Die Wiederholung und Verstärkung göttlicher Wege in der Schrift
Mich hat es vor ein paar Jahren getroffen, als ich bei Leo Beck, dem großen Rabbiner, gelesen habe: Alles in der Schrift, im Tenach, in der Gaffee hat seine Entsprechung.
Und nicht nur das – alles in der Bibel hat Beziehungen zueinander. Die Wege Gottes sind geprägt vom Wesen Gottes, sodass sie sich wiederholen und verstärken. Die Wege Gottes sind so vom Wesen Gottes geprägt, dass sie nicht nur einmalig sind. So wie du vor aller Zeit warst, bleibst du in Ewigkeit.
Deshalb konnte auch Jesus sagen: Ihr versteht mein Leiden nicht. Christus musste leiden, wenn er die Schrift hineinseht. Er fing an, von Mose, den Propheten und Psalmen zu sprechen. „Sucht in der Schrift! Sie richtet ihre Scheinwerferstrahlen auf mich, sie lässt mich verstehen, sie ist die, von der ich zeuge.“
Also kann es in der Bibel quer durch zur Erkenntnis von Beziehungen kommen, zu Aha-Erlebnissen.
Als ich in Schörndorf war, hatten wir eine alte, vornehme baltische Dame. Sie war vier Wochen verheiratet, dann wurde ihr Mann 1918 von den Kommunisten erschlagen. Sie konnte oft in der Bibelstunde oder sogar im Gottesdienst in der Stadtkirche laut „Aha!“ sagen, wenn ihr etwas aufgegangen ist, zu Beziehungen. „Aha, ich habe das nur im Ohr, nicht?“
So wollte ich sie eventuell hinführen zu Aha-Erlebnissen: Aha, Christus musste leiden. Es war keine Panne bei Gott, weil er sich nicht dispensieren lassen wollte vom Schicksal der Propheten.
Das Leiden Christi und die Erfahrung göttlicher Nähe
Er hat mitten in der ganzen Not des Ausgestoßenseins und Abgestoßenwerdens erlebt, wie der Herr bei ihm ist – wie ein starker Held. So hat er es erlebt: „Der Herr ist bei mir wie ein starker Held.“ Und Jesus erlebte es auch: „Ihr lasst mich alle allein, aber ich bin nicht allein, der Herr ist bei mir.“
Ganz gleich, wie tief das Kreuz, die Trübsal oder der Feind auch sein mögen, mein Heiland greift allmächtig ein. Er reißt mich heraus mit seiner Hand.
Gestern sogar! Der Jesus, der von Gott zum Christus bestimmt war, musste leiden. Wie Jeremia bezeugte, ist Umkehr eine ganz großartige Chance. Doch wer diese Chance nicht annimmt, über dem bleibt der Zorn Gottes, so hat es Jesus gesagt.
Das Gericht fängt am Haus Gottes an, bei denen, die sich so sicher wähnen in der Meinung: „Gott hat uns lieb, uns kann nichts passieren.“ Wer so mit dem Haus Gottes umgeht, für den gilt: hinweg mit diesem. So haben es Paulus, Jesus und Jeremia gesagt. Wer unser Heiligtum, das Haus Gottes, antastet, der hat kein Recht mehr zu leben.
Die Bedeutung von Buße und Umkehr für die Kirche
Zur Erklärung noch schnell: Im Jahr 1953 habe ich ein wunderbares Auslandssemester in Bonn erlebt. Dort habe ich noch den ersten Bundestag miterlebt, auf dem damals noch Kommunisten saßen – eine sehr interessante Zeit.
Unser Lehrer in praktischer Theologie war der uralte, verkreiste Günther Dehn, damals 61 Jahre alt. In unserer Meinung war er verkreist und uralt. Wahrscheinlich empfand er sich selbst, so wie ich heute, noch als sehr knackig.
Wir hatten eine Freizeit in Altenahr, bei der es darum ging, wie die Kirche doch wieder modern sein sollte und was man tun müsste. Wir hatten zwar noch nicht so geniale Pläne, wie wir sie gestern vorgeführt haben, doch Günther Dehn saß da und sagte: „Merkt ihr denn nicht, dass Gott uns verlassen hat?“
Wir waren dort hundert Theologiestudenten. Er fragte uns: „Merkt ihr denn nicht, dass Gott uns verlassen hat, weil wir keine Buße tun können und wollen?“ Eine Kirche ist verloren, wenn es in ihr keine Buße mehr gibt. Eine Kirche hat ihren Zweck verfehlt, wenn zwar im Himmel Freude vor den Engeln Gottes über einen Sünder ist, der Buße tut und umkehrt, aber in der Kirche Bekehrungen nicht gewollt oder sogar verhindert werden.
