Einleitung
Johannes bezeichnet man auch als Apostel der Liebe. Dies, weil er sich doch sehr ausführlich mit der Liebe beschäftigt. Und schliesslich war er der Jünger, der von Jesus besonders geliebt wurde: Es war aber einer unter seinen Jüngern, den Jesus lieb hatte, der lag bei Tisch an der Brust Jesu. Joh.13,23Bereits zum zweiten Mal in diesem Brief, beschäftigen wir uns mit der Liebe unter Christen und es wird auch nicht das letzte Mal sein. Johannes konkretisierte das Tun der Gerechtigkeit in Vers 10, durch den Hinweis auf die Liebe unter Christen: ...wer nicht recht tut, der ist nicht von Gott, und wer nicht seinen Bruder lieb hat. 1.Joh.3,10. Diese Liebe führt er nun genauer aus. Text lesen: 1.Joh.3,11-18
I. Christen lieben sich (3,11)
Liebe ist eine grundsätzliche Botschaft des Evangeliums. Denn das ist die Botschaft, die ihr gehört habt von Anfang an, dass wir uns untereinander lieben sollen. 1.Joh.3,11. Seit Beginn der Verkündigung des Evangeliums wurde die Gemeinde gelehrt, dass sie sich untereinander lieben sollen. So lehrte Jesus seine Jünger: Ein neues Gebot gebe ich euch, daß ihr euch untereinander liebt, wie ich euch geliebt habe, damit auch ihr einander lieb habt. / Daran wird jedermann erkennen, daß ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt. Joh.13,34-35. Die Liebe untereinander dient geradezu als Visitenkarte für die Zugehörigkeit zur Gemeinde. Die Liebe untereinander macht sichtbar, dass wir zu Jesus gehören. Johannes zieht später in unserem Brief einen logischen Rückschluss und sagt: Ihr Lieben, hat uns Gott so geliebt, so sollen wir uns auch untereinander lieben. 1.Joh.4,11. Das Markenzeichen der Christen ist die Liebe untereinander oder man könnte auch sagen zueinander.
Leider erleben wir oft, dass Christen untereinander zerstritten sind. Wir erleben Unversöhnlichkeit, Uneinsichtigkeit, Rechthaberei usw. Alles Dinge mit denen sich die Apostel auch beschäftigen mussten, z.B. Paulus gegenüber den Korinthern oder Johannes mit den Sendschreiben an verschiedene Gemeinden. Es ist traurig, dass wir an diesem Punkt als Gemeinde Jesu oft und man darf vielleicht sogar sagen - allzuoft, ein schlechtes Zeugnis abgeben. Lieblosigkeit in der Gemeinde bringt viel Elend mit sich, so dass Christen ins Straucheln kommen. Johannes schrieb bereits: Wer seinen Bruder liebt, der bleibt im Licht, und durch ihn kommt niemand zu Fall. 1.Joh.2,10. Wo diese Liebe nicht gelebt wird, da kommen Christen zu Fall. Auch wenn Gemeinden in sich zerstritten sind, müssen wir daran festhalten, dass dieser Zustand absolut schlecht ist und dies nicht den Vorstellungen Gottes entspricht.
Eins müssen wir bei allem beachten. Jeder von uns bringt eine bewusste oder unbewusste Vorstellung mit, wie er sich die Liebe innerhalb der Gemeinde vorstellt. Mit dieser Vorstellung wird dann gemessen, ob die Gemeinde in der Liebe lebt oder nicht. Aber allzuoft misst man dies daran, wieviel Liebe mir persönlich entgegengebracht wird. Wenn nach meinem Empfinden, mir nicht genügend Liebe entgegengebracht wird, dann liebt man sich offenbar nicht untereinander in dieser Gemeinde. Man vergisst dabei, dass wir uns untereinander lieben sollen. D.h. ich darf nicht die Liebe einzig daran messen wieviel Liebe mir nach meinen Vorstellungen entgegengebracht wird. Ich selbst bin aufgefordert die anderen zu lieben. Es gibt Christen, die zwei oder dreimal in eine Gemeinde gehen und sich dann ein Urteil über den Liebesgrad in dieser Gemeinde erlauben. Sie beurteilen dies daran ob sie freundlich begrüsst werden, ob man ihnen die nötige Aufmerksamkeit schenkt usw. Aber ist dies wirklich der Massstab? Wir werden noch sehen, dass Johannes von der Liebe sehr praktisch denkt.
