Namen sind schon eine ganze Menge verschiedener religiöser Gruppierungen, die zunächst untereinander fast nichts miteinander zu tun haben. Sie entstanden, wie ihr hier seht, im zwölften, dreizehnten Jahrhundert. Ihr müsst euch das vorstellen wie die Reformation. Wenn ihr jetzt die reformierte Theologie, evangelisch-lutherische oder reformiert-kalvinistische Theologie betrachtet, sind diese ja relativ abweichend vom Katholizismus oder der orthodoxen Kirche. Und so gibt es auch im Hinduismus verschiedene Reformbestrebungen, die vieles der alten Überlieferung erneuert und verändert haben.
Das ist der Vedismus. Vedismus, Veda wird entweder mit W oder mit V geschrieben. Das liegt einfach daran, dass es hier eigentlich ein Sanskrit-Begriff ist. Dort gibt es weder W noch V, das ist dann eine Lautmalerei, aber meistens schreibt man es mit V. Die Veden sind diese heiligen Schriften, die am Anfang des indischen Glaubens standen. Man spricht auch vom sogenannten Vedismus oder von der vedischen Religion.
Nach westlicher Auffassung verhält sich die Geschichte der indischen Religion folgendermaßen. Ich sage hier bewusst „nach westlicher Auffassung“, weil für einen Hindu diese Glaubensgrundlagen natürlich seit ewigen Zeiten gelten. Das ist dann schon immer so gewesen beziehungsweise nicht ganz immer so gewesen, aber es sind Wahrheiten, die Gott beziehungsweise die Götter schon lange geoffenbart haben.
Bevor ich auf die westliche historische Sichtweise eingehe, also wie es historisch wirklich abgelaufen ist, sage ich nur ein paar wenige Worte zur indischen Auffassung. Nach der indischen Auffassung gibt es nämlich große Weltzeitalter, und diese Weltzeitalter laufen in einem großen Kreislauf ab.
Das läuft nach einem großen Weltzeitalter ab, und zwar in vier großen Abschnitten. Man geht davon aus, dass sich alles in der Welt wiederholt, also auch der gesamte Kosmos. Es gibt keinen Anfang des Kosmos. Für einen Hindu ist die Frage, wie alles einmal entstanden ist und begonnen hat, die ja für uns im Westen sehr interessant zu sein scheint, egal ob Christ oder Nichtchrist, vollkommen uninteressant.
Die Christen sagen, Gott hat das am Anfang geschaffen. Die Atheisten, die irgendwann mal Christen waren, haben dieses christliche Weltmodell eigentlich übernommen, wissen es nur gar nicht mehr. Im Gegensatz zum Hinduismus gehen sie davon aus, dass es einen Anfang geben muss. Dann gibt es die Idee des Urknalls, bei dem alles nochmal begonnen hat.
Für einen Hindu ist das vollkommen absurd. Er sagt sich: Wieso ein Anfang? Das ist immer im Kreis, es war immer schon so. Es gab keinen Anfang. Wie ein Kreis dreht es sich immer wieder und immer wieder und endlos. Es wird auch kein Ende geben davon.
Die typisch christliche Vorstellung und auch die, die die westliche Naturwissenschaft prägt, ist ein Anfang und ein Ende. Naturwissenschaftler sagen uns, der Urknall war der Anfang, und am Ende gibt es den Wärmetod des Universums. Manche bevorzugen auch die Vorstellung, dass sich irgendwann alles wieder zusammenzieht, es einen neuen Urknall gibt und sich das wiederholt. Das ist dann schon ein bisschen angelehnt an den Hinduismus.
Aber die meisten vertreten ein definiertes Anfangsereignis, den Urknall, und ein Ende mit Wärmetod, bei dem alles Materielle verflüchtigt und verbreitet ist. Die Sterne sind erloschen, die Materie verstrahlt. Hier merken wir, dass auch das westliche wissenschaftliche Denken eigentlich von einem christlichen Weltbild geprägt ist, nur viele sind sich dessen gar nicht mehr bewusst.
Wie gesagt, ein Hindu sieht das vollkommen anders: Alles läuft in riesigen zeitlichen Zyklen ab. Diese riesigen zeitlichen Zyklen sind im kleineren Maßstab geprägt durch vier Zeitalter, die sogenannten Yugas. Yuga bedeutet jeweils ein Zeitalter.
Das Krita Yuga ist das gute Zeitalter, in dem die Götter regieren und die Menschen glücklich sind. Dieses Zeitalter dauert 400 Morgendämmerungen, 4000 Tage und 400 Abenddämmerungen. Aber nicht, dass wir das falsch verstehen: Hier sind Abenddämmerungen, Morgendämmerungen beziehungsweise Tage Göttertage. Diese Göttertage entsprechen ungefähr vier Götterjahren. Diese Dauer entspricht in Menschenjahren umgerechnet 1.728.000 Jahren.
Das ist eine ganze Menge, nicht? 1.728.000 Jahre – daran kann sich kaum jemand erinnern, was da gewesen war. Historisch sind diese Daten natürlich vollkommen irrelevant, weil unser historisch zuverlässiges Wissen über die Geschichte etwa so weit zurückreicht wie die frühesten historischen archäologischen Funde über die menschliche Kultur, maximal.
Man geht davon aus, dass das, was wir zuverlässig wissen, maximal vielleicht 4.000 bis 5.000 Jahre vor Christus betrifft, also die Babylonier, Sumerer. Wenn wir noch Steinzeitfunde und Keilschriften dazunehmen, dann kommen wir vielleicht auf 10.000 Jahre. Nur mal zum Vergleich: 10.000 Jahre sind uns nach historisch archäologischer Forschung menschlicher Geschichte bekannt.
Hier geht man also davon aus, dass dieses Krita Yuga, das eine Zeitalter, 1.728.000 Jahre dauert, also weit darüber hinausgeht.
Dann gibt es als zweites Zeitalter das Trita Yuga. Hier weichen die Menschen langsam von den göttlichen Maßstäben ab, und es läuft nicht mehr ganz so rund, es gibt Probleme. Dieses Zeitalter dauert 300 Morgendämmerungen, 3.000 Tage und 3.000 Abenddämmerungen, also zusammen 3.000 Götterjahre. Das macht summa summarum 1.290.000 Jahre.
Als nächstes folgt das Dvapara Yuga. Es dauert 200 Morgendämmerungen, 2.000 Tage und 2.000 Abenddämmerungen. Morgendämmerung und Abenddämmerung bedeuten einfach Übergangszeiten, in denen das Yuga entsteht und der Übergang zum nächsten Zeitalter stattfindet.
Dann gibt es als letztes das Kali Yuga. Kali ist eine Göttin, eine grausame Göttin im Hinduismus. Dieses Zeitalter ist das schlechteste, am weitesten vom Ideal der Götter entfernt. Es dauert 100 Morgendämmerungen, 100 Abenddämmerungen und 1.000 Götterjahre. In Menschenjahren sind das immerhin noch 432.000 Jahre.
Das ist eine ganze Menge, also weit mehr als jede Geschichtsschreibung zurückblickt und natürlich mehr, als sich irgendein Hindu zurückerinnern kann. Das ist die hinduistische Auffassung.
Wenn wir alle diese Zeitalter zusammenrechnen, ergibt sich ein göttlicher Zyklus, der sich immer wiederholt. Dann kommt wieder das göttliche Zeitalter, dann das etwas weniger gute, dann das schlechteste, und so weiter.
