Einführung in das Thema Identität in Christus
Wir sind immer noch beim Thema Identität, genauer gesagt bei unserer wahren Identität in Christus. Heute Morgen haben wir bereits darüber nachgedacht, was Identität überhaupt bedeutet.
Nebenbei bemerkt, jeder von uns besitzt auch eine medizinische Identität. Zum Beispiel hat jeder einen einzigartigen Fingerabdruck, der weltweit unverwechselbar ist. Ebenso haben wir eine DNA, anhand derer man noch 30 Jahre nach unserem Tod feststellen kann, dass wir es wirklich waren – eine medizinische Identität.
Außerdem besitzen wir einen Personalausweis, im angelsächsischen Raum spricht man von einer Identity Card, also einer Identitätskarte. All diese Dinge dienen dazu, deutlich zu machen und nachzuweisen: Wer bin ich?
Im letzten Vortrag haben wir gesehen, dass Christen eine Identität in Christus haben. Die Worte „in Christus“ sind ein Fachterminus, ein spezieller Ausdruck bei Paulus, der im gesamten Neuen Testament häufig verwendet wird. Wir sind in Christus gerecht gemacht und angenommen.
Dazu konnte ich vorhin aus Zeitgründen nichts mehr sagen, aber jetzt möchte ich hier noch etwas ergänzen, nämlich...
Persönliche Erfahrungen mit der Annahme in Christus
Wir hatten einen Bibelkreis in Mannheim, zu dem ganz unterschiedliche Menschen kamen: Suchende, Evangelische, Katholische, Konfessionslose und sogar ein Moslem. Alle kamen, um die Bibelarbeiten über das Johannes-Evangelium zu hören.
Eine Katholikin hieß Uschi. Eines Tages hörte ich, wie Uschi einer anderen Frau erklärte, wie man sich bekehrt. Uschi selbst hatte diesen Schritt noch nicht getan, aber sie konnte bereits einer anderen Person erklären, wie man sich bekehrt. Sie hatte das Evangelium schon gut verstanden.
Dann hatten wir im Dezember 1999, kurz vor dem Millenniumswechsel, Vorträge mit Werner Gitt. Alle waren in Aufregung, ob die Atomkraftwerke explodieren würden, aber es passierte nichts. Trotzdem war die Stadthalle in Mannheim voll. Werner Gitt hielt drei Vorträge, und etwa fünfzig Menschen bekehrten sich. Darunter waren allein fünf aus unserem Bibelkreis: ein Arztehepaar, ein anderes Ehepaar und Uschi.
Das war an einem Sonntag, an dem sich Uschi bekehrte. Am Mittwoch darauf hatten wir wieder Bibelkreis. Bis dahin hatte ich Uschi niemals beten hören. Doch an diesem Abend hatten wir eine Gebetsgemeinschaft, und Uschi betete zum ersten Mal – die jung bekehrte Uschi. Ihr Gebet kann ich euch wortwörtlich wiedergeben. Sie betete: „Herr Jesus, ich danke dir, dass bei dir gilt: angenommen heißt angenommen. Amen.“ Mehr hat sie nicht gesagt.
Mein Herz hat gejubelt. Habt ihr das verstanden? „Angenommen heißt angenommen“, hat sie gebetet. Und sie hat es wirklich begriffen.
Das ist inzwischen mehr als 15 Jahre her. Wie gut, wenn wir das verstanden haben.
Die Bedeutung der Identität in Christus für das tägliche Leben
Jesus Christus hat gesagt: Wer zu mir kommt, den werde ich nicht hinaustossen, sondern annehmen. Und sie kam zu ihm. Er hat sie angenommen, und er hat auch mich angenommen.
Das bedeutet, ich bin in Christus angenommen und vollkommen gemacht. Der Hebräerbrief sagt, dass wir durch ein Opfer ein für allemal vollkommen gemacht sind – passend für den Himmel, wie wir vorhin gehört haben. Dort steht auch, dass wir in Christus unantastbar und unanklagbar sind.
Wenn wir eine solche Identität haben, muss das doch Auswirkungen im Alltag haben. Es muss seelsorgerliche und praktische Folgen haben. Heute in unserem Leben, morgen und bis an unser Lebensende leben wir diese Identität aus.
Ich glaube, dass unsere Identität in Christus einen echten Schutz darstellt – einen wirklichen Schutz. Dazu möchte ich heute in diesem letzten Vortrag vier Dinge nennen.
Schutz vor Leistungsdenken
Erstens: Meine Identität in Christus schützt mich vor Leistungsdenken. Wir leben wahrlich in einer Leistungsgesellschaft. Fragt mal eure Kinder – die wissen etwas davon. Eine PISA-Studie jagt die nächste. G8, vielleicht fällt auch noch ein G7 ein. Aber im Moment geht glücklicherweise der Trend eher wieder Richtung G9.
Viele von euch in der Berufswelt erleben, dass an Personal gespart wird. Maschinen sind kein Problem, die kann man von der Steuer absetzen. Aber am Personal wird gespart. Immer weniger Leute müssen immer mehr Arbeit machen, und das merken viele. Wir leben in einer Leistungsgesellschaft.
Manche von uns mussten sich sogar die Liebe und Annahme der eigenen Eltern verdienen. So etwas sollte es überhaupt nicht geben, schon gar nicht unter Christen. Aber was meint ihr, wenn jetzt diejenigen aufstehen würden, die sich die Liebe und Annahme ihrer Eltern verdienen mussten? Wenn sie alles gut gemacht haben und richtig, dann konnten sie auch davon ausgehen, dass ihre Eltern ihnen ihr Wohlwollen und ihre Gunst vermittelt haben. Aber wehe, die Leistung war schlecht, da waren Dinge, die nicht gepasst haben.
Dann stand ein großes Fragezeichen darüber: Lieben mich meine Eltern überhaupt? Haben sie mich bedingungslos angenommen, so wie ich bin? Viele Eltern wollen ihre Kinder gerne „netto“ haben, so wie sie sie in ihrer Ideal- und Wunschvorstellung sich eben wünschen würden.
Der Verdienstgedanke ist darüber hinaus uns allen angeboren. Er gehört zu unserer gefallenen Natur. Wir alle lassen uns nicht gerne etwas schenken. Wir haben sofort den Gedanken an eine Gegenleistung. Das ist der Verdienstgedanke, der in uns steckt und aus einem Knopfloch blitzt.
Eine besondere Form des Leistungsdenkens ist der sogenannte Perfektionismus. Was ist das? Das Streben nach Vollkommenheit. Einige unter uns werden sich hier sehr genau wiedererkennen. Sie könnten schreien: „Wie recht ich habe!“ mit den Aussagen, die jetzt kommen und die ich auch einem Buch entnommen habe.
Es ist eine Tyrannei des „Ich sollte eigentlich mehr leisten: mehr beten, mehr Bibel lesen, mehr helfen, mehr Zeugnis geben, mehr, mehr, mehr.“ Das kann eine Tyrannei werden: Immer fehlt es, immer ist es zu wenig, immer gibt es ein Defizit, immer ist es bruchstückhaft. Man steht geistlich auf Zehenspitzen, streckt sich nach Vollkommenheit aus, wird sie aber nie erreichen – im Sinne davon, dass man alles richtig und perfekt macht. Das gibt es auf dieser Erde gar nicht.
