Liebe Freunde,
wir Deutschen haben eine Besonderheit, die uns von allen anderen Völkern unterscheidet. Eine anatomische Besonderheit, die sogar ein Arzt festgestellt hat: Wir haben einen Gehirnlappen mehr als andere Menschen, nämlich einen Jammerlappen. Deshalb ist wahre Freude bei uns so selten.
Wir können gut verstehen, warum König David geradezu offiziell bekanntgeben wollte, was eigentlich eine ganz persönliche Erfahrung war: „Mein Herz ist fröhlich und meine Seele frohlockt, denn der Herr steht mir zur Rechten.“ Das war Musik für Davids Herz.
Und mit dem Herzen haben wir es heute bei der Missionskonferenz für Licht im Osten zu tun – wenn Gott das Herz berührt.
Die persönliche Freude Davids trotz Schuld und Versagen
Für den König David war es ein unfassbares Wunder, dass Gott ihn noch einmal angenommen hatte. Dass Gott sich erneut über ihn erbarmt hatte, obwohl er der Sache des heiligen Gottes so geschadet hatte und das Volk Gottes blamiert hatte.
Eigentlich wollte er nur ein klein wenig Zerstreuung, ein wenig Freude. Doch sehr oft beginnen die Dummheiten unseres Lebens damit, dass es in uns raunt: Du hast doch ein Recht auf ein klein wenig Freude. So geriet David unversehens in schreckliche Geschichten.
Zuerst dachte er, er könnte das Kavaliersdelikt ausbügeln. Aber je mehr er es versuchte, desto tiefer geriet er in die Verstrickungen.
Sein Sohn, der König Salomo, versuchte, die Erfahrung seines Vaters in eine Lebensweisheit umzusetzen. „Lass dich nicht gelüsten nach der Frau deines Nächsten“, sagt er mit erhobenem Zeigefinger. Denn wer das tut, der ist von Sinnen.
Dem Vater David war es vergangen, weise Sprüche von sich zu geben. Er war elementar erschrocken. Nun dachte er: Jetzt hat Gott das Recht, mich beiseitezustellen, mich zu vergessen.
Das Bewusstsein von Sünde und Gottes Gnade
Wir wissen oft gar nicht mehr, was Sünde wirklich ist. Viele denken, es sei nur ein bisschen zu viel trinken oder ein silberner Löffel, den man stiehlt – etwas, das sie selbst ohnehin nicht tun.
Sünde bedeutet jedoch, dass uns der heilige Gott mit seinen guten Ordnungen völlig gleichgültig ist. Es heißt, dass Gott uns nichts bedeutet und wir uns nicht darum kümmern, was er will. In diesem Fall hat Gott das Recht, uns den Rücken zu kehren. Ein Abgrund tut sich auf, wenn einem Menschen das bewusst wird.
Man kann diese Erkenntnis lange verdrängen oder zudecken. Die Mehrheit der Menschen ist fähig, all das, was sie Gott beleidigt haben, zu verdrängen. Doch wenn dieses Bewusstsein einmal in uns auftaucht, können wir nur wie David reagieren.
In einem der Psalmen heißt es: „Es mahnt mich mein Herz wieder, das Herz des Nachts. Da ich es wollte verschweigen, verschmachteten meine Gebeine durch mein tägliches Heulen. Mein Saft vertrocknete, wie es im Sommer Dürre wird.“
Für David war es ein unvergleichliches Wunder, dass ihm noch einmal gewiss gemacht wurde: „Wohl dem, dem die Sünde bedeckt ist, wohl dem Menschen, dem der Herr die Sünde nicht zurechnet.“
Es war unfassbar für ihn. Sein Herz wurde fröhlich, seine Seele erlebte Erleichterung, weil Gott ihm noch einmal zur Seite kam. Dass Gott ihm beistand, war Musik für sein Herz.
Wenn Gott uns noch einmal zur Seite tritt, kann die Welt es kaum fassen. Eine Welt um uns herum, in der man sich darüber freuen kann, dass Gott trotz allem, was geschehen ist, gewiss bei uns ist.
Man muss es selbst erlebt haben.