Einer dieser Zyklen dauert, wenn ich überschlage, etwa vier Millionen Jahre. Alle vier Millionen Jahre wiederholt sich das also alles.
Jetzt ist die Frage, in welchem Zeitalter wir heute nach hinduistischer Auffassung leben. Habt ihr einen guten Vorschlag? Wir leben heute im Kali Yuga, im schlechtesten Zeitalter.
Irgendwo habe ich mal eine Angabe gefunden: Das Kali Yuga hat am 18. Februar 3102 vor Christus begonnen. Warum es genau an diesem Datum begonnen hat und wie man das festgestellt hat, weiß ich nicht. Auf jeden Fall steht die gesamte uns bekannte Weltgeschichte unter dem Kali Yuga.
Das ist relativ klar, denn die bekannte Weltgeschichte hat sich nicht als sehr göttlich erwiesen. Wenn man von den rund 5.000 Jahren die wir kennen, ausgeht, bleiben noch etwa 427.000 Jahre im Kali Yuga übrig. Dann wird wieder das goldene Zeitalter beginnen.
Irgendwann werden eure Urenkel, in der Potenz von ein paar tausend Generationen, nach hinduistischer Auffassung dieses glückliche Zeitalter erleben. Ich schätze zwar nicht, dass das so sein wird. Ich denke, vorher wird Jesus wiederkommen und wir werden tatsächlich in einem göttlichen Zeitalter leben – aber nicht im hinduistischen.
Es gibt noch weitere Zusammenhänge. Ganz genau genommen dauert einer dieser Durchgänge 4.320.000 Menschenjahre. Das entspricht einem Tag Brahmas. Ein Brahma lebt wiederum 100 Brahma-Jahre. Das heißt, 4.320.000 Jahre sind ein Tag, jetzt lebt Brahma 100 Brahma-Jahre.
Wenn ich das nun auf einen Zyklus übertrage, wird die Zahl sehr groß. Ich lese euch mal die Zahl vor, ich nenne sie nur in Ziffern, weil ich nicht mehr weiß, wie viele Milliarden das sind: 311040123123123.
Das ist ein Brahma-Durchgang, also ein Zyklus, der durchlaufen ist. Wenn dieser Zyklus durchlaufen ist, beginnt ein neuer Zyklus, und so geht das ewig weiter.
Ihr könnt euch vorstellen, dass das eine vollkommen andere Wahrnehmung der Welt ist als unsere. Natürlich hat das mit Historie nichts mehr zu tun, auch nicht mit Wissen. Kein Mensch kann das überprüfen, es gibt keinerlei Daten, auf die man sich da verlassen kann. Es ist einfach so.
Das ist die schlechte Zeit, und die Generation lebt darin. Die letzten 5.000 Jahre. Davor gibt es in Indien keinerlei Daten.
Wenn man das alles aus westlicher Sicht betrachtet, ist das alles Fantasie, vollkommen unhistorisch. Für einen Inder ist das jedoch vollkommen interessant, ob es historisch ist oder nicht, denn die Welt ist sowieso nur Schein. Das ist nicht Realität.
Deshalb gibt es in Indien auch nie eine Wissenschaft im westlichen Sinne. Das kann vor diesem Hintergrund gar nicht entstehen.
Wir dürfen einem Hindu also nicht sagen, er sei dumm, weil er die Weltgeschichte anders sieht. Für ihn ist das so, und er findet uns eher eingebildet, weil wir meinen, dass alles nur kurze Zeiten sind und man das verstandesmäßig erfassen kann.
Das war die Einleitung. Jetzt möchte ich euch etwas zur Geschichte des Hinduismus sagen, wie sie nach westlicher Vorstellung, also nach historisch überprüfbaren Daten, entstanden ist.
Das ist sicherlich ein Spannungspunkt, der erst einmal da auftritt. Wir werden an einigen Punkten merken, wo wir Schwierigkeiten haben, mit einem Hindu über den Glauben zu sprechen. Es ist nicht unmöglich, aber wir müssen uns gewisser Probleme bewusst sein, damit wir nicht ins Fettnäpfchen treten.
Zur westlichen Vorstellung: Die Daten weichen häufig in den Büchern ab. Das liegt daran, dass niemand die genauen Daten kennt. Es ist also nicht so, dass einer falsch geschrieben hat, sondern vieles ist induktiv, also indirekt abgeleitet.
Man geht davon aus, dass die ersten menschlichen Ansiedlungen und Kulturentwicklungen in Indien etwa 6.000 vor Christus stattfanden. Von denen haben wir nur magere Daten, wir wissen nichts Genaues.
Die Veden sind ungefähr um diese Zeit, also 6.000 bis 5.000 vor Christus, entstanden. Die Veden sind in erster Linie Schriften über Opferriten, also wie man Opfer bringen soll. Dabei haben sich die Veden im Laufe der Zeit verändert. Wir wissen nicht, wie ursprünglich diese Schriften bestanden.
Um 3.500 vor Christus existierte die Harappa-Kultur in Indien, etwa bis 1.500 vor Christus. Das sind die frühesten archäologischen Funde, die wir haben.
Um 2.000 vor Christus gab es eine arische Invasion, besonders in Nordindien. Die Herrschaft der Arier dauerte etwa von 2.000 bis 900 vor Christus, also rund 1.000 Jahre.
Man spricht von den indogermanischen Sprachen, denn einige indische Worte und die indische Grammatik sind mit den germanischen Sprachen verwandt. Das hängt damit zusammen, dass aus dem Norden Völkerschaften eingewandert sind, die hellhäutig waren und ihre Kultur mitbrachten.
Diese Arier hatten religiöse Vorstellungen, die sich besonders im Kastensystem niederschlugen, ebenso wie Stieropfer, die eine wichtige Rolle spielten.
Hier füge ich etwas zur Geschichte ein: Das Kastensystem wird in Indien nicht als Kastensystem bezeichnet, sondern als Varna. Varna heißt auf Deutsch so viel wie Farbe.
Kommt jemand auf die Idee, was das mit der Kaste zu tun haben könnte?
Das Kastensystem bedeutet die Einteilung der Bevölkerung in Gruppen, die untereinander kaum Kontakt haben und unterschiedliche soziale Stellungen besitzen.
Ganz genau: Man kann bis heute beobachten, dass Inder mit hellerer Hautfarbe meistens aus höheren Kasten stammen. Die Brahmanen sind die höchste Kaste.
Die indogermanischen Eroberer haben nicht gesagt, sie seien eine niedere Kaste. Sie haben das Kastensystem erfunden und sich selbst als höchste Kaste definiert. Sie besitzen das religiöse Wissen und dürfen allein die Opfer bringen.
Bis heute ist das so. Die Brahmanen sind geistlich die höchste Kaste und dürfen mit anderen nicht viel zu tun haben. Sie sind meist hellhäutig.
Natürlich hat sich das im Laufe der Jahrtausende durch illegale Vermischungen etwas verändert, aber es ist erstaunlich, dass diese Unterschiede über 4.000 Jahre erkennbar sind.
Auffällig ist auch, dass die Mitglieder der niedrigsten Kasten meist die dunkelhäutigsten Inder sind.
Wenn ihr durch Indien spaziert und die Hautfarbe beobachtet, könnt ihr in groben Zügen schon erkennen, ob jemand einer höheren oder niedrigeren Kaste angehört. Das trifft meist zu, aber nicht immer.
