Einführung in das Thema des Leidens Jesu
Ich möchte heute Abend nur diesen kleinen Satz aus dem wichtigen Kapitel Jesaja 53 herausgreifen: „Er ist um unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen.“
Ich lese dazu fünf Verse aus Johannes 19:
Da nahm Pilatus Jesus und ließ ihn geißeln. Die Kriegsknechte flochten eine Krone aus Dornen, setzten sie auf sein Haupt und legten ihm ein Purpurgleid an. Dann traten sie zu ihm, sprachen: „Sei gegrüßt, lieber Judenkönig!“ und gaben ihm Backenstreiche.
Anschließend ging Pilatus wieder heraus und sprach zu ihnen: „Seht, ich führe ihn heraus zu euch, damit ihr erkennt, dass ich keine Schuld an ihm finde.“ Da ging Jesus heraus, trug die Dornenkrone und das Purpurgleid. Pilatus sagte zu ihnen: „Seht, welch ein Mensch!“
Liebe Brüder und Schwestern, ich muss Ihnen ganz offen zugeben, dass ich auch immer wieder Schwierigkeiten habe, die Leidensgeschichte Jesu zu deuten. Vielleicht hilft Ihnen das weiter: Es ist sogar nicht leicht, die Leidensgeschichte zu verstehen.
Paulus sagt, dass dies der Teil des Evangeliums ist, der am schwierigsten zu verstehen ist – schwieriger als Wundergeschichten, schwieriger als die Bergpredigt Jesu. Gleichzeitig ist es aber genau der Punkt, an dem man den Schlüssel ansetzt, der einem das ganze Neue Testament auf einmal erschließt.
Deshalb ist es so wichtig, dass wir diesen Punkt verstehen.
Die Herausforderung des Verstehens der Leidensgeschichte
Nun sagte ich ihnen, dass es uns manchmal schwerfällt, die Leidensgeschichte zu verstehen. Vielleicht sind wir manchmal auch oberflächlich. Wir begnügen uns einfach damit, Mitleid zu empfinden, mitzutrauern und ein wenig gedrückt zu sein über das, was uns widerfährt.
Aber, liebe Freunde, es geht in der Leidensgeschichte Jesu um etwas ganz anderes. Oft heißt es in Liedern, dass unsere Sünden Jesus geplagt, gefoltert und gemartert hätten. Nun, seien wir doch ehrlich: Haben Sie Jesus wirklich gemartert? Haben Sie Jesus gefoltert oder geschmäht? Das ist doch für uns nicht verständlich.
Wir wissen, dass wir in unserem Leben viel Schuld haben. Das geben wir offen zu. Wir gehen sogar noch weiter als diejenigen, die sagen, sie hätten nur Fehler gemacht. Wir sagen: Nein, das ist viel schlimmer in unserem Leben. Wir wissen, wie wir gegen Gott gehandelt haben, wie wir ihn in seiner Liebe getroffen und verletzt haben. Aber ich habe ihn doch nicht geschmäht oder gehöhnt, ich habe ihn doch nicht gefoltert, so wie es in dem Lied heißt, das wir gestern gesungen haben, als ob unsere Sünden wie Nägel wären, die Jesus gleichzeitig martern.
Können Sie das nachvollziehen? Können Sie das einfach so mitsingen? Ich will Ihnen heute Abend dieses Wort erklären und auslegen: „Er ist um unserer Sünde willen verwundet und um unserer Missetat willen zerschlagen.“
Oft stehe ich in meinem Zimmer, an meinem schönen Stehpult, und verbringe Stunden damit, darüber nachzudenken und zu beten. Ich sage dann zu Jesus: Erklär mir das doch, ich möchte es anderen weitergeben können, ich möchte das Geheimnis deines Wortes aufschließen.
Verzagen Sie nicht, wenn Ihnen manche Bibelstellen verschlossen erscheinen. Bleiben Sie dran am Verstehen, dann werden Sie viel tiefer in die Schrift hineingeführt.
Ich möchte Ihnen jetzt erklären, was hier gemeint ist. Wir sehen unsere Sünde meist immer individuell, das heißt von unserer Person her, von unserem Leben aus. Das gemeine Wort, das ich rede, die Tat, die ich tue, die den anderen verletzt und sein Leben zerstört. Wir können unsere Sünden noch schärfer zeichnen, sie bleiben immer individuelle Taten.