Man hat ein allgemeines Gefühl der göttlichen Missbilligung: Gott kann mit mir nicht zufrieden sein. Heute Morgen habe ich schon wieder nicht alle Seiten in meinem Gebetsheft geschafft, und außerdem war der Bibelabschnitt, den ich gelesen habe, auch so kurz. Und am Mittwoch war ich nicht in der Bibelstunde. Gott kann mit mir nicht zufrieden sein.
Aus solchen Gläubigen können fromme Neurotiker werden, sagt David Siemens in einem seiner Bücher. Ich bin nicht mit allem einverstanden, was dieser Mann gesagt und geschrieben hat, aber ich hoffe, dass man in euren Reihen auch mal etwas zitieren kann von jemandem, der nicht alles hundertprozentig richtig gesagt hat. Sonst dürfte er mir auch nicht weiter zuhören, wenn das nicht so wäre.
Die Geschichte vom verlorenen Sohn als Beispiel für Gnade
Wie kann mich meine Identität in Christus vor Leistungsdenken schützen?
Ich möchte dies an einem der bekanntesten Texte der Bibel zeigen: der Geschichte vom verlorenen Sohn – oder besser gesagt, von den verlorenen Söhnen. Beide waren verloren. Noch treffender ist die Bezeichnung „Geschichte vom liebenden Vater“. Ihr kennt die Geschichte alle, daher brauche ich sie nicht lang vorlesen.
Der jüngere Sohn hatte sein Erbe verprasst. Seine Taschen waren leer, die Freunde weg. Nun kommt er zur Besinnung. Er sitzt bei den grunzenden Schweinen und sagt: „Ich will mich aufmachen, zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. Ich bin nicht mehr wert, dein Sohn zu heißen. Mache mich zu einem deiner Tagelöhner.“
Das nimmt er sich wirklich vor. Ihm fällt ein: „Mensch, die Tagelöhner meines Vaters, denen geht es ja viel, viel besser als mir.“ Und er hat nur einen Gedanken: Tagelöhner sein beim Vater – das wäre schon ein kleines Paradies, verglichen mit dem, was er jetzt hat. Er macht sich wirklich auf. Es war nicht nur ein guter Vorsatz, sondern er geht zu seinem Vater.
Als er noch fern war, sah ihn sein Vater, hatte Erbarmen, lief ihm entgegen, fiel ihm um den Hals und küsste ihn. Hier sind mehrere wichtige Aussagen: Dass der Vater ihn gesehen hat, als er noch fern war, zeigt, dass der Vater Ausschau gehalten hat. Sonst hätte er ihn nicht schon am Horizont gesehen. Dann läuft der Vater ihm entgegen. Wilhelm Busch sagt, es stehe nur einmal in der Bibel, dass Gott läuft. Hier läuft Gott dem Sünder entgegen, der umkehrt – nicht den Superfrommen, den Religiösen, den Pharisäern, sondern dem Sünder, der umkehrt. So begegnet der Gott der Bibel.
Jesus beschreibt hier den Vater – das ist Gott. Der Vater fällt ihm um den Hals und küsst ihn. Nun hat sich der Sohn etwas vorgenommen. Er will etwas sagen und fängt auch an: „Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. Ich bin nicht mehr wert, deinen Sohn zu heißen.“
Doch welchen Satz lässt er weg? „Mache mich zu einem deiner Tagelöhner.“ Diesen Satz lässt er weg.
Jetzt kommen einige ganz schlaue Leute und sagen: „Ja, es gibt doch zwei verschiedene Handschriftensammlungen, den Textus Receptus und den Nestle-Aland-Text, und in einer dieser Handschriftensammlungen steht der Satz nicht.“ Hört bitte auf damit! Er konnte diesen Satz nicht mehr sagen. Er blieb ihm im Hals stecken. Er war überwältigt von der Liebe und Annahme seines Vaters. Es wäre völlig deplatziert gewesen.
Es wäre gewesen, als würde er dem Vater ins Gesicht schlagen, wenn er jetzt sagt: „Mache mich zu einem deiner Tagelöhner.“ Der Vater küsst ihn, umarmt ihn, gibt ihm den Ring an den Finger, die Schuhe an die Füße und schlachtet das gemästete Kalb. Es war völlig klar, dass er angenommen ist und jetzt nicht kommen muss mit „Mache mich zu einem deiner Tagelöhner“. Unmöglich!
Wilhelm Busch hat über diesen Satz, der nicht gesagt wurde, eine ganze Predigt gehalten. Das konnte nur Wilhelm Busch – und sie war gut, diese Predigt.
Diese Szene ist so oft dargestellt worden, gemalt oder als schlichter Linolschnitt. Dort habe ich mir notiert: „Gott will keine christlichen Tagelöhner.“ Ich soll keiner sein, und du auch nicht. Wir müssen uns nicht immer wieder die Gunst und das Wohlgefallen unseres himmlischen Vaters verdienen – durch Performance, indem wir das christliche Programm voll und lückenlos bringen.
Nein, wir sind angenommen. Denkt bitte an Uschi: Angenommen heißt angenommen. Wir sind angenommen und geliebt, und das ändert nichts am Wohlgefallen unseres Vaters.
Wenn wir einmal morgens verschlafen haben und die Bibel nicht lesen konnten – du sollst deine Bibel lesen, lies sie! Ich lese sie seit fast 36 Jahren ohne Ausnahme jeden Tag. Ich will das auch gerne weitermachen, gerne mache ich das. Aber das hat nichts damit zu tun, ob mir Gott gnädig oder wohlgefällig ist oder nicht.
Was kann uns hier helfen? Antwort: Unsere Identität in Christus.
Das Heilmittel heißt wiederum Gnade – auch gegen dieses Leistungsdenken und gegen den Perfektionismus. Das Heilmittel heißt Gnade, denn das Bewusstsein, dass ich schon längst bei Gott angenommen bin, dass ich in Christus bin, wird mich vom Verdienstgedanken wegbringen und auf den Boden der Gnade zurückbringen.
Da geht es mir gut. Ich bin angenommen, ich bin geliebt, und Gott wird mich nie mehr loslassen. Das sind Tatsachen, und darauf kann ich mich immer wieder zurückziehen.
Mich holt der Verdienstgedanke auch manchmal ein, mich können auch so komische Dinge einholen – genauso wie dich. Aber wenn das geschieht, dann sehen wir hier das Heilmittel: Dann wollen wir uns sagen: „Ach, wie töricht, was habe ich da eben gedacht? Verzeih mir, Herr, dass ich so komische Gedanken habe. Ich weiß doch, dass du mir gnädig bist, dass ich geliebt bin, und ich danke dir erneut dafür.“
Das ist das Heilmittel. Meine Identität in Christus schützt mich vor Leistungsdenken.
Schutz bei Versagen
Und sie schützt mich auch bei Versagen. Christen können versagen. Vielleicht haben wir heute schon versagt, und wenn nicht, dann werden wir es noch – morgen oder nächste Woche.
Christen sind durch den Glauben an den Herrn Jesus Christus vor Gott gerecht geworden. Wir denken an den Grenadier, der zum Hauptmann ernannt worden war. Wir sind gerecht gesprochen worden, aber wir sündigen noch. Wir sind Heilige, aber Heilige, die noch sündigen können.
Das ist seit Jahrhunderten eine große Diskussion: Werden Christen in der Bibel überhaupt noch Sünder genannt? Werden wiedergeborene Christen in der Bibel noch Sünder genannt? Es gibt zwei Stellen im Jakobusbrief. Dabei ist man sich aber nicht sicher, ob Jakobus nicht an eine Mischgruppe schreibt, in der auch Nichtchristen dabei waren. Das ist also kein ganz schwerwiegendes Argument. Außerdem gibt es eine Stelle bei Paulus, die ich gleich noch auf der Folie präsentieren werde.