Deshalb steckt in der Bezeichnung Varna auch die Bedeutung von Farbe. Übrigens haben viele Deities eher helle Hautfarbe, weniger dunkle, weil sie auf einer höheren Stufe stehen.
Ein weiterer wichtiger Einschnitt ist das Jahr 1.500 vor Christus. Hier wurden die Veden erstmals schriftlich festgehalten.
Ich habe ja erwähnt, dass die Veden vielleicht schon 6.000 vor Christus entstanden sind, aber wir haben keine Abschriften aus dieser Zeit.
Die frühesten Abschriften der Veden und die ersten historisch nachvollziehbaren Daten zur Religion stammen aus dem Jahr 1.500 vor Christus.
Das heißt, das ist zu alttestamentlicher Zeit. Die anderen Daten sind eher unhistorisch, nur vermutet.
Um das Jahr 1.000 bis 500 vor Christus entstanden die Upanishaden, eine weitere wichtige Schriftgattung.
Zwischen 900 und 700 vor Christus gibt es die Brahmanas, eine andere Schriftart.
Um 563 vor Christus wurde Buddha geboren, ebenfalls zu alttestamentlicher Zeit. Das war eine Reformbewegung des Hinduismus.
Dann gibt es die Mahabharatas, die ungefähr von 400 vor Christus bis 400 nach Christus entstanden sind. Die Datierungen schwanken um etwa 800 Jahre.
Das Ganze veränderte sich weiter in der neueren Zeit. Um das Jahr 500 herum entstand der Vedanta oder die Shankaras, also neue Ideen.
Die heute verbreitete Bhakti-Bewegung entstand etwa um das Jahr 600 nach Christus.
Im Jahr 711 begann die islamische Eroberung Indiens und damit auch der islamische Einfluss auf die indische Religion.
Es entstanden die Puranas, und so geht die Entwicklung bis in die Neuzeit weiter.
Die Briten eroberten Indien ab 1857 und beherrschten es bis 1947, also knapp 100 Jahre. Zuvor hatten sie nur Handelsposten und Einfluss, aber erst 1857 hatten sie die volle Macht in Indien.
So viel zur prinzipiellen Übersicht.
Inhaltliche Schwerpunkte der heiligen Schriften
Jetzt zeige ich ein paar wenige Informationen darüber, was diese Heiligen Schriften, die ich gerade genannt habe, denn beinhalten. Sonst sagt ihr ja: Puranas, Veden, Upanishaden usw. – was ist denn das jetzt alles? Ich erzähle euch ein kleines bisschen davon, was da nun drinsteht.
Erstens: Diese heiligen Schriften dürfen normalerweise nur von den Brahmanen gelesen werden. Das heißt, die einfache Bevölkerung liest sie nicht und kennt auch nicht alles, was darin steht – außer das, was in der Mythologie weitererzählt wird.
Ein weiteres Problem ist, dass diese Schriften original in Sanskrit abgefasst sind. Ich habe hier mal so einen Auszug aus solch einem alten Sanskrit-Veda. So sieht Sanskrit etwa aus. Könnt ihr mal probieren, das zu entziffern? Ich kann es euch gerne bis heute Nachmittag dalassen, dann könnt ihr versuchen, zu übersetzen, was da steht.
Ein normaler Hindu kann das nicht lesen, ein normaler Inder kann das auch nicht lesen, weil das eine heilige Sprache ist, die schon lange tot ist und die nur die Priesterkaste lesen und speziell lernen kann. Also stellt euch das ähnlich vor wie vielleicht das Latein in der katholischen Kirche. Nur ist der Hinduismus ein bisschen älter als die katholische Kirche, und das Sanskrit noch ein bisschen weiter entfernt von der gesprochenen Sprache als das Latein.
Also, dies hier ist eben Sanskrit. Nun zu den Veden: Sie bestehen eigentlich aus vier verschiedenen Teilen. Im ältesten Teil der Veden finden wir die Lobpreisungen und Anbetungen verschiedener Gottheiten. Also, wie prächtig und großartig ist nun der Brahman zum Beispiel.
Dann entstanden aus den Veden die sogenannten Brahmanas. Das sind Anleitungen für den Vollzug eines rituellen Opfers. Es wird genau beschrieben, wie man dem Stier den Hals durchschneiden muss, damit das Opfer angenommen wird, wie oft man ihn stechen muss und wie der Stier sein soll. Es waren hauptsächlich Stiere, die die Indogermanen, die das ja geschrieben haben, geopfert haben. Das ist also die zweite Gruppe der Veden.
Die dritte Gruppe der Veden sind die sogenannten Aranyakas, zu Deutsch die Waldtexte. Sagt euch das irgendwas? Sind das die ersten Ökos? Nein, nicht ganz. Das hängt damit zusammen, dass die Gurus, also die spirituellen Lehrer Indiens, sich insbesondere in den Wäldern aufgehalten haben.
Übrigens: Hier erinnert euch gestern noch daran, die Germanen hatten ja auch die Wälder als heilige Orte, an denen sie ihre Gottheiten angebetet haben. Hier sehen wir also auch eine religiöse Verwandtschaft der germanischen Religiosität, der keltischen, mit der ursprünglich indischen, der Veden.
Übrigens waren auch die Art und Weise der Opfer ähnlich. Es gab auch bei den Germanen sogenannte Kuh- oder Stieropfer, die gebracht worden sind. In späterer Zeit wurden insbesondere Pferde geopfert, was sich auch noch darin zeigt, dass an zahlreichen Bauernhöfen verendete Pferdeschädel an die Scheunen genagelt wurden. Pferde waren heilige Tiere, die geopfert wurden. Man dachte, wenn man diese Schädel nicht annagelt, dann steht man nicht unter dem besonderen Segen eines germanischen Gottes.
Ja, also das ist die zweite Gruppe. Die dritte Gruppe sind diese Waldtexte, das sind dann Lehren dieser Gurus. Es geht um das geistliche Leben und so weiter.
Die jüngsten davon sind die Upanishaden. Auch sie beschäftigen sich in erster Linie damit, wie ein Mensch sich verhalten muss, damit er die ethischen Maßstäbe der Götter erfüllen kann.
Diese Texte der Veden wurden über Jahrhunderte hinweg mündlich überliefert. Sie sind deshalb relativ ungenau und historisch kaum mit brauchbaren Informationen festgehalten, erst in verschiedenen Stufen wesentlich später.
Die verschiedenen Götter, die in Indien angebetet wurden – ich bin noch bei den Veden – sind zum Beispiel Indra. Indra ist der Gott des Donners und der Namensgeber Indiens. Er ist sozusagen eine Nationalgottheit, eine der frühesten Gottheiten, die angebetet wurden.
Dann gibt es Agni, den Gott des Feuers, und Soma, auch ein Gott. Später wird Soma verbunden mit einem heiligen Trank, den nur die Götter trinken.
Übrigens gibt es Soma auch in der neueren Literatur. Ich weiß nicht, ob ihr „Schöne neue Welt“ von Aldous Huxley kennt. Kennt das jemand? Mal gelesen? Da kommt Soma nämlich auch vor. Wisst ihr, in welchem Zusammenhang noch? Huxley hat das aus dem Indischen übernommen. Manchmal merken wir das gar nicht, dass da irgendwelche Ideen herkommen. Das sind dann Soma-Pillen, die die Leute nehmen. Wenn die Leute unglücklich sind, bekommen sie diese Soma-Pillen und sind wieder glücklich. So war es bei Huxley, und das hat er offensichtlich vom Hinduismus übernommen. Denn hier ist Soma der Trank der Götter, der unsterblich macht und glücklich. Und das ist genau dasselbe bei Huxley auch in der neueren Zeit.