In der Bibel wird aber von Anfang an erzählt, dass die Sünde auch eine ganz andere Seite hat: eine kollektive Seite, die die ganze Welt umfasst. Ich kann das nur mit einem Bild erklären.
Ich bin Schwabe, das kann ich nicht verleugnen. Ich kann mich noch so sehr bemühen, Hochdeutsch zu sprechen, es wird immer wieder durchklingen, dass ich Schwabe bin. Der Charakter eines Schwaben, der eckige, lässt sich nicht verleugnen. Die Physiognomie, die Gangart, das ganze Benehmen, die Art, wie jemand sich gibt – all das verrät, aus welchem Volk er stammt.
Genauso ist es mit unserer Sünde. Ich bin hineingeboren in eine Welt und habe eine Art, die vom ersten Menschen, Adam, geprägt ist – und bei Eva nicht weniger. Ich bin gezeichnet von meinen Vorfahren, ich kann nicht aus dieser Haut heraus.
So wie ein Kind, das mit seiner Mutter Schwierigkeiten hat, kann ich sagen: Das sind Generationenkonflikte. Trotzdem sage ich zu diesem jungen Mann: Du bist voll verantwortlich für das, was du tust. Und trotzdem weiß ich, dass das auch eine Sache ist, die nicht nur bei ihm herauskommt, sondern in einer ganzen Kette von Menschen steckt, die durch die gleiche Not hindurchgehen.
So ist die Sünde: Sie zeigt sich bei mir individuell, aber sie ist gleichzeitig auch eine Sache, in der ich lebe und die die Menschen um mich herum ergreift. Sie zeichnet das ganze Wesen eines Menschen.
Wer sich noch erinnern kann an unser Bibeltraining, als wir den Römerbrief durchgenommen haben, weiß, dass die Sünde auch als eine zerstörerische Macht beschrieben wird. Wie bei Langarone, wo ein Staudamm bricht und die ganzen Verderbensmächte dieser Welt hereinbrechen, die vorher bei der Schöpfung verschlossen waren.
Indem ich die Tür öffne und anfange zu sündigen, lasse ich all diese Verderbensmächte in mein Leben. Seitdem wütet die Sünde, das ist die ganze Macht des Bösen. Ich bin davon gezeichnet, ich kann mich dagegen wehren und kämpfen, aber ich spüre immer wieder, wie sie meine Taten prägt.
Ich spüre, wie ich Gott fremd bin, wie mir seine Worte nicht wichtig sind, wie es mir leichter fällt, meine eigene Ehre zu suchen als das, was dem Nächsten nützt. Wie ich ein Egoist bin durch und durch.
Die Sünde zeigt sich in vielen feinen Formen, am allermeisten in der frommen Art der Pharisäer. Das kennen wir von uns selbst, nicht von anderen.
Jesus hat in der Passionsgeschichte den Kampf mit der Sünde aufgenommen. Er hat die Sünde beim Wort genannt und dargestellt, was sie wirklich ist: die Sünde, die mein Leben zerstört, die mich im Innersten richtet, die mir nicht das bringt, was sie verspricht, sondern mich belastet und mein Gewissen zerstört.
Überall, wo Jesus zu Menschen kam, die in Schuld beladen waren, wurde offenbar, was Sünde ist. Und da hat sich Jesus hingestellt und dem Menschen die Liebe Gottes bezeugt, obwohl er selbst ohne Sünde war.
Der Mensch aber hat darauf geantwortet, indem er Jesus weggestoßen hat. Jesus wurde aus keinem anderen Grund verurteilt. Es ist eine Lüge, wenn Theologen heute behaupten, er sei als politischer Revolutionär verurteilt worden.
Lesen Sie die Bibel: Jesus wurde verurteilt, weil er der war, der die Sünde tilgen wollte, der gegen die Sünde der Welt antrat und Menschen zu Gott heimholen wollte. Er war der Zeuge Gottes, der Gesandte des Vaters, der bevollmächtigte Sohn Gottes.
