Rückblick auf die Verbindung von Zeugnis, Leben und Evangelisation
Guten Morgen, liebe Geschwister. Habt ihr alle wieder den Umdruck vor euch oder zumindest in Reichweite? Gestern Abend sind wir bis Seite sechs gekommen, wenn ich mich richtig erinnere. Bitte schaut noch einmal nach, ob irgendwo jemand fehlt.
Ich habe überlegt, dass ich nicht alles von gestern wiederholen muss, aber vielleicht noch einmal diesen Gedanken, der auch in der kurzen Einführung angesprochen wurde: Wir haben gestern Abend gesehen, dass Zeugnis, Sein, das Leben in Christus und Evangelisieren untrennbar miteinander verbunden sind. Wie wir an dieser Folie gesehen haben, bereitet das Zeugensein den Boden vor. Die Menschen sehen unser Leben.
Wir sind oft die einzige Bibel, die von den Ungläubigen gelesen wird. Leider lesen sie die Bibel noch nicht. Aber sie sehen das Leben von Christen, und das kann in ihnen Interesse wecken. Sie erkennen, dass wir anders sind. Sie wollen nicht unbedingt sehen, dass wir genauso sind wie sie und alles mitmachen, was sie tun.
Natürlich stößt es sie manchmal auch ab, wenn wir Dinge nicht tun, die sie tun. Das kann auch mal Konflikte geben. Aber insgesamt haben sie Hochachtung davor. Das sagen sie nicht immer offen, aber im Herzen schätzen sie es sehr, wenn Menschen den Mut haben, anders zu sein und gegen den Strom zu schwimmen. Das beeindruckt.
So wollen wir durch unser Leben den Grund legen, wir wollen pflügen und dann, wo wir Gelegenheit haben, mit dem Wort säen – sei es mit der Schrift oder mit elektronischen Medien, die geeignet sind. So wollen wir das Evangelium weitergeben und, wenn Gott es schenkt, eines Tages auch ernten.
Wir haben gestern drei Arten von Evangelisation kennengelernt. Damit haben wir fast abgeschlossen: die proklamierende Evangelisation und die konfrontative Evangelisation, mit der wir uns heute Morgen beschäftigen werden. Diese zeichnet sich durch große Dringlichkeit aus. Man bezeugt das Evangelium und sagt dem Hörer, dass er sich bekehren muss.
Die dritte Art ist die beziehungsaufbauende Evangelisation. Auch darüber werden wir heute intensiv nachdenken. Hier ist die menschliche Beziehung der bestimmende Faktor. Über diese Brücke soll das Evangelium transportiert werden.
Zum Schluss haben wir noch die Offenbarung Gottes betrachtet, die allgemeine Offenbarung Gottes. In der Schöpfung hat jeder Mensch zumindest diese beiden Aspekte: die Schöpfung selbst und das Gewissen. Auch die Geschichte Israels ist vielen Menschen auf der Erde bekannt. Sie wissen, dass Israel ein besonderes Volk ist, eben das Volk Gottes.
Aber all das muss hinführen zur besonderen Offenbarung. Durch die allgemeine Offenbarung kann man noch nicht zum Glauben kommen, zum Heilsglauben. Man kann den Schöpfer erkennen und auch eine gewisse Gottesfurcht entwickeln, aber eben noch nicht den rettenden Glauben an Jesus Christus.
Dazu brauchen wir die Bibel und den Herrn Jesus selbst, den wir in der Bibel kennenlernen.
Einführung in die postmoderne Gesellschaft und ihre Herausforderungen
So weit waren wir gekommen, und dann haben wir eine Zäsur gemacht. Jetzt folgt ein ganz neuer Gedankengang. Ich hoffe, ihr seid alle wach, denn jetzt müsst ihr für ein paar Minuten euren Geist auf den vierten oder fünften Gang schalten. Manche Autos haben sogar einen sechsten Gang.
Ihr müsst wirklich gut aufpassen. Aber keine Sorge: Ich bin auch keine große Leuchte. Die Dinge, die ich verstanden habe, werdet ihr ganz sicher auch verstehen. Da müsst ihr keine Angst haben.
Es geht um den Menschen, den wir heute vor uns haben, mit dem wir zu tun haben: den Menschen in der sogenannten postmodernen Gesellschaft. So nennt man unsere Zeit inzwischen. Lange Zeit sprach man von der Moderne.
Die Moderne begann grob gesehen, als Galileo und Kopernikus das heliozentrische Weltbild aufstellten. Sie erkannten, dass die Sonne im Mittelpunkt steht und nicht die Erde. Naturwissenschaftlich und geistesgeschichtlich gesehen begann die Moderne damals.
Ein weiterer wichtiger Moment war, als ein kleiner Mönch namens Martin Luther auf dem Reichstag zu Worms, nicht weit von hier, gegen eine Weltmacht aufstand. Er stand alleine da und sagte: „Hier stehe ich, hier trotze ich, Gottes Wort stehe mir bei, ich kann nicht anders.“
Als er als Individuum gegen die große römische Weltmacht aus Staat und Kirche aufbegehrte, war das der eigentliche Beginn der Neuzeit, der Moderne.
Seit 1989, einem Jahr, das die meisten von uns miterlebt haben, spricht man von der Postmoderne. Das geschah nicht sofort am ersten Tag, aber die Ereignisse dieses Jahres haben unsere Welt so stark verändert, dass man inzwischen von einem neuen Zeitabschnitt spricht.
Diese Veränderung ist eng verbunden mit der digitalen Revolution, die ich gestern Abend schon erwähnt habe.
Bildhafte Darstellung des postmodernen Wahrheitsverständnisses
Nun, im Winter 1986 war es in Holland, unserem Nachbarland, außerordentlich kalt – nicht nur dort, sondern auch hier in Deutschland und Österreich. Ich weiß genau, ich hatte meine Verlobte in Österreich besucht und kam dann zurück. Auf einer Strecke von mehreren hundert Kilometern standen sämtliche Lastwagen und alle Diesel-Pkw rechts auf der Autobahn, weil der Diesel eingefroren war. Es war minus 26 Grad, und der Diesel war damals noch nicht so gut wie heute. Alle Lkws standen still, und wir sind mit einem Passat GLI mit 200 Stundenkilometern an ihnen auf der linken Seite vorbeigerauscht. Das werde ich nie vergessen.
So haben wir eine furchtbar kalte Zeit erlebt. Sibirische Kälte herrschte in Mitteleuropa, und das große Eiselmeer in Holland fror zu. Innerhalb weniger Tage war es zugefroren, und das gefiel den Leuten natürlich. Sie liefen darauf Schlittschuh.
Am 17. Februar nachmittags 1986 trennte sich plötzlich eine große Eisscholle. Es setzte wieder Tauwetter ein, und eine riesige Eisscholle von mehreren Quadratkilometern Größe brach einfach am Ufer ab. Während viele junge und alte Leute in fröhlicher Stimmung darauf Schlittschuh liefen, bemerkten sie gar nicht, dass das Eis in Bewegung geraten war. Die große Scholle – nicht so klein wie hier zu sehen, aber ich habe keine andere Scholle gefunden, die ich zeigen könnte – brach vom Festland ab.
Die Leute waren ganz erstaunt, als die Polizei sie warnte und sie später mit Hubschraubern von der Scholle holen musste. Teilweise waren sie sogar ärgerlich, weil sie die Gefahr nicht erkannt hatten. Sie waren abgebrochen vom Festland und schwammen auf einer riesigen Eisscholle auf dem Eiselmeer.
Warum erzähle ich das? Früher glaubte man an absolute Wahrheit und feste Werte. Jahrhundertelang war es selbstverständlich, dass es eine absolute Wahrheit gibt. Man bewegte sich, bildlich gesprochen, auf festem Boden, hatte festen Boden unter den Füßen. Aber für den heutigen postmodernen Menschen stehen Begriffe wie Wahrheit und Werte nicht mehr in Verbindung zu einer letzten, universalen, alles tragenden Wahrheit.
Was heute unter Wahrheit verstanden wird, sind eigentlich schwimmende Eisschollen. Dieses Bild ist gar nicht so schlecht: Jeder hat heute seine eigene Scholle. Wir leben nicht mehr auf einer großen Scholle, die uns alle verbindet und im Blick auf Wahrheit und Werte alles gemeinsam definiert. Jeder hat seine eigene Scholle. Du glaubst das, okay, das gestehe ich dir zu, kannst du ruhig glauben, aber lass mich bitte damit in Ruhe.
Dieses Bild steht für das postmoderne Wahrheitsverständnis: Jeder hat seine eigene Wahrheit, seine eigene Scholle. Man ist abgebrochen vom Festland und schwimmt.
Wie ist es dazu gekommen? Machen wir einen kleinen Exkurs. Habt ihr einen Ausdruck hier, eine Mappe? Irgendwo gibt es noch welche. Lasst euch so eine Mappe aushändigen, dann könnt ihr das mitverfolgen. Wir sind auf Seite sieben.
Also, ein kleiner Exkurs: Ich bin kein Philosoph, habe keine Philosophiegeschichte studiert, aber es hat mich immer interessiert. Ich habe viel darüber gelesen, vor allem bei Francis Schäfer und anderen Experten. Man kann es so zusammenfassen – das ist jetzt sehr grob und holzschnittartig.
Ich möchte etwas sagen über das Wahrheitsverständnis der Aufklärung. Bis zur Aufklärung glaubte man einfach an die Wahrheit. Es gab eine absolute, feste Wahrheit, oft verbunden mit der Bibel. Dann kam die Aufklärung, und seitdem spricht man von drei verschiedenen Wahrheiten.
Wahrheiten wurden in drei Bereiche aufgeteilt: philosophische Wahrheit, naturwissenschaftliche Wahrheit und religiöse Wahrheit.
Philosophische Wahrheit wird durch Denken erlangt. Kluge Menschen, meistens Männer – Philosophinnen gab es im Altertum nicht – dachten nach und erkannten bestimmte Wahrheiten über das Sein, das Leben, Religion, Gott und die Welt. Das wurde zur philosophischen Wahrheit. Die großen Philosophen des Altertums waren Sokrates, Platon, Aristoteles und einige andere griechische Philosophen.
Dann gibt es die naturwissenschaftliche Wahrheit. Die Naturwissenschaft erwachte im Mittelalter und wird erlangt durch Beobachten, Forschen und Messen. Beispiele sind Isaac Newton, ein gottesfürchtiger Naturwissenschaftler, oder Blaise Pascal in Frankreich. Auch ungläubige Naturwissenschaftler haben beobachtet, geforscht und gemessen.
