Ein herausforderndes Amt und die Verantwortung des Evangeliums
1. Korinther 9,16, Seite 203 im Neuen Testament. Paulus spricht hier von sich selbst. Er befand sich in einem Streit mit dieser Gemeinde. Übrigens ist es interessant, dass diese Christengemeinde nicht vorbildlich war; es gab viele Missstände.
Auch in Bezug auf das Thema der Zungenrede, das hier zum ersten und einzigen Mal in einem Brief des Neuen Testaments erwähnt wird, herrschten viele Unklarheiten in dieser Gemeinde. Paulus klärt an dieser Stelle sehr vieles.
Er spricht von seinem Amt und vom Weitersagen des Evangeliums. Denn: „Dass ich das Evangelium predige, dessen darf ich mich nicht rühmen, denn ich muss es tun. Und wehe mir, wenn ich das Evangelium nicht predigte!“
Täte er es aus eigenem Willen, so erhielte er Lohn. Tut er es aber nicht aus eigenem Willen, so ist ihm das Amt doch anvertraut.
Paulus fragt: „Was ist denn nun mein Lohn, dass ich das Evangelium predige ohne Entgelt und von meinem Recht am Evangelium keinen Gebrauch mache?“ Er will damit sagen, dass es sehr reich und beglückend ist, wenn jemand versteht, was unser Amt im Weitersagen des Evangeliums bedeutet.
Unbezahlt und gratis wird man überreich beschenkt. Obwohl Paulus frei von jedermann ist, hat er sich selbst jedermann zum Knecht gemacht, damit er möglichst viele gewinnt.
„Denn Juden bin ich wie ein Jude geworden, damit ich die Juden gewinne. Denen, die unter dem Gesetz sind, bin ich wie einer unter dem Gesetz geworden, obwohl ich selbst nicht unter dem Gesetz bin, damit ich die, die unter dem Gesetz sind, gewinne.“
Es ist aufgefallen, dass es an dieser Stelle nicht heißt: „Den Juden ein Jude und den Griechen ein Grieche.“ Das steht nirgendwo in der Bibel. Aus der Bibel wird oft sehr viel falsch zitiert. Ich werde später erklären, warum Paulus das hier nicht so schreiben kann.
„Denen, die ohne Gesetz sind, bin ich wie einer ohne Gesetz geworden, obwohl ich doch nicht ohne Gesetz bin vor Gott, sondern im Gesetz Christi, damit ich die, die ohne Gesetz sind, gewinne. Den Schwachen bin ich ein Schwacher geworden, damit ich die Schwachen gewinne.“
Er fährt fort: „Ich bin allen alles geworden, damit ich auf alle Weise einige rette.“
Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, um an ihm teilzuhaben.
Die Sehnsucht nach Gott und die Herausforderung der Evangelisation
Neulich stand ich in einer Buchhandlung und habe mir die Neuerscheinungen ein wenig angeschaut. Dabei kam ich auch an ein Regal, über dem groß „Esoterik“ stand. Da war ich erstaunt: Was wird heute in jeder Buchhandlung angeboten?
Christliche Bücher findet man in einer normalen Buchhandlung kaum noch. Aber in diesem Regal war alles vertreten. Ich dachte mir, diese Bücher können nur angeboten werden, wenn auch ein Interesse daran besteht. Es müssen also unzählige Menschen in der Reichweite dieser Buchhandlung leben, die sich für ewige, göttliche Dinge interessieren.
Als ich die Bücher ansah, dachte ich: Das ist ja schrecklich! Da geht es um die Heilkraft der Steine, um Sterne, Sternzeichen und allerlei anderen Unsinn. Wenn das Interesse so groß ist, wo sind eigentlich die Christen, die auf diese Menschen zugehen? Menschen, die nach Gott hungern und sich nach etwas Wahrem sehnen?
Wir Christen haben doch etwas viel Verlässlicheres und Gewisseres zu bieten. Es ist nicht nur eine Lehre, sondern eine reale, erfahrbare Wirklichkeit. Der lebendige Herr Jesus Christus kann in das Leben eines jeden Menschen treten.