Und dann haben die Menschen gesagt: „Wir zeugen gegen dich im Namen Gottes, es sei Gotteslästerung.“ Das Lächerlichste, was man Jesus vorwerfen konnte. Die Sünder berufen sich auf Gott, und der Sündlose wird gekreuzigt und gehöhnt.
Dann haben sie ihn zerschlagen und ans Kreuz ausgeliefert. Jetzt verstehen Sie, warum es so gemeint ist, dass „meine Sünde Jesus zerschlagen hat.“ Wenn ich heute an der Sünde festhalte, wenn ich mein Leben selbst in die Höhe bringen will, wenn mir meine Ehre wichtiger ist als morgens 15 Minuten Stille über dem Wort Gottes, wenn ich andere Dinge wichtiger nehme als den Willen Gottes – dann höhne ich Jesus.
Jesus hat uns Gehorsam vorgelebt, und auch das haben die Menschen nicht verstanden. Indem ich mich für die Sünde entscheide, für das, was Gott nicht will, höhne ich Jesus, schlage ich ihn, drücke ihn beiseite als unbequemen Mann.
So wie ich sein Wort wegdränge, so wie ich andere Dinge wichtiger nehme, so höhne ich Jesus. Die schlimmste Höhnung Jesu in meinem Leben ist, dass ich ihn nicht liebe, dass mir andere Dinge wichtiger sind.
Wir Menschen sind sehr empfindlich. Wie würden Sie reagieren, wenn Ihr Ehepartner Ihnen nicht mehr die volle Liebe schenkte, sondern jemand anderen mehr liebte? Was tun wir Jesus an? Wie quälen und foltern wir ihn?
Jesus trägt diese ganze Not der Welt und lässt sie über sich hinweggehen. Er stellt sich mitten hinein in die Last der Sünde, in das Bild des Staudamms, aus dem die Fluten brechen.
Er stellt sich mitten hinein, damit er einige Menschen, die von dieser Zerstörungsmacht weggespült werden, noch durch seine Hand halten kann. Das war Jesus wichtig: dass wenigstens einige in dieser Welt errettet werden.
Mir ist es heute Abend so wichtig, dass wenigstens einige verstehen: Ich lasse mich von ihm halten. Er ist um unserer Missetat willen verwundet, um unseres Abfalls willen verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen.
Der erste Mensch, der so brutal seinen Bruder erschlagen hat, trug ein Mal an der Stirn. Gott ließ das auf seiner Stirn stehen, weil er ihm sagte: „Du, die Sünde kann nicht mehr von dir weggenommen werden.“ Nicht nur die Sünde, sondern auch das, was deine Sünde angerichtet hat.
Am Karfreitag werde ich noch einiges darüber sagen müssen, was Sünde bedeutet in der Zerstörung dieser Welt. Der ganze Schuldzusammenhang, dass einmal Blut geflossen ist und dieses Blut nach Rache schreit, dass diese Welt gespalten ist in Feindschaft – das schreit zum Himmel und verlangt Vergeltung.
Wir spüren das in unserem Leben, wie es Gewalt und Gegengewalt, Rache, Druck, Unrecht und Gewalttat hervorruft. Wir sehen es an der Welt noch viel mehr.
Und dann stellt sich Jesus mitten hinein in diese Welt, weil er derjenige sein will, der diese Last trägt, der diesen Schuldzusammenhang auf sich nimmt.
Er ist um unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen. Dort, wo Schuld zur Ruhe kommt, damit wir heute Abend sagen können: „Vergeben und vergessen.“
Wir singen mit unseren jungen Leuten so gern das Lied: „Alles hat er mir erlassen, alles, kaum kann ich es fassen, alle meine Schuld und Sünde trug er dort für mich auf Golgatha. Halleluja, Halleluja!“
Ich will meine Schuld wegwerfen in die Tiefe des Meeres. Und wenn sie mir immer wieder in Erinnerung kommt, will ich nicht mehr daran denken. Denn die Sache ist durch das Blut Jesu erledigt, sonst wäre sein Sterben umsonst gewesen.
Ich möchte ihn nicht mehr lästern, sondern sein Wort annehmen und danke sagen: Danke, dass du es für mich getragen hast, dass ich heute Abend durch dich freigesprochen werde.