Soma ist also ein Gott und gleichzeitig dieser Trank der Götter.
Dann gibt es die Uschas, das sind Göttinnen der Morgenröte, und Devas, dunkle Erdgötter, die den Helden gegenübergestellt sind. Diesen Göttern müssen Opfer gebracht werden, insbesondere Feueropfer.
Man hat Angst vor Dämonen. Auch die Veden berichten von allerlei Dämonen, gegen die man sich schützen kann – mit heiligen Sprüchen, bestimmten Riten, Gesten und Opfern.
Also viele verschiedene Dinge. Das hat auch noch seine Reste bis heute, denn es gibt in Indien verschiedene Arten und Weisen, wie man die Götter verehren kann.
Da gibt es beispielsweise die sogenannten Mandalas. Ich werde später noch auf sie eingehen. Mandalas sind Abbildungen der spirituellen Welt in schematischen Zeichnungen, sagen wir mal so.
Dann gibt es die Mantras. Das sind keine Zeichnungen, sondern Sprüche, Worte, meistens heilige Silben. Vielleicht erkläre ich das gleich hier.
Also Mandalas kennt ihr wahrscheinlich. Das war ja mal sehr umstritten und ist bis heute noch umstritten, weil in Kindergärten und Schulen solche Mandalas ausgemalt wurden. Das sind meistens Ornamente, die für uns relativ abstrakt aussehen.
In den meisten Fällen sind sie entweder kreisförmig oder quadratisch. Sie sehen fast aus wie ein Irrgarten, typisch für ein echtes Mandala.
Manche Dinge, die hier als Mandala verkauft wurden, sind eigentlich gar keine Mandalas.
Die meisten Mandalas haben außen relativ große Strukturen, also große Felder. Je näher man dem Zentrum kommt, desto kleiner werden diese Felder. Im Zentrum gibt es dann eine einzige Darstellung, meistens eine Lotusblüte, eine bestimmte Person, ein Kreis oder Ähnliches.
Diese Mandalas sollen den Aufbau der Welt symbolisieren und gleichzeitig eine Methode sein, zu meditieren und sich auf das Wesentliche des Lebens zu konzentrieren.
Die äußeren Zonen eines Mandalas symbolisieren die sichtbare materielle Welt. Wenn man das Mandala anschaut, soll man sich darauf konzentrieren, von außen langsam ins Innere zu kommen.
In der Mitte ist dann der Brahman, der höchste Gott, das Eigentliche, das Geistliche. Man spricht auch vom Edelstein in der Lotusblüte.
Die Lotusblüte ist das indische Zeichen für Weisheit, Wissen und Erleuchtung. Der Edelstein darin ist die göttliche Mitteilung, die Erleuchtung.
Das heißt, ich komme von den rein materiellen Dingen zur Erleuchtung. Das soll ich durch das Ausmalen erreichen.
Ursprünglich wurden Mandalas natürlich nicht gemalt. Bis heute ist es in Indien so, dass Mandalas zu bestimmten Festen oder zur eigenen Meditation aus buntem Sand auf dem Boden gestreut werden.
In Deutschland wurde das auch schon an verschiedenen Stellen getan.
Wenn das Mandala einmal gestreut ist, wird es danach von Priestern wieder zusammengefegt, und der bunte Sand wird in einen Fluss gestreut.
Jetzt sagen wir nach westlicher Vorstellung: „Ja, das war blöd, man macht so ein Kunstwerk, das besonders schön aussieht, und zerstört es dann direkt danach wieder.“
Nach indischer Vorstellung ist das jedoch vollkommen korrekt. Denn alles auf der Erde ist im ständigen Werden und Vergehen. Nichts ist dauerhaft.
Deshalb müssen die Mandalas wieder zerstört werden, um zu zeigen, dass auch das nicht beständig ist, dass es nur Illusion ist und vordergründig.
Der Sand wird in einen Fluss gestreut, damit das Mandala niemand wiederherstellt. Wir würden sagen: Recycling, wieder benutzen und zerstreuen.
Nein, einmal benutzt, geht es jetzt in dem Fluss der Zeit unter, wird zerstreut und ist nicht mehr zu finden.
Alles ist vordergründig und begrenzt in unserer Zeit.
So sind also die ursprünglichen, echten Mandalas. Die ausgemalten Mandalas sind ein Abklatsch davon, sollen aber zu Meditationszwecken eingesetzt werden.
Es sind indische Meditationstechniken, um sich auf das eigentlich Spirituelle und Geistige zu konzentrieren.
Dann gibt es die sogenannten Mantras. Mantras sind heilige Silben, die nicht gestreut oder gemalt, sondern ausgesprochen werden.
Am bekanntesten bei uns wurden Mantras in den 1960er und 1970er Jahren durch die Hare-Krishna-Bewegung.
Das ist eine hinduistische Gruppe, die den Gott Krishna verehrt. Sie zogen ständig durch die Städte, tanzten und sangen: „Hare Hare Krishna Krishna Hare Hare“ und so weiter.
Das ist ein Mantra. Sie meditieren immer wieder über diesen Namen und sollen das so lange tun, bis sie in Trance kommen, die irdische Welt nicht mehr wahrnehmen und durch diesen Götternamen eins werden mit der spirituellen, übernatürlichen, jenseitigen Welt.
Dafür sind die Mantras da.
Meistens bekommt man das Mantra von einem geistigen Lehrer, einem Guru, zugesprochen.
Ein Guru ist in Indien jemand, der einem hilft, neue und fremde Gedanken aufzunehmen und ein bisschen in hinduistische Frömmigkeit einzutauchen.
Das soll uns helfen, diese Menschen in Liebe verstehen zu können, also zu verstehen, wie sie denken und empfinden, um ihnen dann auch den christlichen Glauben nahebringen zu können.
Als Randbemerkung: Auch in Deutschland haben wir natürlich Hindus. Das ist sicherlich in größeren Städten etwas mehr verbreitet als in kleinen Dörfern, aber selbst dort kommen Hindus vor.
Beispiel: Unsere Gemeinde in Detmold. Dort besucht seit etwa einem Jahr eine Hindu-Frau unseren Gottesdienst.
Sie kam ganz von sich aus, ich würde sagen von Gott geführt, und seitdem ist sie regelmäßig da.
Für sie sind manche Dinge wirklich schwierig zu begreifen. Schon mehrfach kam sie auf mich zu und sagte, sie habe ein Problem, ob sie mit uns beten könne.
Ich habe natürlich gesagt: Ja, klar, beten können wir.
Was mich erstaunt hat, ist, dass sie Vertrauen hat, dass unser Gott ihr bei ihrer Sache helfen kann.
Eine andere Frau aus unserer Gemeinde trifft sich jetzt regelmäßig mit ihr, um die Bibel zu lesen. So geht es Stück für Stück voran.
Es gibt also Berührungspunkte, und wir sind herausgefordert, diese Menschen mit dem Evangelium zu erreichen – da, wo sie in Deutschland sind, aber auch da, wo sie in Indien oder anderen Ländern leben.
Du hattest ja vorhin erwähnt, dass eure Gemeinde auch in einem Missionswerk engagiert ist, das sich in Indien insbesondere um Kinder kümmert, Kindermission betreibt, aber auch Evangelisten, die von Haus zu Haus gehen, um dort zu missionieren.