Aber ich glaube, ansonsten liegt der Schwerpunkt eindeutig darauf, dass wir Heilige sind – im Sinn von für Gott ausgesondert, weil wir dem Heiligen gehören. Wir sind Heilige, und es wird nicht betont, dass wir Sünder sind, die noch versagen können. Das verschweigt die Bibel nicht, das ist biblischer Realismus. Aber der Akzent liegt darauf: Wir sind Heilige, die auch noch sündigen können.
Christen haben nach meiner Erkenntnis zwei Naturen. Die alte und die neue Natur sind gleichzeitig vorhanden, denn wir haben ja noch unseren alten Leib, der ist noch nicht erneuert. Wir haben einen erneuerten inneren Menschen – unsere Geistseele – die ist erneuert, aber der Leib noch nicht.
Wir haben einen neuen Motor in einer alten Karosserie, liebe Geschwister. Und die Karosserie – da flackern noch manchmal die Zündkerzen, und die Stoßdämpfer müssen manchmal erneuert werden. Eben war noch ein Bruder hier und sagte mir, er hat neue Hüftgelenke bekommen. Ja, der Paul Taxis ist nicht mehr da. Also das kann alles passieren.
Wir haben einen neuen Motor in einer alten Karosserie, aber der Leib ist noch nicht erneuert. Wir warten auf unsere Leibeserlösung. Und weil die Sünde im Fleisch wohnt – hier sind über achtzig Kilo Fleisch – da ist doch auch noch Sünde drin, oder?
Wir haben zwei Naturen. Das bedeutet, hier auf der Erde werden wir keine Sündlosigkeit erreichen, auch wenn es immer wieder Christen gegeben hat, die es ganz ernst meinten. Wirklich ganz ernst meinten, dass sie, wenn sie es in der Heiligung ganz genau nehmen, Sündlosigkeit erreichen könnten.
Das gab es in der Kirchengeschichte immer wieder mal. In unseren Tagen gibt es eine Gruppe, die nennt man die Norweger, die liebäugeln ein bisschen mit dieser Sichtweise. Dann habe ich einen speziellen Freund nicht weit weg von hier in der Schweiz, der heißt Ivo Sasek. Er lehrt das auch ganz unverblümt, dass Christen Sündlosigkeit erreichen können.
Es gab Anfang des letzten Jahrhunderts die Bewegung vom sogenannten reinen Herzen. Jonathan Paul, wer den Namen schon mal gehört hat, liebäugelte auch damit. Er war das Jahr bei so einer Konferenz, vor lauter Männern, vor lauter Brüdern, und sagte: „Brüder, ich habe schon vier Wochen meinen alten Adam nicht mehr gesehen.“ Und dann stand hinten einer auf und sagte: „Du hast ihn nicht mehr gesehen, aber wir haben ihn schon noch gesehen.“ Da war er ganz schön blamiert.
Aber trotzdem hätte ich ihm geantwortet: Frag mal deine Frau, ob sie ihn noch gesehen hat. Ich glaube, die hat ihn auch noch gesehen.
Also Sündlosigkeit, liebe Geschwister, immer wieder – es ist noch nicht lange her, da hatte ich mit Leuten zu tun, die meinten wirklich, sie hätten mit mir diskutiert, dass, wenn wir Christen es richtig ernst meinen würden, wir ohne Sünde leben könnten. Wisst ihr, ich höre mir das eine Weile an und dann sage ich: Bruder oder Schwester, hast du denn dein eigenes Herz noch nicht wirklich erkannt?
Wenn es je auf dieser Erde einmal Christen gab, die es mit der Heiligung ganz genau genommen haben, dann waren es die Puritaner in England, Irland, Schottland, Wales – die Puritaner, Puritas, die Reinheit. Die nahmen es ganz genau mit ihrer Heiligung.
Und jetzt kommt ein Hammerzitat von einem Puritaner: Beveridge sagt: „Ich kann nicht mal beten, ohne zu sündigen. Ich muss oft über meine Buße Buße tun. Warum? Weil sie viel zu oberflächlich ist. Und selbst meine Tränen müssen noch mit dem Blut des Erlösers gewaschen werden.“
Von wegen Sündlosigkeit – von wegen! Der Mann hat wirklich sein Herz erkannt.
Ihr Lieben, Fluchen kann man relativ schnell ablegen, und rauchen manchmal auch, und saufen und huren. Aber diese tiefen Verästelungen unserer verderbten Natur – bis man das erst mal gemerkt hat, was der Stolz mit uns angerichtet hat, die Rechthaberei, die Empfindlichkeit und all diese Dinge.
Wir sehen auf dieser Folie anhand von sechs Bibelstellen – das ist nicht von mir, das habe ich irgendwo mal gehört oder gelesen. Ich habe mir nicht gleich die Quelle aufgeschrieben, darum kann ich sie euch nicht nennen. Vielleicht wisst ihr sie dann, sagt sie mir bitte. Spielt aber keine Rolle, das sind sechs Bibelstellen.
Schaut mal hier: Da sehen wir Wachstum bei Paulus – gesundes Wachstum, ausgewogenes Wachstum. In 1. Korinther 15,9 – die Stelle haben wir heute Morgen schon gelesen – nennt er sich den geringsten der Apostel. In Wirklichkeit war er der größte der Apostel, aber in seinen Augen war er der geringste.
Dann, etwa fünf, sechs Jahre später, geschrieben an die Epheser, nennt er sich den geringsten aller Heiligen auf der ganzen Erde. Und noch einmal sechs Jahre später, in 1. Timotheus 1,15, nennt er sich den größten aller Sünder, den vornehmsten.
Das ist die Stelle, wo Paulus sich Sünder nennt. Aber ich glaube, dass das hier eine besondere Bewandtnis hat. Er sagt nicht, unter welchem er der vornehmste war, sondern tatsächlich, dass er der größte ist, der vornehmste. Aber er will damit eben sagen, er ist dieses Vorbild für alle: Wenn Gott ihn errettet hat, dann kann er auch alle anderen erretten.
Ihr seht, wie Paulus gewachsen ist – nach unten. Christen wachsen wie ein Kuhschwanz, der wächst nach unten.
Aber nicht nur das, bitte. Das gibt eine ganz schiefe Angelegenheit, wenn man immer nur in sich hineinschaut und sich immer nur den geistlichen Puls fühlt: „Oh, wie schlecht bin ich, und jetzt habe ich da schon wieder dumme Gedanken gehabt!“
Gleichzeitig sehen wir, wie Paulus gewachsen ist in der Heils- und Christuserkenntnis. Das sehen wir an diesen Stellen. Er beschreibt seine Bekehrung in Apostelgeschichte 9, Vers 3. Dort spricht er von einem Licht aus dem Himmel. Im Orient, am helllichten Tag, erschien da ein Licht. Wie hell muss das gewesen sein?
Und dann später spricht er wieder von seiner Bekehrung vor den Juden. Er spricht von der Herrlichkeit dieses Lichts – einer Steigerung. Und vor Agrippa spricht er von einem Licht, das den Glanz der Sonne übertraf.
Das Licht ist der Herr Jesus, von dem er spricht, der ihm erschienen ist. Und ihr seht: Je länger Paulus mit dem Herrn lebte, umso heller schien ihm dieses Licht vor dem Hintergrund, dass er sich selbst immer mehr als ganz verderbten Sünder erkannt hatte.