Der Hunger nach Gott ist groß. Man behauptet oft, es gäbe heute keinen Hunger mehr und die Menschen würden sich nicht interessieren. Aber wir haben als Christen die beste Sache der Welt.
Unternehmen investieren heute enorme Anstrengungen, um den Menschen einen Big Mac oder eine Pepsi Cola schmackhaft zu machen. Wir aber bieten nicht nur eine Lehre oder eine Gedankenwelt an. Wir bieten den ewigen Gott an, der zu jedem Menschen eine unsichtbare Verbindung hat, der jeden Menschen geschaffen hat und sucht. Jeder Mensch kann ihn erfahren.
Wir vertreten die beste Sache der Welt: den lebendigen Herrn des Himmels und der Erde, dessen Wort wahr und gewiss ist.
Die Vergänglichkeit des Lebens und die Dringlichkeit der Entscheidung
Jetzt möchte ich die Sache von einer anderen Seite betrachten. Es dauert nicht mehr sehr lange; eigentlich ist es nur eine ganz kurze Zeitspanne, bis Sie alle Ihr irdisches Leben abgeschlossen haben.
Manche von uns werden das Jahresende nicht mehr erleben, manche werden noch ein paar Jahre dazugewinnen, und die jungen Leute vielleicht noch einige Jahrzehnte. Aber die Zeit vergeht wie im Flug. Plötzlich wird völlig unwichtig sein, welche Abiturnote man hatte, welche Karriere man gemacht hat oder wie reich man geworden ist.
Unsere Beziehungen, unser Haus und alles, was uns in dieser Welt so wichtig war – ob gesund oder krank, Zahnweh oder andere Schmerzen – all das wird bedeutungslos sein. Es wird nur eine Frage bleiben, wenn ich vor dem lebendigen Gott stehe: Gibt es einen Weg, mein Leben aus dem Gericht zu lösen?
Es wäre großartig, eine Beziehung zu dem unbestechlichen Richter zu haben, der uns durchschaut und vor dem jedes Wort, das wir gesprochen haben, offenbar wird. Wenn wir vor jenem Thron stehen, ist es entscheidend, ob Sie Ihr Leben mit Gott in Ordnung gebracht haben. Das ist das Allerwichtigste.
Deshalb bitte ich Sie heute: Machen Sie in Ihrem Leben klare Verhältnisse. Legen Sie sich abends nicht schlafen, bevor Sie mit Gott Frieden geschlossen haben. Klären Sie alles mit Gott, was nicht recht war, wo Sie gesündigt haben, und sorgen Sie dafür, dass Sie Gott als Freund und nicht als Feind haben. Das ist die wichtigste Angelegenheit.
In der Ewigkeit wird uns das plötzlich erschreckend deutlich werden. Ich glaube, niemand von uns wird darüber hinwegsehen können, ohne erschrocken zu sein und zu sagen, wir hätten eigentlich viel mehr Menschen ansprechen müssen. Wir hätten vom Ernst des Gerichts reden müssen.
Jesus erzählt so eindrücklich die Geschichte vom reichen Mann und armen Lazarus, dass es einem unter die Haut geht. Der reiche Mann bittet und sagt: „Herr, da muss man doch Boten schicken, wenn das so gefährlich ist, wenn es ein Gericht gibt!“ (Lukas 16,19-31).
Die ernste Warnung und die Notwendigkeit der Umkehr
Unter den Christen herrscht eine große Gleichgültigkeit in dieser Frage. Sogar in bibeltreuen Kreisen gibt es manche, die steif und fest behaupten, es sei nicht so schlimm. Sie meinen, es gäbe doch noch irgendeine Generalamnestie, die wir nur noch nicht kennen. Diese hätte uns Gott in seiner Liebe vorbehalten.
Wenn man die Bibel nur oberflächlich liest, mag das vielleicht so erscheinen. Doch genügt es, nur ein paar Seiten zu lesen, um zu erkennen, dass fast auf jeder Seite der Bibel der unheimliche Ernst hervortritt.
