
Herzlich willkommen zum Podcast der EFH Stuttgart mit Jörg Lackmann und Thomas Powileit. Unser Podcast möchte zum praktischen Christsein herausfordern und zum theologischen Denken anregen.
Der normale Zeitgenosse hält von Kirche meist nichts. Für ihn ist Kirche ein Auslaufmodell. In der Bibel hat er vielleicht auch noch nie gelesen und kennt sie kaum.
Wie können wir als Gemeinde mit Mission leben und unsere Zeitgenossen erreichen? Wie schaffen wir es, dass sie verstehen, dass Jesus auch für sie wichtig ist und dass sie an ihm nicht vorbeikommen?
Thomas, wenn wir als Gemeinde in diesem Jahr das Jahresmotto „Komm und sieh“ haben, bedeutet das ja auch, dass wir Menschen zu Jesus einladen wollen. Daraus ergibt sich die logische Frage: Wie können wir eine Gemeinde werden, die mit Mission nach außen geht?
Das ist eine sehr wichtige Frage. Als Gemeinde haben wir eine Mission, die Jesus selbst uns im Stammbuch geschrieben hat. In Matthäus 28 lesen wir: „Geht hin und macht alle Nationen zu Jüngern.“ Das ist eigentlich ein Jüngerschaftsbefehl, der aber voraussetzt, dass diejenigen, die wir erreichen, zuerst in eine Beziehung mit Gott treten. So wie Paulus es in 2. Korinther 5 sagt: „Wir sind Gesandte für Christus, Gott ermahnt durch uns: Lasst euch versöhnen mit Gott.“
Das ist unsere Botschaft und unsere Mission: Menschen herauszufordern, sich mit Gott versöhnen zu lassen. Die Frage, die du stellst, ist natürlich richtig: Wie wollen wir das umsetzen?
Ich fand das Buch „Gemeinde mit Mission“ sehr hilfreich – der Titel entspricht ja auch unserem Podcast. Der Autor, Philippe Bartolome, ist Lehrer an der Freien Theologischen Akademie beziehungsweise Hochschule in Gießen. Bartolome betont darin vier Eigenschaften, die eine Mission beziehungsweise eine Gemeinde haben sollte, wenn sie Menschen in ihrem Umfeld nicht nur oberflächlich erreichen möchte.
Die Frage lautet also: Welche vier Eigenschaften sollten wir als Gemeinde haben? Diese vier Eigenschaften, die er nennt, sind:
Das klingt vielleicht komplizierter, als es ist. Aber das sind wichtige Punkte, über die wir nachdenken müssen, wenn wir eine Gemeinde sein wollen, die eine echte Mission hat.
Ja, dann gehen wir doch die vier Punkte mal durch. Das Erste war die missionarische Leidenschaft, also die Frage: Wie erzähle ich Menschen von Jesus?
Jetzt geht es um die Leidenschaft. Ich nehme an, dass er darauf Wert legt, dass man als Gemeinde wirklich einen Drang, eine Leidenschaft dafür hat. Die Frage ist natürlich: Wenn man diese Leidenschaft nicht hat – sonst wäre es ja kein Problem und man müsste nicht groß darüber reden – wie kann diese Leidenschaft wachsen? Was sagt er dazu?
Ich glaube tatsächlich, dass diese Leidenschaft in mir, wie du sagst, wachsen kann. Aber natürlich muss Gott sie in meinem Leben bewirken. Das gilt ja auch für alle anderen Bereiche meines Lebens. Das Feuer, das Gott mir schenkt, entflammt in mir, wenn ich mich mit Gott selbst beschäftige. Wenn ich mich neu davon packen lasse: „Mensch, Gott hat mich so sehr geliebt, dass er seinen Sohn für mich sterben ließ“, um Johannes 3,16 zu zitieren.
Ich wünsche mir, wenn ich die Bibel lese, wirklich in Staunen zu kommen, in Schwärmen über diesen Gott, der das Weltall geschaffen hat, der die Geschichte dieser Welt lenkt und bestimmt. Und ich darf zu diesem Gott, dem Vater, sagen: Wie unglaublich ist das! Leidenschaft für Gott fängt bei Gott selbst an.