Und so, wenn das gleichzeitig wächst, ausgewogen, wie wir es hier sehen, dann gibt das gesundes Wachstum.
Ihr Lieben, hier sehen wir auf einen Blick das Werk des Heiligen Geistes in unserem Leben. Der Heilige Geist hat nichts anderes vor, als uns in uns selbst immer ärmer zu machen, uns immer mehr zu zeigen, wie erlösungsbedürftige Sünder wir sind. Gleichzeitig zeigt er uns das Werk, das Christus für uns getan hat, immer größer. Es scheint uns immer heller. Und das gibt gesundes Wachstum.
Aber wir werden uns bis an unser Lebensende schämen. Die Scham bleibt. Wenn die Scham nicht mehr da ist über die Sünden, die wir früher begangen haben, wird der Glaube ungesund. Die Scham bleibt.
Paulus sagt in Römer 6 von Sünden, über die wir uns jetzt schämen – Gegenwart in Römer 6.
Also hier sehen wir Wachstum bei Paulus.
Umgang mit Versagen durch die Identität in Christus
Wie schützt mich nun meine Identität in Christus bei Versagen? Wie sieht das aus?
Stellen wir uns ein Flugzeug vor, das in Stuttgart startet und nachts nach Chicago fliegt – oder meinetwegen von München nach Chicago. Woher es kommt, ist dabei nicht wichtig.
Bei einem Nachtflug gehen irgendwann die Leselichter aus, es wird immer dunkler im Flugzeug. Du stehst auf und willst zur Toilette. Da hat jemand sein Handgepäck ungünstig abgestellt. Du stolperst in etwa zehntausend Meter Höhe darüber. Du fällst. Wie tief fällst du?
Du bist im Flugzeug. Dein Fall beträgt ungefähr einen Meter zwanzig, je nach Körpergröße. Du kannst dir den Ellbogen aufschürfen oder dir etwas verstauchen. Aber du fällst nicht ins Bodenlose, du bist doch im Flugzeug!
Liebe Brüder und Schwestern, dieses Bild hat mir wirklich geholfen, und ich hoffe, es hilft euch auch. Wir sind im Flugzeug, wir fallen nicht ins Bodenlose.
Jetzt sagen einige vielleicht: „Aber da sind doch die Luken, da kann man doch rausspringen.“ Irrtum! Fragt einmal Flugzeugingenieure, die werden euch bestätigen: Es ist nicht möglich, die Tür in der Luft zu öffnen. Was meint ihr, wie viele Menschen da schon hätten raushüpfen wollen? Nein, das geht nicht.
Und bitte kommt jetzt nicht mit Highjacking und so weiter. Wenn da jemand das Flugzeug im Cockpit übernimmt – bitte, lassen wir das. Christus ist das Flugzeug, und du bist in ihm. In ihm, sagt die Bibel, haben wir die Erlösung durch sein Blut, die Vergebung der Übertretungen nach dem Reichtum seiner Gnade.
Liebe Brüder und Schwestern, als Christus am Kreuz starb, wie viele unserer Sünden lagen damals noch in der Zukunft? Alle! Sowohl die vor unserer Bekehrung als auch die nach unserer Bekehrung.
Und sollte noch die schlimmste Sünde in unserem Leben geschehen – erst nach unserer Bekehrung –, so haben wir in ihm die Erlösung durch sein Blut nach dem Reichtum seiner Gnade.
Oder wie Paulus an die Römer schreibt: So gibt es jetzt keine Verdammnis mehr für die, die in Christus Jesus sind (Römer 8,1).
Das ist wichtig für unsere Heilsgewissheit. Viele von uns glauben an Heilssicherheit. Ich kann diejenigen, die meinen, es gäbe eine letzte Möglichkeit, sich doch irgendwie aus der Hand Jesu herauszuwinden, nicht davon abbringen, wenn sie das bis an ihr Lebensende so glauben wollen. Hauptsache, ihr habt wenigstens Heilsgewissheit.
Aber viele hier wissen: Ich bin in Christus, und ich kann nicht mehr in Adam zurück. Das geht nicht. Ich bin entweder in Adam oder in Christus, aber ich kann nicht hin- und herspringen oder schwanken. Das geht nicht. Etwas sehr Ernstes.
Vor kurzem hatten unsere Ältesten ein Gespräch mit Ältesten einer sehr konservativen, strengen Gemeinde in unserer Umgebung. Ihr könnt euch schon denken, in welcher Richtung diese etwa stand. Unsere Brüder haben mit ihnen auch über diese Frage gesprochen und sie ein bisschen in die Enge getrieben.
Sie fragten: „Brüder, was ist, wenn ihr auf dem Sterbebett liegt – ihr seid Älteste einer großen Gemeinde – und habt noch einen schlechten Gedanken, und im nächsten Augenblick seid ihr tot? Dann sind wir verloren?“
Sie antworteten: „Ja.“
Was ist das für ein Gott, der Menschen errettet und jahrzehntelang durch das Leben trägt, und dann bist du kurz vor dem Gipfelkreuz und trittst einmal daneben und stürzt ab ins Bodenlose? Was ist das für ein Gott? Das ist nicht der Gott der Bibel.
Liebe Brüder und Schwestern, macht euch das bitte bewusst.
Ich verstehe alle gut, die noch letzte Vorbehalte gegen die Lehre von Heilssicherheit haben. Ich bin genauso aufgewachsen. Früher war ich davon überzeugt, dass jeder Christ auch wieder verloren gehen kann. Ich war davon überzeugt.
Aber man kann eine Überzeugung mit biblischen Argumenten verändern. Und man kann sich selbst verändern, indem man die Bibel unvoreingenommen studiert. So kann man auch manche Traditionen, die man übernommen hat, ändern.
Noch einmal: Bitte bleibt entspannt. Jeder sei seiner Meinung an diesem Punkt gewiss. Es ist keine Frage der Bruderschaft.
Gegenüberstellung von Identität und Selbstbild
Wir haben hier eine Gegenüberstellung, und ihr seht, ich habe das nicht schwarz-weiß, sondern schwarz-rot dargestellt.
Der Teufel kommt und sagt: Du bist ein Sünder, weil du noch manchmal sündigst. Du bist ein Sünder und wirst immer einer bleiben. Es bessert sich gar nicht mit dir.
Gottes Wahrheit ist: Du bist ein Heiliger, von Gott für gerecht erklärt, der manchmal leider auch noch sündigt. Ja, ja, da wollen wir ganz aufrichtig sein – manchmal sündigen wir noch.
Der Teufel sagt, deine Identität wird bestimmt von dem, was du getan hast. Nein, die Bibel sagt: Deine Identität wird bestimmt von dem, was Gott für dich getan hat. Du bist in Christus, auch wenn du noch manchmal versagst.
Deine Identität wird bestimmt von dem, was die Leute über dich reden? Das stimmt schon mal gar nicht. Deine Identität wird bestimmt von dem, was Gott über dich sagt – in seinem Wort.
Dein Verhalten bestimmt, was du über dich glaubst. Ja, manchmal ist das leider so. Da haben wir uns schlecht verhalten, wir haben gesündigt, um es klar zu sagen. Und dann glauben wir: Ach, wir schaffen es nicht, wir fallen immer wieder in dasselbe.
Aber die Bibel sagt: Was du über dich selbst glaubst, bestimmt dein Verhalten. Darum ist es keine Wortglauberei und keine Haarspalterei, wenn wir feststellen, dass die Bibel uns Heilige, Erwählte, Geliebte, Erlöste nennt – und nicht Sünder.