Wenn wir nicht mehr erkennen, dass das Allergrößte, was es gibt, Bekehrungen und Umkehr sind – und zwar Umkehr der Frommen, nicht der Welt draußen –, dann haben wir etwas Wesentliches verloren. Wir denken immer daran, wie wir die Außenstehenden erreichen können. Israel hat gesagt, der Messias käme, wenn Israel nur einen Tag miteinander ernsthaft Buße täte.
Ich möchte es andersherum sagen: Eine Kirche verfällt dem Gericht, wenn Bekehrungen in ihr nicht mehr als das Großartigste angesehen werden. So großartig, dass die Engel im Himmel vor Jubel nicht mehr herauskommen.
Die Ablehnung Jeremias und die Lage des Volkes Israel
Das war, was ich bisher sagen wollte, was mir aufs Herz gelegt war. Ich kann mir vorstellen, dass man damals in Juda und Israel, vor allem in Jerusalem, nicht mehr „Aha“ gesagt hat, sondern auf Schwäbisch „Hano“ – jetzt reicht es aber. Es ging entschieden zu weit mit diesem Jeremia.
Eine Weile haben sie sich gefallen lassen, dass er mit seinen pessimistischen Lagebeurteilungen kam, mit der belastenden Aussage: „Gestern habe ich die Last des Herrn getragen.“ So als hätte Gott ihm eine Last auferlegt, weil er immer nur das Negative sieht. Aber jetzt, wenn er sogar gegen das Haus des Herrn redet, gegen den Tempel, das Allerheiligste – das geht entschieden zu weit. So schlimm steht es doch bei uns nicht, nicht bei uns.
Ich war gestern bei der Vorbereitung dieser Bibelarbeit noch einmal dabei und habe über alles nachgedacht, was die Kollegin Junckermann sehr präzise und beachtlich über die Lage unserer Kirche gesagt hat. Immer wieder habe ich mich gefragt: Merken wir denn in der Kirchenleitung und der Synode, wie Günther Dehn, dass Gott uns längst verlassen haben könnte?
Der Bund Gottes und seine Brüche
Wie steht denn die Lage? Ich möchte Sie bitten, bevor wir die Texte aufschlagen, die Sie vielleicht in der Stille gelesen haben, kurz zwei andere Stellen zu betrachten. Zum Beispiel Jeremia 10,10b – nur damit wir den Zusammenhang verstehen. Dort heißt es: „So hat das Haus Israel und das Haus Juda meinen Bund gebrochen, den ich mit ihren Vätern geschlossen habe.“
Wer wagt es heute eigentlich noch zu sagen: Der Bund Gottes besteht? Natürlich besteht er, aber man kann den Bund Gottes brechen und sich damit selbst aus diesem Bund herauskatapultieren. Ich weiß gar nicht, ob die Leute die Bibel überhaupt lesen. Israel hat den Bund gebrochen, den ich mit ihnen geschlossen habe. Darum spricht der Herr: „Ich will Unheil über sie kommen lassen, dem sie nicht entgehen sollen. Und wenn sie zu mir schreien, will ich sie nicht hören.“
Ihr könnt das Gebet also bleiben lassen. Doch es gibt sogar noch Schlimmeres: Selbst dem Propheten Gottes, Jeremia, dem Erwählten, den Gott schon im Mutterleib bereitet und berufen hatte, bevor er geboren wurde, wurde verboten, Fürbitte zu tun. Wenn sie beten, hat das keinen Wert. Sie können es bleiben lassen. Aber auch du darfst nicht Fürbitte tun.
Gottes Erbarmen und das Verbot der Fürbitte
Jeremia 15,1: Und der Herr sprach zu mir: Wenn auch Mose und Samuel vor mir stünden, so hätte ich doch kein Herz für dieses Volk. Treibe sie weg von mir und lass sie weggehen.
Dazu kommt Vers 6: Du hast mich verlassen, spricht der Herr, du bist von mir abgefallen. Darum habe ich meine Hand gegen dich ausgestreckt, um dich zu verderben. Ich bin des Erbarmens müde.