Wenn Sie über eine ganz bestimmte Schuld in Ihrem Leben nicht hinwegkommen, wenn Sie sagen: „Ich werde nicht frei davon, das klagt mich immer noch an, das kommt aus meiner Vergangenheit, aus meiner Familie, aus dunklen Stunden, ich kann nicht schlafen,“ dann lassen Sie es sich zusprechen.
Kommen Sie zu jemandem, kommen Sie zu mir, damit ich es Ihnen im Namen Jesu sagen kann: „Er ist um deiner Missetat willen verwundet und um deiner Sünde willen zerschlagen.“
Morgen werde ich den anderen Teil noch auslegen. Aber heute wollen wir schon wissen, dass wir Frieden haben, dass du ruhig schlafen kannst, dass du wieder lachen kannst.
Dass in deinem Leben unheilvolle Folgen ausgelöst wurden, weil der Weg zu Gott wieder frei ist, weil Gott sich in deinem Leben verherrlichen kann und weil über deinem Leben nur noch das eine steht: Kind Gottes!
Er ist um unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen. Amen!
Jesus, du Lamm Gottes, wir leiden unter der Last unseres Lebens. Es liegt so viel auf uns. Wir spüren den Fluch der Sünde, den Fluch der Gottlosigkeit in unserem Leben, den Fluch der Dinge, die vergehen und uns in den Händen zerrinnen.
Herr, das ist Sünde vor dir, dass wir andere Dinge mehr leben als dich, dass wir von dir weggelaufen sind. Wir danken dir, dass du uns aus diesem allem herausziehen kannst, dass du einen dicken Strich ziehen kannst in unserem Leben.
Dass du uns trennst von der Macht der Sünde, von der Macht des Bösen, von der Vergänglichkeit und vom Tod. Und dass du uns zum Leben berufen und Neues durch uns schaffen willst.
Wir wollen heute Abend deine volle Vergebung haben, deinen Freispruch, weil du für uns gestorben bist und weil du uns allein die Lasten der Vergangenheit wegnehmen kannst.
Dann dürfen wir befreit und glücklich von hier weggehen, beschenkt durch dich, und wissen, dass du aus unserem Leben etwas Großes und Wichtiges machen willst.
Gebrauche uns dazu. Wir wollen dich beim Wort nehmen, dir glauben und nicht daran zweifeln, dass du mit uns gehst und deine segnende Hand über uns hält.
Wir bitten dich nun für diese Nacht und befehlen uns dir an. Wir denken an die, die nicht schlafen können, die Schmerzen haben, die leiden müssen, die im Krieg leben, die heimatvertriebenen Flüchtlinge, die Hungernden in der Welt, die zu Unrecht Verfolgten, die um deines Namens willen geschlagen und inhaftiert sind.
Sei du jetzt bei ihnen und mache sie gewiss und fröhlich in deiner Nähe! Wo du bist, muss aller Kummer weichen.
Lasst uns gemeinsam beten:
Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Herr, segne uns und behüte uns. Herr, lass dein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig. Herr, erhebe dein Angesicht auf uns und gib uns deinen Frieden.
Die individuelle und kollektive Dimension der Sünde
Wir sehen unsere Sünde meist individuell, das heißt von unserer Person her, von meinem Leben her. Das, was ich tue, dieses gemeine Wort, das ich spreche, ist eine Tat, die ich vollbringe und die den anderen verletzt und sein Leben zerstört.
Wir können unsere Sünden noch viel schärfer beschreiben, sie können das für sich tun, doch es bleibt immer eine individuelle Tat. In der Bibel wird von Anfang an erzählt, dass die Sünde auch eine ganz andere Seite hat: eine kollektive Seite, die die ganze Welt umfasst.
Ich kann das nur mit einem Bild erklären. Ich bin Schwabe, das kann ich nicht verleugnen. Ich kann mich noch so sehr bemühen, hochdeutsch zu sprechen – es wird immer wieder an Lauten wie „Au“ und „Ei“ durchklingen, dass ich Schwabe bin. Der Charakter eines Schwaben, der eckige, lässt sich nicht verleugnen.