Ich habe drei Bibelstellen genannt, aber die fallen nicht ins Gewicht gegenüber den ungezählten Aussagen, in denen das betont wird. Das ist unsere Identität, und es ist wichtig, dass wir das so glauben und in diesen Gedanken leben – und nicht anders.
Ich weiß schon, was einige von euch denken. Ich sehe förmlich in eure Köpfe: Verführt diese Sicht nicht zu einem fröhlichen Weitersündigen? Wenn man da im Flugzeug ist und nichts mehr passieren kann, dann braucht man es ja nicht mehr so genau zu nehmen mit der Heiligung?
Das Bild von den zwei Zimmern als Metapher für Selbstwahrnehmung
Ihr habt vorhin unsere Kinder gesehen. Die sind ja schon einige Jahre ausgeflogen und leben in Studenten-WGs. Ihre Kinderzimmer sind bei uns im Obergeschoss leer.
Nehmen wir an, du bist bei uns zu Besuch. Eines dieser beiden Zimmer haben wir zum Gästezimmer erklärt. Das halten wir pico bello sauber. Dort wird alle naselang Staub gesaugt. Du könntest heute kommen und dort gleich übernachten, denn unser Gästezimmer ist sozusagen bezugsfertig.
Das andere Zimmer haben wir als Ablagezimmer eingerichtet – eine unaufgeräumte Rumpelkammer. Dort kommt alles rein, was sonst keinen Platz hat.
Jetzt gehst du oben durch unseren Flur und hast gerade einen Kaugummi im Mund gesteckt. Du weißt nicht, wohin mit deinem Kaugummipapier. In welchen Raum wirfst du das? Natürlich in diese unaufgeräumte Rumpelkammer, oder? Danke schön, dass du mir da dein Papier reinschmeißt! Aber gut, du schmeißt es natürlich in diese Rumpelkammer. Logisch, du wirst es nicht in das aufgeräumte Zimmer werfen. Das macht man nicht.
Jetzt ist die Frage: Welches Zimmer bist du? Wie denkst du über dich? Bist du eine pico bello saubere Gästewohnung oder bist du eine vermüllte Rumpelkammer? Wie denkst du denn über dich?
Das hat ganz fatale Folgen. Nämlich bestimmt diese Antwort auf die Frage, was du mit dem Müll machst, der dir begegnet – am Zeitschriftenkiosk, wenn du mit dem Fernsehen zappst, wenn du im Internet unterwegs bist oder wenn du dies oder das machst. Was machst du mit dem Müll?
Die Wahrheit über unsere Stellung in Christus ist wichtig für unsere Heiligung. Wenn wir nämlich in unseren Augen schmutzige Sünder sind, warum sollten wir dann nicht noch mehr Sünde auf den großen Haufen werfen? Das kommt doch gar nicht darauf an. Dann kann ich auch das noch reinziehen und jenes.
Wenn aber unser Sündenregister gelöscht wurde und wir gerechtgesprochene Heilige sind, dann passt die Sünde einfach nicht mehr. Wir wollen sie nicht mehr. Es wird uns in Schwachheit trotzdem passieren.
Jetzt sitzen wir alle hier und sagen: Genau, wir wollen nicht mehr sündigen. Aber heute Abend kann es schon wieder eine Versuchungssituation sein, in der wir geistlich gesprochen auf dem linken Fuß stehen. Dann kann es uns schon wieder passieren – oder morgen, oder nächste Woche.
Trotzdem hat es ganz entscheidend damit zu tun. Mir hat dieses Bild von den zwei Zimmern echt geholfen. Es hat mir geholfen für mein Leben, für den Umgang mit dem Müll, der uns begegnet. Ich hoffe, dir hilft es auch.
Ich möchte aber mit aller Deutlichkeit sagen: Ein ganz wichtiger Beweis für die Errettung ist, wenn jemand aufgehört hat, in Sünde zu leben, sich nicht mehr in der Sünde wohlzufühlen, nicht mehr in sündigen Beziehungen zu leben, die Steuererklärung zu fälschen und dabei nicht erwischt zu werden, vor der Ehe zusammenzuleben oder auch als Verheirateter mit jemandem, der nicht der Ehepartner ist.
Wenn man solche Dinge tut, ist das gefährlich. Da mache ich ein Fragezeichen. Aber es ist ein Beweis – nicht dass jemand nicht mehr in Sünde fällt, sondern dass er aufgehört hat, in Sünde zu leben und sich nicht mehr wohlfühlt in der Sünde.
Schutz bei Verlust
Drittens: Meine Identität in Christus schützt mich auch bei Verlust. Wir haben gesehen, dass sie mich vor Leistungsdenken schützt und vor allem vor Perfektionismus. Sie schützt mich auch bei Versagen. Ich bin in Christus, ich bin im Flugzeug – und das ist eine ganz köstliche Wahl.
Meine Identität schützt mich auch bei Verlust. Unsere christliche Existenz kennt auch Schwierigkeiten, Leiden und Verlust. Manche Jünger Jesu verlieren Geld – ich meine jetzt nicht an der Börse, sondern auf andere Weise. Andere verlieren ihre Gesundheit, wieder andere geliebte Angehörige, und manche sogar Freiheit oder Leben.
Zu meinen morgendlichen Gebetsanliegen gehören, wenn es irgendwie geht, die verfolgten Christen. Viele von uns empfinden sie als weit weg. Die Bibel sagt: „Gedenke der Gebundenen.“ Ich habe hier „geliebte Angehörige“ geschrieben. Es ist einige Jahre her, da habe ich in der Schweiz eine Schwester besucht. Ich hatte bei ihr und ihrem Mann mehrmals gewohnt, wenn ich an dem Ort dort Dienste hatte. Nun war ihr Mann gestorben, und ich traf sie zum ersten Mal als Witwe. Es war alles noch sehr frisch. Sie sagte wortwörtlich zu mir: „Wilfried, ich habe ganz für meinen Mann und für unsere Kinder gelebt.“ Frauen machen oft ihr Leben für den Mann und für die Kinder. „Mein Mann wurde mir genommen, meine Kinder sind aus dem Haus gegangen – für was soll ich denn jetzt noch leben?“ Merken wir das Identitätsproblem? Für was soll ich jetzt noch leben?
Das war alles sehr frisch. Wir wollen diese Schwester nicht verurteilen. Ich glaube, dass sie inzwischen wieder Aufgaben gefunden hat, dass sie weiß, auch ihr Leben hat noch Sinn und Erfüllung, und sie hat noch wichtige Aufgaben. Aber mir ist an diesem schlichten Bibeltext etwas aufgegangen. Manchmal sind die einfachsten Texte der Bibel die tiefgehendsten.
Das kennen alle von uns: die Frage nach dem größten Gebot. Da kommt dieser junge Gesetzesgelehrte und fragt: „Meister, welches ist das größte Gebot im Gesetz?“ Er dachte nicht nur an die zehn Gebote, sondern an die 613 Gebote, die ein Jude nach alttestamentlicher Zählung halten musste. Jesus antwortet ihm: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben, mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Verstand.“
Nebenbei bemerkt: Wir glauben an einen Gott, den man lieben kann. Der Gott der Bibel hat uns zuerst geliebt, und wir können ihn wieder lieben. Es gibt Religionen auf dieser Erde, bei denen man den Gott nicht lieben kann, an den die Menschen dort glauben. Aber wir können unseren Gott lieben.
