Einführung in die Berufung der Heiden und die Rolle Israels
Ich habe heute einen Abschnitt aus Römer Kapitel 11 ausgewählt. Über andere Abschnitte wurde hier schon oft gepredigt, aber noch nie über die Verse 11 bis 16.
Die Berufung der Heiden als Hoffnung für Israel? So frage ich nun: Sind sie gestrauchelt, damit sie fallen? Keineswegs! Sondern durch ihren Fall ist das Heil den Heiden widerfahren, damit Israel ihnen nacheifert.
Wenn aber schon der Fall Israels Reichtum für die Welt ist und ihr Mangel Reichtum für die Heiden, wie viel mehr wird es Reichtum sein, wenn Israels Zahl voll wird!
„Euch Heiden“ – das ist eine jüdische Redeweise. Das erwählte Volk meint die Juden, und die Nichtjuden sind die Heiden. „Euch Heiden“ sind wir. Aber sage ich, weil ich Apostel der Heiden bin, preise ich mein Amt? Ob ich vielleicht meine Stammverwandten zum Nacheifern reizen und einige von ihnen retten könnte?
Denn ihre Verwerfung ist die Versöhnung der Welt. Was wird ihre Annahme anders sein als Leben aus den Toten?
Ist die Erstlingsgabe vom Teig heilig? Beim Sauerteig wissen die Hausfrauen, dass ein tolles Bild auch der ganze Teig heilig ist. Und wenn die Wurzel heilig ist, so sind auch die Zweige heilig.
Persönliche Begegnungen und die Bedeutung der Beziehung zu Israel
War das nicht in diesem Jahr, bevor wir mit unserer Gruppe in die Türkei aufgebrochen sind? Wir wollten früh ins Bett gehen, weil wir am nächsten Morgen wieder früh mit der Straßenbahn zum Flughafen mussten. Doch plötzlich klingelte es unten an unserer Haustür.
Dort standen zwei Männer. Ich öffnete im Dunkeln. Den einen kennst du doch. Dann sagt er seinen Namen: Großer, starker Mann Schmul Schuran aus Jerusalem. Neben ihm stand Johnny Schavan, ein evangelischer Christ aus Bethlehem, ein Araber.
Das war ein wunderbarer Abend und eine wunderbare Nacht – wichtiger als Nachtruhe. Was für ein Erlebnis ist es, wenn wir Menschen aus dem erwählten Volk Gottes, aus Israel, treffen, die für den Messias Jesus brennen!
Schmul Schuran und seine Frau, eine Künstlerin und Zeichnerin namens Pamela Schuran, sind vielen durch ihre Postkarten und Bildbände bekannt. Sie haben eine Teestube in Jerusalem, in der sie junge Juden einladen. Dort erzählen sie ihnen als Juden von der Erfüllung der vielen Prophezeiungen der Propheten.
Sie berichten davon, wie die Liebe auch hinübergeht – die Aussöhnung mit den Arabern – und wie sie versuchen, das darzustellen. Es war eine der schönsten Begegnungen, die wir im vergangenen Jahr hatten, abgesehen davon, wo wir sie getroffen haben.
Das ist erhebend, wenn man so etwas einmal erlebt: gläubig gewordene Juden und wir als Gemeinde aus den Heiden. Wir brauchen die Beziehung zum Volk Israel. Diese Beziehung ist wichtiger als zu irgendeinem anderen Volk auf der Welt.
Es wäre das Allerschlimmste, wenn es gelingen würde, die Verbindung zu Israel abzuschneiden oder auch nur zu lockern. Jeden Tag muss in unserer Fürbitte das Schreien für Israel enthalten sein – um das Erbarmen Gottes über sein geliebtes, auserwähltes Volk.
Die theologische Bedeutung Israels im Römerbrief
Paulus hat einen Brief an die Römer geschrieben, die kleine römische Gemeinde. In diesem Römerbrief hat er die Fundamente des christlichen Glaubens ganz klar dargestellt.
Alle Menschen sind in der Sünde und können sich nicht selbst von der Sünde lösen. Es gibt nur eine Versöhnung: den Opfertod Jesu. Durch den Opfertod Jesu werden wir mit Gott versöhnt und haben Frieden mit Gott. Wenn wir diesen Frieden Gottes haben, kann der Geist Gottes in unserem Leben wirken. Wer kann dann noch gegen uns sein?