Man muss sein Leben mit Gott in Ordnung bringen. Man muss sich bekehren und umkehren, solange noch Zeit ist. Gott will heute von uns angerufen werden. Er will Gehorsam und keine bloßen frommen Lieder von uns. Und er will, dass wir ihm dienen – ganz und richtig.
Das wird immer wieder bei uns vergessen und versäumt. Vielleicht haben wir es unseren Freunden um uns herum noch gar nicht richtig gesagt. Vielleicht sind die anderen Leute sogar verführt, weil wir manchmal so fromm tun, das Ganze aber auch so locker und leicht nehmen.
Das Evangelium hat eine Dringlichkeit. Es heißt: heute, jetzt – wenn du seine Stimme hörst, bring dein Leben mit Gott in Ordnung. Es ist ein Ruf, so steht es überall in der Bibel. Jesus hat das mit unzähligen Beispielgeschichten und vielen Worten immer wieder unterstrichen.
Man kann verworfen sein. Immer wenn ich an diese Stelle komme, fällt es mir schwer, das zu sagen. Aber ich muss es sagen. Verworfen – oder, wie es oft in der Bibel heißt, verloren. Das steht schon bei den Propheten.
Wenn das Gericht über das Volk Israel kommt, ist das Leben, das man geführt hat, vielleicht in den Augen der Leute viel wert. Die einen bewundern einen, und bei der Beerdigung wird man vielleicht noch für große Taten gerühmt. Doch bei Gott kann man verworfen und verloren sein – ein nutzloses, verwirktes Leben.
Das ist die Dringlichkeit des Evangeliums.
Der Auftrag zur Verkündigung und die Kraft der Liebe
Darum ist es so wichtig, dass wir erkennen: Wir haben einen Auftrag. Wir müssen das Evangelium weitersagen – nicht nur, um Menschen zu warnen, sondern um ihnen zu sagen, dass heute die wunderbare Zeit ist, in der Gott in seiner Güte wartet.
Jesus sagt: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“ Jetzt ist die Gelegenheit, Ordnung zu schaffen und alles zurechtzumachen. Er will dir begegnen – dieser Herr, der in der Natur, in der Schöpfung draußen alles so wunderbar gestaltet hat. Er möchte machtvoll in dein Leben eingreifen und dort wirken.
Doch wir erleben immer wieder, dass es uns merkwürdigerweise sehr schwerfällt, dieses Weitersagen. Es fällt nicht nur Ihnen schwer, sondern allen. Theologen haben es natürlich am allermeisten schwer. Wir wagen uns kaum aus den geschützten Mauern heraus. Und ehrlich gesagt, können wir es oft auch gar nicht.
Vielleicht reden wir draußen über das Sparpaket oder die Friedensfrage, aber das Evangelium wird in der Welt dort verhandelt, wo Menschen leben, denken und suchen. Wie macht man das eigentlich? Viele sagen, das sei ein Problem der Methode: Wie kann ich das Evangelium weitergeben?
Paulus gibt uns hier ein paar Ratschläge: Ohne ein weites Herz, ohne Liebe geht es nicht. Ohne Liebe geht es nicht.
Ich habe mir überlegt, mit wie vielen Menschen Sie in den nächsten Tagen zusammenkommen werden. Es sind ganz viele Leute, die eine große Meinung von Ihnen haben. Sie werden sie in den nächsten Tagen treffen – vielleicht bei der Arbeit, im Freundeskreis oder sogar in Ihrem Haus. Dort sind viele Menschen, die viel von Ihnen annehmen und viel auf Ihr Wort geben.
Wenn man all diese Menschen zusammenzählt, wird klar: Keine Großevangelisation in Stuttgart könnte ein so weites Echo haben wie wir, wenn wir heute sagen: „Wir wollen in den nächsten Tagen, nur in den nächsten Tagen, die Kontakte nutzen, die wir haben.“ Die rein menschlich gegebenen Kontakte mit den Menschen, die uns ganz natürlich begegnen, sollen wir nutzen, um das Evangelium weiterzusagen.