Die Physiognomie sagt, dass sich bis in die Gangart hinein verfolgen lässt, aus welchem Volk jemand stammt. Sein ganzes Benehmen, seine ganze Art, wie er sich gibt – die unhöfliche Art, die verdrückte Art, die versteckte Art oder die komplizierte Art – all das zeigt, dass ich Schwabe bin.
Sehen Sie, genauso ist es mit unserer Sünde. Ich bin hineingeboren in eine Welt und habe eine Art, die vom ersten Menschen, Adam, geprägt ist – und bei Eva nicht weniger. Ich bin gezeichnet von meinen Vorfahren, ich kann nicht aus dieser Haut heraus.
Genauso wie ein Kind, das mit seiner Mutter Schwierigkeiten hat, kann ich sagen: Das sind Generationenkonflikte. Trotzdem sage ich: Du bist voll verantwortlich, junger Mann, für das, was du hier tust. Und dennoch weiß ich, dass das gleichzeitig auch eine Sache ist, die nicht bloß bei dem jungen Mann herauskommt.
In der Schwierigkeit, in der er nun mit seiner Mutter mit hässlichen Worten um sich wirft, steckt etwas, für das er voll verantwortlich ist, das ihn aber auch in eine ganze Kette von Menschen einbindet, die durch dieselbe Not hindurchgehen. So ist die Sünde zugleich – wie sie sich bei mir zeigt – auch eine Sache, in der ich lebe und die die Menschen um mich herum ergreift. Sie prägt das ganze Wesen eines Menschen.
Die Macht der Sünde und Jesu Kampf dagegen
Wir haben, wer sich noch erinnern kann, in unserem Bibeltraining, als wir den Römerbrief durchgenommen haben, die Sünde gleichzeitig bezeichnet.
Wie dort bei Langarone, wo dieser Staudamm bricht, sind die ganzen Verderbensmächte dieser Welt, die bisher bei der Schöpfung verschlossen waren und nicht in diese Welt eindringen konnten. Indem ich nun die Tür öffne, stürzt all das in die Welt herein.
In dem Augenblick, in dem ich anfange zu sündigen und Gott auf die Seite lege, stürzen all die Verderbensmächte in mein Leben hinein. Seitdem wütet die Sünde. Das ist die ganze Macht des Bösen. Ich bin davon gezeichnet, ich kann mich dagegen wehren und dagegen kämpfen. Doch ich spüre immer wieder, wie das meine Taten prägt, wie ich Gott so fremd bin, wie mir seine Worte nicht wichtig sind, wie es mir viel leichter fällt, meine Ehre zu suchen als das, was dem Nächsten nützt. Ich bin ein Egoist durch und durch.
Die Sünde zeigt sich in allen feinen Formen in meinem Leben, am allermeisten in der frommen Art der Pharisäer. Das kennen wir von uns, nicht von anderen.
Jesus hat in der Passionsgeschichte den Kampf mit der Sünde aufgenommen. Er hat die Sünde beim Wort genannt und dargestellt, was sie ist: die Sünde, die mein Leben zerstört, die mich grundlegend richtet, die mir nicht das bringt, was sie verspricht, sondern im Gegenteil mich belastet und mein Gewissen zerstört.
Überall, wo Jesus zu den Menschen kam, die in Schuld belastet waren, wurde offenbar, was Sünde ist. Da hat sich Jesus hingestellt und dem Menschen die Liebe Gottes bezeugt, obwohl er selbst in der Sünde stand.
Dieser Mensch hat darauf geantwortet und Jesus weggestoßen. Jesus wurde aus keinem anderen Grund verurteilt. Es ist eine Lüge, wenn uns heute Theologen weismachen wollen, er sei als Revolutionär, als politischer Revolutionär verurteilt worden.
Dann lesen Sie doch mal die Bibel: Jesus ist verurteilt worden, weil er der war, der die Sünde tilgen wollte, der gegen die Sünde der Welt antrat und Menschen zu Gott heimholen wollte. Er war der Zeuge Gottes. Er war der, der auftrat und sagte, dass er der Gesandte des Vaters ist, der bevollmächtigte Sohn Gottes.