Vielleicht haben wir – oder ich zumindest – so wenig Leidenschaft für Gottes Sache, weil ich zu sehr mit dieser Welt beschäftigt bin, mit meinen eigenen Dingen. Paulus sagt es einmal in 2. Korinther 5,14: „Die Liebe Christi drängt uns.“ Jemand hat ein Lied zu diesem Bibelvers geschrieben, das heißt: „Die Liebe Christi drängt uns zu allen Menschen hin, um ihnen zu sagen, wie geliebt ich bin.“
Ich denke, das ist das Feuer der Leidenschaft: Über Gottes Liebe zu staunen und dann logischerweise von dieser Liebe zu erzählen. Natürlich gibt es in einer Gemeinde immer Christen, die mehr Leidenschaft für Menschen ohne Christus haben, und Christen, die weniger Leidenschaft für Nichtchristen haben. Aber dann können doch die, die mehr Leidenschaft haben, diejenigen anstecken, die weniger Leidenschaft haben.
Wie kann das konkret aussehen, dieses Anstecken? Das war jetzt eher die innere Ebene. Wenn man in der Tiefe seiner Liebe erkennt, dass das natürlich auch Auswirkungen hat. Ich nehme mal an, dass Philipp Bartholomä, der ja aus dem Gemeindekontext kommt, bevor er Professor wurde, auch im Gemeindlichen überlegt, wie man das noch fördern kann.
Das ist auch die Stärke seines Buches: Einerseits versucht er, mit Umfragen und Ähnlichem zu arbeiten, andererseits zeigt er natürlich auch, wie es praktisch aussehen kann. Ein Weg kann sein, dass die Leute, die mehr Leidenschaft haben – wenn man es so nennt – mehr Rederaum in der Gemeinde bekommen. Zum Beispiel in Lebensberichten, in denen sie erzählen, wie sie Gottes Feuer weitergeben.
Oder er sagt, man kann sie auch bewusst in entsprechende Leitungsgremien hineinsetzen. Gerade weil sie betonen, dass die Gemeinde mit Mission sein will. Das ist ja nicht unsere Idee, sondern Gottes Idee, dass wir Gemeinde mit Mission sein sollen.
Dazu habe ich übrigens neulich eine sehr gute Rückmeldung bekommen: Im Jugendbereich wurde genau das gemacht, dass jemand erzählt hat. Dann kam die Rückmeldung, wie hilfreich das war. Einfach jemanden zu haben, der ein paar falsche Vorstellungen korrigiert hat. Man dachte, das müsse so sein, aber dann merkte man: Nein, das ist überhaupt nicht so. Man kann es auch anders machen, wenn man evangelisiert.
Also Rederaum geben und das Bewusstsein schaffen – ich glaube, darauf legt er den Schwerpunkt. Er sagt, wenn du solche Leute in Gremien hast, werden sie dort immer wieder fragen: „Wo ist unser evangelistischer Impuls?“ Wie kriegt man einen Evangelisten in ein Gremium? Das ist die große Frage. Es geht eher um Leute, die auch die Eigenschaften dafür haben. Die ganz klassischen Evangelisten sind das wahrscheinlich nicht. Aber es gibt Leute, denen das Anliegen am Herzen liegt und die versuchen, das in den Gremien, in denen sie sitzen, weiterzugeben.
Vielleicht muss man auch selbstkritisch sagen: Ist es nicht an der Zeit, Buße zu tun, weil wir so leidenschaftslos sind? Vielleicht braucht es einen schonungslosen Realitätscheck, um zu sehen, dass wir uns im Grunde nur um uns selbst drehen und die Mission aus den Augen verloren haben. Buße heißt ja auch immer: Ich kehre um, ich mache es anders. Ich rede es mir nicht schön, sondern sage ehrlich: Es ist nicht leidenschaftlich.
Er hat nicht zufällig so eine Checkliste in seinem Buch – das wäre nicht schlecht gewesen. Manche Gedanken habe ich beim Nachdenken mit hineingenommen. Er versucht, Impulse zu geben, damit man darüber nachdenkt.
Zum Beispiel gibt er diesen wichtigen Impuls, auch wenn er bekannt ist: Wir sollten nie vergessen, dass Menschen ohne Jesus, die ohne Jesus sterben, verloren gehen. Das ist kein Scherz, sondern eine ernste Wahrheit. Am Ende eines gottlosen Lebens wartet die hässliche Fratze des lebendigen Teufels auf jeden Menschen, der Jesus nicht kennt.