II. Christen werden gehasst (3,12-13)
Die Liebe unter Christen soll keinesfalls so aussehen, wie zwischen Kain und Abel. Kain, der vom Bösen, d.h. mit den Worten des Johannes gemäss V.10, ein Kind des Teufels ist, ermordete seinen Bruder. Ja, warum machte er das? Weil seine Werke böse waren und die seines Bruders gerecht. Es spielte also Neid und Missgunst eine Rolle. Kain ist der Prototyp, ein Bild, für den Hass der Welt gegenüber der Gemeinde. Wie es bei Kain und Abel war, so ist es auch geblieben bis heute. Darum soll die Gemeinde nicht erstaunt sein, wenn sie von der Welt gehasst wird. Die Liebe innerhalb der Gemeinde, die jedermann Zeugnis ablegt, dass sie zu Jesus gehören. Führt nicht zwangsläufig dazu, dass die Menschen diese Wahrnehmung mit Anerkennung erwidert, sondern sie können mit Hass reagieren.
Selbstverständlich sind wir dankbar, wenn wir als Gemeinde nicht gehasst werden und wir in Zürich einen guten Ruf haben. So meint auch Paulus: Ist's möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden. Rö.12,18. Es ist also eine gute Absicht, mit den Menschen Frieden zu halten. Wir sollen nicht durch falsches, hinterhältiges Verhalten uns mit den Menschen überwerfen. Jedoch dürfen wir genauso wenig überrascht sein, wenn wir als Gemeinde einen schlechten Ruf bekommen, d.h. wenn wir den Hass auf uns ziehen. Dies kann nur schon dadurch geschehen, dass wir daran festhalten und es den Menschen sagen, dass man nur durch Jesus allein in den Himmel kommt. Dieser Absolutsheitanspruch birgt ein hohes Widerstands Potenzial in sich. Denn das Denken bezüglich Toleranz in unserer Gesellschaft lässt eine solche absolute Sichtweise nicht zu und nicht gelten. In einem solchen Fall ziehen wir eigentlich nicht mit unserer Art, sondern durch unseren Glauben, den Hass auf uns. Dies ist ein ganz natürlicher Prozess, den Jesus selbst, seine Apostel und viele Christen bis heute immer wieder erfahren mussten. Wir müssen damit Leben können und es soll uns nicht in Erstaunen versetzen. Ansonsten gleichen wir dem Samen, der auf felsigen Boden gesät wurde, welcher keine Wurzel in sich hat, von dem sagt Jesus: aber er hat keine Wurzel in sich, sondern er ist wetterwendisch; wenn sich Bedrängnis oder Verfolgung erhebt um des Wortes willen, so fällt er gleich ab. Mt.13,21.
III. Das Wesen christlicher Liebe (3,14-18)
Ursprung der Liebe (14-15)
Nun weist Johannes auf den Ursprung der Liebe hin. Er sagt: Wir wissen, daß wir aus dem Tod in das Leben gekommen sind; denn wir lieben die Brüder. Wer nicht liebt, der bleibt im Tod. Auch hier wird deutlich, dass die Liebe zu den Brüdern auf den Ursprung der Liebe hinweist. Der Ursprung liegt nicht in einem Werk des Menschen, sondern in seinem grundlegend veränderten Leben. Der, welcher seinen Bruder liebt, der ist aus dem Tod in das Leben gekommen. Mit Tod meint Johannes den Menschen, der ohne Beziehung und Achtung zum Schöpfer lebt. Er ist Tod, weil das Urteil über seinem Leben feststeht. Er verschliesst sich vor der Wahrheit, die Gott durch Jesus und die Bibel den Menschen zugänglich machte. Durch den Sündenfall von Adam und Eva verselbständigte sich der Mensch. Diese Verselbständigung ist Beweis für die Todverfallenheit des Menschen. Tod in diesem Sinne bedeutet viel mehr als Sterben. Tod bedeutet unter dem Gericht Gotes zu stehen und in alle Ewigkeit verdammt zu sein. Die Hölle ist eben nicht ein Märchen aus dem Mittelalter, sondern eine Wirklichkeit. Johannes sagt, dass wir wissen, dass wir aus dem Tod, Also aus dieser Todverfallenheit, zum Leben gekommen sind. Wer aus dem Tod ins Leben gekommen ist, der wurde von Gott neu gemacht, und gleichzeitig zur Liebe befähigt, denn es heisst: Hoffnung aber läßt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den heiligen Geist, der uns gegeben ist. Rö.5,5. Und es ist daher nicht verwunderlich, dass in Galater 5,22 als erste Frucht des Geistes die Liebe genannt wird. Die Frucht aber des Geistes ist Liebe, Freude, Friede, Geduld, Freundlichkeit, Güte, Treue, / Sanftmut, Keuschheit; gegen all dies ist das Gesetz nicht. Gal.5,22. Darum kann Johannes sagen, dass wenn wir die Brüder lieben, vom Tod zum Leben hinübergetreten sind. Wer nicht liebt, der bleibt im Tod, über sein Sterben hinaus. Ja, nicht nur das, wer seinen Bruder hasst, der ist ein Todschläger. Das ewige Leben ist in einem solchen Menschen nicht bleibend.