Wenn ihr wollt, könnt ihr euch nachher noch erkundigen, wie das Werk dort läuft oder näher etwas davon hören.
Kritische Betrachtung von Mandalas und fernöstlicher Religiosität
Jetzt ist in der Pause eine Frage aufgetaucht bezüglich der Gefährlichkeit von Mandalas. Mandalas sind diese Ornamente, die ausgemalt werden, im Kindergarten, in der Schule oder die man auch privat kaufen kann.
Zunächst möchte ich ähnlich Stellung beziehen wie gestern zu den Gefahren oder möglichen Gefahren durch okkulte Verwicklungen in der Wirtschaft. Ich sage, dass ich nicht glaube und bisher auch keinen eindeutigen Hinweis habe, der nahelegt, dass ich durch das Ausmalen eines Mandalas okkult belastet werde oder Gott verleugne oder so etwas in der Art. Das ist nicht der Fall.
Natürlich mit der Ausnahme, es sei denn, ich mache das bewusst mit der Vorstellung und dem Ziel, jetzt zu meditieren und mich mit Brahman zu vereinen. Dann kann das auch geistlichen Schaden bei mir ausüben, aber das ist unabhängig von den Mandalas. Wenn ich jetzt einfach zu Brahman bete und sage: „Erfülle mich und das und das, ich will mich jetzt von der Erde loslösen“, wenn ich mich an diesen Gott wende, muss ich natürlich auch damit rechnen, dass dieser Gott oder Götze Einfluss auf mein Leben gewinnt. Das ist klar, sagt die Bibel ja auch.
Aber wenn ich das einfach so ausmale im Kindergarten – ich meine, du hast ja im Kindergarten wahrscheinlich auch damit zu tun gehabt –, vor deiner Zeit war das vielleicht noch nicht so modern. In den letzten Jahren ist das ziemlich modern geworden, man macht das andauernd, in einigen Kreisen, in einigen Kindergärten auch – und das durchaus selbst in kirchlichen Einrichtungen. In Bad Meinberg weiß ich, im kirchlichen Kindergarten, wird das auch heute noch praktiziert, wobei einige Sachen mir etwas abstrus erscheinen. Zum Beispiel wurde hier zum letzten Karneval ein Hexenfest veranstaltet, bei dem die Kinder sich als Hexen verkleiden sollten. Da stelle ich auch die Frage: Steht das in einem christlichen, zumindest evangelischen Kindergarten? Muss das sein? Wenn man sich schon verkleiden will, kann man doch andere Dinge nehmen. Aber das ist momentan auch ein bisschen „in“.
Ich denke nicht, dass das Ausmalen eines Mandalas eine okkulte Belastung darstellt. Trotzdem würde ich, wenn mein Kind im Kindergarten oder in der Schule Mandalas ausmalt, mit dem Lehrer Kontakt aufnehmen und darauf hinwirken, das nicht tun zu müssen oder zu wollen. Warum? Wenn der Lehrer oder Erzieher das macht, wie die meisten ja vorgeben, weil die Kinder dadurch ruhig werden, sich beruhigen usw., dann stellt sich für mich zunächst die Frage: Tun sie das aus religiösen Motiven oder rein aus pädagogischen Gründen?
Wenn sie das aus pädagogischen Gründen tun, kann ich sagen: Ja, dann gehen Sie nicht davon aus, dass das Mandala an sich die Kinder ruhig macht, sondern einfach das Ausmalen. Warum lassen Sie die Kinder nicht einfach ein Kaninchen, einen Wald oder eine Blumenwiese ausmalen? Warum muss das Mandala sein? Wenn das Ausmalen beruhigt, warum nicht etwas anderes? Das wäre mir lieber. Die meisten Erzieher würden mich dann zwar skeptisch anschauen und fragen, warum ich daran denke, aber die meisten ließen sich darauf ein und würden sagen, wenn es mir nicht sehr wichtig ist, dann können sie auch etwas anderes ausmalen lassen.
Wenn sie aus religiösen Gründen Mandalas verwenden, würde ich sagen: Der Kindergarten soll keine religiöse Prägung machen, vor allem keine, die meiner christlichen widerspricht. Ich will nicht, dass mein Kind eine hinduistische Prägung bekommt. Wenn jemand meint, dass Mandalas besonders wirken, dann müsste das ja durch den Hinduismus wirken, und den lehne ich ab. Also auch dann lieber nicht für meine Kinder.
Das sind zwei Gründe, die auch für jemanden, der nicht religiös ist, einleuchtend sein können. Die größte Gefahr, die ich als Christ in Mandalas sehe und die sich immer wieder bestätigt, ist, dass Kinder durch das Ausmalen dieser Mandalas und anderer Dinge – ich habe vorhin von Buddha-Armbändern gesprochen – offen werden für fernöstliche Religiosität. Selbst wenn sie jetzt nicht daran glauben, könnt ihr heute mal eine Umfrage unter Abiturienten machen, welche Religion ihnen am meisten imponiert. Ich kann euch jetzt schon sagen: Unter Abiturienten wird der Buddhismus am interessantesten gefunden. Buddhismus ist ja ein weiterentwickelter Hinduismus.
So werden die Kinder durch die scheinbar neutrale Schule schon dahin geprägt. Die meisten Abiturienten sagen, das Christentum sei „blöd“, aber diese fernöstlichen Sachen wie der Dalai Lama, der Buddhismus – das ist doch toll, friedlich, nett, lieb, Meditation, rein geistig und so weiter, das ist toll.
Ich weiß nicht, wie das bei dir in der Schulzeit war? Weißt du das nicht mehr so genau? Ja, das war dann sowieso etwas anderes. Genau, da würde ich das auch nicht erwarten.
Jedenfalls haben viele Schüler diese Einstellung, und woher kommt das? Das kommt durch sukzessive Prägung. Die Kinder malen so etwas, und in dem Moment haben sie vielleicht keine besondere Verbindung dazu. Aber wenn sie älter werden, lesen sie: „Aha, das, was ich damals gemacht habe, war ja so schön, dieses Ausmalen, diese Bilder.“ Sie haben sie ja noch, ähnlich wie im Kindergarten. „Oh, das habe ich mit fünf Jahren gemalt, das war doch toll.“ Dann merken sie: „Oh, das ist ja hinduistisch, das ist ja buddhistisch, und das war doch gut.“ So entsteht mit der Zeit eine positive Verbindung, eine positive Assoziation mit diesen fernöstlichen Religionen. Das führt automatisch dazu, dass sich die Kinder, wenn sie älter werden, auch der Religiosität dieser fernöstlichen Religion öffnen und da hineinschlittern.
So würde ich sagen, ist dieses Ausmalen, wenn ich das mal salopp vergleiche, eine Art Einstiegsdroge. Die Einstiegsdroge an sich muss noch nicht gefährlich sein. Wie wenn ein Kind auf dem Schulhof eine Zigarette raucht: Erst mal stirbt es nicht daran, es bekommt keinen großen Lungenschaden, es passiert noch relativ wenig. Aber die große Gefahr besteht darin, dass es dann immer mehr solche Dinge macht, weil es positive Erfahrungen damit verbindet. Und dann geht es von Zigaretten zu Haschisch und von Drogen immer tiefer hinein.
So ähnlich gibt es auch eine geistige Verführung, eine geistliche Verführung, die gerade dadurch stattfindet. Die Kinder bekommen positive Assoziationen, und das wird ihnen in erster Linie im nichtchristlichen Bereich vermittelt.