Zu diesen Fundamenten des Glaubens gehört aber auch Israel. Paulus widmet Israel drei Kapitel lang besondere Aufmerksamkeit. Schon in den ersten Kapiteln spricht er viel über Israel und über Abraham.
Rom, die ewige Stadt, ist eine Weltstadt – das Zentrum für Künstler, Wissenschaftler, Abenteurer und Weltenbummler. Paulus sagt den Römern jedoch, dass das Allerwichtigste die Verbindung zu Israel ist. Wenn diese Verbindung in eurem Glauben fehlt, dann fehlt euch alles. Ihr braucht die Verbindung zu Israel.
Israel ist das Musterbeispiel dafür, dass auch das, was Paulus über Erlösung, Heilsgeschichte und Versöhnung durch Jesus lehrt, stimmt. An Israel kann man prüfen: Stimmt es wirklich, dass allein Jesus Christus rettet? Paulus fordert uns auf, Israel als Test zu nehmen.
Israel ist ein kleines Volk, das durch so viel Leiden gegangen ist. Das schrecklichste aller Verbrechen wurde an diesem Volk verübt, auch in unserem Jahrhundert. Doch trotz allem ist Israel ein Volk, das durch die Jahrhunderte ohne Heimat blieb. Es hat sich nie mit anderen Völkern vermischt, sondern ist immer gesondert geblieben.
Israel hat sich nie aufgelöst, im Gegensatz zu vielen anderen Völkern. Andere Völker haben sich assimiliert und ihre Identität verloren. Zum Beispiel sind Verwandte, die nach Amerika ziehen, oft nach wenigen Generationen nicht mehr als Teil ihrer Nation erkennbar. Nicht so Israel. Israel ist ein besonderes Volk.
Die jüdische Herkunft des Glaubens und die Einheit von Altem und Neuem Testament
Und was haben wir als Christen alles gemeinsam mit Israel? Wenn jemand glaubt, seinen Glauben leben und gleichzeitig jüdisch sein zu können, dann hat er nicht einmal einen Heiland, denn dieser war Jude. Er nahm Fleisch und Blut an. Die ganzen Apostel waren Juden.
Nicht nur das Alte Testament ist jüdisch, auch die christliche Gemeinde bestand aus Juden. Harald Füll, der in unserer Gemeinde wohnt und viel unter Juden arbeitet, hat in einer Schrift geschrieben: Wenn Sie sich einen Himmel vorstellen, in dem nichts Jüdisches mehr enthalten ist, dann dürfen Sie nicht mit David, nicht mit Mose, nicht mit Petrus und nicht mit Paulus zusammenkommen. Auch nicht mit den Psalmen und nicht mit den Propheten.
Es gibt keine Trennung. Für uns Christen ist die Verbindung mit Israel ein ganzes, vollkommenes Ganzes. Es gibt kein anderes Heil und keinen anderen Namen, durch den wir gerettet werden, als diesen. Wir werden also durch den Namen Jesus gerettet, doch dieser Name gehört in die Geschichte Israels. Das ist kein Bruch, genauso wenig wie zwischen dem Alten und dem Neuen Testament ein Bruch besteht.
Das werden Sie merken, wenn Sie etwas zusammengehört haben: Es ist eine Einheit, ein vollkommenes Ganzes.
Fünf zentrale Punkte zur Beziehung zwischen Heiden und Israel
Heute fünf Punkte: Wir profitieren unverdient vom Fall Israels (Peres 11). Durch ihren Fall ist den Heiden das Heil widerfahren. Die Germanen waren vom Heil Israels ausgeschlossen.
Es steht zwar schon in den Psalmen, dass das Ende der Welt gehört werden soll, aber Israel hat seine Missionsaufgaben nicht wahrgenommen. Unsere Vorfahren haben das Evangelium erhalten. Es waren jene Eroberer aus Schottland und München, die entbehrungsreich durch unser Land gezogen sind und von Jesus erzählt haben. Doch der Anfang lag bei den Aposteln in der Urchristengemeinde.
Paulus ging immer zuerst in die Synagoge. Er wusste, das war auch der Weg Jesu: „Ich bin gesandt zu Israel.“ Dann aber spielte sich diese furchtbare Tragödie ab: Israel wurde verworfen, Israel hat Jesus abgelehnt. Es gab immer Tumult und Widerstand, wenn Paulus anfing, von der Erfüllung der Prophetie in Jesus, dem Messias-König, zu reden. Paulus sagte dann immer: „Dann gehe ich jetzt zu den Heiden.“ Er wusste, dass sie ihn nicht annehmen würden.