Der dritte Bereich ist die religiöse Wahrheit. Hier ist übernatürliche Offenbarung erforderlich. Man braucht ein Buch, eine Bibel, die angeblich inspiriert sein soll, einen Koran, den Mohammed von Allah diktiert bekommen hat, ein Buch Mormon, das vom Himmel gefallen sein soll, oder andere religiöse Schriften. Für aufgeklärte Menschen stehen all diese Bücher auf derselben Stufe – Koran, Bibel, Buch Mormon, hinduistische Veden, buddhistische Bhagavad Gita – alles in einen Topf geworfen. Das wird abgelehnt, denn dazu ist übernatürliche Offenbarung erforderlich.
Besondere Offenbarung haben wir gestern Abend gelernt und eben in der Wiederholung gehört. Wenn heute jemand sagt, er glaube an die Wahrheit, kommt sofort die Rückfrage: Welche Wahrheit meinst du? Vielleicht nennt der Betreffende nicht gleich die drei Bereiche, aber er fragt zurück: Welche Wahrheit glaubst du?
Wahrheit steht heute immer im Plural. Heute gibt es Wahrheiten, aber nicht mehr die eine Wahrheit. Archimedes sagte noch: „Gib mir einen festen Punkt, und ich hebe die Welt aus den Angeln.“ Man glaubte noch an einen festen Punkt, an absolute Wahrheit. Heute sind es Wahrheiten im Plural.
Das war also in der Aufklärung die große Wende im Wahrheitsverständnis. Dann hat noch jemand einen entscheidenden Beitrag geleistet, dass die Welt so ist, wie sie heute ist – geistesgeschichtlich: der deutsche Philosoph und Geschichtsphilosoph Georg Wilhelm Friedrich Hegel.
Was für schöne Namen: Georg Wilhelm Friedrich Hegel lebte von 1770 bis 1831. Seine Philosophie nennt man heute Geschichtsphilosophie. Das, was ich sage, ist ganz vereinfacht, aber so können wir es am besten verstehen.
Hegel hat die Geschichte der letzten Jahrtausende angeschaut und gesehen: Irgendwann stand jemand auf und gab eine Behauptung ab, eine These: A ist wahr. Diese Behauptung galt 100, 200, 300 oder 500 Jahre. Dann kam jemand und sagte: Nein, das stimmt nicht, B ist wahr. Er stellte eine Antithese auf.
Nun standen These und Antithese nebeneinander. Nachfolgende Generationen schauten sich das an, und irgendwann machte jemand aus These und Antithese eine Synthese. Diese Worte habt ihr schon gehört: These, Antithese, Synthese – das kommt von Hegel.
Er sagte, einer erkannte, dass beide ein bisschen Recht haben, und bastelte daraus eine Synthese: C ist wahr. Diese These stand dann wieder für eine Zeit. Dann kam jemand und sagte: Nein, D ist wahr. Eine Gegenthese entstand gegen die Synthese. So ging es weiter: D war wahr, dann E als Synthese, und so fort.
Das ist Hegels Geschichtsphilosophie. Diese Philosophie nennt man Relativismus. Es ist alles relativ, nichts absolut.
Ich habe meinen Kindern erklärt, was relativ ist: Wenn jemand nur noch ein Haar auf dem Kopf hat, ist das relativ wenig. Aber wenn morgen ein Haar in der Suppe ist, ist das relativ viel. Es ist immer ein Haar, aber man muss es in Beziehung setzen.
Ein Professor an einer deutschen Universität erklärte seinen Studenten Hegels Geschichtsphilosophie und zog dann den Schluss: „Meine Herren, es wackelt alles, alles schwimmende Eisschollen, kein fester Boden mehr, kein Festland.“ Abgebrochen vom Festland durch die Philosophie der Aufklärung und Hegels Geschichtsphilosophie, die tief im Denken aller aufgeklärten Menschen sitzt.
Alle, die durch das Gymnasium gegangen sind oder studiert haben, vor allem in den Geisteswissenschaften, sind mehr oder weniger durch diese Denkweise geprägt. Auch wir haben davon etwas abbekommen, selbst wenn wir an einer christlichen Schule waren. Viele von euch waren an weltlichen Schulen.
Das können wir nicht verhindern, dass solche Gedanken in unsere Köpfe gelangen. Zum Glück haben wir die Bibel, an der wir unser Denken, Erkennen und Wissen immer wieder prüfen und korrigieren können.
Für uns ist der feste Punkt das Wort Gottes, weil Gott von Ewigkeit her geredet hat. Derselbe, der die Welt geschaffen hat, hat die Bibel inspiriert. Es wird niemals einen Widerspruch geben zwischen echter gottesfürchtiger Naturwissenschaft und dem, was in der Bibel steht.
Vielleicht kennt ihr Professor Dr. Dr. Dr. Wilder-Smith, den „Wilde Schmidt“, wie ihn seine Freunde nannten. Ist der Name noch bekannt? Die Älteren kennen ihn vielleicht. Er ist vor zwanzig Jahren gestorben, und heute kennen ihn kaum noch jemand.
Vor zwanzig Jahren kannte jeder gläubige Christ in Deutschland Professor Walther Smith. Er war Engländer, hatte aber eine deutsche Frau geheiratet und sprach akzentfrei Deutsch. Er hielt oft Vorträge in Deutschland, auch an der Bibelschule der Liebenzeller Mission.
Der Wilde Schmidt sagte: Es kann keinen Widerspruch geben, weil derselbe Gott, der die Schöpfung gemacht hat, auch die Bibel inspiriert hat. Das war seine Grundlage. Deshalb hatte er große Hochachtung vor dem Wort Gottes als Naturwissenschaftler, der mehr als sechzig wissenschaftliche Veröffentlichungen und viele Bücher verfasst hat.
Gut, zurück zur Geschichtsphilosophie. „Meine Herren, es wackelt alles.“ Nun kam noch etwas hinzu: Wir haben die naturwissenschaftliche Wahrheit angesprochen. Auch dort ist einiges passiert, vor allem durch den deutschen Juden Albert Einstein.
1905 veröffentlichte der 26-jährige Albert Einstein einen Aufsatz mit dem Titel „Über die Elektrodynamik bewegter Körper“. Dieser Aufsatz brachte eine Wende in der Naturwissenschaft. Das alte newtonsche Weltbild, das mindestens zweihundert Jahre galt, wurde aufgegeben.
Man gab auf, dass Linien gerade und Abstände fest sind, dass Licht absolut ist. Man entdeckte, dass das ganze Weltall in Bewegung ist und sich sogar das Licht in einer Kurve bewegt. Zeit, Raum und Licht sind keine festen Wirklichkeiten, sondern Teil einer sich ausdehnenden Wirklichkeit. Das Weltall dehnt sich ständig aus, und wir Menschen sind mit unseren Instrumenten in diesem Raum-Zeit-Kontinuum eingeschlossen.
Diese Erkenntnis von Einstein hatte unvorstellbare Auswirkungen auf das Denken der Menschheit. Dem Menschen des 20. Jahrhunderts war plötzlich nichts mehr sicher. Wenn nicht einmal Licht absolut ist, wenn Raum und Zeit sich bewegen, dann wackelt alles – wie auf einer Eisscholle.
Dasselbe, was in den Geisteswissenschaften durch Aufklärung und Hegels Geschichtsphilosophie geschah, passierte jetzt auch in der Naturwissenschaft durch Einstein. Es war, als sei die Welt aus den Fugen geraten.
Einstein selbst wollte nie, dass seine Relativitätstheorie zur Relativierung von Wahrheit und Moral führt. Trotzdem ist es geschehen. Er äußerte mehrfach, dass seine Entdeckungen die Relativierung der Wahrheit und Moral bewirken würden.
Die Relativitätstheorie, so wurde sie später genannt (Einstein selbst benannte sie nicht so), führte dazu, dass selbst in der Naturwissenschaft, wo alles beobachtet, geforscht und gemessen wird, alles relativ ist. Nichts ist mehr absolut.
Einstein versuchte, das zu verhindern, konnte aber nicht verhindern, dass seine Entdeckungen Auswirkungen auf den Wahrheits- und Moralbegriff hatten. Alles wurde immer relativer.
Nun schwimmen wir auf der Eisscholle – wir sind in der Postmoderne angekommen.
Der Zeitkritiker Wolfgang Welsch hat die geistige Situation unserer postmodernen Gesellschaft kurz und präzise beschrieben: Fortan steht das Wort Wahrheit im Plural. Es gibt nur noch verschiedene Wahrheiten, die gleichberechtigt nebeneinander stehen. Keiner hat die eine Wahrheit, sondern jeder hat seine Wahrheit – alles kleine Eisschollen, die vom Festland abgebrochen sind.
Mir war es wichtig, dass wir das verstehen, wenn wir mit Menschen über das Evangelium sprechen und sie an die Wahrheiten Gottes heranführen wollen. Wir müssen wissen, wie sie geprägt sind, was auf ihrer „Festplatte“ im Gehirn gespeichert ist, welche Programme sofort starten, wenn wir das Wort Bibel erwähnen.
Dann geht so ein Block hoch – so etwas wie ein Pop-up-Blocker – und ein Antivirus-Programm gegen die Bibel startet im Gehirn. So müssen wir mit ihnen arbeiten, ihnen helfen und zeigen, dass sie ein falsches Programm installiert haben, das gelöscht werden muss, um mal modern zu sprechen.
Hier auf Seite sieben gibt es noch einen vierten Punkt, den ich anführen möchte. Der ganze postmoderne Relativismus hat auch das Leben der Menschen verändert. Das hat der Soziologe Gerhard Schulz sehr schön in seinem Standardwerk „Die Erlebnisgesellschaft. Kultursoziologie der Gegenwart“ beschrieben.
Er sagt: Der postmoderne Mensch möchte um jeden Preis ein schönes, interessantes, angenehmes und faszinierendes Leben führen. Leben heißt heute erleben, nicht Arbeit, Mühe, Leiden, Sparsamkeit oder Pflichtbewusstsein. Heute sind Genuss, Zerstreuung, persönliches Glück, gutes Gefühl und Innenorientierung die Lebensinhalte.
Ein Nichtchrist, der aber genau hingeschaut hat, schließt: Die Selbstentfaltungswerte haben die Werte des Pflichtbewusstseins abgelöst.
Ihr jungen Leute, eure Eltern und Großeltern sind noch von Pflichtbewusstsein geprägt, vielleicht auch einige von euch. Wir sind alle Kinder unserer Zeit, und so ist auch schon ein bisschen von dieser modernen Erlebnisgesellschaft in unser Leben gekommen.