Nun fragt sich vielleicht jemand, ob er vom Tod zum Leben hinübergegangen ist. Weisst Du ob Du vom Tod zum Leben gekommen bist? Wie man vom Tod zum Leben kommt beschreibt Jesus folgendermassen: Wahrlich, wahrlich, ich sage euch: Wer mein Wort hört und glaubt dem, der mich gesandt hat, der hat das ewige Leben und kommt nicht in das Gericht, sondern er ist vom Tode zum Leben hindurchgedrungen. Joh.5,24. Durch den Glauben an Jesus und an sein Wort. Wenn ich Jesus recht gebe, dass ich vor Gott nicht bestehen kann, weil ich ein Sünder bin, und wenn ich glaube, dass Jesus für mich meine Strafe auf sich genommen hat und wenn ich ihm aus Dankbarkeit nachfolge, dann bin ich vom Tod zum Leben hindurchgedrungen. Dann komme ich nicht mehr in das Gericht Gottes, denn Jesus hat das Gerichtsurteil für mich getragen. Wenn ich Jesus und seinem Wort nicht glaube, dann muss ich mein Gerichtsurteil selber tragen. Gerne helfen wir diesen wichtigsten Schritt zu tun. Es ist Gottes Wunsch, dass wir nicht verloren gehen, darum sagte Jesus: Wenn also hat Gott die Welt geliebt, daß er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben. Joh.3,16.
Praktische Liebe (16-18)
Bis anhin konnte jeder sich ein eigenes Bild machen, was er unter dieser Liebe verstehen soll. Nun wird Johannes noch konkreter. Die Liebe erkennt man nicht in erster Linie anhand eines Gefühls, sondern anhand von Taten. Daran erkennen wir die Liebe Gottes, dass Jesus für uns das Leben völlig investiert hat. Jesus sprach nicht nur davon, dass er liebt, sondern er praktizierte die Liebe. Er ist der gute Hirte, wie Jesus selber sagt: Ich bin der gute Hirte. Der gute Hirte läßt sein Leben für die Schafe. Joh.10,11. Wir sollen uns jetzt auch mit der Tat lieben. Und Johannes gibt ein Beispiel: Wenn aber jemand dieser Welt Güter hat und sieht seinen Bruder darben und schließt sein Herz vor ihm zu, wie bleibt dann die Liebe Gottes in ihm? Diese Ansicht galt übrigens auch bereits im AT für das Volk Israel, dort lesen wir im 5.Mose: Wenn einer deiner Brüder arm ist in irgendeiner Stadt in deinem Lande, das der Herr, dein Gott, dir geben wird, so sollst du dein Herz nicht verhärten und deine Hand nicht zuhalten gegenüber deinem armen Bruder, sondern sollst sie ihm auftun und ihm leihen, soviel er Mangel hat. Dt.15,7-8. Die Liebe unter Christen bekommt Hände und Füsse. Wir sollen uns füreinander investieren. Teilhaben am Leben des anderen. Dies wurde und wird unter Christen immer wieder praktiziert. So sagt Paulus über Priska und Aquila: Grüßt die Priska und den Aquila, meine Mitarbeiter in Christus Jesus, / die für mein Leben ihren Hals hingehalten haben, denen nicht allein ich danke, sondern alle Gemeinden unter den Heiden. Rö.16,3-4. Lieben heisst Hand anlegen oder auch den Kopf hinhalten für einen anderen. Lieben heisst verzichten und Opfer bringen. Meine Kinder, fährt Johannes fort laßt uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern in Tat und Wahrheit. Wir sollen also nicht ständig von Liebe sprechen, sondern wir sollen der Liebe entsprechend handeln. In Tat und Wahrheit. Es gibt nämlich auch eine Form der handelnden Liebe, die nicht in der Wahrheit ist. Denn Menschen können sich aufrichtig Lieben, ohne in der Wahrheit zu sein. In Wahrheit heisst nämlich, auf der Grundlage von Gottes Wort zu lieben. Es gibt den rechten Maßstab, wie die Liebe aussehen soll, so schrieb Johannes bereits: Wer aber sein Wort hält, in dem ist wahrlich die Liebe (zu) Gottes vollkommen. Daran erkennen wir, daß wir in ihm sind. 1.Joh.2,5. Diese Liebe in Tat und Wahrheit zeigt sich auch nicht nur in Liebeleien, sondern es kann auch Züchtigung heissen, so wie wir in den Sprüchen lesen: ...wen der Herr lieb hat, den züchtigt er... Hebr.12,6. Also, in aufrichtiger Liebe, praktisch und in der Wahrheit gegründet, sollen wir einander Lieben. So gestaltet sich die Liebe unter Christen.