Auch das sollte mir bewusst sein: Ich habe eine Botschaft, dass es nicht so weit kommen muss. Deshalb habe ich auch eine Verantwortung, diese Botschaft weiterzusagen. Moralischer Druck zündet das Feuer in meinem Herzen natürlich nicht an, aber vielleicht hilft es etwas, diese Sicht zu haben: Menschen gehen verloren. Darüber nachzudenken, was Jesus für uns getan hat, und die Begeisterung für Jesus am Brennen zu halten.
Der Ausgangspunkt ist also diese missionarische Leidenschaft. Indem man mehr Rederaum gibt und in Gremien bewusst darauf achtet, kann man das fördern. Das kann man auf allen Ebenen machen, auch in Gruppengremien, indem man immer jemanden hat, der bewusst darauf achtet. Gebet ist dabei sowieso wichtig.
Dann Buße und das Bewusstsein dafür, wie die Realität wirklich aussieht und wohin es hingeht. Das war der erste Punkt.
Der zweite Punkt war der Kontakt zu den Menschen. Es ist ja möglich, Leidenschaft theoretisch zu haben, ohne etwas daraus zu machen. Aber diese Leidenschaft muss sich irgendwo Bahn brechen. Das hat er als die Beziehung zu noch Nichtchristen bezeichnet.
Gibt es dazu ein paar wichtige Aspekte? Ja, er hat ganz stark betont, dass, wenn eine Gemeinde mit Mission sein will, sie mit Menschen in Kontakt kommen muss, die Jesus nicht kennen. Das darf nicht nur theoretisch sein, sondern man muss sie praktisch kennenlernen.
Außerdem hat er betont, dass der andere kein Missionsobjekt ist. Manchmal will man sich ja Trophäen hinhängen, indem man sagt: „Ich hatte ein tolles Gespräch mit dem anderen, schaut her, wie toll ich bin.“ Er sagt, es handelt sich um einen Menschen, und es muss darum gehen, ihn als Mensch zu erreichen. Das fand ich einen wichtigen Punkt.
Wenn ich dieses Interesse an Menschen nicht habe, dann muss ich es mir von Gott schenken lassen. Ich darf immer wieder darum beten und sagen: „Herr, schenke mir echtes Interesse für Paul, Horst, Peter und wie sie alle heißen, damit ich eine tiefere Beziehung zu ihnen aufbauen kann.“ Ich glaube, das ist ganz wichtig.
Auch sollte ich nicht frustriert sein, wenn ich wenige Nichtchristen kenne. Stattdessen kann ich das als Motivation nutzen, dafür zu beten. Ich kann sagen: „Herr, du kannst mir Leute über den Weg schicken, damit ich Menschen kennenlerne, die dich noch nicht kennen.“
Was Philipp ganz stark betont, ist, dass ein Schlüssel, um Menschen kennenzulernen, darin besteht, das eigene Leben zu öffnen. Damit ist auch gemeint, das eigene Haus zu öffnen. Er legt großen Wert auf Gastfreundschaft und sagt, sie sei keine bloße Veranstaltung, sondern eine Herzenshaltung.
Jemand hat einmal gesagt: Das Evangelium kommt mit einem Haustürschlüssel. Durch Gastfreundschaft gebe ich dem anderen Zutritt zu meiner eigenen Komfortzone. Gastfreundschaft ist eine bewusste Entscheidung, den eigenen Lebensraum mit jemand anderem zu teilen und auch in gemeinsame Mahlzeiten zu investieren.
Das gilt auch außerhalb der Gemeinde. Es ist schon Jahre her, aber ich hatte mal eine Statistik im Kopf, deren Zahlen ich leider nicht mehr genau weiß: Je länger ein Christ in der Gemeinde ist, desto weniger Kontakte hat er zu Nichtchristen. Das betont Philipp stark.
Wenn wir eine Mission haben, müssen wir auch Menschen haben, mit denen wir über Jesus sprechen können. Dafür brauchen wir Kontakt zu ihnen. Es geht nicht nur darum, Leute einzuladen – das ist ein wichtiger Punkt –, sondern letztlich auch darum, mit ihnen über Jesus zu sprechen.