Das ist das erste und größte Gebot, und das zweite ist ihm gleich: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Da ist mir etwas aufgegangen. Hier ist doch eine Reihenfolge beschrieben. Das bedeutet: Nur wer das erste Gebot befolgt, nämlich Gott über alles zu lieben, der kann auch das zweite einhalten, nämlich den Nächsten zu lieben wie sich selbst.
Denn manchmal behaupten Leute, sie würden einen Menschen lieben. In Wirklichkeit lieben sie nur sich selbst. Sie glätten den anderen, binden ihn an sich und können ohne ihn nicht leben. Sie suchen am Ende sich selbst. Sie sagen, sie lieben den anderen, aber diese Art von Liebe muss man hinterfragen.
Ich glaube, Gott selbst muss zwischen und über allen Beziehungen stehen, sogar zwischen Eheleuten. Ich liebe meine Frau, aber Gott steht zwischen uns. Gott steht an erster Stelle. Ich liebe meine Kinder, aber Gott steht dazwischen. Ich liebe die Geschwister in meiner Gemeinde – viele von euch –, wie habe ich mich gefreut, euch heute wiederzusehen. Hier sind Menschen, mit denen ich seit dreißig Jahren verbunden bin. Und ich liebe die Geschwister. Aber zwischen allen zwischenmenschlichen Beziehungen muss Gott stehen und über all diesen Beziehungen.
Sonst wird das eine Klammerliebe, eine Klettenliebe, eine ungesunde Liebe. Das kann eine parasitäre Liebe werden. Das ist Parasitismus, wenn man den anderen nur aussaugt, wenn man ihn an sich bindet, weil man ihn braucht. Das ist nicht wirklich Liebe.
Ich möchte euch nicht verärgern und hoffentlich auch nicht schockieren. Viele von euch haben das noch nie gesehen. Vor 35 Jahren war dieses Buch der absolute Renner in der Christenheit: Walter Trobisch, „Liebe dich selbst“. Ihr müsst wissen: Wenn so ein Buch gedruckt wird, erleben die meisten keine zweite Auflage. Eine Auflage, und dann sind sie weg. Dreitausend, fünftausend, wenn es mal hochkommt zehntausend Exemplare.
Jetzt frage ich euch: Was meint ihr, wie viele von diesem Buch gedruckt wurden? Mehr als 180.000 Exemplare. Ich habe mich damals aufgeregt, ich habe Briefe geschrieben an bekannte Persönlichkeiten, die das befürwortet haben. Warum?
In diesem Buch lehrt Walter Trobisch, dem amerikanischen Psychologen Erich Fromm folgend – der hieß aber nur so, der war gar nicht fromm –, dass du zuerst dich selbst lieben musst. Und wenn du dich selbst lieben kannst, dann liebst du den Nächsten, und indem du den Nächsten liebst, liebst du Gott.
Er stellt es genau auf den Kopf, was Jesus gelehrt hat. Und das ging bei den Gläubigen so ein wie Honig. Sie haben das geschluckt, und es wurde auf großen Konferenzen verkündet. Keiner ist aufgestanden und hat widersprochen.
Bitte, ihr Lieben, bleibt ganz ruhig. Aber es kann sein, der eine oder andere von euch hat das auch so aufgenommen. Die Psychologie lehrt das überall. In jedem Psychologiebuch kannst du lesen: Du musst dich selbst lieben. Und dann geht man sogar auf die Bibel zurück und sagt: Jesus hat doch gesagt: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Und dann macht man daraus ein Gebot der Selbstliebe, wie Walter Trobisch dieses Buch genannt hat: „Liebe dich selbst.“
Ihr Lieben, das hat Jesus nicht gelehrt. Warum ist Jesu Aussage kein Befehl zur Selbstliebe? Darf ich euch das ganz kurz erklären? Ich bin gleich wieder fertig damit.
Es ist grammatikalisch unmöglich. Hier steht nämlich gar kein Befehl, sondern ein Vergleich. Der Imperativ heißt: Gott lieben, der Imperativ heißt: den Nächsten lieben, und dann kommt ein Vergleich: „Wie dich selbst.“
So wie wir uns mit natürlicher Selbstliebe lieben, indem wir uns jeden Tag zu essen und zu trinken geben, ungefähr eine Stunde vor dem Spiegel stehen, so sollen wir auch den Nächsten lieben. Er macht nur einen Vergleich.
Hier ist kein drittes Gebot, kein dritter Befehl, sich selbst zu lieben. Es ist nämlich auch theologisch unmöglich. Die Bibel nennt Selbstliebe Sünde. In 2. Timotheus 3,2 werden die ungläubigen Endzeitmenschen als „sich selbst liebend“ beschrieben.
Und wenn ich immer noch nicht überzeugt habe: Es ist auch numerisch unmöglich. Der Herr Jesus sagt: An diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten. Glaubt ihr wirklich, dass unser Herr nicht bis drei zählen konnte? Er spricht von zwei Geboten, nicht von drei.
Jetzt sagen einige: „Ja, aber ich muss doch ein Ja sagen.“ Natürlich musst du ein Ja sagen zum Willen Gottes, dass er dich so geschaffen hat, dass du so groß bist, dass du so eine Nase hast, diese Augenfarbe. Zu diesen äußeren Dingen musst du ein Ja zum Willen Gottes sagen.
Aber nicht ein Ja zu deiner ganzen gefallenen Natur. Das schwingt hier immer mit, sich selbst zu lieben. Nein, davon redet die Bibel nicht.
Ich weiß, dass es nicht so einfach ist, wie ich das jetzt in wenigen Strichen hier zeichnen kann. Ich weiß, dass es Menschen gibt, die sich sogar selbst ablehnen, in einer krankhaften Form sich selbst hassen. Davon spreche ich jetzt nicht. Da müssen natürlich Fachleute mit diesen Menschen arbeiten, das ist mir voll und ganz bewusst.
Trotzdem bleiben wir mal bei uns. Denkt einmal darüber nach, wenn ihr das bis jetzt auch so gesehen habt: Klar, Selbstliebe muss doch sein. Nein, die Bibel kennt nur ein positives Wort mit „selbst“, und das heißt Selbstverleugnung – und nicht Selbstannahme, Selbstverwirklichung oder Selbstliebe. Das ist alles humanistisch gefüllt von der Psychologie und ganz anders gefüllt.
Paulus – wir kommen zurück – kannte Verlust. Ich will ja gerade ausführen, dass unsere Identität in Christus auch bei Verlust schützt. Er musste seine alten Freunde hergeben, die Gunst bei seinen Volksgenossen. Er ist ja hoch zu Ross in Damaskus eingeritten und wurde dann auf sehr demütigende Weise in einem Korb die Mauer heruntergelassen. Man könnte fast sagen: Als Tiger gesprungen, als Bettvorleger gelandet. So ungefähr ging es ihm in Damaskus.
Und seine körperliche Unversehrtheit hat er auch verloren. Wir finden ihn in Philippi in den Block gespannt, mit ausgepeitschtem Rücken. Wir finden ihn mehrfach im Gefängnis. Er hat seine Freiheit verloren. Ihr seht, Paulus kannte Verlust, offensichtlich.
Ihr seht noch mal den Menschen in Memmingen. Es ist ein Christ, er hat eine Identität in Christus – es ist ein Plus vor der Klammer. Er hat einen Arbeitsplatz, er schafft bei Liebherr oder irgendwo. Er hat geliebte Menschen, er hat einen guten Ruf und er ist noch relativ gesund.