Manche Kindergärten basteln heute Traumfänger. Warum? Das ist Unsinn. Warum kann man nicht etwas anderes basteln? Traumfänger stammen ursprünglich von den eingeborenen Völkern Australiens, den Aborigines, oder auch von den Indianern. Traumfänger sollen Träume einfangen, die die Götter senden, damit sie zu mir sprechen.
Das wird im Kindergarten gebastelt, und man fragt sich: Was soll das? Es ist typisch diese esoterische Vermischung aller Religionen, die das Denken der Menschen prägt. Wir müssen uns nicht wundern, dass viele junge Menschen heute diese Überzeugungen haben, denn sie wurden seit Kindheit darin erzogen.
Es ist eine Illusion, dass die Leute im Kindergarten oder in der Schule neutral erzogen würden. Das ist Quatsch. Sie werden überwiegend mit einer gewissen esoterischen Überzeugung erzogen, in der Buddhismus, Hinduismus und indianische Religionen starke Elemente bilden. Das Christentum kommt kaum vor, es sei denn, man erlebt es vielleicht in einem Kloster. Dort gab es eine Ausleitung nur von der heiligen Hildegard von Bingen und ihrer Kräutermedizin und Meditation. Dabei hat Hildegard von Bingen im christlichen Bereich eigentlich wenig zu sagen, aber sie ist ein bisschen esoterisch, mystisch, meditativ, und das wird aufgenommen. Das Blut Jesu, der Opfertod Jesu, so etwas Altmodisches brauchen wir nicht. Ein bisschen Meditation über Heiligung geht noch, aber den anderen Teil brauchen wir nicht.
Insofern lehne ich Mandalas ab, aufgrund des Verführungseffekts, den sie auf Kinder haben. Wenn ein Kindergärtner malen will, soll er doch etwas anderes malen. Es gibt so viele Sachen zum Ausmalen. Unsere Kinder haben lauter Malbücher, und dann sind sie auch ruhig beim Malen. Das hat nichts mit spirituellen Dingen zu tun, sondern weil sie sich darauf konzentrieren, kleine Flächen auszumalen. Das kann man pädagogisch nutzen. Aber warum Mandalas anbieten?
Das ist heute weit verbreitet, und man merkt, dass überall religiöse Einflüsse hineinkommen, meistens fernöstliche. Das sollte uns aufhorchen lassen. Wir müssen einen Trennungstrich ziehen und sagen: Nein, das geht nicht. Ich kann nicht über einen hinduistischen Götternamen meditieren. Das ist für mich als Christ vollkommen absurd und falsch.
Eigentlich möchte ich auch sagen: Meditation ist gut. Ich habe das bewusst etwas provokativ gesagt, um einige zum Nachdenken zu bringen. Meditation im biblischen Sinne ist etwas anderes. Ich habe auch manche Ungläubige damit überrascht, indem ich ihnen deutlich gemacht habe, dass es bei Meditation darauf ankommt, worüber ich meditiere.
Wenn ich zum Beispiel in einem Psalm oder bei Josua lese: „Ich denke Tag und Nacht über dein Wort nach“, das ist Meditation. Stille Zeit ist eigentlich eine Art Meditation. Ich versuche intensiv, mich durch ein bestimmtes Wort Gottes prägen zu lassen.
Natürlich ist das Wort „Meditation“ uns anstößig, weil es mehr fernöstlich besetzt ist. Im Grunde ist die Art und Weise, wie ich meditiere, materiell dasselbe, was ein Hindu tut, nur mit anderem Inhalt. Meditation könnte man mit Gebet vergleichen. Ein Hindu betet, aber der Unterschied ist, was und zu wem ich bete.
In der christlichen Tradition gab es Meditation bis in die Gegenwart, nur nannte man sie anders, nämlich Kontemplation. Kontemplation bedeutet die bewusste Ausrichtung auf Gott allein und das Ausblenden aller anderen Dinge. Das kann hilfreich sein.
Wenn ihr euch zurückzieht in euer Zimmer, euer Kämmerlein, wie Jesus sagt, und ein Bibelwort betrachtet, es immer wieder durchdenkt, versucht, auf Gott zu hören, das ist eine Art Meditation. Hier ist die bewusste Ausrichtung auf Gott, ihr wollt euch von Gott prägen lassen.
Dasselbe tut ein Hindu, nur öffnet er sich einem hinduistischen Gott und versucht, sich mit bestimmten Methoden von ihm prägen zu lassen.
Die Methode, auf Gott zu hören, also sich bewusst Gott auszusetzen, ist kein Problem. Das Problem ist, welchem Gott und mit welchen Mitteln ich versuche, diesen Gott in mir wirken zu lassen.
Da müssen wir deutlich einen Trennungstrich ziehen und sagen: Hinduistische und buddhistische Meditationspraktiken lehnen wir ab. Aber uns von Gottes Wort prägen zu lassen oder beim Waldspaziergang sich bewusst vorzunehmen, Gott dankbar zu sein für die Natur, die er geschaffen hat, ist gut.
Nicht in der Natur Gott zu sehen, nicht so eine falsche Religiosität, sondern sich auf eine Blumenwiese setzen, eine Blüte genau anschauen und danken: „Danke, Gott Jesus, wie toll du das gemacht hast.“ Das kann uns helfen, eine Perspektive auf Gott zu gewinnen.
Oder wenn wir an die Verklärung denken: Jesus und seine Jünger haben alles andere ausgeblendet, nicht mehr an Sorgen oder Verfolgung gedacht, sondern nur noch Jesus gesehen. Das ist eine Art Meditation, sich nur darauf zu konzentrieren und sich davon prägen zu lassen.
Sich von etwas prägen zu lassen ist nicht das Problem, sondern es kommt darauf an, von was.
Es gibt in Indien verschiedene Stufen der Meditation. Die werde ich noch erwähnen. Das vollkommen sich Preisgeben und Aufgeben ist das Ergebnis einer höheren Stufe der Meditation, die mit Erlösungsvorstellungen zu tun hat.
Ein Hindu hat ein anderes Menschen- und Erlösungsbild. Deshalb muss er seine Persönlichkeit auflösen. Das hat mit Erlösung zu tun, nicht mit Meditation.
Die niedrigen Stufen der Meditation sind bei vollem Bewusstsein. Das Endziel ist, das Bewusstsein auszuschalten, weil der Hindu keine Individualität hat, sondern alles nur Illusion ist, die ausgeschaltet werden muss.
Das Ziel der Meditation ist also ein anderes als meins. Ich lasse mich von Gottes Gedanken prägen und setze mich intensiv mit ihnen auseinander, zum Beispiel indem ich Bibelverse auswendig lerne. Ich gehe spazieren und lerne dabei. Das ist Meditation im Sinne der Bibel.
Mein Ziel ist ein anderes. Der Hindu meditiert, um sich auszuschalten. Ich meditiere, um mich von Gott prägen zu lassen.
Diesen Unterschied müssen wir deutlich wahrnehmen. Nicht dass jemand denkt, ich versuche, nicht mehr ich selbst zu sein und lasse irgendwelche Kräfte in mir wirken. Das ist keine christliche Art.
Ich meine, die Umwelt auszuschalten, so weit wie möglich, um mich besser auf Gott zu konzentrieren. Das meine ich mit Meditation.
Das ist die Schwierigkeit, wenn wir den gleichen Begriff für zwei Dinge verwenden, die ganz verschieden sind.
Deshalb benutze ich in Gesprächen oft das ältere christliche Wort „Kontemplation“, um den Unterschied zu verdeutlichen.