Dabei muss ich mir keinen Druck machen. Es geht nicht darum, bei der ersten Einladung unbedingt über Jesus gesprochen zu haben. Manchmal hat Gott mehr Geduld als ich. Ich finde es gut, dass er darauf hinweist, zuerst im vertrauten Umfeld ganz normal über Gott und die eigene Beziehung zu Jesus zu sprechen.
Wie soll ich mit Menschen, die Jesus nicht kennen, über meinen Erlöser reden, wenn ich es nicht einmal mit Christen mache? Also beginnt es damit, dass ich mit Christen über Jesus rede. Und wenn ich jemanden kennenlerne, der nicht Christ ist, muss ich erst einmal Vertrauen aufbauen. Das ist ein Prozess, der Zeit braucht.
Wenn ich mir diese Zeit nicht nehme, werde ich keinen intensiven Kontakt zu Menschen bekommen, die Jesus nicht kennen. Dabei muss ich mich wirklich für das Leben des anderen interessieren – nicht nur mit vorgeschobenen Fragen. Es geht um den Menschen selbst, um seine Nöte, seine Herausforderungen, das, was ihn ausmacht.
Er legt den Schwerpunkt auf die persönliche Evangelisation im eigenen Umfeld und auf Gastfreundschaft. Man kann da eine gewisse Anspielung auf die Freundschaftsorganisation von vor zwanzig, dreißig Jahren heraushören, die er auch miterlebt hat.
Damals war das Problem, dass man sagte: „Geht in Vereine, macht Freundschaft“ – aber mit dem Zweck zu evangelisieren. Bei vielen war es dann so, dass die Freundschaft weg war, wenn der andere sich nicht evangelisieren ließ. Das kritisiert er.
Er sagt, man soll auf einen Menschen zugehen. Ich denke, das war die Schwäche der Freundschaftsevangelisation damals. Persönliche Evangelisation sieht er als Schwerpunkt, ebenso die Gastfreundschaft.
Es muss nichts Großes sein. Man muss keine Veranstaltung organisieren, kein großes Bibelstudium abhalten. Zuerst lädt man die Leute ein, redet über das, was einen bewegt, kommt mit ihnen in Kontakt und wird sprachfähig. Das gehört dann wahrscheinlich auch irgendwo dazu.
Dritter Punkt, den ich vorhin schon wissen wollte, war ein bisschen professoral formuliert. Es ging um den kontextuellen Mentalitätswandel. Eigentlich ist das ganz simpel: Es ist wichtig, dass ich als Christ verstehe, dass ich in einem säkularen Umfeld lebe.
Viele Christen haben noch immer den Eindruck, wir leben in einem christlichen Abendland, und sind dann ganz überrascht, wenn Leute überhaupt keine Ahnung von der Bibel haben oder Dinge ganz anders sehen. Er sagt: Finde dich damit ab, du lebst in einem säkularen Umfeld. Dieses säkulare Umfeld ist absolut gottlos, und die Menschen vermissen Gott überhaupt nicht. Sie können sehr gut ohne ihn leben.
Leider wissen sie noch nicht, dass sie ohne Gott nur sehr schlecht sterben können. Unser Umfeld ist von dem geprägt, was man Konstruktivismus nennt, also von der Überzeugung, dass es keine absolute Wahrheit gibt. Jeder baut sich sozusagen seine eigene Wahrheit zusammen.
Deshalb ist es wichtig zu verstehen, wie jemand ohne Gott denkt. Dabei muss ich hinhören, ohne gleich zu verurteilen: „Das darfst du nicht sagen, weil …“ Stattdessen frage ich: Warum siehst du das so? Wieso verstehst du das so?
Im Grunde genommen bedeutet kontextueller Mentalitätswandel, dass ich versuche zu verstehen, wie der andere denkt. Das heißt nicht, dass ich ihm zustimme, sondern dass ich seine Denkweise nachvollziehen und seine Position treffend beschreiben kann. Für ihn ist der Zweifel an Gott das Normale.
Deshalb ist es gut zuzuhören, warum es dem anderen schwerfällt zu glauben. Vielleicht kann ich auch den einen oder anderen Impuls geben, den Gott dann weiterverwendet – eben in seinem Denken. Oder ich frage: Was stößt dich am Glauben ab? Warum bist du so kritisch? Was gibt deinem Leben Bedeutung? Wann denkst du, wärst du glücklich?