Zeugnis geben mit Liebe und Geduld
Ja, aber wie macht man das eigentlich? Achten Sie einmal darauf: Auch wenn Paulus hier vom Predigen spricht, führt das bei uns oft zu einem falschen Verständnis. In der Bibel steht oft das Wort „Zeugnis geben“. Zeugnis bedeutet einfach, wie ein Zeuge im Gerichtsprozess kurz zum Sachverhalt Stellung nimmt.
Der Zeuge kann stockend sprechen, einen Sprachfehler haben oder leise reden – das ist nicht entscheidend. Wichtig ist, dass das Zeugnis überzeugend, echt und wahr ist. Das Wort muss also kommen, aber Paulus erwähnt noch etwas Wichtiges: Es muss voller Liebe sein.
Denken Sie mal an sich selbst: Sie wollen sich nicht schulmeisterlich belehren lassen. Niemand hört gern auf jemanden, der von oben herab urteilt. Das Unglückliche ist, dass ich jetzt gerade von oben herab von der Kanzel einen Monolog halte – das ist wohl das Unglücklichste.
Ich denke, auch für die Evangelisation ist das nicht die Form, die am meisten bewirkt. Wahrscheinlich ist die Form der persönlichen Kontakte, die wir ganz normal im Leben haben, am wirkungsvollsten. Das ist die wunderbare Weise, auf die Menschen in den letzten 2000 Jahren zum Glauben an Jesus Christus gekommen sind. Der Heilige Geist benutzt genau diese Form entscheidend.
Man kann viel von Jesus lernen. Denken Sie daran, wie Jesus am Brunnenrand saß und mit der Frau aus Samaria sprach. Jesus sagte nicht: „Jetzt halt mal den Mund, ich erzähle dir was.“ Die Frau stellte geschickt Fragen, und sie kam selbst auf die Antworten. Das ist das trickreichste Geheimnis: Man führt jemanden so zum Nachdenken, dass man am Ende nur noch sagen muss: „Ja, und da ist Jesus, der auf dich wartet.“
Das muss natürlich gesagt werden. Aber das Herrliche ist, wenn jemand selbst über sein Leben nachdenkt.
Ich vermute, wenn Sie Liebe für die Menschen haben und auf sie zugehen, geduldig und barmherzig sind, werden Sie viele Entdeckungen machen. Es wird sich etwas öffnen. Oft merkt man gar nicht sofort die Frucht eines Gesprächs – zum Glück! Denn sonst würde man stolz werden und sich etwas darauf einbilden.
Aber unser Herr Jesus hat gesagt, dass das Weizenkorn, das ausgesät wird, Frucht tragen wird. Wir sollten nicht so begierig sein, gleich den Halm und die Ehre dafür ernten zu wollen.
Gehen Sie hin – das ist die machtvollste Evangelisation in Stuttgart. Gehen Sie hin, reden Sie ganz schlicht mit Menschen. Sie werden Menschen finden, die verzweifelt sind und keinen Mut mehr haben. Sagen Sie einfach: „Wir haben eine Hoffnung.“ Und dann dürfen Sie weitermachen.
Gehen Sie los und seien Sie ein Zeuge des Evangeliums.
Die Bedeutung von Anpassung und Opferbereitschaft
Ich habe oft erlebt, dass, wenn ich Menschen gefragt habe: „Erinnern Sie sich noch an Ihre Großmutter?“, diese oft ausriefen: „Oh, die hat täglich in der Bibel gelesen und beten können.“ Dann fragte ich: „Warum machen Sie das jetzt nicht?“
Oft ist es so leicht, die Brücke zu schlagen, ohne dass man viel tun muss. Aber ein liebevolles Herz ist nötig. Paulus war überwältigt von der Liebe Jesu. Deshalb ist er den Menschen entgegengegangen, hat ihnen in die Augen geschaut, zugehört und sich überlegt: Wie kann ich einen jungen Menschen ansprechen? Wie spreche ich einen hellenistisch gebildeten Menschen an? Wie spreche ich einen Juden in der Synagoge an? Dabei musste er immer die richtige Wortwahl finden, um es richtig zu machen.