Durch die Ablehnung Israels haben wir Profit bekommen – unverdient. Es ist uns in den Schoß gefallen, weil Gott seine Heilsgeschichte nicht unvollendet lässt. Er hat sie uns geschenkt, weil Jesus gekommen ist, um zu retten und selig zu machen. So hat Jesus es selbst im Gleichnis vom großen Abendmahl erzählt: Die geladenen Gäste kommen nicht, also schickt er seine Boten zu den Hecken und Zäunen. Die Hecken und Zäune sind die Unwürdigen – wir sind das, aus den Heiden.
Uns galten ursprünglich gar nicht die großen Verheißungen der Propheten. Wir haben den Profit aus dem Schaden Israels gezogen. Das muss ein Grund sein, dass wir immer mit Staunen und Mitzittern da stehen. Wir haben es nicht verdient. Wer sind wir? Warum sind wir selig geworden? Warum haben wir Hoffnung im Sterben? Wegen der überströmenden Gnade Jesu, der so wunderbaren Kraft, die nicht aufhört, sondern seine Missionsboten bis heute in die Welt schickt.
Wir hören aus den Berichten aus der Dritten Welt immer wieder, dass Völker, die das Evangelium noch nie gehört hatten, sagen: „Warum bringt er das uns?“ Jetzt eine Botschaft: Wir sind beschenkt, aber aus einer Tragödie heraus. Weil Israel abgelehnt hat, haben die Heiden den Profit gezogen.
Die Flüchtlinge, die Verfolgten des Glaubens – das sind die Missionare. Als in Antiochien die erste Christengemeinde entstand, wurden aus den Fluchtwegen Missionen. Gott hat das Heil in seiner Güte und Liebe geschaffen. Durch die Ablehnung Israels wurde das Tor zu den Füllkorn der Welt geöffnet.
Adolf Schlatter in Tübingen war ein großer Bibeltheologe. Er hat immer wieder eine Beobachtung angeführt und gesagt, man könne sich gar nicht vorstellen, dass das damals in der Heilsgeschichte alles so lief. Man versteht es erst im Rückblick.
In der ukrainischen Gemeinde kennen wir das aus dem Galaterbrief: Es gibt eine starke Versuchung, immer wieder zu den jüdischen strengen zeremoniellen Gesetzen zurückzukehren, zu den Reinheitsgesetzen und der Last vieler Gebote. Adolf Schlatter sagte immer: Wenn das Evangelium damals nicht so zu den Heiden gekommen wäre, hätten wir uns nie befreien können.
Was ist das für eine Sache, dass die Last des Gesetzes von uns genommen ist und dass wir hineingesetzt sind in das Herrschaftsgebiet Jesu – ohne eine große schwere Last, sondern mit der Freiheit der Kinder Gottes.
Paulus hat herausgestellt: Wenn das Evangelium gepredigt wird, dann durch Christus haben wir Versöhnung und Erlösung. Es gilt nichts mehr mit den alten Versuchen des Menschen, sich durch Werke selbst zu verbessern, sondern nur die überfließende Gnade anzunehmen.
So besteht nun die Freiheit, zu der euch Christus befreit hat – eine große Befreiung, das Evangelium so klar hervorgetreten ist.
Die bleibende Berufung Israels trotz Straucheln
Aber jetzt? Das zweite steht auch in diesem Vers 11: Israel darf und soll nicht fallen. Sind sie gestrauchelt, damit sie fallen? Das sei ferne.
Aber Israel hat auch Jesus abgelehnt. In den großen christlichen Kirchen der Welt herrscht bis heute die Lehre, dass die Berufung Israels mit der Zerstörung Jerusalems beendet sei. Das ist der Grund, warum ich den Vatikan bis heute nicht anerkennen kann. Für ihn ist Israel kein auserwähltes Volk mehr, kein Volk Gottes mehr.
Das können Sie bei den orientalisch-orthodoxen Kirchen lesen. Da stehen Ihnen die Haare zu Berge, wenn Sie hören, dass beispielsweise heute Patriarchen im Nahen Osten verkünden und sagen, die Geschichte der Wüstenwanderung Israels beziehe sich nur auf die Palästinenser. Das seien die Leute, denen Gott das Land verheißen hat.