Entschuldigung, Gott hat euren Bund geschlossen. Ja, aber das können Sie bei Jeremia nachlesen. Im Bund gibt es auch Fluchworte. Wenn du mich verlässt, dann... Das gehört auch zum Bund, nicht nur Friede, Freundschaft und Eierkuchen.
Verstehen Sie, warum wir gestern hörten: Mir zieht es die Füße weg, ich taumle wie ein Betrunkener. Das kann doch nicht wahr sein, dass ich keine Fürbitte mehr tue. Ja, vielleicht bin ich nicht würdig. Nein, nicht einmal wenn Mose und Samuel vor mir stünden – ich bin des Erbarmens müde. Ich möchte ihre Fürbitte nicht hören.
Die Rolle von Mose und Samuel als Fürbitter
Kurze Erinnerung: Mose, der Fürbitter, nicht nur beim Kampf gegen Amalek. Man denke an das Bild von Schnorr von Carolsfeld, wie Aaron und Hur seine Arme stützen. Doch Mose war noch mehr. Als Israel das goldene Kalb gemacht hatte, sagte er: „Ich will hinaufgehen zum Herrn, ob euch vielleicht dieses Unrecht vergeben werden könnte.“
Dann redet Mose mit Gott und sagt: „Wenn du dieses Volk verstoßen willst, dann tilge mich lieber aus deinem Buch, aber lass sie leben.“ Das Geheimnis der Stellvertretung kündigt sich hier schon an. Lieber hält Mose den Kopf hin, als dass das Volk daran zugrunde gehen muss.
Der Herr sprach: „Ich will den strafen, der an mir sündigt. Ich will ihre Sünde heimsuchen, wenn meine Zeit kommt.“ Ich halte das auch für ein Brotevangelium, das Erstevangelium hin zum Hügel Golgatha. Wenn Sünde heimgesucht wird, wenn Gottes Zeit kommt, dann auf ganz andere Weise. Wahre Stellvertretung!
Aber selbst wenn Mose noch einmal vor mir stünde, möchte ich nicht hören, was Samuel gesagt hat: „Ihr habt eine große Sünde getan, aber ihr seid des Herrn Volk. Um seines herrlichen Namens willen will er euch als sein Volk erhalten.“ Und ich möchte mich nicht versündigen, indem ich aufhöre, den Herrn für euch zu bitten. Das ist Samuel.
Ihr macht zwar den falschen Weg mit der Wahl des Königs, aber davon könnte ich mich nicht abbringen lassen, für euch vor Gott einzutreten. Selbst wenn Mose und Samuel vor mir stünden, ich will ihnen nicht vergeben. Ich bin des Erbarmens müde.
So ist die Lage. So total verfahren, dass sogar die Fürbitte der großen Fürbitter verboten wird.
Der Triumph der Gnade Gottes trotz Verlorenheit
Und meine Lage vor Gott? Hätte er nicht zunächst das Recht, zu sagen, was ich von meinen Eltern und Vorfahren, von theologischen Lehrern sowie von Brüdern und Schwestern mitbekommen habe und was daraus geworden ist? Ich habe genug davon.
Aber jetzt kommt das, was Sie ja bereits vorbereitend gelesen haben: der Triumph der Gnade Gottes. Herr Berghover hat dies zum Thema seines Buches über die barth’sche Theologie gemacht – der Triumph der Gnade Gottes.
Jeremia 31,10: „So oft ich dein gedenke, stürmt mein Herz dir entgegen, ich muss mich deiner erbarmen.“ Der Gott, der einerseits sagt: „Ich bin des Erbarmens müde“, aber wenn ich eigentlich daran denke, zerreißt es mir das Herz, und ich muss mich deiner erbarmen.
Und nun die beiden Texte aus Jeremia 23, die wir uns nur kurz noch einmal bewusst machen wollen. Jeremia 23,3: „Ich will die Übriggebliebenen meiner Herde sammeln aus allen Ländern.“ Vers 5: „Siehe, es kommt die Zeit, spricht der Herr, da sich dem David ein gerechter Spross erwecken wird.“
Die Verheißung des gerechten Sprosses und der neue Bund
Im Talmud und in der gesamten jüdischen Theologie spielen Ausdrücke wie Wurzel, Spross, Zweig, Zemak und Sara eine große Rolle. Wir müssen verstehen, warum die ersten Christen sogar ihre Feinde davon sprechen ließen.