Wir tun Arbeit nur noch widerwillig – Zimmer putzen, Hof kehren, Auto waschen, Geschirrspüler einräumen oder mit der Hand spülen – alles wird nur noch widerwillig getan. Nicht mehr mit dem Gedanken, dass das zur Pflicht des Lebens gehört und genauso sein muss wie gemütlich auf der Terrasse sitzen und sich unterhalten.
Das hat vor Gott seinen Sinn und Wert, aber bei den kommenden Generationen werden wir noch einiges erleben. Unsere Generation wird oft als „Fun Generation“ oder „Spaß Generation“ bezeichnet, wo nur noch Spaß großgeschrieben wird.
Ich habe vorhin vergessen, bei Einstein noch etwas einzublenden. Ich trage es hier nach: Der Geschichtsforscher Johnson, ein Amerikaner, dessen dickes Geschichtsbuch ich zuhause habe, sagt, Einsteins Relativitätstheorie habe, obwohl er es selbst nicht wollte, die totale Relativierung aller Werte und Wahrheiten im 20. Jahrhundert mit hervorgerufen.
Er sagt: „Wie ein Messer hat uns die Relativitätstheorie von unseren Wurzeln im jüdisch-christlichen Glauben abgeschnitten.“ Die Relativitätstheorie Einsteins zusammen mit Hegels Relativismus hat großen Flurschaden im Wahrheitsverständnis der Menschen angerichtet – ob sie es wollten oder nicht.
Jetzt fasse ich zusammen: Wir haben das Wahrheitsverständnis der Aufklärung gesehen. Philosophische Wahrheit wurde durch Hegel mit seinem Relativismus verändert. Auch philosophische Wahrheiten gelten nur für eine Zeit, dann kommt eine neue Sichtweise, und das Gegenteil wird zur Wahrheit erklärt.
Die naturwissenschaftliche Wahrheit ist auch keine absolute Wahrheit mehr. Einstein hat gezeigt, dass alles relativ ist, auch Licht, Raum und Zeit.
Bleibt nur noch die biblische Wahrheit übrig. Die wird von Leuten aus den ersten beiden Gruppen meistens abgelehnt und verächtlich gemacht.
Die biblische Wahrheit ist erstens eine geschichtliche Wahrheit, sie ist überprüfbar und verifizierbar. Stellt euch vor, in der Bibel stünden nur philosophische Gedanken, die wir nicht überprüfen könnten. Aber die Bibel ist auch ein Geschichtsbuch. Sie zeigt die Geschichte von der Schöpfung bis zur Vollendung. Die Geschichte der Völker und des Volkes Israel ist darin eingebettet, und wir können das überprüfen.
Die Bibel ist nicht abgehoben, sondern in der Zeitgeschichte verankert. Deshalb ist sie überprüfbar. Es ist nicht nur eine Theorie oder Idee in Köpfen von Menschen.
Die Bibel lehrt vernünftige Dinge, die man glauben und verstehen kann. Sie sagt nicht, dass Wasser bergauf fließt, was der Welt widersprechen würde. Die Bibel sagt, dass Gott jederzeit alle Naturgesetze außer Kraft setzen und Wunder tun kann. Das glauben wir, weil wir an einen souveränen, lebendigen Gott glauben.
Die biblische Wahrheit ist Personal. Das ist sehr wichtig im Vergleich zu anderen sogenannten Wahrheiten.
Jesus Christus sagt den bekannten Satz: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.“ Er ist die Wahrheit in Person. Wer Jesus sieht, sieht den Vater. Jesus hat die Wahrheit gelebt. Buddha hat vielleicht gesagt, „Ich suche die Wahrheit“, aber Jesus sagt: „Ich bin die Wahrheit.“
Diesen Exkurs fand ich sehr wichtig, damit wir verstehen, wie unsere Zeitgenossen geprägt sind, wenn wir ins Eingemachte gehen und konfrontative sowie beziehungsaufbauende Evangelisation betreiben.
Eine Folie noch: Das müsst ihr nicht alles abschreiben, ich habe es auch nicht in den Ausdruck genommen.
Ein Mann namens Ross Rohde, ein Amerikaner mit deutschen Vorfahren, hat sich intensiv mit dem postmodernen Menschen beschäftigt. Ich lese seine Gedanken ab.
Er spricht von Intellektuellen, gebildeten Menschen, nicht von Nachbarn oder Kollegen.
Er sagt, der postmoderne Mensch akzeptiert nicht den Missbrauch von Macht und Einfluss im Namen der Religion. Das wird heute sehr negativ gesehen, zum Beispiel im Islam, wo Religion, Staat, Macht und Gewalt untrennbar verbunden sind.
Er ist empfindlich gegenüber dem Pharisäertum derer, die behaupten, religiöse Wahrheit zu besitzen. Wenn man ihm unverblümt sagt: „Ich habe die Wahrheit erkannt“, reagiert er mit Distanz und Alarmanlage.
Er glaubt nicht an ausschließliche, absolute Wahrheit und nicht, dass eine einzige Religion alle Antworten hat.
Argumentationen gegen andere Religionen beleidigen ihn, egal welche. Wir sollten niemals Menschen gewinnen, indem wir andere Religionen schlechtmachen. Das funktioniert nicht und ist nicht redlich oder geistlich.
Er glaubt an etwas über unsere normalen Erfahrungen hinaus, an ein Jenseits oder Transzendenz. Er nennt es Spiritualität. Er glaubt, dieses Etwas in sich finden zu können, indem er nach Licht in sich sucht – ein Trugschluss, aber so sind sie geprägt.
Sie suchen in sich, nicht in einem Buch wie der Bibel. Für sie muss Spiritualität praktische Anwendung im Leben haben, was in Ordnung ist, denn geistliches Leben ist immer praktisch.
Er ist offen, jemanden als spirituellen Leiter zu haben. Wenn er jemanden trifft, der spirituell lebt, Überzeugungen hat und dafür lebt, spricht ihn das an. Er nennt diese Person spirituellen Leiter.
Das Recht, sein spiritueller Leiter zu werden, bekommt man durch Einladung, nicht durch Aufdrängen. Man muss Spiritualität im eigenen Leben zeigen, sonst wird man nicht eingeladen.
Diese Gedanken von Ross Rohde gelten für intellektuelle postmoderne Menschen. Genug von diesem schwierigen Teil – ihr habt es überstanden. Jetzt wird es leichter, verständlicher und praktischer.
Noch ein Gedanke auf Seite acht: Wie sieht die Bibel den Menschen, den Menschen aus Gottes Sicht?
Wir sind Geschöpfe Gottes, geliebte Geschöpfe. Ich hatte als Teenager ein Poster mit dem Satz von Friedrich von Bodelschwing: „Es geht kein Mensch über die Erde, den Gott nicht liebt.“ Es gibt keinen ungeliebten Menschen.
Gott liebt jeden Menschen als Schöpfergott.
Trotzdem sagt die Bibel, dass der Mensch nach dem Sündenfall böse ist den ganzen Tag. Er ist gefallen, kein Paradiesbewohner mehr, sondern Sünder, Rebell gegen Gott und seine Ordnungen. Das steckt in jedem, auch im postmodernen Menschen.
Auch wenn er intellektuell verbrämt ist und an Humanismus glaubt, ist er böse den ganzen Tag, so sagt Gott. Er hat keine Ehrfurcht vor Gott, keine Gottesfurcht.
Gottesfurcht ist heute ein großer Mangel. Sie ist keine Angst vor Gott, sondern echte Ehrfurcht vor Gott und seinem Wort. Sie bewirkt ein Zurückschrecken vor allem, was Gott nicht gefällt, und möchte Christus verherrlichen durch den Wandel. Das ist echte biblische Gottesfurcht.
Der Mensch ist tot in Sünden und Übertretungen, sagt die Bibel. Tot, nicht nur schwer verletzt, wie die römisch-katholische Kirche lehrt. Er muss von Neuem geboren werden, geistlich auferweckt werden.
„Er versteht keine geistlichen Dinge“, sagt Paulus, 1. Korinther 2,14. Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geist Gottes. Es ist, als säßen Spatzen auf einer Hochspannungsleitung. Die Spannung fließt, aber sie spüren nichts.
So ist es mit dem natürlichen Menschen. Er versteht nichts vom Geist Gottes, muss geistlich geöffnet werden.
Es gibt Menschen, die lesen die Bibel nur als Geschichtsbuch, Psychologiebuch, Religionsbuch oder Moralbuch, aber verstehen nichts von den geistlichen Dingen.
Der Mensch lebt in Rebellion gegen Gott. In Lukas 19,14 sagen die Einwohner Jerusalems über den König: „Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche.“ Das ist die Haltung des natürlichen, gefallenen Menschen.
Er will nicht, dass Gott sein Leben regiert. Er glaubt vielleicht an einen Gott irgendwo, aber nicht an den, der sein Leben bestimmt und dem er sich unterwirft. Das ist Rebellion.
Er ist ein Sklave der Sünde, sagt die Bibel, Römer 6,17. Er kann nicht heraus, ist gebunden an die Sünde.
Er ist von Satan verblendet, 2. Korinther 4. Der Teufel hat den Ungläubigen die Sinne verblendet, sodass sie das helle Licht des Evangeliums nicht sehen können.
Das Evangelium ist ein helles Licht, aber durch die Verblendung sehen sie es nicht.
Stellt euch vor, jemand wird nachts um halb drei wachgerüttelt und mit einem 2000-Watt-Strahler geblendet. Er macht die Augen auf und ist drei Tage lang blind. So hat der Teufel uns Menschen verblendet.
Das sind schwere Aussagen, und wir haben es mit solchen Menschen zu tun, wenn wir evangelisieren wollen.
Es ist ein geistliches Ringen um Menschen, die so beschrieben werden in der Bibel. Wir brauchen geistliche Waffen, um sie herauszuholen.
Die schlimmste Aussage der Bibel ist: Der natürliche Mensch ist ewig verloren vor einem heiligen Gott. Er ist getrennt von Gott durch die Sünde. Er kam so zur Welt und kann so leben, neunzig oder hundertzehn Jahre, wenn es sein muss.
Aber wenn er stirbt, setzt sich die zeitliche Trennung in eine ewige Trennung fort.
In dieser Woche wurden hier in Neuwied Menschen beerdigt, die ich nicht kenne. Sie sind ohne Gott geboren, mit dem Rücken zu Gott, haben ohne Gott gelebt, sechzig, siebzig, achtzig Jahre, und sind ohne Gott gestorben.
Man hat sie über einen Taufstein gehalten im Alter von sechs Wochen, aber das hat sie nicht errettet. Sie sind ohne Gott beerdigt worden. Vielleicht wurden sie seliggesprochen, vielleicht nicht. Sie sind ohne Gott in die Nähe der Ewigkeit gegangen.