Das hat ganz fatale politische Konsequenzen. Übrigens ist das das einzige Mal, wo ich glaube, dass Christen auch politisch reden, wenn es um Israel geht. Auch von der Kanzel hat das politische Konsequenzen. Aber wenn wir sehr behutsam sein wollen: Hat Israel seinen Ruf nicht verloren?
In Kapitel 9 bis 11 heißt es immer wieder: nein, nein, nein. Gottes Gabe und Berufung können nicht widerrufen werden. Gott nimmt sein Wort nicht zurück. Israel sei sein Augapfel. „Ich will dich nicht verlassen, noch versäumen.“
Unsere Theologie ist merkwürdig unfähig, diese Realität zu erfassen. Und es war wieder Schalom Ben Chorin, der sagte: Jeder unbefangene Bibelleser versteht mehr als all die Theologen von der Erwählung Israels.
Wenn Sie in den Propheten lesen, dann wissen Sie doch, dass Gott das nicht einfach bloß Israel dahingesprochen hat, sondern dass sie es nicht angenommen haben. Und es gilt doch trotzdem als ein Angebot und als ein Ruf an Israel.
Die schwierige Geschichte der Christen und Juden und die Notwendigkeit der Versöhnung
Warum sind Juden so allergisch gegen Christen? Und vor allem müssen wir uns gegenüber Juden schützen. Die Kirchen haben lange Zeit versucht, Juden mit Zwang zu integrieren – jahrhundertelang im Mittelalter. Das war furchtbar. Für Juden steht alles, was mit Judenmission zu tun hat, unter dem Eindruck dieser grausamen Vorstellung: Der Holocaust als Mittel, Israel zu zerstören. Wir sollen unserer Geschichte beraubt werden, unsere Identität verlieren und verleugnen, ja sogar zu Lügnern gemacht werden.
Das schlimmste Symbol ist dabei das Kreuz Jesu – eine Pervertierung aller Gedanken durch die Geschichte der Christen. Was Christen hier getan haben, war in der Tat eine falsche Vorstellung. Denn jahrhundertelang wurde gelehrt, die Kirche mache nicht selig. Die Kirchen haben nicht Jesus verkündet, sondern versucht, Mitglieder zu ködern und Menschen zwangsweise zu integrieren. Sie kennen das ja: Es ist wichtig, in welchem Verein man Mitglied ist.
Das Evangeliumszeugnis, wie es dann beim Pietismus begann – bei Zinzendorf und Francke –, war etwas ganz anderes. Sie wollten keine Mitglieder fangen, sondern über die Verheißungen des Alten Bundes und den Messias Jesus sprechen. Bis heute ist das Zeugnis von Christus an Israel kein Aufruf zur Mitgliedschaft in irgendeiner Konfession.
Der Rabbi Isaak Lichtenstein erzählt von seiner Jugend in Deutschland. Schon als Kind habe er gespürt, wie Christen-Kinder zum Baden kamen und ihre Kleider in den Fluss warfen. Er, der später Christ wurde, sagt: Ihr müsst verstehen, wie wir von unserer Kindheit an einen abgrundtiefen Hass gegen den Einen haben, der das alles verursacht hat. Wer ist dieser Eine? Bei den Christen ist das nur Christus Jesus. Und den hassen wir nicht. Es waren die Scheußlichkeiten von Menschen, die all dies angetan haben. Es war die Sünde, die unheimliche Dämonie im Herzen der Menschen.
Deshalb ist es so wichtig: Israel darf nicht fallen. Wir bleiben in diesem Dilemma, denn wir verstehen Israel. Aber das Zeugnis, besonders wenn es von jüdischen Christen in Israel weitergetragen wird, ist notwendig. Denn das Messias-Zeugnis von Jesus muss ihnen gesagt werden: Euer Heiland Jesus, der aus eurem Volk kam, sucht euch in Liebe. Eure Verheißungen gelten.
Kirchen, die die Erwählung Israels leugnen, können keinen Evangeliums-Dienst in Israel leisten. Paulus wollte für sein Volk verbannt sein, um ihnen die Herrlichkeit des Messias zu bezeugen. Er liebt dich mit ewiger Liebe und lässt dich nicht los.