Ein Schlüsseltext dazu ist Apostelgeschichte 17. Paulus beobachtet dort erst einmal sein Umfeld und knüpft dann an. Er kann formulieren, was den Leuten in Athen wichtig ist – das hat er herausgefunden. Dann zeigt er ihnen: Es gibt tatsächlich noch mehr für euch. Gebt euch nicht mit so wenig zufrieden, sondern „Gott hat mehr für euch bereit“.
Das ist dieser Mentalitätswandel. Es ist spannend, wie Paulus das in Athen, während seiner zweiten Missionsreise, erlebt. Schon in der ersten Missionsreise, die ich kürzlich durchgelesen habe, predigte er in den jüdisch geprägten Städten in Synagogen über den Messias und die Erfüllung der alttestamentlichen Prophetie.
Als er dann aber nach Derbe kam, wo es keine jüdische Kolonie gab, und nach Lystra, wo nur wenige Juden lebten, ging es plötzlich um den Schöpfer, der Himmel und Erde gemacht hat, der den Regen gibt und sich nicht unbezeugt lässt. Das war ein ganz anderes Thema, weil die Menschen dort mit dem Messias nichts anfangen konnten. Paulus ging also auf sie ein.
Jetzt machen wir das ja in unserem Rahmen „Komm und Sie“, in unserem Jahresmotto, dass wir uns verstärkt auf Evangelisation konzentrieren. Im März finden Themenabende statt, bei denen speziell das Evangelium erklärt wird – ein bisschen so, wie Paulus es in Athen tat. Dabei setzen wir nicht voraus, dass das Evangelium bekannt ist, sondern greifen bestimmte Themen auf und erklären, was das Evangelium bedeutet.
Das sind die Themen. Über das Jahr verteilt haben wir auch Gottesdienste als zentrale Veranstaltungen. Dabei wird nicht jedes Mal das Evangelium im Sinne von „Wie wird man errettet?“ ausführlich erklärt. Das ist auch nicht der Sinn des Gottesdienstes, aber es kommt immer wieder vor.
Bartholomä sagt, dass wir bei Gemeindeveranstaltungen gästesensibel sein sollen. Mich interessiert, was er genau damit meint, denn ich habe dabei ein wenig die sucherorientierten Gottesdienste der Neunzigerjahre im Kopf. Ich habe aber den Eindruck, dass er sich, wenn er sich schon bei der Freundschaftseffizienz etwas abgrenzt, hier ebenfalls differenziert. Er verwendet ja ein anderes Wort und scheint einige Elemente gut zu finden, andere hingegen nicht. Verstehe ich das richtig?
Ja, das verstehst du richtig. Er grenzt sich tatsächlich ab. Gästesensibel meint er zunächst im Gegensatz zu einer rein gemeindeinternen Haltung, bei der man gar nicht mit Gästen rechnet. Außerdem gibt es, wie du angesprochen hast, den sucherorientierten Gottesdienst, der sich ausschließlich an Gäste richtet. Dort steht man immer am Anfang des Glaubens und muss quasi jeden Gottesdienst wie eine Show gestalten. Bartholomä sagt dazu: Nein, das ist es nicht. Wenn man so vorgeht, verliert man auch die Gemeinde. Man will ja die Gemeinde weiterführen.
Gästesensibel heißt für ihn, sich der Gäste bewusst zu sein und sie wahrzunehmen. So wie Paulus es in 1. Korinther 14 sagt: Er ist sensibel für Gäste und begrüßt sie. Paulus fragt sich, was Außenstehende denken, wenn sie den Gottesdienst besuchen. Er rechnet also mit Gästen und bezieht das in seine Gestaltung ein.
Eine Begrüßung im Gottesdienst hält Bartholomä deshalb für sehr wichtig. Er erzählt, dass ihn einmal eine Begrüßung bei einer evangelistischen Veranstaltung besonders bewegt hat. Dort wurde gesagt: Wir erwarten nicht, dass du von Anfang an alles glaubst, was wir glauben. Du bist bei uns herzlich willkommen, auch wenn du dem christlichen Glauben skeptisch gegenüberstehst oder einen anderen Lebensentwurf hast. Du musst nicht sofort „auf Linie“ sein, wenn du Gast bist. Das fand ich gut. Ich glaube, es ist wichtig, dass auch Skeptiker sich willkommen fühlen, wenn sie anders denken.