Das ist Tatsache. Manchmal werden auch junge Leute beerdigt.
Wollen wir uns das vor Augen halten: So steht es um den Menschen aus Gottes Sicht.
Nun kommen wir zur konfrontativen Evangelisation – der Evangelisation, die im Gespräch den anderen mit dem Evangelium konfrontiert.
Schauen wir uns zunächst den säkularisierten Menschen an – den verweltlichten Menschen, der völlig in dieser Welt aufgeht.
Säkularisiert heißt verweltlicht. Er kennt Gott nicht und lebt ohne Gott.
Das ist unser Gesprächspartner.
Im Blick auf Menschen vor uns können wir drei Typen unterscheiden: den ablehnenden Menschen, den offenen Menschen und den suchenden Menschen.
Der ablehnende Mensch ist leicht zu erkennen, oft an der Körperhaltung oder am ersten Satz. Es gibt aktive und passive Ablehnung.
Frage: Was ist euch lieber, aktive oder passive Ablehnung? Daniel?
Aktive Ablehnung ist mir lieber, obwohl sie unangenehmer ist. Wenn jemand sofort sagt: „Nein, das glaube ich nicht, erzähl das jemand anderem“, dann weiß man, woran man ist.
Aktive Ablehnung ist negative Anerkennung. Mein Schwager bezeichnet sich als Atheist. Wenn es keinen Gott gibt, warum regt er sich dann auf, wenn ich ein Tischgebet spreche? Er konnte das nicht ertragen und ging raus.
Warum? Weil es negative Anerkennung ist. Er kämpft gegen die Existenz Gottes, aber er kann sie nicht wegkämpfen.
Niemand wird als Atheist geboren. Man wird zum Atheisten erzogen, durch Ideologie, politische Prägung, Bücher. Zum Beispiel in Russland wurde Religion als „Opium fürs Volk“ bezeichnet.
Aber wenn ein Flugzeug zu trudeln beginnt, fangen alle an zu beten – auch Atheisten.
Passive Ablehnung ist Gleichgültigkeit – das Schlimmste für die Evangelisation. Gleichgültig heißt: Es ist alles egal. Wolfgang Dück, der „Maschinengewehr Gottes“, sagte: Wenn alle Religionen gleich gültig sind, sind sie mir alle gleichgültig.
Da kann man keine Katze hinter dem Ofen hervorlocken. Es ist ihnen alles egal.
Der offene Mensch ist uns lieber. Es gibt echte und unechte Offenheit.
Echte Offenheit heißt, jemand ist offen für das Evangelium, nimmt ein Buch an, liest vielleicht die Bibel, besucht Veranstaltungen.
Unechte Offenheit heißt, jemand ist für alles offen, redet mit Buddhisten, Esoterikern, Satanisten – für alles offen, aber bleibt bei seiner Meinung.
Man sagt: Wer für alles offen ist, ist nicht ganz dicht.
Echte Offenheit kann zum Suchen werden, und das ist das Schönste. Suchende Menschen fangen an zu lesen, Veranstaltungen zu besuchen, Fragen zu stellen. Sie sind von Gott vorbereitet.
Nikodemus kam zu Jesus in der Nacht, suchend. Die Frau am Jakobsbrunnen war nicht suchend, aber Jesus führte sie zum Glauben.
Das ist eine Ausnahme, dass jemand durch ein einziges Gespräch zum Glauben kommt. Statistiken sagen, dass jemand 180 Kontakte mit dem Evangelium braucht, bis er sich bekehrt.
Falsches Suchen gibt es auch. Manche Menschen machen das Suchen zu ihrer Grundeinstellung, sagen: „Ich bin Suchender, aber ich will gar nicht finden, ich glaube nicht, dass es etwas zu finden gibt.“
Solche Menschen sind meist Intellektuelle und schwer zu gewinnen.
Zum Glück gibt es echte Suchende, die man erkennen kann.
Gehen wir weiter und vor der Pause behandeln wir noch: Wo steht mein Gesprächspartner?
Nehmen wir an, ihr sitzt in der Straßenbahn oder im Wartezimmer und kommt ins Gespräch. Eine Frau fragt neugierig, was ihr lest. Männer sind wissbegierig, Frauen neugierig.
Ihr sagt: „Das ist eine christliche Zeitschrift.“ Sie fragt: „Glauben Sie an Gott?“ Ihr sagt: „Ja.“
Oder ihr habt einen guten Freund, den ihr für Christus gewinnen wollt.
Die erste Frage: Wo steht mein Gesprächspartner?
Wenn ihr zum Arzt geht, erlebt ihr hoffentlich keinen, der sagt: „Ich sehe schon, was Sie haben, brauchen nichts zu sagen.“ Ein Arzt muss gründlich sein, viele Fragen stellen, untersuchen, dann eine Diagnose stellen.
So müssen auch wir gründlich sein, Oberflächlichkeit wirkt fatal.
Wir müssen Fragen stellen: „Glauben Sie an einen Schöpfergott?“ „Was halten Sie von der Bibel?“ „Glauben Sie, dass die Bibel von Gott inspiriert ist?“
Vielleicht sagt er: „Das macht mir Mühe, das zu glauben.“ Oder: „Ja, ich glaube, die Bibel ist Gottes Wort.“ Das wäre eine gute Grundlage.
Wir stellen Fragen, aber nicht gleich am Anfang, sondern behutsam.
Es gibt nur zwei Möglichkeiten: Das Reich Satans und das Reich Gottes. Licht und Finsternis. Gemeinde und Welt. Himmel und Hölle. Verloren oder gerettet. Es gibt keinen neutralen Raum oder Mittelweg.
Ich will herausfinden, ob mein Gesprächspartner im Reich Gottes ist. Jesus sagt: „Ich bin die Tür; wer durch mich eingeht, wird gerettet.“
Ich erkläre das mal mit dem Bild einer Tür. Ich frage: „Bist du durch die Tür gegangen?“ Er sagt: „Nein, es ist wie eine Drehtür, ich habe ein paar Runden gemacht.“ Ich sage: „Pass auf, dass du auf der richtigen Seite rauskommst!“
Ich stelle Fragen, um herauszufinden, ob er noch verloren ist oder gerettet.
Jetzt kommen zwei Fragen, die Kennedy-Fragen, benannt nach James Kennedy, nicht John F. Kennedy.
Er fragte:
- Haben Sie schon die Gewissheit erlangt, dass Sie in den Himmel kommen würden, wenn Sie heute noch sterben müssten?
Diese Frage stellt man behutsam, nicht plötzlich zu einer alten Dame. Man packt sie in Watte und sagt: „Stellen Sie sich vor, wir müssen alle sterben. Haben Sie die Gewissheit, dass Sie im Himmel aufwachen würden?“
Ich habe noch nie erlebt, dass jemand beleidigt reagiert hat.
Man kann diese Frage stellen, wenn man sie richtig formuliert.
Antworten sind: Ja, habe ich. Oder: Nein, habe ich noch nicht.
Ich erzähle eine Geschichte: Einmal war ich in Karlsruhe unterwegs und besuchte Leute, die früher im christlichen Jugendkreis waren, aber weggeblieben sind.
Ich klingelte bei einer jungen Katholikin, Maria Schmidt. Ich fragte sie nach der Gewissheit, in den Himmel zu kommen.
Sie antwortete: Nein, habe ich noch nicht, aber ich habe dafür gebetet, dass jemand kommt, der mir den Weg zeigt.
Bei mir ging die Alarmanlage hoch.
Ich traf mich mehrere Male mit ihr, nie alleine, immer an öffentlichen Orten. Wir lasen zusammen die Bibel. Nach etwa vier Monaten bekehrte sie sich.
In ihrer Wohnung entstand ein Hausbibelkreis, andere kamen zum Glauben, und ein Hausbibelkreis entstand mitten in dem katholischen Ort.
Alles begann mit der einen Frage: Haben Sie schon die Gewissheit, in den Himmel zu kommen?
Ich ermutige euch, solche Fragen zu stellen. Es kostet Überwindung, auch bei mir.
Ich frage Menschen oft, auch in kurzen Begegnungen, um zu wissen, wo sie stehen.
Die nächste Frage von Kennedy lautet:
- Angenommen, Sie müssten heute Nacht sterben und Gott würde Sie fragen: „Warum soll ich dich in den Himmel lassen?“
Was würden Sie antworten?
Diese Frage geht auf den Punkt. Wenn ein Mensch ehrlich antwortet, weiß man, ob er gerettet ist.
Natürlich kann er auch schwindeln, aber die Frage ist gut, weil sie nach dem Grund der Rechtfertigung fragt.
Ich habe sie oft gestellt und weiß danach meist, wo ich stehe, wenn der Betreffende ehrlich ist.
Ein paar mögliche Antworten:
„Weil ich getauft bin.“ Die Taufe rettet nicht. Keine Form der Taufe rettet, auch nicht die Kindertaufe. Nirgendwo steht in der Bibel, dass die Taufe rettet.
„Weil ich zu dieser oder jener Kirche gehöre.“ Die Kirche rettet nicht, egal welche. Wir glauben an einen allein seligmachenden Herrn, Jesus Christus.
„Weil ich mich immer bemüht habe, christlich zu leben.“ Das ist die Religion der meisten Menschen: sich strebend bemühen, ein guter Mensch sein, helfen, spenden. Das reicht nicht.
Wir können ihnen zeigen, dass die Gnade rettet, nicht die Werke.
Schlagen wir Epheser 2,8-9 auf. Diese Stelle sollten alle von euch auswendig kennen.
„Denn aus Gnade seid ihr errettet durch den Glauben, und das nicht aus euch, Gottes Gabe ist es; nicht aus Werken, damit niemand sich rühme.“
Deutlicher geht es nicht. Die katholische Lehre, dass man durch Glaube und Werke gerettet wird, widerspricht hier.
Man kann Bibelstellen benutzen, um das zu erklären.
Manchmal höre ich: „Ich habe nichts falsch gemacht.“ Das ist Selbstgerechtigkeit.
Ich war einmal perplex, als eine Frau sagte: „All das Böse, das ich getan habe, passt unter meinen rechten Daumennagel.“
Ich hätte ihr sagen sollen, dass sie sich irrt und Jesus für ihre Schuld starb.
Es gibt keinen gerechten Menschen, sagt Römer 3,23: „Alle haben gesündigt und verlieren die Herrlichkeit Gottes.“
Ich lasse dann die Bibel sprechen, nicht meine Meinung.
Wer solche Antworten gibt, offenbart sich als Nicht-Christ, der das Evangelium nicht verstanden hat.