Und dann haben die Menschen gesagt: „Wir zeugen gegen dich im Namen Gottes, es sei Gotteslästerung.“ Das Lächerlichste, was man Jesus entgegenstellen konnte. Die Sünder berufen sich auf Gott, und der Sündlose wird gekreuzigt und gehöhnt.
Dann haben sie ihn zerschlagen und ans Kreuz ausgeliefert.
Die persönliche Bedeutung des Leidens Jesu heute
Und jetzt verstehen Sie, warum es so gemeint ist: Wenn ich heute an der Sünde festhalte, wenn ich meine, mein Leben selbst in die Höhe bringen zu müssen, wenn mir meine Ehre wichtiger ist und mein eigenes Leben wichtiger als morgens 15 Minuten Stille über dem Wort Gottes, dann verhalte ich mich falsch.
Wenn mir das viel wichtiger erscheint als das Unterstellen unter seinen Willen und das Sagen: „Herr, was du willst, dein Wille geschehe“, dann missachte ich das, was Jesus uns vorgelebt hat. Auch damals haben die Menschen ihn nicht verstanden.
Indem ich mich heute für die Sünde entscheide, für das, was Gott nicht will, für das, was unter dem Nein Gottes steht, höhne ich Jesus. Ich schlage Jesus, drücke ihn als unbequemen Mann auf die Seite – genauso, wie ich sein Wort heute wegdränge. Ich nehme andere Dinge für wichtiger als ihn.
Ja, sogar die schlimmste Höhnung Jesu in meinem Leben ist, dass ich ihn nicht liebe und dass mir andere Dinge wichtiger sind.
Wir Menschen sind sehr empfindlich. Wie würden Sie in Ihrer Ehe reagieren, wenn Ihre Frau oder Ihr Mann Ihnen nicht mehr die volle Liebe schenken würde? Sondern jemand anderen mehr lieben würde?
Und was tun wir Jesus an? Wie quälen und wie foltern wir ihn?
Jesus trägt diese ganze Not der Welt und lässt sie einfach über sich hinweggehen. Er stellt sich mitten hinein in die Last der Sünde – oder, um das Bild zu benutzen, das ich vorher gebraucht habe: in diesen Staudamm, aus dem die Fluten brechen. Er stellt sich mitten hinein, damit er ein paar Menschen, die da weggespült werden von der Zerstörungsmacht dieser Welt, noch durch seine Hand halten kann.
Das war Jesus wichtig: dass nur ein paar in dieser Welt errettet werden.
Und mir ist es heute an diesem Abend so wichtig, dass wenigstens einige verstehen, dass ich mich nur von ihm halten lasse.
Er ist um unserer Missetat willen verwundet. Sie können es auch so übersetzen: Er ist um unseres Abfalls willen verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen.
Die Tragweite der Sünde und die Erlösung durch Jesus
Der erste Mensch, der so brutal seinen Bruder erschlagen hat, erhielt ein Zeichen an der Stirn. Dieses Zeichen ließ Gott auf seiner Stirn stehen. Gott sagte zu ihm: „Du, die Sünde kann nicht mehr von dir weggenommen werden.“ Dabei ging es nicht nur um die Sünde selbst, sondern auch um das, was durch diese Sünde angerichtet wurde.
Am Karfreitag werde ich noch einiges dazu sagen müssen, was Sünde in der Zerstörung dieser Welt bedeutet. Es geht um den ganzen Schuldzusammenhang: Einmal ist Blut geflossen, und dieses Blut schreit nach Rache. Die Welt ist gespalten in Feindschaft. Der Himmel schreit danach, und es schreit nach Vergeltung. Das spüren wir in unserem Leben, wenn Gewalt auf Gegengewalt trifft, wenn Rache, Druck, Unrecht und Gewalttaten sich ablösen. Wir sehen das noch viel deutlicher an der Welt.