Johannes macht am Beispiel von Jesu deutlich, dass die Liebe eine Handlung ist und nicht eine Erfahrung, die der einzelne macht. Denn die, welche die Gemeinde bedrohten sprachen auch von Liebe. Und wir hören heute auch oft von Erfahrungen, die Menschen machen, wo sie wie von einem Gefühl der Liebe eingehüllt werden. Diese Berichte kennen wir aus christlichen Kreisen, und aus nichtchristlichen Kreisen.
Ein Mann erzählt von seiner Bekehrung zu den Mormonen, wie er Gewissheit über die Echtheit bekommen hatte, er sagt: John Kunich beschreibt seine einschlägige Erfahrung mit diesen Worten: "Ich hatte über das gebetet, was die Missionare mir zu lesen gegeben hatten, und ich wurde von einem Gefühl der Liebe eingehüllt. Es war ein wunderbares Erlebnis; es brachte mir Tränen in die Augen. Ich hatte das Gefühl das müsse die Bestätigung für die Dinge sein, die ich gelesen hatte." (1)
Oder ein anderer Mann, der sich in christlichen Kreisen bewegt, schildert seine besondere Erfahrung der Liebe, die er bei Swami Muktananda hatte, folgendermassen: Er berührte mich mit Pfauenfedern. Ich hatte allmählich den Eindruck, daß unsere Gedanken in eins zusammenliefen. Dann berührte er mich wieder und legte mir die Hand auf den Kopf. Danach erschienen rund um mich her wunderschöne Farben, und es kam mir vor, als hätte ich meinen Körper verlassen und sähe mir von oben aus zu. Ich sah Farben, deren Tiefe und Leuchtkraft schöner war als alles, was ich mir bis dahin je hatte vorstellen können. Ich fing an, in Zugen zu reden. Ein herrlicher Lichtstrahl kam in den Raum, und in dem Moment entschloß ich mich, nicht mehr zu bewerten, was hier eigentlich vor sich ging, sondern einfach eins zu sein mit der Erfahrung, ganz darin aufzugehen ... In den nächsten drei Monaten hatte ich viel mehr Energie als sonst und brauchte nur wenig Schlaf. Ich war von dem Bewußtsein der Liebe erfüllt, ganz anders als ich es vorher je gekannt hatte. (2)
Mit solchen und ähnlichen Erfahrungen wurde die Gemeinde damals konfrontiert. Und wenn jemand von einer solchen Erfahrung erzählt und vielleicht seine Ausstrahlung seine Erfahrung spiegelt, könnte man schon ins Wanken kommen. Johannes macht deutlich. Die Liebe ist nicht ein wohliges Gefühl, eine innere Erfahrung, sondern die Liebe wirkt sich praktisch gegenüber den Geschwistern aus, also denen, die ewiges Leben haben. Lassen wir uns also durch solche Dinge nicht verwirren. Die persönliche Erfahrung der Liebe zeugt nicht vom neuen Leben, sondern die Liebestat gegenüber den Geschwistern, die in der Wahrheit, d.h. im Wort Gottes gegründet, ist das zuverlässige Zeugnis. Wenn wir von der Liebe Gottes erfüllt werden, dann richtet diese Liebe unseren Blick auf den Nächsten und versinkt nicht in sich selbst.
Schluss
Auch in diesem Abschnitt geht es Johannes darum, die Gemeinde vor den bedrohenden Lehren zu schützen. Ihnen messbare Kriterien zu zeigen, woran sie die Wahrheit erkennen können. Für uns hat dieser Abschnitt, wie wir gesehen haben, eine hochaktuelle Bedeutung. Denn die persönliche Erfahrung der Liebe wird oft über alles andere gestellt. Die Wahrheit von Gottes Wort wird nicht mehr in verbindlicher Weise vertanden, weil die sogenannte Liebeserfahrung so wirklich erlebt wird, dass es Gottes Wort scheinbar überstrahlt. Wir sollen aber an der Wahrheit festhalten und uns in Tat und Wahrheit lieben. Wir sollten es auch nicht versäumen, diese praktische Liebe zu leben und sie nicht nur mit schönen Worten bereden. Sind wir dazu bereit? Amen
_ (1) ethos, 2/92, S.71.
(1) Dave Hunt/T.A.McMahon: Die Verführung der Christenheit (Bielefeld, CLV, 19872), S. 58 - 59.