Jetzt kommen fromme Antworten, die schwieriger zu durchschauen sind.
Manche sagen: „Ich hoffe auf die Gnade.“ Das klingt fromm, aber Hoffnung ist keine Gewissheit.
Man muss die Gnade hier erfassen, nicht erst an der Himmelstür.
Andere sagen: „Ich hoffe, dass Gott mich annimmt, wenn ich vor ihm stehe.“ Das ist falsch.
Man muss hier im Leben zu Gott umkehren.
Diese Antworten zeigen, dass der Mensch das Evangelium noch nicht erfasst hat.
Ich weiß, nur Gott sieht ins Herz. Ich kann mich irren und frage lieber noch einmal nach.
Manche denken, es sei überheblich, über den Glauben eines Menschen zu urteilen. Denkt bitte nicht so!
Älteste in der Gemeinde müssen beurteilen, ob jemand getauft wird oder aufgenommen wird.
Man darf nicht die Motive richten, aber das Leben und die Aussagen kann man beurteilen.
Wir müssen zu einem Urteil kommen, um zu helfen.
Ich will ihn nicht niederschmettern, sondern helfen.
Wie ein Arzt, der eine Diagnose stellt und dann die richtige Therapie gibt.
Wenn der Mensch Lungenkrebs hat, gibt man ihm keinen Hustensaft.
Wenn jemand sagt: „Ich glaube, dass Christus für mich gestorben ist“, sind viele zufrieden.
Das ist zwar richtig, aber Christus ist für alle Menschen gestorben, heißt das nicht, dass alle gerettet sind.
Der Schweizer Theologe Karl Barth lehrte, dass Christus am Kreuz alle bekehrt hat – das ist falsch.
Wenn jemand sagt: „Ich glaube an Jesus“, frage ich nach: Was bedeutet das?
Albert Schweitzer glaubte an Jesus als guten Menschen, aber nicht als Retter und Herrn.
Das fehlt.
Gott hat Christus für alle ans Kreuz gegeben, aber man muss das durch Umkehr und Glauben annehmen.
Das subjektive Heil ist die Heilsannahme durch Buße und Glauben.
Wenn jemand sagt: „Ich glaube an Jesus“, ist das zu oberflächlich.
Jeder gute Katholik und sogar jeder Moslem glaubt an Jesus als Person.
Man muss nachfragen: Was bedeutet das für dich?
Wir machen jetzt Pause. Es ist halb zehn, auch wenn wir etwas später angefangen haben.
Wissenschaftliche Erkenntnisse und ihre Auswirkungen auf das Wahrheitsverständnis
Ich weiß nicht, ob ihr schon von Professor Doktor Doktor Doktor Wilder-Smith gehört habt, den seine Freunde „Wilde Schmidt“ nannten. Ist der Name noch bekannt? Die Älteren kennen doch Wilder-Smith, oder nicht, Bruder Thyssen? Da bin ich aber erstaunt. So schnelllebig ist die Zeit: Der Mann ist seit zwanzig Jahren tot, und kaum jemand kennt ihn noch.
Vor zwanzig Jahren kannte jeder Gläubige in Deutschland Professor Walther Smith. Er war Engländer, hatte aber eine deutsche Frau geheiratet und sprach akzentfrei Deutsch. Er hielt oft Vorträge in Deutschland, auch an der Bibelschule, wo ich war, sowie bei der Liebenzeller Mission. Wilder Schmidt, also Wilder-Smith, sagte, es könne keinen Widerspruch geben, weil derselbe Gott, der die Schöpfung und den Kosmos gemacht hat, auch die Bibel inspiriert hat. Darauf gründete er seinen Glauben.
Darum hatte er große Hochachtung vor dem Wort Gottes – als Naturwissenschaftler, der mehr als sechzig wissenschaftliche Veröffentlichungen verfasst und viele Bücher geschrieben hatte. Er besaß drei Doktortitel.
Gut, zurück zu unserer Geschichtsphilosophie. Meine Herren, alles wackelt, und jetzt kam noch etwas Neues hinzu. Wir haben eben die philosophische Wahrheit betrachtet und gesehen, wie sie durch die Aufklärung in Richtung Relativismus verändert wurde. Jetzt haben wir auch die naturwissenschaftliche Wahrheit angesprochen, und dort ist ebenfalls einiges passiert – vor allem durch den deutschen Juden Albert Einstein.
1905, das ist noch nicht so lange her, veröffentlichte ein 26-jähriger deutscher Jude namens Albert Einstein einen Aufsatz mit dem Titel „Über die Elektrodynamik bewegter Körper“ – eigentlich müsste es „sich bewegender Körper“ heißen. Durch diesen Aufsatz kam es zu einer Wende in der Naturwissenschaft. Das alte newtonsche Weltbild, das mindestens zweihundert Jahre gegolten hatte, wurde aufgegeben.
Dieses Weltbild basierte darauf, dass Linien gerade und Abstände fest sind und dass Licht und die Lichtgeschwindigkeit als absolut galten – zumindest das Licht wurde so verstanden unter Newton. Das gab man nun auf. Man entdeckte, dass das ganze Weltall in Bewegung ist und dass sich sogar das Licht auf einer Kurve bewegt.
Man erkannte, dass Zeit, Raum und Licht keine festen Wirklichkeiten sind, sondern Teil einer sich ausdehnenden Wirklichkeit. Das Weltall dehnt sich ständig aus, und wir Menschen mit unseren Instrumenten sind in dieses Raum-Zeit-Kontinuum eingeschlossen, wie es genannt wird.
Diese Erkenntnis von Einstein, dem jungen Forscher und Gelehrten, hatte unvorstellbare Auswirkungen auf das Denken der Menschheit. Dem Menschen des zwanzigsten Jahrhunderts schien es plötzlich, als sei nichts mehr sicher. Wenn schon nicht mehr Licht, Raum und Zeit absolut sind, wenn sich alles bewegt und alles wackelt, wie auf einer Eisscholle...
Merkt ihr, dasselbe, was im Bereich der Geisteswissenschaften durch die Aufklärung und die Geschichtsphilosophie von Hegel geschah, passierte jetzt auch in den Naturwissenschaften durch Einstein. Es war, als wäre die Welt aus ihren Fugen geraten.
Was Einstein selbst nie gewollt hat, nämlich dass seine Relativitätstheorie zur Relativierung von Wahrheit und Moral führen würde, ist dennoch geschehen. Er hat es mehrfach öffentlich geäußert. Seine Entdeckungen über die Natur des Lichts und so weiter – die später als Relativitätstheorie bezeichnet wurden, obwohl er sie selbst nicht so nannte – führten dazu.
Ihr habt eben in der Philosophie den Relativismus kennengelernt: Alles ist relativ, These, Antithese, Synthese. Und jetzt gibt es die Relativitätstheorie, selbst in den Naturwissenschaften.
Dort, wo alles beobachtet, erforscht und gemessen werden kann, ist plötzlich auch alles relativ. Auf einmal war nichts mehr absolut in dieser Welt – weder im philosophischen noch im naturwissenschaftlichen Bereich.
Einstein versuchte selbst, dies zu verhindern, doch er konnte nicht verhindern, dass seine Entdeckungen Auswirkungen auf den Wahrheitsbegriff und den Moralbegriff hatten. Alles wurde immer relativer.
Und jetzt schwimmen wir auf der Eisscholle, denn inzwischen sind wir in der Postmoderne angekommen.
Geistige Situation der Postmoderne und ihre Auswirkungen auf den Glauben
Der Zeitkritiker Wolfgang Welsch hat die geistige Situation unserer postmodernen Gesellschaft kurz, aber präzise mit einem Satz beschrieben: Fortan steht das Wort Wahrheit im Plural, in der Mehrzahl, wie ich eben schon zitiert habe. Das heißt, es gibt nur noch verschiedene Wahrheiten, die gleichberechtigt nebeneinanderstehen. Keiner hat die eine Wahrheit, sondern jeder hat seine Wahrheit – alles kleine Eisschollen, die vom Festland abgebrochen sind.
Mir war es wichtig, dass wir das verstehen, wenn wir jetzt daran gehen, mit Menschen über das Evangelium zu sprechen und sie an die Wahrheiten Gottes heranzuführen. Wir müssen wissen, wie sie geprägt sind. Wir müssen wissen, was da auf ihrer Festplatte im Gehirn ist, welche Programme da sofort anfangen zu starten. Sobald wir nur das Wort Bibel sagen, geht so ein Block hoch – wie heißen diese Dinger? Pop-up-Blocker oder so? – und dann haben die gleich so ein Antivirus-Programm gegen die Bibel gestartet, da im Gehirn.
So müssen wir mit ihnen arbeiten. Wir müssen versuchen, ihnen darüber zu helfen und ihnen zeigen, dass sie da ein falsches Programm draufgespielt haben, das gelöscht werden muss, um mal ganz modern zu sprechen.
Hier ist noch ein vierter Punkt auf der Seite sieben, den ich auch noch anführen will. Denn dieser ganze Relativismus, der postmoderne, hat natürlich auch das Leben der Menschen verändert. Das hat der Soziologe Gerhard Schulz sehr schön zusammengefasst in seinem Standardwerk „Die Erlebnisgesellschaft – Kultursoziologie der Gegenwart“. Er beschreibt das folgendermaßen:
Der postmoderne Mensch möchte um jeden Preis ein schönes, interessantes, angenehmes und faszinierendes Leben führen. Leben heißt in unserer Zeit erleben, nicht Arbeit, Mühe, Leiden, Sparsamkeit, Entbehrung und Pflichtbewusstsein. Heute sind die Lebensinhalte Genuss, Zerstreuung, persönliches Glück, gutes Gefühl und Innenorientierung.
Das sagt ein Nicht-Christ, der aber sehr genau hingeschaut hat. Dann schließt er: Die Selbstentfaltungswerte haben die Werte des Pflichtbewusstseins abgelöst.
Ihr jungen Leute, eure Eltern und eure Großeltern vor allem, die sind alle noch von den Werten des Pflichtbewusstseins geprägt. Vielleicht einige von euch auch, ich hoffe sogar viele, aber ganz ausschließen kann ich es nicht, denn wir sind immer alle Kinder unserer Zeit.
Es ist schon so, dass ein bisschen von dieser modernen Erlebnisgesellschaft in unser Leben gekommen ist. Wir tun Arbeit nur noch widerwillig, solche unangenehmen Dinge wie Zimmer putzen, Hof kehren, Auto waschen oder Geschirrspülmaschine einräumen oder sogar mit der Hand spülen. Das wird alles nur noch widerwillig getan, nicht mehr mit dem Gedanken, dass das zur Pflicht des Lebens dazugehört, dass das genauso sein muss wie einmal gemütlich auf der Terrasse sitzen und sich unterhalten. Dass das vor Gott alles seinen Sinn und seinen Wert hat.