Er ist Nazarener – was Gutes kann aus Nazaret kommen? In diesem Wort steckt Sara, der Zweig. Man wird die Nazarener heißen. Die ersten Predigten bezeichneten Jesus immer als Jesus von Nazareth, nicht als den Sohn Gottes.
Vielleicht sollten wir in persönlichen Gesprächen sagen: „Mich hat der Nazarener getröstet.“ Die anderen würden dann fragen: „Was meinen Sie mit Nazarener?“ Darauf könnten wir antworten: „Herr Jesus, das ist der Heiland.“ Wenn man gleich mit dem Heiland anfängt, fragen die Leute nicht zurück, sondern sagen: „Wie er so schwätzt.“
Vielleicht sollten wir wieder viel öfter vom Nazarener sprechen. Darin steckt eine Verheißung, ein Ehrentitel Jesu. Ich will einen Spross erwecken, der König sein soll. Er wird wohl regieren und Recht und Gerechtigkeit im Land ausüben.
Denken Sie daran: Das ist doch die Freude Gottes nach Jeremia 9. Er registriert nicht nur, was wir Rechtes tun, sondern er übt Barmherzigkeit, Recht und Gerechtigkeit. Denn solches gefällt ihm. Gott hat Freude daran, wenn er uns nicht nur in Krankheitsnöten helfen kann, sondern wenn er unsere ganze Ungerechtigkeit und unsere falschen Gedanken zurechtbringen darf. Lassen wir ihn überhaupt schaffen.
Zu seiner Zeit soll Juda geholfen werden, und Israel sicher wohnen. Dies wird sein Name sein, mit dem man ihn nennen wird: „Der Herr ist unsere Gerechtigkeit“, Jahwe Zedekenu.
Das ist das, was Paulus dann durchkonjugiert hat: Er macht die Gottlosen gerecht, eingehüllt in die Gerechtigkeit des Erbarmers. Er ist unsere Gerechtigkeit.
Der neue Bund als Erneuerung und Verheißung
Jeremia 31 gehört zu den schönsten Stellen der Bibel, obwohl es kaum noch schöner sein kann. In Jeremia 31 wird eine Zeit angekündigt – mit der Einleitungsformel: „Es kommt die Zeit, spricht der Herr, da will ich mit dem Haus Israel und mit dem Haus Juda einen neuen Bund schließen.“
Die Kirche lag über Jahrhunderte auf dem falschen Weg, als sie meinte, der neue Bund sei nur für uns, für die Heiden, und Israel sei damit erledigt. Der Prägerbrief macht deutlich, dass das, was Gott mit dem Begriff „neu“ kennzeichnet, zeigt, dass das Bisherige veraltet und außer Kurs ist.
Wenn man die Meditation zum Predigttext Jeremia 31 liest – der ja nächsten Sonntag oder demnächst dran ist –, sieht man, dass Harri Wunderlich, der große Gedanken macht, sagt: Israel ist noch im alten Bund, aber das ist nicht der neue Bund, sondern vielleicht der erneuerte, renovierte Bund.
„Neu“ steht für etwas Neues, sowohl inhaltlich als auch sachlich, weil Israel aus dem Bund ausgestiegen ist. Gott aber ist in seiner Treue geblieben. Er schließt mit Israel und dem Haus Juda einen neuen Bund.
Das bleibt auch im Kapitel 3 bei Jeremia bestehen: Wenn Israel wieder die ganze Liebe und Zuneigung Gottes gewinnt, dann werden auch die Heiden herzulaufen. Der Blick bei Jeremia ist immer schon darauf gerichtet, dass die Heiden herzulaufen und sagen werden: „Ja, großartig, den Gott wollen wir auch haben.“
Nicht so wie der Bund, den ich mit euren Vätern schloss, als ich sie bei der Hand nahm, um sie aus Ägyptenland zu führen – ein Bund, den sie nicht gehalten haben, obwohl ich ihr Herr war, spricht der Herr. Sondern das soll der Bund sein, den ich mit dem Haus Israel schließen will nach dieser Zeit, spricht der Herr.
„Nach dieser Zeit will ich mein Gesetz in ihr Herz geben und in ihren Sinn schreiben. Sie sollen mein Volk sein, und ich will ihr Gott sein.“ Das „Ich will“ wiederholt sich vielfach und zeigt Gottes Willen, uns zu erquicken.