Also, wenn hier Leute sind, die meinen, dass sie noch kerngesund sind, dann waren sie nur bei einem Arzt, der sie nicht gründlich genug untersucht hat. Aber relativ gesund sind schon die meisten von uns, da freuen wir uns auch.
Aber, ihr Lieben, einen Arbeitsplatz kann man verlieren – schneller als einem lieb ist. Ich war vor kurzem in Espelkamp, Nordrhein-Westfalen. Wisst ihr, was da vor einigen Jahren passiert ist? Es gilt mir heute noch in den Ohren: Da war eine große Firma, sechshundert Arbeiter. Dann kam ein österreichischer Investor – tut mir leid, war in diesem Fall ein Österreicher, aber das machen Deutsche auch im Ausland – hat die ganze Firma gekauft, hat hoch und heilig versprochen, dass er niemanden entlassen wird.
Zwei Jahre später war alles platt, nur ein lästiger Konkurrent war aus dem Weg geräumt. Sechshundert Leute standen auf der Straße, viele russlanddeutsche Geschwister. Ja, und seht ihr: Einen Arbeitsplatz kann man verlieren, einen guten Ruf, eine Reputation kann man verlieren, schneller als man denkt.
An jenem 22. Dezember 2011 dachte ich morgens nichts Böses, als ich aus dem Bett aufstand. Und an diesem Tag war, ohne dass ich es wusste – ich habe es erst acht Monate später erfahren –, auf Seite fünf der Bild-Zeitung diese Schlagzeile: „Ja, so einen Referenten habt ihr eingeladen hier.“ Da steht für die, die es hinten nicht lesen können: „Prügelaufruf – Grüne zeigen Prediger an.“
Da brach der Shitstorm über mich herein, wie man das heute so liebevoll nennt. Auf Tausenden von Internetseiten war das, in Zeitungen, online, überall brach das herein.
Nun, ich will die Sache kurz machen. Ihr seht, ich habe es überlebt. Über der ganzen Sache stand: „Ihr dachtet, es böse zu machen, die Medien, Gott aber dachte es gut zu machen.“ Es ist am Ende alles gut geworden, und viel Segen ist daraus geworden. Aber zuerst war es nicht so leicht.
Weihnachten 2011 saß ich in Kärnten bei meinen Schwiegereltern und sagte: „Herr Jesus, wenn du willst, dass ich für diese Sache ins Gefängnis gehe, ich gehe nicht mit fliegenden Fahnen, aber wenn du das willst, dann will ich bereit sein.“ Das habe ich aber so leise gesagt. Ja, es ist mir erspart geblieben, vorerst.
Geliebte Menschen kann man verlieren – denkt an die Schwester in der Schweiz. Viele von euch haben auch schon geliebte Menschen verloren. Gesundheit kann man verlieren. Letztes Jahr war auch noch mal so ein Tag: Morgens aufgestanden, an nichts Schlimmes gedacht, einige Stunden später lag ich in einem Rettungswagen, der mit Blaulicht in die nächste Klinik gefahren ist. Wieder einige Zeit später lag ich auf einem Operationstisch. So schnell kann das gehen.
Und wenn so etwas in unser Leben kommt, wenn wir Verlust erleben – Arbeitsplatz, Ruf, geliebte Menschen, Gesundheit –, seht ihr, das alles können wir verlieren. Aber unsere Identität in Christus werden wir nicht verlieren.
Ich lag auf dem Operationstisch. Da hat mich jemand vorbereitet und hat mir so einen Stand geschoben. Dann sagt er zu mir, wirklich: „Na, haben Sie Angst?“ Ich sage: „Nee.“ Er sagt: „Lügen Sie nicht, hier haben alle Angst.“ Da habe ich einen Moment überlegt und gesagt: „Wissen Sie was, ich bin kein Held, aber ich darf Ihnen bezeugen: Ich bin ein Christ, ein überzeugter Christ, ich weiß mich ganz in Gottes Hand geborgen.“
Seht ihr, die Identität in Christus – immerhin haben sie einen Schirm in mein Herz reingeschoben und dort verankert. Den gebe ich nicht mehr her, der ist jetzt da drinnen. Das war keine Kleinigkeit, wenn ihr gesehen hättet, was ich da vorher alles unterschreiben musste. Aber ich habe erfahren, wie der Herr da durchgetragen hat.
Ich war über 50 Jahre nicht mehr als Patient im Krankenhaus gewesen, seit meiner Mandeloperation mit fünf Jahren. Und ich bin so froh über diese Erfahrung: Der Herr trägt! Auf einem Operationstisch, er trägt auch an einem offenen Grab.
Die Identität in Christus werden wir nicht verlieren, die geben wir nicht her, die brauchen wir nicht hergeben.
Als Paul Gerhard im Dreißigjährigen Krieg innerhalb von wenigen Wochen drei Kinder beerdigen musste und ihm nur noch ein Sohn blieb, wurde ihm das Lied geschenkt:
„Warum sollte ich mich denn grämen, habe ich doch Christum noch!
Wer wird mir den nehmen, wer wird mir den Himmel rauben,
den mir schon Gottes Sohn beigelegt im Glauben?“
Merkt ihr, seine Identität in Christus brauchte er nicht hergeben – und ich nicht, und du auch nicht. Das schützt bei Verlust.
Schutz in Schwachheit
Und ich habe noch einen letzten Gedanken: Wir sind in wenigen Minuten durch. Meine Identität in Christus trägt mich auch in Schwachheit.
Paulus, wenn ich noch einmal auf ihn zurückkommen darf, kannte auch Schwachheit. Seine bekanntesten Worte in dieser Hinsicht haben wir schon oft gelesen und gehört und darüber gepredigt: „Die Brüder, ich auch.“ Er schreibt an die Korinther, als er diesen Pfahl im Fleisch hatte, diesen Dorn, diesen Stachel. Und genau wie wir ihn wegbeten wollte.
So machen wir es doch, wenn irgendetwas Unangenehmes in unser Leben kommt. Was machen wir? Das wollen wir einfach wegbeten. „Herr, was machst du da? Das kann ich nicht gebrauchen, nimm das weg, ich will dir doch dienen.“ Man wollte ihn einfach wegbeten. Dreimal hat er gefleht, und der Herr hat zu ihm gesagt: „Paulus, lass dir an meiner Gnade genügen, denn meine Kraft wird in Schwachheit vollkommen.“
Und der Pfahl ist geblieben, und die Kraft Jesu Christi war trotzdem da in seinem Leben.
Wir sind so zerbrechlich wie so ein dürrer Ast, der gestern noch irgendwo da draußen am Strauch war. Die Lasten unseres Lebens üben Druck auf uns aus. Manche von uns kennen finanzielle Lasten, da reicht es einfach finanziell ganz schlecht. Manche kennen gesundheitliche Lasten, manche haben Verlust erlebt.
Und wenn ich jetzt noch ein bisschen breche: Der Ast ist zwar sehr hartnäckig, der muss sich jetzt übers Knie legen. Ja, es hat schon geknackt, ihr hört es. Jetzt ist er angeknackst. Er ist nicht durchgebrochen, aber er ist angeknackst.
So fühlen sich einige von euch, die durch schwere Krankheiten gegangen sind, die Verlust erlebt haben, die andere existenzielle Schwierigkeiten durchleben mussten. Sie fühlen so eine Sollbruchstelle, sie fühlen sich angeknackst – seelisch, nervlich, körperlich.
Wie kann uns unsere Identität in Christus schützen?