Ich habe das bewusst etwas provokativ gesagt, um euch zum Nachdenken zu bewegen und zu zeigen, dass wir, wenn wir mit Esoterikern sprechen, ihnen auch etwas Positives anbieten können.
Wir können nicht nur sagen, was falsch ist, sondern auch sagen: Sich bewusst prägen zu lassen ist gut, aber es kommt darauf an, von wem.
Dann biete ich das Christliche an und sage: Lass dich von Gott prägen, der die Welt geschaffen hat, der absolute Wahrheit in seinem Wort gegeben hat. Lass dich davon prägen, nicht von irgendeinem indischen Gott, den du nicht kennst.
So können wir auf dieser Ebene mit Menschen reden, ob Inder oder Esoteriker. Wir können ihnen Alternativen aufzeigen.
Aber indische Meditation mit dem Ziel der Persönlichkeitsauflösung kann kein christliches Ziel sein.
Gut, wir waren jetzt bei den Heiligen Schriften der Inder, insbesondere beim sogenannten Ramayana.
Das Ramayana ist eine relativ lange Abhandlung über den Kampf zwischen Gut und Böse. Es gilt als Lehrbeispiel für ein tugendhaftes Leben, als Vorbild.
Purana ist eine Überbezeichnung für verschiedene Schriften. Das Ramayana ist eine dieser Schriften.
Man könnte sagen: Das ist vergleichbar mit der Bibel, die ein Überbegriff ist. Im katholischen Sinn gibt es die Dogmen der Kirche, dann die Bibel mit Altem und Neuem Testament, die Propheten und Weisheitsschriften.
So wird das auch bei den indischen Schriften unterschieden. Die Überbegriffe sind Puranas, eine große Gruppe davon ist das Ramayana-Epos.
Das Ramayana stellt Personen dar wie Tochter, Sohn, Frau, Mutter, Freundin in verschiedenen Rollen der Götter. Es zeigt, wie man sich idealerweise in diesen Rollen verhält.
Das Ganze wird dadurch schwierig, dass Menschen und Götter vermischt auftreten. Die Hauptrolle nimmt der Prinz Rama ein.
Es gibt die Ramaiten, das sind die Inder, die Rama besonders verehren. Rama hat nichts mit Margarine zu tun, sondern ist ein Gott.
Prinz Rama soll einen zehnköpfigen Dämonenkönig in Sri Lanka töten.
Das ist alles wie ein Märchen, aber die Inder glauben, dass es wirklich so passiert – weil die Welt für sie etwas unwirklich ist.
Rama soll seinem Vater auf den Thron folgen. Die Mutter seines Stiefbruders zwingt den König, Rama für vierzehn Jahre zu verbannen.
Kurz zusammengefasst: Als moralisches Vorbild gehorcht Rama seinem Vater, obwohl es eigentlich negativ ist. Er ist seinen Eltern zugehorsam verpflichtet.
Mit ihm geht seine Frau Sita, die das Modell weiblicher Hingabe ist. Im Hinduismus muss sich eine Frau den Männern unterordnen, wesentlich stärker als im Christentum.
Eine kurze Einführung: Es gab früher die Witwenverbrennung, bis die Engländer das verboten haben. Die meisten Witwen taten das sogar freiwillig.
Das ist für uns schwer vorstellbar. Vielleicht kennt ihr „In 80 Tagen um die Welt“ von Jules Verne. Dort wird eine Prinzessin verbrannt, die dann befreit wird. Das ist eher westliche Fantasie.
Viele Inder gehen davon aus, dass sie sich nach den göttlichen Ordnungen richten und sowieso wiedergeboren werden. Deshalb hängen sie nicht so stark am jetzigen Leben.
Wenn ich jetzt sterbe, gehört das dazu. Wenn ich mich hingebe, ist das ein Beweis, dass ich bereit bin, mich den Göttern zu opfern.
Viele taten das freiwillig, tranken berauschende Getränke, damit es nicht so schmerzhaft ist. Sozialer Druck spielte eine Rolle.
Heute ist das verboten, es gibt nur wenige Fälle.
Generell gilt: Frauen gelten pauschal weniger. Frauen kommen in den Erlösungsvorstellungen der Hindus kaum vor. Eine Frau soll einfach eine gute Frau sein, das ist ihre Aufgabe. Dann wird sie im nächsten Leben auf einer höheren Stufe wiedergeboren.
Dabei kommen wir zur hinduistischen Vorstellung des menschlichen Lebens.
Der Mensch lebt nicht einmalig, sondern wird ständig wiedergeboren. Nicht innerlich von neuem geboren, sondern in verschiedenen Formen auf der Erde.
Das nennt man Reinkarnation, also „wieder ins Fleisch kommen“.
Man wird so lange wiedergeboren, bis man sich mit dem All-Einen, Brahman, vereint.
Brahman ist der Kosmos, der Urgrund allen Seins, aus dem alles entstanden ist und in den alles zurückschwingt.
Das Problem ist, dass nach Milliarden Jahren alles wieder von Brahman ausgeht und die Erde neu entsteht. Selbst der Erleuchtete wird wieder ein Lebewesen auf der Erde und geht irgendwann wieder zu Brahman über.
Das Ganze ist endlos, aber man kann sich ein paar Milliarden Jahre in Brahman ausruhen und eins sein.
Hinduisten vergleichen das mit einem Tropfen, der ins Meer fällt. Du bist der Tropfen, das Meer ist Brahman.
Brahman, Brahma und Brahmanen sind eng verwandt. Brahman ist das Eine, Brahma der Schöpfergott, Brahmanen die höchste Kaste.
Der Mensch wird immer wiedergeboren. Die Frage ist, als was und wer bestimmt das?
Es gibt ein kosmisches Gesetz, das Karma. Über das entscheidet niemand, es ist wie ein Gesetz.
Es ist nicht automatisch, dass man nach dem Tod sofort wiedergeboren wird, es gibt auch einen Abwärtsweg.
Man kann sich zehn Millionen Jahre aufwärts entwickeln und dann durch Fehler wieder abwärts gehen.
Das Karma ist eine Art Buch, das alles aufzeichnet, was man erlebt und getan hat.
Man wird mit dem Karma wiedergeboren.
Man wird aber nicht mit der Individualität wiedergeboren. Wenn man als Pflanze wiedergeboren wird, wie soll man sich an das Leben erinnern? Wie fühlt sich das an?
Brahman ist keine Individualität. Das, was wiedergeboren wird, bist nicht du als Person mit Eigenschaften oder Gefühlen, sondern nur dieser Teil des ewigen Brahman mit dem Karma.
Man spricht von Brahman als dem All-Einen und Atman als dem Teil Brahmans im Menschen.
Atman ist das, was wiedergeboren wird.
Je nachdem, wie sich Atman verhält, wird es auf einer höheren oder niedrigeren Stufe wiedergeboren.
Manche Hindus sagen, man kann als unbelebte Materie wiedergeboren werden, als Stein oder so. Das ist schwer vorstellbar.
Die meisten Hindus sagen, man kann als Tier wiedergeboren werden, einige auch als Pflanze.
Tiere sind heilig, zum Beispiel Ratten. Wenn man sie tötet, verschlechtert sich das Karma.
Wer sich negativ gegenüber Lebewesen verhält, verschlechtert sein Karma und wird niedriger wiedergeboren.
Die Reihenfolge ist: unbelebte Materie ganz unten, dann Pflanzen, Tiere, Menschen, dann Götter.