Es wird keiner mehr den anderen lehren und sagen müssen: „Erkenne den Herrn!“, sondern sie sollen mich alle erkennen, beide Klein und Groß, spricht der Herr. Denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben und ihrer Sünde nimmermehr gedenken.
Der neue Bund ist neu, weil Israel bisher den Bund gebrochen hat – das macht Vers 32 ganz deutlich: „Sie haben ihn nicht gehalten.“ Deshalb schließt Gott einen neuen Bund und macht es noch einmal fest.
Auch inhaltlich ist der neue Bund anders. Es wird keine große Lehre mehr nötig sein. Vielleicht halten wir heute viel zu viele Bibelstunden und Vorträge. Viel wichtiger ist die Frage: Was hat der Herr hier erschlossen? Lasst uns daran teilhaben!
Sie sollen mich alle erkennen, beide Klein und Groß, spricht der Herr, denn ich will ihnen ihre Missetat vergeben.
Christus als Mittler und das Mahl des neuen Bundes
Was hat jetzt die Erkenntnis Gottes mit der Sünde zu tun, sodass Missetat vergeben wird?
Dritter Punkt: Mein erster Punkt war, dass die Lage so verfahren ist, dass Fürbitte verboten wird. Es geht um den Triumph des Erbarmensgottes. „Ich muss mich deines erbarmen“, sagt Gott, und so stieß er einen neuen Bund an.
Drittens musste Christus leiden, damit dieser Bund in Kraft tritt.
Als Theologen haben wir die Fragestellung gelernt: War Jesu letztes Mahl ein Passamahl? War es ein essenisches Passamahl? Vielleicht lässt sich der Termin nicht mit der johannäischen Zählung zusammenbringen, nach der Jesus am Karfreitag, wenn die Passalämmer geopfert werden, gestorben ist. War es ein Passamahl? War es ein eschatologisches Mahl? War es ein Gemeinschaftsmahl mit Sündern? „Einer unter euch wird mich verraten.“ Und sie fingen alle an zu sagen: Herr, war es ein Gemeinschaftsmal mit Versagern?
Otto von Proksch, der große souveräne Ausleger des Alten Testaments, der leider nicht viel mehr geschrieben hat als seine unüberbietbare Theologie des Alten Testaments, hat uns klargemacht, dass „beriet bunt“ von einem altaramäischen Wort kommt, das eigentlich schon „Mahlzeit“ heißt – Bundesmahlzeit.
Das Entscheidende ist die Mahlzeit. Die ältesten Israels aßen vor Gott beim Sinai-Bund. Es wird das Opfertier gegessen, das geschlachtet ist, weil vorher Versöhnung nötig ist. Man kann sich nicht einfach bloß an den Tisch setzen und sagen: „Wir haben einander so lieb.“ Das versöhnende Opfer wird beim Mahl gegessen.
Jetzt weiß ich immer nicht, warum die Einsetzungsworte des Abendmahls, ob lucanisch, bei Paulus oder Matthäus, nicht einfach nur den Schluss zulassen, dass es in erster Linie kein Passamahl ist, auch nicht in erster Linie ein Mahl mit Sündern. Es hat eine logische Verbindung: Christus tritt in Kraft. Er ist mit seinen Sündern vorauslaufend mein Leib und mein Blut, das einen Tag später geopfert wird zur Versöhnung, weil ich ihnen ihre Missetat vergeben will und jetzt Gemeinschaft mit mir gewähren will.
Im Hebräerbrief wird ja diese ganze Passage von Jeremia 31 nochmals aufgenommen, Wort um Wort (Hebräer 8). Dann kommt Kapitel 9, in dem es immer wieder heißt: „Es musste so sein“, es war notwendig (dai, ananke), dass Jesus gestorben ist. „Wo ein Testament ist, da muss der Tod dessen erfolgen, der das Testament gemacht hat.“ Christus musste leiden, damit der neue Bund in Kraft tritt nach diesen Tagen.
Der neue Bund als Quelle der Erneuerung und Erkenntnis
Und haltet euch dafür, liebe Schwestern und Brüder: Nicht, dass wir leider bloß älter werden, sondern dass wir im neuen Bund sind und dass jeder Tag, der uns geschenkt wird, erfüllt sein kann von dem Erkennen des Herrn. So werden uns noch ganz andere Durchblicke geschenkt.