Die Gemeinde von Timothy Keller hat diese Einstellung zum Beispiel auf ihrer Homepage deutlich gemacht. Viele kamen, die mit dem Glauben nichts anfangen konnten, weil sie merkten, dass die Kirche offen ist und nicht verurteilt.
Zum Thema gästesensibel diskutiert Bartholomä auch das interessante Konzept „belonging after believing“, also „dazugehören nach dem Glauben“. Er sagt, das sei der Standard: Man müsse sich erst bekehren, erst dann könne man Gemeindemitglied werden und sich in die Gemeinde integrieren. Das klingt zunächst logisch.
Was hat er denn daran auszusetzen? Welche Sichtweise vertritt er?
Er sagt, das Problem sei, dass es auf die jeweilige Gruppe ankommt. Er ist da sehr differenziert. Aber häufig werden Gäste von allen Gruppen von vornherein ausgeschlossen. Sie dürfen nicht mitarbeiten, auch wenn sie keine geistliche Verantwortung tragen. Dass Nichtchristen nicht predigen dürfen, versteht er, darüber redet er nicht. Aber Mitarbeit sei grundsätzlich nicht möglich für jemanden, der Jesus nicht kennt.
Zum Beispiel darf jemand in einem Hauskreis nicht mitarbeiten oder kochen, wenn er kein Christ ist. So etwas in der Art meint er. Er sagt also, „belonging after believing“ heißt, man muss Jesus kennen, bevor man mitarbeiten darf.
Dann stellt er die Frage, die wirklich zum Nachdenken anregt: Was ist mit dem Prinzip „belonging before believing“? Also, dass jemand schon zu einer Gruppe gehört, bevor er Jesus kennengelernt hat. Das sei kein einfacher Weg, dessen ist er sich bewusst. Er sagt, man wolle nicht fördern, dass Leute denken: Nur weil ich in die Gemeinde gehe, bin ich Christ. Das würde nach hinten losgehen.
Aber man solle konkret überlegen, wo jemand, der Jesus noch nicht kennt, in gewisser Weise mitarbeiten kann. Das seien eher praktische Aufgaben. Durch Mitarbeit könne man Leute in der Gemeinde kennenlernen, Gespräche führen und letztlich gehe es immer um Jesus.
Er ermutigt also, Leute zu motivieren, mitzuarbeiten. Gleichzeitig ist er sich bewusst, dass das nicht einfach ist. Man muss gut überlegen, wo und wie man Menschen mitarbeiten lässt. Aber es könnte eine Brücke sein, um Leute in die Gemeinde hineinzubringen.
Ich überlege gerade, warum er das so auf Mitarbeit festmacht. Das sind ja dann Leute, die schon etwas tiefer drin sind. Das wäre also ein Zwischenschritt. Denn jemand, der skeptisch ist und gar nichts mit Christsein zu tun haben will, will normalerweise auch nicht mitarbeiten, selbst bei einfachen Aufgaben. Er fühlt sich ja gar nicht dazugehörig. Das wäre eher für jemanden, der auf dem Weg ist und sich schon zugehörig fühlt, aber noch nicht glaubt. So in der Art, oder?
Genau. Und man überlegt, ob man Brücken schaffen kann. Eine Brücke ist praktische Mitarbeit. Geistliche Mitarbeit geht nicht, das gibt es auch. Es gibt Kirchen, die Politiker predigen lassen, obwohl diese nicht an Gott glauben. Solche Kirchen glauben meist auch nicht wirklich an Gott, wie wir es tun.
Er bringt als Beispiel eine Frau, die einen Food Truck hatte und bei einem Gemeindepicknick mitmachte. Sie fand das cool und wollte beim nächsten Mal ihren Food Truck zur Verfügung stellen. Die Gemeinde sagte: Ja, mach das, super! So kam sie in Kontakt mit anderen Gemeindemitgliedern, landete in einem Hauskreis und entschied sich schließlich für Jesus. Für sie war das eine Möglichkeit, hineinzukommen, und sie wollte das auch.
Bartholomä sagt, wir müssen offen sein für solche Schritte und praktische Mitarbeit im Blick haben.
Ich verstehe, was er meint. Er will sich von früher abgrenzen, als man sagte: Nein, Gemeinde muss sich von der Welt abgrenzen, und da darf kein Hauch von Weltlichkeit sein. Ich verstehe auch nicht, was daran negativ sein sollte, wenn bei einer Veranstaltung keine satanischen Zeichen oder Ähnliches zu sehen sind. Er will einfach das Öffnen im Blick haben, das ganze weiter öffnen.