Die Bedeutung Israels für den christlichen Glauben und die Verantwortung der Christen
Ein drittes: Ohne Israel können wir uns nicht wirklich freuen. Wenn Israel fehlt, fehlt unserem Glauben sehr viel. Denn sie sind die Originalen, die Adressaten der Botschaft Gottes. Die Nachkommen Abrahams, Isaaks und Jakobs.
Es gibt eine große Liebe zu Israel und zu jedem Einzelnen aus dem Stamm Israel – diese Liebe entspringt der Bibel. Paulus sagt: „Wir sollen Israel reizen“ (Römer 11,14). Er fragt: „Ob ich vielleicht meine Stammverwandten zum Nacheifern reizen und einige von ihnen retten könnte?“ Wie furchtbar ist es, wenn wir hier versagt haben!
Unser ganzes Leben sollte heute nur eins sein: Dass wir in der Lage sind, Israels Not zu spüren und ihnen das auch spüren zu lassen. Wir tragen ihre Not mit – auch in ihrer großen politischen Bedrängnis. Wir stehen für sie ein, beten für sie und lieben sie von ganzem Herzen.
Verstockung ist Israel widerfahren. Was heißt Verstockung? Sie können es nicht verstehen, es hängt wie eine Decke vor ihren Augen. Sie können nicht begreifen, was im Evangelium steht und was das Haupthindernis ist. Das ist die Geschichte der Christen. Es ist so schwer zu begreifen. Eigentlich hätten gerade Christen Israel die Augen öffnen sollen – mit überwältigender Liebe. Wie konnte das überhaupt passieren?
Das Verhängnis war das Staatskirchentum. Seit Konstantin, als die Christen in der Mehrheit waren, haben sie das alles spüren lassen: Wer nicht zum Verein gehört, ist ein minderwertiger Mensch und wurde diskriminiert, verhöhnt und verspottet. Wenn man nur lesen würde, welche grauenvollen Dinge im 12. und 13. Jahrhundert in Stuttgart den Juden widerfahren sind – diesen flüchtigen Juden, die aus Spanien gekommen waren.
Und dann? Bis die Älteren unter uns noch erzählen, was hier geschehen ist. Wo haben wir sie gereizt?
Meine persönliche Betroffenheit basiert auf Ludwig Hofer Kirche, unsere Margret Königshöfer war jeden Sonntag dort. Dann wurde sie verschleppt nach Riga, wo sie umgekommen ist. Sie war eine Judenchristin. Hitler machte keinen Unterschied zwischen Juden und Christen, Juden und Christen.
Der leere Platz, der Tod – wo Israel noch nicht begriffen hat, dass ihr Heiland Jesus mit seiner ersten Liebe Israel sucht. Das wollen wir bloß bezeugen. Wir wollen uns demütig beugen und sagen: Wir schämen uns, was Christen Israel angetan haben. Und hoffentlich wird nie mehr ein Christ Israel Ratschläge geben wollen, am wenigsten über die Zukunft Israels.
Im Heiligen Land zu sein, ist nicht unsere Aufgabe, vor allem, wo wir so versagt haben, Israel den Raum zu geben, den Gott ihm gegeben hat.
Die zukünftige Bekehrung Israels und die Erfüllung der Heilsgeschichte
Viertens: Will ich ein großes Ereignis? Wird die Bekehrung Israel sein?
Heute werden nicht nur tröpfchenweise Juden bekehrt. Etwa 3000 Christen gehören bereits über 100 Gemeinden in Israel an. Einzelne Juden erkennen Jesus als Messias. In Amerika sind es sogar viel mehr Juden, eine sechsstellige Zahl, die Christen geworden sind und Jesus als Messias anerkennen. Diese nennen sich messianische Juden.
Wie wird das sein? Paulus sagt, am Ende der Zeit wird Israel gerettet werden. Dann ist die Vollendung der Heilsgeschichte gekommen. Das wird die Auferstehung von den Toten sein. Sie können hier in Ihrer Bibel 37 aufschlagen. Dort steht von der Auferstehung der Toten. In Hesekiel 37,1-14 sieht der Prophet lauter tote Gebeine. Plötzlich bekommen diese wieder Fleisch, und aus den toten Gebeinen wachsen Menschen. Das wird die Wiederauferstehung Israels sein.