All das, was wir bisher von Gott erkannt haben: Gott ist das Größte, das Schönste und Beste. Gott ist das Süßeste und Allergewisste, von allen Schätzen der edelste Hort. Das kann nur noch überboten werden.
Der neue Bund ist in Kraft, so dürfen Sie morgens den Tag beginnen: Herr, der Bund gilt doch, du hast ihn durch deinen Tod eröffnet. Und jetzt, wenn auch der äußere Mensch verfällt, lass mich es erleben, dass der innere von Tag zu Tag erneuert wird. Dass ich Erkenntnis habe, lass mich den Vater kennen und wohl dazu auch seinen lieben Sohn.
Nötig für den Bund ist Kraft, weil die Blindheit weggenommen ist, die Sünde (vgl. 1. Korinther 1). Weil die Welt, umgeben von der Weisheit Gottes, in ihrer Weisheit Gott nicht erkannte, und weil wir blind sind für Gott, ist uns Gott gemacht zur Weisheit, von Gott gemacht zur Heiligung, zur Erlösung.
Die Blindheit, die Israel widerfahren ist, die Geisterbetäubung, die ausgegossen ist – wie gestern Abend in Winterbach gefragt wurde. Es ging um die Bibel, was die Bibel eigentlich will. Da hat der Chefarzt Doktor Weber gesagt: Wie kommt es denn, dass wir oft über Bibelabschnitte hinweglesen?
Gut, es kommt daher, weil wir schnell Leser geworden sind. Wir müssen es auch wieder üben, genau hinzuhören. Aber auch, weil es die Geisterbetäubung gibt.
Wir gehen in einen Gottesdienst und sagen: Herr, gib mir dein Wort, dass ich etwas mitnehme. Und am Schluss gehe ich raus und denke: Jetzt habe ich eigentlich nichts mitbekommen, außer dass die Orgel einen Vers zwiefach gespielt hat.
Und wir nehmen uns vor, mit Theosorg zu sagen: Herr, ich möchte heute Mittag um zwölf noch die Losung wissen. Und wenn wir es uns vornehmen, sagen wir um zwölf: Da kam irgendwas von Gott vor, gell – Geist der Betäubung.
Es ist der neue Bund, dass Gott uns befreien kann vom Geist der Betäubung, uns freimachen kann.
Es gehört zum Schuldigsein des Menschen, dass er durchbleibt. Der neue Bund ist in Kraft. Christus musste leiden, damit der neue Bund in Kraft tritt.
Wenn man etwas bei Jeremia lernen kann, eine Spur, die zu Jesus hinführt, dann hier zum neuen Bund, dass es Erkenntnis Gottes gibt.
Die Erkenntnis der Wahrheit durch Christus als Mittler
Ein letztes, viertens: Der neue Bund. Paulus hat es komprimiert und genial in den Satz gefasst, der uns wohlbekannt ist, 1. Timotheus 2: „Gott will, ich will“ – hier kommt wieder zum Ausdruck, was Gott will. Was will er denn? Dass allen Menschen geholfen wird, nämlich indem sie zur Erkenntnis der Wahrheit kommen.
Denn es ist ein Gott und ein Mittler – eine geheime Kritik am Ose –, nicht mehrere Mittler. Ein Mittler zwischen Gott und Menschen ist der Mensch Jesus Christus, der sich für alle gegeben hat zur Erlösung.
Erlösung hängt eng damit zusammen, dass auch unsere Augen und unser Herz frei werden, Gott zu erkennen. So zu erkennen, dass Paulus den Römern schreiben kann: „Ich muss euch nicht viel schreiben, was Christen machen und was sie lassen sollen. Erneuert euch durch Erkenntnis eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was Gott wohlgefällig ist, das wisst ihr selbst.“ Erkennend, was wohlgefällig dem Herrn ist, aber auch erkennend, woran Gott Freude hat.
Wir haben gestern noch einmal von der Bekehrung gesprochen. Erkennt doch das: Jesus sagt dreimal in den Gleichnissen vom verlorenen Schaf, vom verlorenen Groschen und vom verlorenen Sohn, dass es Freude sein wird vor den Engeln Gottes.
Begreift doch mal, was vor Gott wichtig ist: nicht, wie die Kirchensteuer gleichmäßig verteilt wird, sondern ob Menschen auch zu Gott finden – Erkenntnis Gottes.