Da werden wir bei den kommenden Generationen noch einiges erleben. Denn inzwischen nennt man unsere Generation, in der wir leben, Fun-Generation, Spaß-Generation, wo ganz groß geschrieben wird: Nur noch Spaß haben.
Ja, Fun – Spaß.
Nun, ich habe das hier vorhin bei Einstein vergessen einzublenden. Wenn wir das noch hier nachtragen, da sagt der Geschichtsforscher Johnson, ein Amerikaner, dessen dickes Geschichtsbuch ich zu Hause habe: So hat Einsteins Relativitätstheorie, obwohl er das selbst nicht wollte, die totale Relativierung aller Werte und der Wahrheit im zwanzigsten Jahrhundert mit hervorgerufen – mit den anderen Dingen, die ich eben genannt habe.
Dann sagt er: „Wie ein Messer hat uns die Relativitätstheorie von unseren Wurzeln im jüdisch-christlichen Glauben abgeschnitten.“
Also die Relativitätstheorie Einsteins zusammen mit dem Relativismus Hegels hat ganz großen Flurschaden angerichtet im Blick auf das Wahrheitsverständnis der Menschen. Ob sie es nun selbst wollten oder nicht, es war das Ergebnis.
Zusammenfassung des veränderten Wahrheitsverständnisses und biblische Wahrheiten
Und jetzt fasse ich das so zusammen:
Wir haben eben das Wahrheitsverständnis der Aufklärung betrachtet. Die philosophische Wahrheit kam mit Hegel, der durch seinen Relativismus gezeigt hat, dass auch philosophische Wahrheiten nur für eine bestimmte Zeit gelten – hundert Jahre, zweihundert oder fünfzig. Danach entsteht eine neue Sichtweise, und es kann sogar sein, dass das Gegenteil zur Wahrheit erklärt wird. Das ist der Relativismus.
Auch die naturwissenschaftliche Wahrheit ist keine absolute Wahrheit. Einstein hat gezeigt, dass alles relativ ist – auch Licht, Raum und Zeit.
Bleibt also nur noch die biblische Wahrheit übrig. Diese wird von den Anhängern der ersten beiden Gruppen meistens abgelehnt und oft sehr verächtlich gemacht. Doch die biblische Wahrheit ist erstens eine geschichtliche Wahrheit. Sie ist überprüfbar und verifizierbar.
Stellt euch vor, in der Bibel stünden nur philosophische Gedanken, die wir überhaupt nicht überprüfen könnten – lauter philosophische Ergüsse, die wir nicht greifen könnten. Aber die Bibel ist auch ein Geschichtsbuch. Sie zeigt eine Geschichte von der Schöpfung bis zur Vollendung. Darin ist die Geschichte der Völker und die Geschichte des einen Volkes, Israel, eingebettet.
Wir können das überprüfen und sehen, dass es stimmt. Die Bibel ist nicht abgehoben in irgendwelchen Sphären, sondern verankert in der Zeitgeschichte. Deshalb ist sie verifizierbar – das heißt, überprüfbar. Sie ist nicht nur eine Theorie oder eine Idee in den Köpfen von Menschen.
Die Bibel lehrt keine verrückten Dinge. Sie sagt nicht, dass das Wasser bergauf fließt, was völlig der Welt widerspricht, in der wir leben. Stattdessen lehrt die Bibel vernünftige Dinge, die man glauben und verstehen kann.
Sie sagt uns auch, dass Gott jederzeit alle Naturgesetze außer Kraft setzen und Wunder tun kann. Das glauben wir, weil wir an einen souveränen, lebendigen Gott glauben. Aber die normalen Dinge sind überprüfbar und nicht verrückt.
Außerdem ist die biblische Wahrheit personal. Das ist ganz wichtig im Vergleich zu anderen sogenannten Wahrheiten. Die biblische Wahrheit ist eine Person. Jesus Christus sagt den bekannten Satz, den wir alle kennen: „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.“ Er sagt also: Ich bin die Wahrheit.
Die Wahrheit in Person – die Wahrheit Gottes war in Jesus Christus anschaulich. Wer Jesus sieht, sieht den Vater. Jesus hat die Wahrheit gelebt. Buddha hat vielleicht gesagt: „Ich suche die Wahrheit“, aber Jesus hat gesagt: „Ich bin die Wahrheit.“
Diesen Exkurs fand ich sehr wichtig, damit wir jetzt verstehen, dass unsere Zeitgenossen, wenn es um konfrontative und beziehungsaufbauende Evangelisation geht, leider weitgehend von diesen Vorstellungen geprägt sind.
Merkmale des postmodernen Menschen nach Ross Rohde
Eine Folie noch. Das müsst ihr jetzt nicht alles abschreiben, ich habe das auch nicht hier in den Umdruck genommen.
Ein Mann namens Ross Rohde, ein Amerikaner deutscher Vorfahren, hat sich intensiv mit dem postmodernen Menschen beschäftigt. Ich muss das jetzt auch hier hinten ablesen. Er hat folgende Merkmale über den postmodernen Menschen beschrieben.
Dabei geht es nicht um den Nachbarn, den Arbeiter in der Fabrik oder den Büroangestellten bei Firma X oder Y, sondern um Intellektuelle, postmoderne Intellektuelle, gebildete Menschen. Über diese sagt er:
Dieser akzeptiert nicht den Missbrauch von Macht und Einfluss im Namen der Religion. Das wird heute sehr negativ gesehen, besonders wenn Religion Macht ausübt. Zum Beispiel im Islam, wo Religion, Staat, Macht und Gewalt untrennbar miteinander verbunden sind.
Er ist empfindlich gegenüber dem Pharisäertum derer, die behaupten, religiöse Wahrheit zu besitzen. Der postmoderne Mensch reagiert sehr sensibel darauf. Wenn man ihm unverblümt sagt: „Du, ich habe die Wahrheit erkannt, ich weiß genau, was die Wahrheit ist“, dann geht er sofort auf Abstand. Die Alarmanlage bei ihm geht an, weil er so geprägt ist.
Er denkt, es kann nicht eine einzige Wahrheit geben – zumindest solange, bis er die Bibel und Christus kennengelernt hat. Er glaubt nicht an ausschließliche, absolute Wahrheit. Ebenso glaubt er nicht, dass eine einzige Religion alle Antworten hat. Immer wenn man eine Argumentation gegen andere Religionen führt, beleidigt ihn das, egal gegen welche.
Das sollten wir uns auch merken: Wir wollen niemals Menschen gewinnen auf Kosten anderer, indem wir andere Religionen schlechtmachen – den Katholizismus, andere Konfessionen oder Religionen. Wenn wir denken, so könnten wir Menschen gewinnen, funktioniert das nicht. Es ist auch nicht redlich und nicht geistlich. Das sollten wir nicht tun. Wir haben das nicht nötig. Wir brauchen unsere Wahrheit nicht auf Kosten anderer präsentieren.
Der postmoderne Mensch glaubt, dass es etwas über unsere normalen Erfahrungen hinaus gibt. Er glaubt an ein Jenseits oder an Transzendenz, wie er es nennen würde. Er glaubt, dass dieses Etwas spirituell ist. Er glaubt, er kann dieses Etwas finden, indem er nach dem Licht in sich sucht. Das ist natürlich ein Trugschluss, aber meistens sind sie so geprägt.
Sie suchen in sich, nicht unbedingt in einem Buch wie der Bibel, nach Licht und Spiritualität. Sie sprechen nicht von Geistlichkeit oder geistlichem Leben, sondern von Spiritualität. Für den postmodernen Menschen muss Spiritualität eine praktische Anwendung im Leben haben. Das ist auch in Ordnung. Geistliches Leben ist immer praktisch.
Er ist offen dafür, jemanden als spirituellen Leiter zu haben. Wenn er einen Menschen kennenlernt, bei dem er sieht: „Dieser Mensch ist spirituell, er hat ein geistliches Leben, er glaubt an Wahrheiten, er hat Überzeugungen und lebt dafür“, dann spricht ihn das an. Er ist offen, von so jemandem zu lernen. Er würde diese Person dann spirituellen Leiter nennen.
Das Recht, sein spiritueller Leiter zu werden, erhält man durch Einladung. Man darf sich nicht aufdrängen. Man darf nicht sagen: „Hey, hör mal, ich habe so viel studiert, ich kenne mich genau aus und ich werde jetzt mal zeigen, wo es langgeht.“ Das funktioniert nicht.
Wenn man ihn durch das Leben gewonnen hat, durch Diskussionen, bei denen er sieht, dass wir Überzeugungen haben, dann lädt er uns ein. Er sagt zum Beispiel: „Du, ich würde mich gerne mit dir treffen, wir wollen gerne da weiterarbeiten. Ich bin sogar bereit, mal mit dir in der Bibel zu lesen. Du zitierst so oft die Bibel, ich kenne sie gar nicht. Ich würde mich freuen, wenn du mir hilfst, die Bibel kennenzulernen.“
Das Recht, sein Leiter zu werden, bekommt man durch Einladung, nicht indem man sich selbst anbietet. Man bekommt dieses Recht auch dadurch, dass man eine gewisse Spiritualität in seinem eigenen Leben zeigt. Sonst sieht er sie ja nicht und wird uns nicht einladen.
Das sind Gedanken von Ross Rohde, der sich ganz besonders mit dem postmodernen Menschen beschäftigt hat. Ich sage noch einmal: Das ist nicht der Nachbar um die Ecke, den wir hier haben, unseren Klassenkameraden oder die Frau, die wir im Kindergarten kennenlernen, weil sie auch ein Kind dort hat. Sie ist nicht unbedingt so geprägt.
Aber intellektuelle Menschen, wenn hier einige Studenten unter uns sind oder Leute, die mit Intellektuellen zu tun haben, sind sehr stark so geprägt, wie er es beschreibt.
Genug davon, von diesem schwierigen Teil. Ihr habt es überstanden. Jetzt wird es wieder viel leichter, verständlicher und gleich auch praktischer.
Gottes Sicht auf den Menschen und seine geistliche Lage
Noch einen Gedanken muss ich hier auf Seite acht einbringen, nämlich: Wie sieht die Bibel den Menschen, den Menschen aus Gottes Sicht?
Eben haben wir ein wenig betrachtet, wie der postmoderne Mensch sich selbst sieht. Doch wie sieht Gott den Menschen? Natürlich sind wir Menschen Geschöpfe Gottes, geliebte Geschöpfe Gottes. Diese Stellen kann ich jetzt nicht alle erwähnen.
