Einführung in die Heilungsgeschichte des Hauptmanns
Gott wird Mensch: Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter, Weg, Wahrheit und Leben ist.
Episode 249: Der Glaube des Hauptmanns, Teil I.
Wir beschäftigen uns heute mit einer Geschichte, die von der Heilung eines Dieners handelt. Zunächst möchte ich euch den Anfang dieses Heilungswunders aus zwei verschiedenen Evangelien vorlesen. Bitte achtet auf die Unterschiede.
Matthäus 8,5-8:
Als er aber nach Kapernaum hineinkam, trat ein Hauptmann zu ihm, der ihn bat, und sprach: Herr, mein Diener liegt zuhause gelähmt und wird schrecklich gequält.
Und Jesus spricht zu ihm: Ich will kommen und ihn heilen.
Der Hauptmann aber antwortete und sprach: Herr, ich bin nicht würdig, dass du unter mein Dach trittst, aber sprich nur ein Wort, und mein Diener wird gesund.
Das war der Bericht, jedenfalls der Anfang davon, nach Matthäus. Nun dasselbe Ereignis nach Lukas.
Lukas 7,1-6:
Nachdem er alle seine Worte vor den Ohren des Volkes vollendet hatte, ging er hinein nach Kapernaum.
Eines Hauptmannsknecht aber, der ihm wert war, war krank und lag im Sterben.
Als er von Jesus hörte, sandte er Älteste der Juden zu ihm und bat ihn, dass er komme und seinen Knecht gesund mache.
Als diese zu Jesus kamen, baten sie ihn inständig und sprachen: Er ist würdig, dass du ihm dies gewährst, denn er liebt unsere Nation, und er selbst hat uns die Synagoge erbaut.
Jesus aber ging mit ihnen.
Als er schon nicht mehr weit von dem Haus entfernt war, sandte der Hauptmann Freunde zu ihm und ließ ihm sagen: Herr, bemühe dich nicht, denn ich bin nicht würdig, dass du unter mein Dach trittst.
Analyse der Unterschiede in den Evangelien
Habt ihr den wesentlichen Unterschied bemerkt? Dass es sich tatsächlich um dieselbe Geschichte handelt, wird ganz klar, wenn man weiterliest.
Worin besteht also der Unterschied? Bei Matthäus tritt ein Hauptmann an Jesus heran und bittet ihn, seinen Diener zu heilen. Es ist der Hauptmann selbst, der zu Jesus sagt: „Herr, ich bin nicht würdig, dass du unter mein Dach trittst.“
Bei Lukas sieht die Sache ganz anders aus. Der Knecht ist immer noch krank, und der Hauptmann ist weiterhin um das Leben seines Dieners besorgt. Doch diesmal schickt er die Ältesten der Juden zu Jesus. Dasselbe Anliegen wird vorgetragen, aber nicht vom Hauptmann selbst, sondern von einer Abordnung von Honoratioren aus Kapernaum.
Als Jesus sich aufmacht und auf dem Weg zum Haus des Hauptmanns ist, kommen ihm die Freunde des Hauptmanns entgegen. Sie richten ihm aus: „Herr, bemühe dich nicht, denn ich bin nicht würdig, dass du unter mein Dach trittst.“
Versteht ihr den offensichtlichen Unterschied? Bei Matthäus kommt der Hauptmann selbst, bei Lukas sieht es so aus, als hätte er die Ältesten der Juden beziehungsweise seine Freunde geschickt.
Wie passt das zusammen? Oder handelt es sich hier um einen Widerspruch, mit dem man leben muss? Nein, das muss man nicht.
Kulturelle Hintergründe zur Darstellung der Handlung
Die Frage lautet: Wer ist gekommen? Der Hauptmann oder die Ältesten beziehungsweise seine Freunde? Die Antwort ist einfach: Gekommen sind die Ältesten und seine Freunde.
Aber warum schreibt Matthäus dann, dass der Hauptmann mit Jesus gesprochen hat, wenn er doch gar nicht selbst mit ihm geredet hat? Die Antwort auf diese Frage hängt mit der damaligen Kultur zusammen.
Es gibt einen signifikanten Unterschied zu heute. Im Denken der damaligen Zeit machte es keinen Unterschied, ob ich selbst etwas tue oder jemanden beauftrage, in meinem Namen etwas zu tun. Immer dann, wenn ich jemanden als meinen Repräsentanten beauftrage, spielt es im Denken der Antike keine Rolle, wer tatsächlich auftritt. Denn immer ich bin es, der spricht – selbst dann, wenn in Wirklichkeit ein anderer in meinem Namen das Reden übernimmt.