Beispiele gelebter Bekehrung und Gottes Nähe
Der König David hat es erlebt, ebenso Zar Alexander I. von Russland. Seine Großmutter Katharina sorgte dafür, dass er völlig religiös gleichgültig aufwuchs. Dann geschah ein Wunder: Im Palais seines Freundes, des Fürsten Gollizin, entdeckte er eine Bibel. Er las nur ein Bibelwort und sagte daraufhin: „Damit kann man leben und damit kann man sterben.“
Daraufhin gründete der Zar die Russische Bibelgesellschaft. Auch politisch erlebte er Gottes Wunder, als aus seinem russischen Reich Napoleon vertrieben und geschlagen wurde – der große Napoleon.
Im Jahr 1812 sorgte er dafür, dass in dem neu erworbenen Gebiet in Südrussland Schwaben, Württemberger und Menschen aus Preußen angesiedelt wurden. Diese sogenannten Bessarabier wurden nach Bessarabien geholt. An dieses Ereignis wird in diesem Jahr besonders gedacht, da sich die Ansiedlung zum 200. Mal jährt – 1912, 2012, 2012 Jahre nach 1812.
In jenem Jahr, 1812, geschah auch Folgendes: Nur wenige Kilometer von hier, in Heilbronn, im Rapschenhaus, logierte Zar Alexander. Er wurde von der baltischen Baronin von Grüderner besucht. Menschlich betrachtet war sie eine etwas exaltierte Frau, doch sie lebte nach der Bibel.
Sie sagte zum Zaren: „Ihre ganze Bekehrung, Ihre Liebe zur Bibel sind nichts wert, solange die Schuld in Ihrem Leben nicht getilgt ist.“ Denn der Zar trug den andauernden Druck der Schuld mit sich, weil er an der Ermordung seines Vaters, Zar Pavel, mitschuldig war – als Mitwisser und Dulder.
„Ihre ganze Bekehrung ist nichts, wenn diese Schuld nicht getilgt ist“, sagte sie weiter. „Sie müssen wie jener Verbrecher am Kreuz zu Ihrem Herrn und Meister sagen: ‚Herr, vergib mir!‘“
Während die Baronin von Grüderner sprach, verbarg der Zar sein Gesicht in den Händen und beugte sich nach vorn. Die Baronin erschrak und fragte sich, ob sie sich zu viel Freiheit genommen hatte. Sie sagte: „Exzellenz, Majestät, vergeben Sie mir, wenn ich freimütig gesprochen habe. Aber glauben Sie einer Frau, die selbst erlebt hat, was Schuld ist und was Vergebung bedeuten kann.“
Darauf antwortete der Zar: „Madame, machen Sie bitte weiter. Es ist Musik für mein Herz, Musik für mein Herz, dass der Herr mir noch einmal nahekommt, dem der Herr die Sünde nicht zurechnet.“
Die Wirkung von Gottes Nähe im Herzen
Wie sieht es aus, wenn der Herr uns trotz unserer Sünde nahekommt – mit unserer Sünde zu uns? Johannes Gostner, der große Seelsorger Russlands, hat dies eindrücklich in seinem Herzbüchlein dargestellt.
Er beschreibt, wie es ist, wenn der Herr uns nahekommt. Haben wir dann religiöse Gefühle? Wir denken oft, wenn der Herr nahekommt und das Herz bewegt, sei es wie bei guter Musik: Wenn uns das Herz aufgeht, dann wird es auch beim nächsten Chorgesang wieder aufgehen. Doch es ist etwas Tieferes gemeint.
Johannes Gostner, der schwäbisch-katholische Priester, der vom Zaren nach Russland gerufen wurde, hat dies in einer Verteilschrift dargestellt – in einem kleinen Büchlein, das wir das Herzbüchlein nennen. Es zeigt das Herz des Menschen: ein großes Herz, gefüllt mit allem Garstigen – Neid, Zorn, Überheblichkeit, Ungeduld, Gier. Darüber ist ein Gesicht, das gleichmütig wirkt.