Liebe ist nötig, und das nächste ist, ein Opfer ist nötig. Paulus sagt, er habe sich zum Knecht gemacht. Dabei war Paulus stolz darauf, kein Knecht der Menschen zu sein. Er sagt, niemand dürfe ihn kommandieren, kein Mensch habe ihm etwas zu befehlen. Ein Christ ist ein freier Herr und niemandes Untertan. Aber beim Evangelisieren und Weitergeben des Evangeliums müssen wir manche Meile mit Menschen gehen. Manchmal müssen wir sie sogar um einen Dienst bitten, obwohl wir es lieber selbst tun würden, nur weil wir wissen, dass wir so Zugang zu ihnen bekommen.
Wenn ich jemanden um einen Dienst bitte, werden manche plötzlich ganz freundlich. Paulus sagt: „Ich habe mich zum Knecht gemacht, ich habe mich auf die unterste Stufe gestellt, nicht von oben herab. Ich bin alles geworden.“ Erstaunlich, wie anpassungsfähig Paulus war. Er war von Hause aus Jude, deshalb war es für ihn keine Schwierigkeit, als Rabbiner in der Synagoge das Wort zu ergreifen. Aber er wusste genau, dass er in Athen auf dem Areopag nicht mit dem Alten Testament beginnen konnte.
Er hat lange gesucht, wie er den richtigen Einstieg finden kann. Dann entdeckte er den Tempel mit der Aufschrift „dem unbekannten Gott“. Da dachte er: Das wird passen. Mit diesem Ansatz konnte er die griechischen Philosophen erreichen, die eine heimliche Sehnsucht hatten. So hat er sie auch heute in der Predigt mit der Esoterik gepackt.
Viele der Leute, die Sie treffen, haben vielleicht schon gesucht und sind enttäuscht. Ihr Herz ist leer. Man muss davon sprechen, dass einzelne Nächstenhäuser von Scientology aufgekauft wurden. Dort sieht man jeden Tag, wie junge Leute geworben und mitgenommen werden – und das für eine so abstruse Lehre. Das gibt es doch nicht, nur weil wir nicht vorher da waren und den Menschen das wirkliche Leben verkündigt haben.
Das erfordert ein Opfer und viel Arbeit. Wer Menschen gewinnen will, muss viele Treppen steigen. Wissen Sie, dass Pfarrer ungern Besuche machen? Sie sehen das auch nicht gern und haben oft Angst, was hinter der Tür lauert – einen Drachen oder Wolf. Wenn man so anfängt, tut der Spott und das Gelächter weh, und das ist immer sehr empfindlich. Haben Sie viel Misserfolg erlebt? Lassen Sie das doch. Wagen Sie es einfach! Das erfordert Schweiß, Mühe und Opfer.
Ich denke an die großen Missionsboten. Ein Hudson Taylor hat sich extra einen langen Haarschopf nach chinesischer Tracht wachsen lassen und chinesische Kleidung angezogen. Man muss ganz weit auf Menschen zugehen und ihnen aufmerksam zuhören, um dann ganz konkret antworten zu können.
So heißt es auch in der Bibel: Wir sollen viel hören und langsam reden. Nicht sofort mit dem Reden anfangen, sondern erst zuhören und dann zur rechten Zeit das richtige Wort sprechen. Darum beten wir: Herr, gib mir das! Das ist ein Opfer, das nicht leichtfällt.
So hat sich Paulus auch herabgegeben: „Ich werde den Juden ein Jude.“ Und denen, die das Gesetz der Juden gar nicht kennen, kann er völlig frei begegnen. Da wird nicht vom Sabbat oder von der Beschneidung gesprochen. Wenn es nötig war, ließ er aber auch Timotheus, der aus einer Mischehe stammte – halb Grieche, halb Jude – beschneiden. Das ist nicht schlimm, wenn man so einen Anstoß vermeiden kann, obwohl Paulus sonst im Galaterbrief sehr rigoros war.