Als Teenager hatte ich ein Poster in meinem Zimmer hängen. Darauf war die Erdkugel abgebildet, und darüber stand in großen Lettern: „Es geht kein Mensch über die Erde, den Gott nicht liebt.“ Es gibt keinen ungeliebten Menschen. Gott liebt jeden Menschen als Schöpfergott.
Trotzdem sagt uns die Bibel, dass der Mensch nach dem Sündenfall nur böse ist, den ganzen Tag. Er ist gefallen. Der Mensch ist nicht mehr im Paradies, er ist Sünder geworden, ein Rebell gegen Gott und gegen seine Ordnungen. Das steckt in jedem Menschen, auch im postmodernen Menschen.
Und wenn er das noch so intellektuell verbrämt und an den Humanismus oder an alles Mögliche glaubt, er ist böse den ganzen Tag – so lautet Gottes Aussage über ihn. Er hat keine Ehrfurcht vor Gott, keine Gottesfurcht.
Und, ihr Lieben, das geht auch bis in unser Leben hinein. Gottesfurcht ist heute ein großer Mangel. Gottesfurcht ist nicht Angst vor Gott, sondern eine wirkliche Ehrfurcht vor Gott und vor seinem Wort. Sie bewirkt ein Zurückschrecken vor allem, was Gott nicht gefällt, und sie möchte Christus durch den ganzen Wandel verherrlichen. Das ist echte, biblische, gesunde Gottesfurcht.
Der Mensch ist tot in Sünden und Übertretungen, sagt die Bibel. Tot, nicht nur schwer verletzt, wie die römisch-katholische Kirche lehrt. Sie sagt, der Mensch sei schwer verletzt durch den Sündenfall und werde durch die Gnadenmittel, durch die Sakramente der römisch-katholischen Kirche, wieder langsam aufgepeppelt.
Nein, nein, er ist tot in Sünden und Übertretungen, und er muss von Neuem geboren werden. Er muss eine geistliche Auferweckung erleben.
„Er versteht keine geistlichen Dinge“, sagt die Bibel, Paulus, 1. Korinther 2,14. „Er vernimmt nichts.“ Der natürliche Mensch vernimmt nichts vom Geist Gottes. Er versteht nichts.
Es geht ihm so wie den Spatzen auf der Überlandleitung, die dort sitzen, während 40.000 Volt durch die Leitung fließen. Ihnen kribbelt es nicht einmal an den Füßen. Stimmt, oder? Sie sitzen da auf 40.000 Volt. Wenn wir da dran fassen würden, wäre es sofort aus mit uns.
So ist es mit dem natürlichen Menschen: Er versteht nichts vom Geist Gottes, er vernimmt nichts. Es muss geistlich verstanden werden. Man muss erst den Sinn dafür geöffnet bekommen haben.
So gibt es Menschen, die lesen die Bibel nur als Geschichtsbuch, als Psychologiebuch, als Religionsbuch oder als Moralbuch. Aber sie verstehen nichts von den geistlichen Dingen, wie sie verstanden werden müssen.
Der Mensch lebt in Rebellion gegen Gott. In Lukas 19,14 heißt es, dass die Einwohner Jerusalems über den König sagen: „Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche.“
Das ist die Haltung des natürlichen, gefallenen Menschen: Er will nicht, dass Gott über ihn herrscht. Er glaubt zwar an einen Herrgott irgendwo weit weg, aber den Gott, der sein Leben bestimmt und dem er sich unterwirft, lehnt er ab. Und das ist Rebellion.
Er lebt in Rebellion gegen Gott, er ist ein Sklave der Sünde, sagt die Bibel in Römer 6,17. Er kann gar nicht heraus, er ist gebunden an die Sünde.
Er ist von Satan verblendet, so heißt es in 2. Korinther 4. Es ist wichtig, dass wir uns diese Wahrheiten in Erinnerung rufen. Er ist von Satan verblendet.
Dort steht, dass der Teufel den Ungläubigen die Sinne verblendet hat, damit sie das helle Licht des Evangeliums nicht sehen können. Das Evangelium ist keine trübe Funzel, das Evangelium ist ein helles Licht.
Aber kannst du dir vorstellen, wenn heute Nacht um halb drei dich jemand wachgerüttelt hätte und mit einem 2000-Watt-Strahler in deine Augen geblendet hätte? Du machst die Augen auf und dann – pfff – kannst du drei Tage lang nichts mehr sehen. Du bist verblendet.
Und genau das hat der Teufel mit uns Menschen gemacht. Generell hat er uns die Sinne verblendet, sodass wir das helle Licht des Evangeliums nicht sehen können. Das Evangelium ist ein helles Licht.
Das sind sehr schwerwiegende Aussagen, und wir haben es mit Menschen zu tun, die so sind, wenn wir evangelisieren wollen, wenn wir unsere Klassenkameraden, Auszubildenden, Nachbarn und Freunde gewinnen wollen.
Es ist ein geistliches Ringen um Menschen, die so in der Bibel beschrieben werden. Und da sehen wir, dass wir geistliche Waffen brauchen, um sie da herauszuholen.
Die schlimmste Aussage, die die Bibel macht, ist: Der natürliche Mensch ist ewig verloren vor einem heiligen Gott. Er ist verloren. Er ist getrennt von Gott durch die Sünde.
Er kam schon so zur Welt und kann so leben – neunzig Jahre, hundertzehn Jahre, wenn es sein muss. Aber wenn er dann stirbt, setzt sich diese zeitliche Trennung in eine ewige Trennung von Gott fort.
In dieser Woche sind hier in Neuwied Menschen beerdigt worden, die ich nicht kenne. Sie sind ohne Gott geboren, mit dem Rücken zu Gott geboren, haben ohne Gott gelebt – sechzig, siebzig, achtzig Jahre lang. Und jetzt sind sie ohne Gott gestorben.
Man hat sie über irgendeinen Taufstein gehalten im Alter von sechs Wochen, aber das hat sie nicht errettet. Jetzt sind sie ohne Gott beerdigt worden.
Vielleicht sind sie seliggesprochen worden bei der Beerdigung oder auch nicht, und jetzt sind sie ohne Gott in die Nähe endender Ewigkeit gegangen. Das ist Tatsache.
Manchmal werden auch junge Leute beerdigt. Also wollen wir uns das vor Augen halten: Der Mensch aus Gottes Sicht – so steht es um ihn.
Einführung in die konfrontative Evangelisation und Typen von Gesprächspartnern
Nun kommen wir zur konfrontativen Evangelisation, das heißt der Evangelisation, bei der man im Gespräch den anderen mit dem Evangelium konfrontiert.
Schauen wir uns zunächst den Menschen an, den säkularisierten Menschen. So könnte man ihn auch nennen – den verweltlichten Menschen, der völlig in dieser Welt aufgeht und untergeht. Säkularisiert bedeutet verweltlicht. Er ist einfach total verweltlicht, kennt Gott nicht und lebt ohne Gott in dieser Welt. Wie der Apostel Paulus sagt, geht er seinen eigenen Weg. Das ist der säkularisierte Mensch. Das Wort Säkulum stammt aus dem Lateinischen und bedeutet das Zeitalter, die Welt. Das ist unser Gesprächspartner.
Im Blick auf Menschen, die vor uns stehen, können wir drei Arten unterscheiden, drei Typen: Da ist der ablehnende Mensch. Das merkt man sehr schnell, ob jemand ablehnend ist. Oft zeigt sich das schon in der Körperhaltung, wenn jemand in Abwehrstellung ist, sobald man ihn anspricht. Oder man erkennt es am ersten Satz, den er sagt – der ablehnende Mensch.
Ich habe hier aber noch zwischen aktiver und passiver Ablehnung unterschieden. Eine spontane Frage: Was ist euch lieber – ein aktiv Ablehnender oder ein passiv Ablehnender? Warum, Daniel?
Aktive Ablehnung ist mir auch lieber, obwohl sie zunächst unangenehmer ist. Wenn jemand dir sofort sagt: „Nein, hör auf mit dem Käse, das glaube ich nicht, erzähl das jemand anderem“, dann tut uns das zwar weh, es sticht wie ein Messerstich. Aber ich weiß, woran ich bin. Wenn jemand so richtig aktiv ablehnend ist – wie mein Schwager, der Bruder meiner Frau – dann weiß man, woran man ist.
Aktive Ablehnung ist im Grunde negative Anerkennung. Das heißt, im Grunde ist es negative Anerkennung. Mein Schwager bezeichnet sich als Atheist. Wenn es keinen Gott gibt, wenn das alles nur eine Einbildung der Christen ist, warum muss er sich dann so aufregen? Er regt sich so auf. Vor zwanzig Jahren, als wir in Österreich bei meinen Schwiegereltern zu Besuch waren und ich am Tisch ein Tischgebet gesprochen habe, stand er auf und ging raus. Er konnte nicht einmal ertragen, dass ich ein Tischgebet sprach.
Warum konnte er das nicht ertragen? Wenn es keinen Gott gibt und ich nur ein paar Worte in die Luft sage, müsste er doch sitzen bleiben und denken: „Rede doch, was du willst.“ Merkt ihr, es ist negative Anerkennung. Wenn da nichts wäre, könnte er ganz gelassen bleiben. Aber aktive Ablehnung ist im Grunde negative Anerkennung. Er weiß in seinem tiefsten Inneren, dass er gegen Gott kämpft, gegen die Existenz Gottes. Aber er kann sie nicht wegkämpfen.
Ihr müsst wissen: Wenn wir mit Atheisten zu tun haben, liebe Geschwister, wird niemand als Atheist geboren. Zum Atheisten wird man immer erzogen, durch Ideologie. Man muss bestimmte Bücher lesen und eine bestimmte politische Prägung bekommen, zum Beispiel in der Schule. So war es bei euren Großeltern, wenn sie in der Schule waren, auch in Russland. Dort musste man alles hören, was gegen Religion sprach. Es war klar: Religion ist Opium fürs Volk und nur Volksverdummung, so hat Lenin gesagt. Stalin und andere waren sich da einig. Zum Atheisten wird man also erzogen.
Aber wisst ihr, spätestens wenn ein Flugzeug zu trudeln beginnt, fangen alle Atheisten an zu beten. Ist das nicht seltsam? Dann fangen sie an zu beten. Ich war einmal in einem Flugzeug, das über den Pyrenäen getrudelt hat, auf einem Flug von Afrika zurück. Ich habe gesehen, wie plötzlich die Welt anders aussah, wie die Menschen in Panik gerieten und sogar anfingen zu beten. Ich habe es selbst nicht gesehen, aber andere haben beobachtet, wie Leute, auch Atheisten, anfingen zu beten.