Ein zweiter Punkt zu gästesensibel ist, dass man überlegen muss, welche Veranstaltung für die Person passt, die ich kenne und mitbringe. Es muss nicht immer der Gottesdienst sein. Es kann auch ein Hauskreis sein, ein Glaubensgrundkurs oder eine gemeinsame Geburtstagsfeier, zu der Christen und Nichtchristen eingeladen sind. Natürlich kann es auch mal ein Gottesdienst sein.
Man sollte also genau schauen, welche Veranstaltung für meinen Bekannten passt. Das ist dann ein weiterer Schritt zu Jesus. Letztlich geht es darum, dass sie Gott entdecken und erkennen. Dabei muss ich aufpassen, die Leute nicht zu überfordern.
Ich komme wieder zum Anfang: Man muss begreifen, dass sie aus einer säkularen Welt kommen. Das, was sie hier erleben, ist für sie fremd. Deshalb muss ich ihnen helfen, Stück für Stück hineinzukommen. Vielleicht in Gruppen, die auf ihre Fragen eingehen und nicht nur von vorne etwas erzählen.
Ich denke, das ist auch ein bisschen Typsache. Ich erinnere mich an ein Gemeindeaufnahmegespräch, das wir beide kürzlich hatten. Wenn ich das jetzt leicht anspreche, wirst du es verstehen. Da berichtete jemand, dass er in einem Hauskreis zum ersten Mal das lebendige Christsein erfahren hat, also nicht im Gottesdienstrahmen. Manche Menschen lernen eben im Gespräch und wollen sehen, dass es echt ist. Da ist ein solcher Zugang sehr gut.
Geburtstagsfeiern sind natürlich, wenn man die Gemeinde öffnet, ideal, um Christen und Gäste zusammenzubringen. Man kann einfach sagen: Hier treffen sich Gemeinde und Arbeitsplatz. Freunde oder Kollegen bringt man zusammen und mischt das ein bisschen. Dann schaut man bei den Gesprächen, was sich ergibt, mit wem eine Sympathie entsteht und baut darauf auf.
Man sollte aber nicht denken, dass Veranstaltungen nur effektiv sein müssen. Wenn ich das nicht mache, dann ist es nicht richtig. Es gibt auch eine andere Ebene, die wichtig ist.
Richtig. Auch dass mein Leben im Grunde rüberkommt. Das betont Bartholomä sehr stark. Gemeinde muss mit Mission verbunden sein. Ich bringe mein Leben ein und teile es.
Wir hatten über diese leidenschaftliche Liebe gesprochen, für die er plädiert: die Begegnung mit noch Nichtchristen oder Nichtchristen, wie ich es ausdrücken würde. Er will das aber noch nicht als kontextuellen Mentalitätswandel bezeichnen. Genau, diesen Wandel, der bei mir stattfinden muss. Bei dir auch?
Bei mir auch. Ich dachte, der Wandel habe schon in der Gesellschaft stattgefunden. Aber ich muss verstehen, dass ich in einem säkularen Umfeld lebe und die anderen wirklich nicht wissen, wovon ich rede.
Genau. Und dann muss man sensibel für Menschen sein und überlegen, welche Wege passen. Einmal beim Gottesdienst als Gast, vielleicht so. Und dann auch in den normalen Begegnungen, die man hat.
Gut, das sind ein paar Anregungen, über die man nachdenken kann.
Komm, das ist ja auch eine ganz persönliche Sache. Zuerst gab es ein Gespräch im Nathanael und bei Philippus: „Komm mal mit, verbring einen Tag mit uns.“ Später nahm er dann auch an den Veranstaltungen teil.
Das war es für heute von unserem Podcast der evangelischen Freikirche Evangelium für alle in Stuttgart. Wir hoffen, dass ihr einen Impuls mitnehmen konntet, wie wir ein Leben mit Mission führen können. Das war ja das Thema des heutigen Podcasts.
Wenn ihr Fragen habt, stellt sie uns gerne – wie immer – per E-Mail an podcast@efa-stuttgart.de.
Wir wünschen euch Gottes Segen und offene Augen für Situationen, in denen Gott euch gebrauchen möchte.