Paulus war enorm flexibel, wenn es darum ging, zu evangelisieren. Hauptsache, die Menschen verstehen, was er ihnen weitergeben will.
Beispiele aus der Geschichte und die Bedeutung von Engagement
Ihr habt noch ein paar Beispiele, wie in Stuttgart der alte Vater Elsässer im letzten Jahr den CVJM gegründet hat. Er war selbstverständlich hinten in der Furtbachstraße beim Hallenbad, weil er den jungen Leuten von Stuttgart das Beste für den Sport bieten wollte. Außerdem hatte er ein tolles Evangelium von Jesus. Und das hat das eine beim anderen nicht behindert, im Gegenteil!
Beim alten Ebert von Rotkirch in Berlin hat man gesagt: Wenn der neben den jungen Leuten im CVJM saß, war beim zweiten Satz klar, dass sie bei Jesus waren – auch wenn einer von der Straße kam. Er hatte so eine seelsorgerliche Art, auf Menschen zuzugehen. Wollten Sie überhaupt Menschen zu Jesus führen, oder wollten Sie sich bloß unterhalten und Vorhofsgeplänkel machen?
Das erfordert ein Opfer, dass sie manches eigene zurückstellen und dann vorwärtsgehen – mit Ideen und mit Freude. Ich denke an unsere christlichen Bäcker. Es ist doch erstaunlich, wie viele Bibelleute wir unter den Bäckern haben. Ja, was war denn das? Da waren bloß ein paar Bäcker, die einfach angefangen haben und gesagt haben: Wir müssen doch unsere Berufskollegen erreichen. Denn sie konnten ja in keine andere Versammlung gehen, weil sie vom Zeitplan her so schwierig zu erreichen waren. Da haben sie angefangen, ihre christliche Bäckerarbeit zu machen.
Was ist daraus entstanden? Nur weil ein paar ein bisschen variabel waren. Wenn wir an unsere Gemeinschaftsarbeit denken, an die Jugendarbeit in all den Formen – alle Möglichkeiten, die man nur haben kann –, dann geht es nur darum, Menschen zu gewinnen. Ich will der Knecht werden, ich will ein Opfer bringen.
Und dann sagt Paulus: Das Evangelisieren macht man doch nicht aus Lust. Wir sind heute alle viel zu lustbetont, sondern weil es muss. Wenn Paulus eine schwere Migräne hatte und dann losgezogen ist, hatte er keine Kraft. Aber er sagt: Jetzt ist befohlen, und jetzt machen wir es. Und da legt der Herr Segen drauf, wenn man loszieht für ihn.
Die Unveränderlichkeit des Evangeliums und die Flexibilität in der Verkündigung
Und noch ein letztes Mal: Es geht in allem nur darum, dass Menschen gerettet werden – um Liebe, Opfer und eben darum, dass Menschen gerettet werden.
Vor 14 Tagen haben wir darüber gesprochen, dass die Anpassung des Evangeliums zu einem sehr problematischen Thema in unserer Kirche geworden ist. Das ist längst schon in vielen Kirchen so. Heute wird beispielsweise oft ein Umwelttag veranstaltet. Dabei erkennt man manchmal gar nicht mehr, was das eigentlich von einer gewöhnlichen Parteiversammlung unterscheidet, auf der ebenfalls über Ökologie, Sparpakete, politische Fragen oder Friedensfragen gesprochen wird.
Man muss aufpassen: Bei Paulus findet man nie das, was heute bei uns verbreitet ist. Paulus sagt nicht: „Ich möchte die Menschen abholen, darum will ich gar nichts vom Glauben sagen.“ Ich kenne Jugendarbeiten, bei denen man jahrelang gesagt hat: „Wir wollen gar nichts vom Glauben reden und nichts von der Bibel, wir wollen zuerst mal die Menschen erreichen, und später kommen wir mit dem Glauben.“ Doch Sie wissen, dieses „später“ fand nie statt. Es kam nie dazu.