Durch Gottes Geist wird Israel lebendig. Dann wird gesagt, dass sie das noch nicht verstehen sollen. Es soll erfahren werden, dass Gott sein Volk aus den Gräbern herausholt. Wie ist Israel anders zum Staat geworden? Gott hat sie aus den Gräbern herausgeholt, aus einem furchtbaren, grauenhaften Grab. Jeder hat seine Geschichte erzählt.
Dazu steht noch etwas über die Auferweckung der Toten: „Ich will meinen Odem in euch geben, dass ihr wieder lebt.“ Das steht noch aus. Ich freue mich sehr, dass auch jüdische Theologen das so klar sehen. In Israel fehlt heute noch, dass der Geist Gottes lebendig macht.
Es fängt ganz leise an, dass der Geist Gottes ein priesterliches und heiliges Volk schafft – aus seinem Volk. Israel ist nicht bloß eine Staatsgründung mit Panzern, Ministerpräsidenten und Parlament, der Knesset. Gottes Geist schafft etwas Neues: ein Volk, heilig zum Dienst.
Hier sollten wir ein priesterliches, heiliges Volk sein. So hieß es damals. Haben Sie vor dem Volk Israel den Befehl Gottes? Die geistliche Erweckung fehlt noch. Sie soll nicht durch Heer oder Kraft geschehen, sondern durch meinen Geist, spricht der Herr.
Will ich ein großes Ereignis für die Bekehrung ganz Israels? Es gibt immer nur eine Voraussetzung: Die Zeit der Völker muss vorher erfüllt sein, die Weltmission. Diese muss bis zur letzten Folge durchbrochen sein. Dann ist die Tür frei für die Erweckung Israels.
Die Verwurzelung der Christen im Volk Israel als Grundlage des Glaubens
Und auch das Letzte, fünftens: Sind wir richtig ins Wurzelwerk Israels eingepflanzt?
David Flusser, Professor für Neues Testament an der Universität Jerusalem und gläubiger Jude, aber kein Christ, hat gesagt: „Ihr Christen, ihr braucht euch um Israel keine Sorgen zu machen. Die Verheißungen Gottes für Israel sind so klar, und Gott wird sie buchstäblich einlösen. Aber eure Kirchen haben keine Verheißungen.“
Damit hat er wirklich etwas Wichtiges aufgezeigt. Es gibt keine einzige Verheißung in der Bibel, die sich auf unsere Kirchentür bezieht. Die Jesusgemeinde kann von den Pforten der Hölle nicht überwältigt werden. Warum? Weil sie auf dem Wurzelwerk Israels fußt, so wie Jesus eingepflanzt war in dieses Wurzelwerk. So heißt es im Römerbrief Kapitel 11, den wir gerade gelesen haben.
Der erste Teil des Teigs ist heilig, so ist der ganze Teig heilig. Wenn die Wurzel heilig ist, dann sind es auch die Zweige. Wir sind als Christengemeinde nur dann zukunftsfähig, wenn wir erbaut sind auf dem Grund der Apostel und Propheten. Diese waren jüdisch, aber nicht im Sinne der Rabbiner und ihrer Lehre, sondern im Sinne des Gotteswortes.
Israel bedeutet, dass ich aus Gnade mein Heil empfange und dass ich es nur im Glauben fassen kann, wie Abraham. Ich höre das Wort und vertraue auf Gott. Es macht uns Angst, wenn unsere christlichen Kirchen neu sind und das Zeugnis von Jesus schwach geworden ist. Das Einzige, was rettet, ist Jesus, der Messias. Wenn das Wort Gottes umgedeutet oder vergeistigt wird, ist das nicht richtig. Dort ist immer buchstäblich gemeint.
Sind wir also richtig ins Wurzelwerk Israels eingepflanzt? Auf diesem Boden hat Jesus seine Gemeinde gegründet – auf den Verheißungen des Alten Bundes, den Worten der Propheten und auf der Lehre der Apostel. Nur so kann gerettet werden. Es liegt an Gottes Erbarmen, nicht an meinem Tun.
Sie können jetzt noch die Kapitel 9 und 10 lesen. Wenn wir die Predigt hören und dem Wort glauben, dann sind wir richtige Kinder. Ich schreie, dann gehören wir dazu. Wir sind die Spätberufenen. Aber unsere ganze Liebe gehört Israel, um der Erwählung und der Verheißung willen.
Wir sehnen uns nach jenem Tag, wenn Gott seine Heilsgeschichte über Israel erfüllen wird.