Auf ihm wird ruhen der Geist, und jetzt sollte man sagen, der Kraft. Die Erkenntnis ist das Erste, denn unsere Sinne sind wie verschlossen für das, was vor Gott wichtig ist und was ihm Freude macht.
Herr Oettinger hat gesagt: „Gott dienen ist Freiheit.“ Befreit werde man von allem, was einen sonst von Gott wegzieht.
Das Gebet ist doch keine Pflicht, sondern die Möglichkeit, vor den Vater zu treten und mit ihm sprechen zu dürfen. Es hängt alles mit der Erkenntnis Gottes zusammen.
Bibellesen ist nicht nur eine christliche Pflicht, sondern es ist ein Geschenk, dass wir überhaupt lesen dürfen. Es hängt mit unserer Erkenntnis zusammen, dass wir überhaupt den richtigen Blick haben.
Johannes 17: „Vater, es kommt die Stunde, die Stunde ist da, die Stunde des Leidens. Verherrliche du den Sohn.“ Das ist aber das ewige Leben: dass sie dich, der du allein wahrer Gott bist, und deinen Sohn, den du gesandt hast, erkennen – was wir an Jesus haben und was wir am Vater haben.
Die Fürbitte Christi und der geistliche Aufbruch der Kirche
Liebe Geschwister, lasst uns die Tage, die uns geschenkt sind, voll ausnutzen und zugleich daran denken: Der Hebräerbrief macht uns klar, dass Christus leiden musste, damit der neue Bund erfüllt wird und er zu seiner Herrlichkeit eingeht.
Worin besteht die Herrlichkeit Jesu? In Hebräer 9 lesen wir, dass er vor dem Vater steht und für uns eintritt. Das große, fähige Gebet: „Vater, ich bitte dich, dass sie das wahre Leben bekommen und dich erkennen können, dass du mich verherrlichst“, steht im sogenannten hohenpriesterlichen Gebet. Dieses Gebet zeigt uns, dass wir erkennen dürfen – auch wenn mein kleines, stotterndes Gebet nur ein Einschwingen in die Fürbitte ist, die Jesus schon heute Morgen, lange bevor ich aufgewacht bin, vor den Vater gebracht hat.
Er ist vor dem Vater und tritt für uns ein – der große, fürbittende Hohepriester. Wir sollen erkennen, woran er Freude hat: an dem Glauben, der ihm aufs Wort vertraut, wie es in Römer 4 beschrieben ist. Jetzt traue ich dir einfach zu, lieber Vater im Himmel, dass du auch unserer lieben württembergischen Kirche noch einmal einen geistlichen Aufbruch schenken kannst.
Ich möchte dir zutrauen, dass du Menschen erwachsen lässt, von denen etwas ausstrahlt. Wenn das Reich Gottes schon wie ein Sauerteig ist, der sich unter eine große Masse mischt und sie durchdringt, dann dürfen auch wir so ein Sauerteig sein.
Vater, ich erkenne, dass das wahr ist, was dein Sohn gesagt hat: Er hört nicht auf, guten Samen aufs Land zu werfen, auch wenn drei Viertel verloren zu gehen scheinen. Doch ein Viertel bringt Frucht, gute Frucht. Lass uns nicht nur das sehen, wo verdorbene Erde ist, wo verbrannte Erde ist und wo es keinen Wert hat, sondern auch das erkennen, wo du Frucht wachsen lässt.
Erkenne, was Gott tut. Wie es beim Terzsteckenlassen heißt: „Und dich wirken lassen.“ Schaffe es mir, Herr, du kannst so viel tun. Darf ich mit ihnen beten: Herr Jesus Christus, wir staunen nicht nur darüber, sondern wir beten dich an in großer Dankbarkeit, dass du den neuen Bund, den Gott längst vorbereitet hat, in Kraft gesetzt hast.
Jetzt lass uns nicht fragen: Wo denn? Wo erkennen die Menschen Gott? Ach, sie erkennen es an vielen Stellen – in Kasachstan, in Petersburg, in Kiew und hoffentlich auch bei uns. Bei jungen Theologen und alt gewordenen Pfarrern, bei unseren Gemeindegliedern. Sie erkennen nicht nur Probleme und Strukturdiskussionen, sondern dass du etwas wirken willst.
Du willst den neuen Bund in Kraft haben. Du willst Missetat vergeben, Blindheit wegnehmen und uns kräftig und stolz machen in der Gewissheit dessen, was du einzigartig wirkst. Amen.