Das hat Paulus nicht gemeint. Man kann die Sache des Evangeliums nicht einfach anpassen. Auch heute, in einer Zeit, in der viele so tun, als sei es völlig egal, ob Evangelium oder andere menschliche Lehren, die noch dazugekommen sind – sei es über sonstige Vorstellungen oder andere Religionen wie Buddha oder Allah –, ist das Evangelium für Paulus etwas Unverwechselbares. Daran kann man nichts zurückdrücken.
Und wenn ein Engel vom Himmel käme, um etwas anderes zu verkünden: Das Evangelium darf man nicht verändern. Es braucht keine modische Bekleidung oder ein „Zurechtschnipfeln“, um es dem Zeitgeist anzupassen. Das Evangelium schlägt zu, es überzeugt Menschen, es überführt – es ist Wahrheit.
Die Frage ist vielmehr, wie ich Menschen erreiche, wie ich das Evangelium ihnen sage und wo ich es hineinsetze. Das ist der kleine, aber wichtige Unterschied, den Paulus hier so stark betont.
Darum ist es so wichtig: Paulus kann für die Juden ein Jude werden und kann, wie wir das im Alten Testament sehen, herrlich auf Christus hinweisen. Er kann einem Juden, der das ganze alttestamentliche Gesetz und die Ordnungen der Reinheitsgebote nicht kennt, genauso Jesus verkündigen. Für die, die ohne Gesetz sind, macht das nichts aus.
Er kann auf die Schwachen zugehen, die keinen Mut haben, und auch auf einen gesetzestrengen Moralisten. Allen kann er Jesus verkünden – aber das Evangelium muss unverkürzt verkündigt werden, denn nur das Evangelium rettet.
Die Essenz des Evangeliums und die Hoffnung auf Rettung
Wissen Sie, was das Evangelium ist? Dabei geht es nicht um Streitigkeiten darüber, welche Kirche oder Konfession richtig ist. Es geht auch nicht um Fragen der Kirchensteuerung, der Kirchenordnung oder der Gesetze.
Ich bin immer wieder froh, wenn wir in unseren Gottesdiensten ein Stück Freiheit betonen. Wir sagen den Menschen, dass es gar nicht wichtig ist, ob jemand beim Beten sitzen bleibt, aufsteht oder was er sonst tut. Es geht nicht um die Form, sondern um das Evangelium. Und im Evangelium geht es um die Rettung.
Wie kann ich vor dem heiligen Gott am Jüngsten Tag im Gericht bestehen? Nur durch das Blut Jesu Christi, das mich von aller Sünde reinmacht. Es gibt kein anderes Evangelium als das eine: Jesus, der für meine Sünden gestorben ist, der auferweckt wurde und heute lebt. Er hat eine Botschaft, er will mir begegnen, er ist mein Herr. Ihm gehöre ich im Leben und im Sterben.
Ich will das Evangelium predigen. Welche Freude wird es einmal in der Ewigkeit sein, wenn Menschen kommen und sagen: Vielen Dank, dass du damals nicht verletzt warst, als ich über dich hergefallen bin, dich verspottet und verhöhnt habe. Und du bist ganz ruhig geblieben und hast gesagt: „Reg dich nicht auf, ich will dir das Eigentliche sagen, um das es eigentlich geht.“
Du hast mir so bezeugt, dass ich es glaubwürdig von dir annehmen konnte, denn ich habe gespürt, dass es bei dir vom Herzen kam. Du bist nicht herumgelaufen wie jemand, der bloß Anhänger für irgendeine Kirche sammeln will. Du bist herumgelaufen mit der Botschaft: Es ist ganz egal, woher du kommst, Hauptsache, du wirst Jesu Eigentum, entdeckst ihn und seine Kraft. Darum geht es im Evangelium: Wenn ich nur einige wenige selig mache.
Jetzt denke ich noch einmal daran: Paulus setzt das Ziel gar nicht groß an. Wenn Sie nur drei oder vier Menschen in den nächsten Tagen zu Jesus führen dürfen, denken Sie, was das wäre. Ich bin überzeugt, Jesus will das. Er sucht Menschen, er wartet nur und ist enttäuscht, dass wir so versagen und so stumme Hunde sind.