Das klingt für uns heute etwas ungewöhnlich, war aber kulturell in der damaligen Zeit völlig normal. Dies lässt sich sowohl in außerbiblischen Texten als auch in biblischen Texten belegen. Hier ein ganz offensichtliches Beispiel: Johannes 19,1.
Dort heißt es: „Dann nahm nun Pilatus Jesus und ließ ihn geißeln.“ So wird das hier völlig richtig übersetzt. Wörtlich steht dort jedoch: „Dann nahm nun Pilatus Jesus und, Achtung, geißelte ihn.“ Das ist die wörtliche Übersetzung.
Natürlich hat Pilatus Jesus weder angefasst noch eigenhändig ausgepeitscht. Schon der nächste Vers macht klar, wer diesen Job übernommen hatte: Johannes 19,2.
Dort steht: „Und die Soldaten flochten eine Krone aus Dornen und setzten sie auf sein Haupt und warfen ihm ein Purpurgewand um.“ Pilatus hatte nur den Befehl zur Geißelung gegeben.
Aber eine Handlung, die von einem Amtsträger veranlasst wird – und nichts anderes ist auch der Hauptmann –, wird der veranlassenden Person zugeschrieben. Deshalb steht hier: Pilatus geißelte Jesus.
Ich glaube, wir haben das bis hierhin verstanden.
Unterschiedliche theologische Schwerpunkte der Evangelisten
Jetzt könnte man sich die Frage stellen, warum Matthäus die Erzählung von der Heilung des Dieners kürzt, während Lukas sie näher an den ursprünglichen Ereignissen darstellt. Die Antwort, wie Sie sicher schon ahnen, hängt mit der Eigenart von Erzähltexten zusammen.
Wenn jede Erzähleinheit ihren Höhepunkt hat, wird sie nicht mit dem Ziel erzählt, die Abläufe exakt wiederzugeben. Vielmehr dient die Erzählung dazu, eine theologische Wahrheit zu vermitteln. Das heißt: Auch wenn es sich um historische Begebenheiten handelt, wird die Geschichte so erzählt, dass sie als Transportmittel für diese Wahrheit fungieren kann.
Wenn also Matthäus und Lukas dieselbe Geschichte unterschiedlich erzählen, dann deshalb, weil sie verschiedene Schwerpunkte setzen wollen. Beide Evangelisten behandeln das Thema Errettung, genauer gesagt: Errettung durch Glauben.
Lukas betont durch den Aufbau seiner Erzählung, wie viel Gutes der Hauptmann getan hat. In seinem Bericht ist der Glaube stark davon getrennt, gute Werke zu leisten. Der Hauptmann hätte sich darauf etwas einbilden können, dass er sogar eine Synagoge erbaut hat, tut dies aber nicht. Die Botschaft lautet hier, dass gute Werke kein Ersatz für Glauben sind. Glaube beginnt dort, wo man sich seiner eigenen Unwürdigkeit bewusst wird – trotz aller guten Taten. Diese universelle Botschaft passt gut zu den heidnischen Empfängern des Lukasevangeliums. Sie ist eine Botschaft, die wirklich jeder Mensch verstehen muss.
Matthäus hingegen lässt die guten Taten des Hauptmanns unerwähnt. Er betont stattdessen, dass im Reich Gottes viele Heiden sein werden, während Israel als Volk Gottes die Chance weitgehend verpasst hat – nämlich die Chance, durch Glauben gerettet zu werden. Diese Tatsache hebt Matthäus hervor, weil seine Leserschaft überwiegend jüdische Wurzeln hat.
Matthäus und Lukas sprechen also beide über Errettung durch Glauben, doch der Schwerpunkt ist unterschiedlich. Während Lukas betont, was alle Menschen über rettenden Glauben verstehen müssen, warnt Matthäus explizit seine jüdischen Zeitgenossen davor, diese einmalige Chance auf Errettung zu verpassen.
Abschluss und Ermutigung
Was könntest du jetzt tun? Du könntest dir überlegen, welche scheinbaren Widersprüche in der Bibel dir Kopfzerbrechen bereiten. Manchmal sind die Antworten darauf gar nicht so schwer zu finden.
Das war's für heute? Menschen in der Gemeinde können frustrieren. Nimm dir heute vor, allen Groll über dummes und unsensibles Verhalten von Geschwistern bei Gott abzugeben.
Der Herr segne dich, erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.