Dann stellt sich Jesus mitten in diese Welt hinein. Er will derjenige sein, der diese ganze Last trägt und diesen Schuldzusammenhang auf sich nimmt. Um unserer Missetat willen ist er verwundet, um unserer Sünde willen zerschlagen. An dieser Stelle kommt die Schuld zur Ruhe, damit wir heute Abend sagen können: „Vergeben und vergessen.“
Mit unseren jungen Leuten singen wir gern das Lied „Alles hat er mir erlassen, alles, kaum kann ich es fassen. Alle meine Schuld und Sünde trug er dort für mich auf Golgatha. Halleluja, Halleluja!“ Ich will die Schuld wegwerfen in die Tiefe des Meeres. Und wenn sie mir immer wieder in Erinnerung kommt, will ich doch nicht mehr daran denken. Denn die Sache ist durch das Blut Jesu ausgelöscht. Sonst wäre sein ganzes Sterben umsonst gewesen.
Ich möchte ihn jetzt nicht mehr lästern, sondern sein Wort annehmen und danke sagen. Danke, dass du es für mich getragen hast, damit ich heute Abend durch dich freigesprochen werde.
Einladung zur Vergebung und zum Frieden
Und wenn jemand eine ganz bestimmte Schuld aus seinem Leben nicht loslassen kann, sondern sagt: „Ich werde nicht davon frei. Es klagt mich immer noch an, was von meinen Eltern in mein Leben hineingetragen wurde. Das, was in ganz dunklen Stunden einmal geschehen ist, kommt immer wieder über mich, und ich kann nicht schlafen.“
Dann lassen sie es sich von jemandem zusprechen. Sie kommen zu einem, sie kommen zu mir, damit ich es ihnen sagen kann: Im Namen Jesu bist du vergeben. Er ist um deiner Missetat willen verwundet und um deiner Sünde willen zerschlagen.
Morgen darf ich den anderen Teil noch auslegen, aber heute wollen wir schon wissen, dass wir Frieden haben. Damit du ruhig schlafen kannst, damit du wieder lachen kannst. Damit in deinem Leben keine unheilvollen Folgen mehr ausgelöst werden, weil der Weg zu Gott wieder frei ist.
Weil Gott sich in deinem Leben wieder verherrlichen kann und weil dann über deinem Leben nur noch das eine steht: Kind Gottes! Er ist um unserer Missetat willen verwundet und um unserer Sünde willen zerschlagen. Amen!
Gebet um Vergebung und Segen für die Nacht
Jesus, du Lamm Gottes, wir leiden unter der Last unseres Lebens. So viel liegt auf uns, und wir spüren den Fluch der Sünde. Den Fluch der Gottlosigkeit unseres Lebens, den Fluch der Dinge, die vergehen und uns in den Händen zerrinnen.
Herr, das ist Sünde vor dir: dass wir andere Dinge mehr lebten als dich, dass wir von dir weggelaufen sind. Wir danken dir, dass du uns aus all dem herausziehen kannst, dass du einen dicken Strich ziehen kannst in unserem Leben.
Du trennst uns von der Macht der Sünde, von der Macht des Bösen, von der Vergänglichkeit und vom Tod. Du rufst uns zum Leben und willst Neues durch uns schaffen. Wir wollen heute Abend deine volle Vergebung haben, deinen Freispruch, weil du für uns gestorben bist und weil du uns allein die Lasten der Vergangenheit wegnehmen kannst.
Dann dürfen wir befreit und glücklich von hier weggehen, beschenkt durch dich, und wissen, dass du aus unserem Leben etwas Großes und Wichtiges machen willst. Gebrauche uns dazu! Wir wollen dich beim Wort nehmen, dir glauben und nicht daran zweifeln, dass du mit uns gehst und dass deine segnende Hand über uns steht.
Wir bitten dich nun für diese Nacht und befehlen uns dir an. Wir denken an die, die nicht schlafen können, die Schmerzen haben, die leiden müssen, die im Kriegsgeschehen leben, die heimatvertriebenen Flüchtlinge, die Hungernden in der Welt, die zu Unrecht Verfolgten, die um deines Namens willen geschlagenen und inhaftierten.
Sei du jetzt bei ihnen und mache sie gewiss und fröhlich in deiner Nähe! Wo du bist, muss aller Kummer weichen.
Lasst uns gemeinsam beten: Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Herr, segne uns und behüte uns. Herr, lass dein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig. Herr, erhebe dein Angesicht auf uns und gib uns deinen Frieden.