Ich habe hier ein Metallrohr. Jetzt darf mal der stärkste Mann hier im Raum nach vorne kommen. Ich will gar keinen Einzelnen auffordern, aber nehmen wir mal den Peter – ist gut. Ja, keiner will sich blamieren.
Der stärkste Mann im Raum kann diesen Ast jetzt nicht weiter zerbrechen. Aber der Ast ist immer noch schwach, er ist immer noch angeknackst.
Und ihr Lieben, ich finde diese kleine Illustration fantastisch. Ich habe sie selbst mal irgendwo gesehen, im tiefsten bayerischen Wald, bei einem Freiluftgottesdienst. Jetzt kann ich euch das zeigen: Das Metallrohr schützt den zerbrechlichen Ast. So schützt auch der Herr Jesus unsere zerbrechliche Seele.
Wir dürfen schwach sein. Sogar wir Männer dürfen schwach sein, liebe Brüder. Und sogar die vollzeitlich dienenden Brüder dürfen schwach sein. Die können sich ja oft gar keine Schwäche erlauben. Nein, dürfen wir schwach sein. Hauptsache, unser Herr ist stark.
Unser Herz kann wackeln, aber der Fels, auf dem wir stehen, wackelt nicht. Wir sind in Christus, und das schützt uns auch bei Schwachheit.
In dir sagt der Schwache: Ich bin stark. Genau so.
Ich hoffe, ihr nehmt das mit. Es gibt einige, denen ist es wichtig, was sie jetzt gehört und gesehen haben. Nehmt das mit für euer Leben: Wir dürfen schwach sein, aber unser Herr ist nicht schwach, er ist stark.
So kann eine Identität in Christus, wenn wir das so erleben, uns zu einer gesunden Persönlichkeit machen.
Merkmale eines Menschen, der auf dem Boden der Gnade lebt
Ich möchte nun zur Landung ansetzen, wie Jochen es heute Morgen schon gesagt hat. Ich kreise schon eine Weile über dem Flughafen.
Ein Christ mit einer gesunden Persönlichkeit lässt sich so beschreiben: Er weiß, dass er von Gott geliebt und angenommen ist. Denkt an die Uschi – angenommen heißt angenommen. Darum habe ich das vorhin erzählt: Ich bin von Gott geliebt und angenommen, und das wird sich nie mehr ändern. Er wird mich nicht mehr loslassen. Er wird mich auch nicht aus dem Flugzeug schubsen, das macht er nicht.
Ein Christ mit einer gesunden Persönlichkeit kann andere Menschen annehmen, so wie er selbst von Christus angenommen ist. Auch wenn jemand mal nach Knoblauch riecht oder diesen oder jenen Dialekt spricht – man nimmt ihn an, so wie Christus uns angenommen hat.
Drittens: Ein Christ mit einer gesunden Persönlichkeit kann die eigenen Stärken und Schwächen realistisch einschätzen. Denkt an heute Morgen, an das Vergleichen, den Neid und die Missgunst – das gehört nicht zu einer gesunden Persönlichkeit. Ich weiß, Gott hat mir Stärken gegeben, und ich weiß auch, dass ich Schwächen habe. Das kann man realistisch einschätzen, wenn man eine gesunde Persönlichkeit hat.
Es gibt Dinge, die kann ich nicht. Und das macht mir überhaupt nichts auszusagen: Das kann ich nicht. Da muss ich mich nicht winden oder so tun, als ob. Das kann ich nicht, und das werde ich wahrscheinlich nie lernen. Das ist doch nicht schlimm, denn ich habe dafür andere Gaben.
Zum Beispiel gibt es Leute, die sind sehr hier begabt – sie haben viel „Software“ mitbekommen. Das sind Kopfwerker, die mit dem Verstand arbeiten, einen scharfen Intellekt haben. Andere sind hier begabt – das sind gute Handwerker, die aus jedem Draht ein Kofferradio bauen können, wenn es sein muss. Und wer es weder im Kopf noch in den Händen hat, so wie ich, der wird einfach Mundwerker. Der redet viel, und so kommt er auch irgendwie durchs Leben.
Also, ihr seht: Man muss seine eigenen Stärken und Schwächen realistisch einschätzen können.
Viertens: Ein Christ mit einer gesunden Persönlichkeit bildet sich eigene Überzeugungen und vertritt diese dann auch. Und wenn er der Einzige ist, der so denkt, dann sagt er es. Er vertritt seine Meinung und steht dazu, anstatt mit der Masse zu schwimmen.
Jemand mit einer schwachen Persönlichkeit passt sich an wie ein Chamäleon. Nicht, dass wir jetzt alle Mavericks werden müssen, wie die Amerikaner das nennen. Samuel Maverick war der erste Texaner, der seine Rinder nicht mit einem Brandzeichen versehen ließ. Das wurde zum Synonym für Querdenker und für Leute, die immer gegen den Strom schwimmen.
Vielleicht bist du so ein Maverick, aber das musst du nicht sein. Du sollst einfach lernen, deine eigene Meinung zu vertreten, auch wenn es etwas kostet.
Darüber hinaus praktiziert ein Christ mit einer gesunden Persönlichkeit Selbstkontrolle und Selbstdisziplin. Karl Lagerfeld, der Modezar, hat einmal gesagt: „Wenn jemand in der Öffentlichkeit mit einer Jogginghose herumläuft, hat er die Kontrolle über sein Leben verloren.“
Also, ihr seht, Selbstkontrolle und Selbstdisziplin sind in gewisser Hinsicht wichtig.
Ich wusste doch, dass ich euch noch einmal richtig erheitern kann. Auf so einer Allgäuer Glaubenskonferenz darf man auch mal herzhaft lachen. Manche haben nämlich zu Hause nicht viel zu lachen.
Wir wollen im Bewusstsein unserer Identität in Christus leben und auf dem Boden der Gnade bleiben. Das wäre mein Wunsch. Was habe ich heute Morgen gesagt? Das ist mein großer Wunsch.
Dafür haben meine Frau und ich schon lange gebetet – für diesen Tag und viele von euch auch. Das wäre mein Wunsch, dass viele nach Hause gehen mit einem viel klareren Bild von ihrer Identität in Christus.
Ich möchte darin auch gerne weiter wachsen. Ich glaube nicht, dass ich das Ziel schon erreicht habe. Wir dürfen darin weiter wachsen – unsere Identität in Christus, was die Bibel darüber sagt, das wollen wir entdecken und dann auch leben.
Abschlussfrage: Woran erkennt man einen Menschen, der auf dem Boden der Gnade lebt?
Woran erkennt man einen Menschen, der auf dem Boden der Gnade lebt? Ich glaube, es gibt drei Merkmale.
Er ist wachsam gegenüber sich selbst. Er hat verstanden, was in seinem Herzen alles verborgen ist und welche Verderbtheit zum Vorschein kommen kann. Deshalb ist er aufmerksam und kritisch mit sich selbst.
Zweitens ist er barmherzig gegenüber anderen. Wer selbst von der Gnade lebt, verurteilt andere nicht so schnell. Er sagt nicht: „Ach, dieser geistliche Tiefflieger, der hat ja überhaupt nichts begriffen.“ Stattdessen zeigt er Mitgefühl und Verständnis.
Drittens wird er abhängiger vom Herrn. Wer in der Gnade lebt, braucht Christus nicht nur für sein Leben, sondern auch für alltägliche Dinge, selbst für Routineaufgaben. Er ist sich bewusst, dass er ihn ständig braucht.
In diesem Bereich möchte ich noch viel mehr wachsen, und ich hoffe, dass es auch bei dir so ist.