Wir können all das hinnehmen, denn es erscheint uns normal, schließlich haben andere Menschen es ja auch. Gostner wusste, was Jesus gesagt hat: Aus dem Herzen des Menschen kommen arge, grausame Dinge – Mord, Ehebruch, Hurerei, Falschzeugnis, Lästerung (vgl. Matthäus 15,19).
Doch wenn der Herr das Herz bewegt, zeigt Gostner, wie Jesus all das Böse aus dem Herzen vertreibt und es reinigt. In den neueren Drucken dieses Herzbüchleins ist darüber ein Gesicht dargestellt, das voller Staunen und Freude gemischt ist. Die Welt versteht nicht, wie es ist, wenn mein Herz bis ins Innerste an mir arbeitet.
Da wird das Herz bewegt. In einem unserer großen Lieder, das wir später singen werden, heißt es: „Da kann das Herze sich laben und baden, Jesus ist kommen, die Quelle der Gnaden.“ So wird das Herz bewegt.
Die praktische Folge wahrer Herzensbewegung
Aber nun könnten manche Leute sagen: „Ach, ihr habt es immer mit dem Herzen, ihr Christen, die ihr die Bibel ernst nehmt. Ihr habt eine Herzensfrömmigkeit, aber ihr vergesst, was in Syrien geschieht, in Ägypten, im Sudan, und welche Nöte es im weiten Russland gibt: Alkoholprobleme, Einsamkeit, alternde Menschen, die unversorgt sind, Tschernobyl.“
Ihr Christen lebt bloß für euer Herz.
Dieses Gewäsch wird Lügen gestraft, wenn wir einmal dem nachgehen, was in Russland bei den mancherlei Erweckungen geschehen ist. Dort haben Menschen erlebt, was David einmal gesagt hat: „Meine Seele soll sich rühmen des Herrn, dass es die Elenden hören und sich freuen.“ Die Elenden, die Hungernden, die Verzweifelten, deren Leben verpfuscht ist.
Die Erweckungsgeschichte Russlands ist voll davon, wie der Blick plötzlich frei wurde für die Hungernden, für die Leibeigenen, für die Stallburschen, für die armen Trostsucher, für die hungernden Studenten – aber auch für die armen Reichen in der Oberschicht, für die Steinreichen, deren Herz steinhart geworden war.
Die Fürstin von Lieven, die auf unserem neuen Friedhof bestattet ist, ist ein Beispiel für diese Spannweite wahrer Erweckung, wenn Gott das Herz bewegt. Sie, die in dem Palais Lieven mit seinen Malachitsäulen aufgewachsen war, endete in einer armen Wohnung als Mitarbeiterin in der Heilsarmee in Paris. So wird deutlich, dass die Elenden hören und sich freuen.
Unsere Welt ist voll von Aufrufen: Lasst uns die Elenden nicht vergessen, lasst uns etwas tun! Wir Christen sollten tätig werden! Aber die Umschaltstelle, bei der diese Parole zündet, ist nicht der Kopf. „Wir sollten, und da ist viel Not, und wir sollten etwas tun, wir sind ja reich.“ Die Umschaltstelle ist das Herz – wenn Jesus das Herz bewegt.
Die Quelle der Fürsorge und Liebe zu den Elenden
Einer der Erweckungsprediger von Sankt Petersburg war der englische Lord Redstock. Er hat in England viel für Ausgegrenzte und Gescheiterte getan, besonders in den Häfen Englands. Sein Einsatz galt auch den Dirnen, dem ganzen Heer der Dirnen.
In Russland begann er seelsorgerliche Gespräche meist mit der Frage: „Aimez-vous Jesus?“ – „Lieben Sie Jesus? Kennen Sie Jesus überhaupt? Ist er in Ihrem Herzen?“ Aus diesen Fragen ergaben sich viele Gespräche. Denn das ist die Quelle der Gnade und auch der Fürsorge für die Elendesten, damit sie sich freuen können.
„Mein Herz ist fröhlich in dem Herrn. Meine Seele ist fröhlich geworden, denn er steht mir zu Recht.“ Die Berliner haben den Spruch: „Dicht bei dicht, so will Jesus bei mir sein, dicht bei dicht, Amen.“