Götter werden auch wiedergeboren, denn sie sind noch nicht erleuchtet.
Das macht alles kompliziert.
Die Göttergeschichten, zum Beispiel von Vishnu, Rama und Krishna, sind Reinkarnationen desselben Gottes in verschiedenen Formen.
Das macht es für uns unübersichtlich.
Einige Hindus, wie die Jainas, sind sehr konsequent. Sie tragen Mundschutz und fegen Insekten weg, um sie nicht zu töten.
Jainas glauben nicht, dass Pflanzen Seelen haben, deshalb essen sie Pflanzen.
Aber das ist inkonsequent, weil Bakterien auch lebendig sind und täglich von unserem Körper getötet werden.
Man müsste also auch keine Antibiotika nehmen, sondern lieber an einer Lungenentzündung sterben, um Bakterien zu schützen.
Das ist natürlich schwierig.
Ist es für einen normalen Hindu möglich, als Gott wiedergeboren zu werden? Ja, das ist sogar normal.
Jeder Hindu hofft darauf, als Gott wiedergeboren zu werden.
Das ist ein Problem im Gespräch mit Hindus.
Wenn du sagst, Jesus ist der Sohn Gottes, sagen sie: Kein Problem, er ist auf einer höheren Stufe reinkarniert.
Wenn du sagst, er ist Gott, denken sie: Er ist einer von vielen Göttern, die es gibt.
Wenn du sagst, du bist ein Kind Gottes, finden sie das anerkennenswert, du bist schon weiter.
Manche Hindus werden Christen in der falschen Vorstellung, dadurch eine Abkürzung in der Reinkarnation zu nehmen.
Sie bleiben Hindu, nehmen Jesus nur als eine weitere Inkarnation an.
Das bringt aber keine Erlösung.
Wir müssen ihnen erklären, dass unsere Gottesvorstellung ganz anders ist als die hinduistische.
Wir müssen Worte genau definieren, sonst entsteht Verwirrung.
So kann ein Hindu Christ werden, aber im Herzen Hindu bleiben.
Das hilft nichts.
Das Ganze ist komplex.
Sita, die vollkommene Gattin, ist Vorbild aller Frauen.
Die Frau muss sich unterordnen. In der Rangordnung gilt: Frauen sind niedriger als Männer.
Als Frau musst du erst als Mann wiedergeboren werden, um Gott zu werden.
Das ist festgelegt, warum, weiß keiner.
Es gab Ausnahmen. Zum Beispiel Indira Gandhi hatte ein hohes Amt, aber das war säkular, nicht geistlich.
Inder unterscheiden zwischen säkularen Verantwortungen und spirituellen Stellungen.
Ein Brahmane kann Angestellter einer niedrigen Kaste sein, aber geistlich höher stehen.
Im öffentlichen Leben bedeutet ein Amt nichts für die spirituelle Stellung.
Das ist für uns schwer zu verstehen.
Das öffentliche Leben ist nur eine Illusion der Materie.
Das Geistliche in uns legt die Stufe der Inkarnation fest.
Ein weiterer Punkt: Kein Hindu kann sich an frühere Reinkarnationen erinnern.
Es gibt westliche Esoteriker, die unter Hypnose frühere Leben erinnern wollen.
Meistens waren das wichtige Personen.
Im Hinduismus gibt es das nicht.
Kein Hindu erinnert sich an frühere Leben.
Das erschwert das Verständnis.
Man weiß nicht, was man im letzten Leben falsch gemacht hat.
Man weiß nicht, warum man in der niedrigen Kaste ist.
Das ist einfach Karma.
Man kann sich nicht erinnern.
Das ist ein Problem.
Man kann sich nur mit dem jetzigen Leben beschäftigen.
Zurück zum Ramayana:
Rama, der Prinz, und seine Frau Sita wurden vom Vater auf Betreiben der bösen Stiefmutter vertrieben.
Sita wird von Ravana entführt und von Dämonen auf einer Insel bewacht, in Sri Lanka.
Rama kann sie nicht alleine befreien, er braucht die Hilfe seines Halbbruders Lakshman.
Lakshman holt den Affenkönig und den Bärenkönig zur Hilfe.
Affe und Bär sind heilige Tiere.
Der Affengott Hanuman wird zum Helden der Geschichte.
Er springt über das Meer zur Insel und landet dort.
Es gibt ein blutiges Gefecht zwischen Ravana und Rama.
Sie kämpfen mit magischen Mitteln, Mantras werden ausgesprochen.
Das erinnert an Fantasy-Romane mit Zauberern und magischen Schwertern.
Sita wird Untreue vorgeworfen, sie habe mit dem Dämonenkönig fremdgegangen.
Um ihre Unschuld zu beweisen, muss sie sich einer Feuerprobe unterziehen, die sie besteht.
Sie kehren glücklich zurück.
Die Charaktere werden alle interpretiert und gelten als moralische Vorbilder.
Das ist der Zweck der Geschichte.
Dann gibt es neben dem Ramayana das Mahabharata-Epos.
Das Mahabharata ist etwa zehnmal so lang wie die Bibel.
Natürlich kennt kein Inder das ganze Werk, sondern nur Zusammenfassungen.
In indischen Tempeln gibt es Abbildungen dieser Geschichten, die man so kennenlernt.
Es gibt Comics und Spielfilme, die die Geschichten erzählen.
Das Mahabharata erzählt von einem Konflikt zwischen Söhnen einer Königsfamilie, die um die Herrschaft über Delhi kämpfen.
Es werden alle Aspekte des menschlichen Lebens angesprochen: Gier, Wollust, Streit, Machtstreben, Liebe, Verhaltensregeln.
Ein besonderer Teil des Mahabharata ist die Bhagavadgita.
Der Held der Bhagavadgita ist Krishna, eine Reinkarnation von Vishnu.
Krishna erscheint auch als Arjuna, ein Mensch.
Vishnu reinkarniert als Krishna, der Gott reinkarniert als Mensch.
Arjuna ist Wagenlenker, der Rat bekommt, ob er in den Krieg ziehen soll und sich rächen soll.
Einige edle Leute raten ihm, sich selbst zu überwinden und zu vergeben.
Krishna ist ein Kasanova, der viele Mädchen verführt.
Er erscheint Jungfrauen, die durch sein Flötenspiel und seinen Charme angetan sind.
Krishna ist nicht moralisch im christlichen Sinn.
Ehebruch ist im Hinduismus verboten, aber für die Götter gilt das nicht.
In hinduistischen Bildern sind die Götter meist farbig dargestellt, Menschen hautfarben.
Krishna wird oft mit blauem Gesicht dargestellt.
Das zeigt, dass die Götter nicht menschlich sind.
Krishna sagt, wer alles aus Liebe zum höchsten Wesen tut, hat den vedischen Pflichtbegriff hinter sich gelassen.
Nicht alle Inder vertreten das so.
Liebe ist im Hinduismus anders als im Christentum.
Jesus sagt: In der Liebe sind alle Gebote enthalten.
Hier ist Liebe verselbständigt, der Weg des Bhakti.
Um nicht zu verwirren, erzähle ich von den restlichen Mythen nicht mehr viel.
Manche Geschichten sind schön, wie Märchen.
Jetzt kommen wir zu den fünf Wegen der Erlösung.
Die meisten Inder gehen einen dieser Wege, nicht alle.
Manche wählen auch zwei parallel.
Ich erkläre diese Wege.
(Letzter Satz unvollständig, Fortsetzung folgt.)