Was ist passive Ablehnung? Passive Ablehnung ist mit einem Wort Gleichgültigkeit. Das ist das Schlimmste, was uns im Blick auf Evangelisation passieren kann: Gleichgültigkeit. Überlegt mal, was das Wort sagt: Gleichgültig heißt, es ist doch alles gleichgültig, oder?
Wolfgang Dück, der bekannte Evangelist, der als „Maschinengewehr Gottes“ bezeichnet wurde, hat gesagt: „Wenn alle Religionen gleich gültig sind, dann sind sie mir alle gleichgültig.“ Versteht ihr dieses Wortspiel? Gleichgültigkeit bedeutet, dass man keine Reaktion hervorruft. Denen kannst du erzählen, was du willst, es ist ihnen völlig egal. Egal heißt auch gleichgültig, Gleichgültigkeit.
Der offene Mensch ist uns natürlich viel lieber. Dabei müssen wir wieder unterscheiden zwischen echter und unechter Offenheit. Echte Offenheit bedeutet, dass ein Mensch offen für das Evangelium ist. Man kann mit ihm darüber sprechen, er nimmt ein Buch an, fängt an darin zu lesen, vielleicht sogar in der Bibel. Vielleicht besucht er auch schon Veranstaltungen. Er ist offen.
Das wäre dann schon fast das Nächste, was gleich folgt: der Suchende. Aber es gibt auch eine unechte Offenheit. Diese ist für alles offen. Der redet jetzt mit mir, aber morgen mit einem Buddhisten, übermorgen mit einem Esoteriker und dann wieder mit einem Satanisten. Er ist für alles offen.
Jemand hat gesagt: Wer für alles offen ist, der kann nicht ganz dicht sein. So sind manche Menschen. Sie sind manchmal für alles offen. Das ist also eine unechte Offenheit, wenn jemand einfach eine solche Grundhaltung hat: „Ja, ja, ich höre mir alles an, egal von wem.“ Er hört alles an, bleibt dann aber doch bei seiner Meinung.
Echte Offenheit kann zum Suchen werden, und das ist das Allerschönste. Wenn wir einen suchenden Menschen vor uns haben, ist das sehr selten. Aber man erkennt sie. Sie fangen an, wirklich zu lesen, besuchen Veranstaltungen, stellen Fragen, wollen finden. Sie sind auf der Suche und von Gott vorbereitet. Das ist echtes Suchen.
So wie Nikodemus, der kam zu Jesus in der Nacht. Er war suchend. Die Frau am Jakobsbrunnen war nicht suchend, aber Jesus konnte trotzdem mit ihr ein Gespräch führen. Sie wurde sehr schnell suchend und noch schneller gläubig. Das ist aber eine Ausnahme. Dass Jesus in einem Gespräch einen Menschen von null auf hundert zum Glauben führt, lesen wir im Neuen Testament nur einmal.
Das ist eine große Ausnahme. Das kann ich auch aus 25 Jahren Erfahrung bestätigen. Ganz selten trifft man Menschen, die man durch ein einziges Gespräch oder eine Predigt zum Herrn führen kann. Das sind Ausnahmen.
Statistiken sagen, dass jemand 180 Kontakte mit dem Evangelium braucht, bis er sich bekehrt. Ich kann das nicht überprüfen, das haben Statistiker gesagt. Aber das zeigt uns, dass es nicht beim ersten Gespräch oder der ersten Predigt geschieht. Viele, viele Mosaiksteine müssen gelegt werden, bis ein Mensch zum Glauben kommt.
Was ist falsches Suchen? Es gibt Leute, die haben das Suchen zur Grundeinstellung gemacht. Sie sagen: „Ich bin ein Suchender.“ „Ich bin ein Suchender.“ Aber sie wollen gar nicht finden. Sie glauben nicht, dass es etwas zu finden gibt. Trotzdem sagen sie: „Ich bin ein Suchender.“
Versteht ihr? Es gibt Menschen, meist Intellektuelle, die das Suchen zu ihrer Grundhaltung gemacht haben und sagen: „Bis zum Lebensende werde ich immer suchen.“ Solche Menschen kann man natürlich sehr schwer gewinnen.
Zum Glück gibt es aber auch Menschen, die wirklich suchen. Und ihr werdet sie erkennen.
Wo steht mein Gesprächspartner? – Diagnostik im Evangelisationsgespräch
Gehen wir weiter, und vor der Pause können wir noch dieses Thema behandeln: Wo steht mein Gesprächspartner?
Nehmen wir an, wir haben einen Menschen vor uns. Ihr sitzt in der Straßenbahn und lernt jemanden kennen oder ihr seid in einem Arztwartezimmer, müsst eine halbe Stunde warten und seid alleine. Da sitzt jemand anderes mit euch, also nur ihr beide, und ihr kommt irgendwie ins Gespräch. Zum Beispiel hast du eine christliche Zeitschrift dabei, und die andere Person ist neugierig – sagen wir, es ist eine Frau. Sie fragt: „Was lesen Sie denn da?“ Männer sind wissbegierig, Frauen sind neugierig. Also sagt die Frau: „Was lesen Sie denn da?“ Und du antwortest: „Ja, hier, das ist eine christliche Zeitschrift.“ Sie fragt weiter: „Ach, glauben Sie an Gott?“ „Ja, ich glaube an Gott.“ So kommt man ins Gespräch, zum Beispiel im Arztwartezimmer.
Oder nehmen wir an, ihr habt eine gute Freundin oder einen guten Freund, einen richtigen Kumpel, jemanden, den ihr mögt und mit dem ihr gerne Zeit verbringt. Ihr wollt diesen Menschen gerne für Christus gewinnen. Da ist die erste Frage: Wo steht mein Gesprächspartner? Wo steht er?
Wisst ihr, wenn ihr zum Arzt kommt, habt ihr schon mal einen erlebt, der in die Sprechstube kommt und sagt: „Sie brauchen mir gar nichts sagen. Ich sehe schon, was Sie haben. Ich weiß schon alles.“ Diagnose auf den ersten Händedruck – fast hätte ich „Hundedreck“ gesagt. Und würdet ihr noch einmal zu so einem Arzt gehen? Wahrscheinlich nicht, wenn er so oberflächlich ist und sagt: „Ich sehe es an der Nasenspitze, ich weiß schon, was Sie haben, brauchen gar nichts zu sagen.“
Ein Arzt muss gründlich sein. Er stellt viele Fragen: Haben Sie Appetit? Wie ist es mit dem Schlaf? Er fragt alles durch, hat eine Checkliste, untersucht gründlich, sagt: „Hemd runter“, hört ab, macht Röntgen oder was auch immer nötig ist. So ist ein gründlicher Arzt: Er macht eine sehr genaue Diagnose, bevor er eine Therapie vorschlägt. Und wenn er das nicht tut, dann schickt ihn in die Wüste – besorgt euch schnell einen anderen Arzt. Ein Arzt muss gründlich sein, das Leben kann davon abhängen.
Genauso sind wir als Seelsorger oder als Menschen, die Seelen gewinnen wollen, gefordert. Wir müssen gründlich sein. Oberflächlichkeit wirkt sich fatal aus. Wir müssen gründlich sein und unserem Gegenüber Fragen stellen.
Zum Beispiel fragen wir: „Also, Sie glauben an einen Schöpfergott?“ – „Ja, ich glaube, dass die Welt von Gott geschaffen ist.“ – „Was denken Sie über die Bibel? Glauben Sie, dass die Bibel von Gott inspiriert ist?“ – „Oh, das fällt mir schwer zu glauben“, sagt er vielleicht, oder: „Doch, das glaube ich auch, ich glaube, dass die Bibel Gottes Wort ist.“ Das wäre schon eine sehr gute Grundlage.
Ich stelle Fragen, aber nicht gleich zu Beginn mit der Tür ins Haus fallen. Zunächst muss ich wissen: Es gibt nur zwei Möglichkeiten. Die Bibel zeigt uns, es gibt das Reich Satans und das Reich Gottes. Es gibt nur diese beiden Bereiche: Licht und Finsternis, Gemeinde und Welt, Himmel und Hölle, verloren oder gerettet. Es gibt keinen neutralen Raum oder Mittelweg.
Jetzt will ich herausfinden, wo mein Gesprächspartner steht: Ist er im Reich Gottes? Dort gibt es eine Tür, die in das Reich Gottes führt. Der Herr Jesus hat gesagt: „Ich bin die Tür; wer durch mich eingeht, der wird gerettet werden.“ Ich erklärte das mal einem jungen Mann, zeigte ihm das Bild – man sieht es jetzt etwas schlecht, aber einigermaßen – und erklärte ihm die Tür. Dann fragte ich: „Wo bist du denn? Bist du durch die Tür gegangen?“ Er antwortete: „Nein, es kommt mir vor, als wäre das so eine Drehtür wie beim Kaufhaus. Ich habe schon ein paar Runden gemacht.“ Ich sagte: „Pass bloß auf, dass du auf der richtigen Seite rauskommst! Wenn man nicht aufpasst, kommt man wieder da raus, wo man reingegangen ist, und nicht auf der gegenüberliegenden Seite.“
Also stelle ich Fragen, um herauszufinden, ob er noch in der Finsternis ist, noch verloren, oder ob er im Reich Gottes steht.
Jetzt kommt eine Frage, die uns auch einfallen könnte. Sie ist nicht besonders genial, aber wichtig, dass wir sie irgendwann stellen. Diese beiden Fragen, die hier auf der Folie stehen und die ihr auf dem Ausdruck habt, heißen Kennedy-Fragen. Nicht nach dem amerikanischen Präsidenten John F. Kennedy, sondern nach einem anderen Amerikaner, James Kennedy. Er hat diese beiden Fragen formuliert.
Die erste Frage lautet: „Haben Sie schon die Gewissheit erlangt, dass Sie in den Himmel kommen würden, wenn Sie heute noch sterben müssten?“ Diese Frage sollte behutsam gestellt werden. Nicht auf eine alte Dame zustürmen und fragen: „Haben Sie schon die Gewissheit, dass Sie in den Himmel kommen, wenn Sie heute Nacht sterben?“ – Sie könnte einen Anfall bekommen oder einen Herzschlag. Vielleicht ist sie dann im Himmel oder auch nicht.
Deshalb stelle ich diese Frage erst, nachdem ich schon lange mit jemandem gesprochen habe. Ich packe sie immer noch in Watte ein und sage: „Stellen Sie sich mal vor, wir wissen ja, eines Tages müssen wir sterben. Bei mir könnte es heute noch sein, bei Ihnen auch. Wollen wir nur mal für einen Moment darüber nachdenken: Was wäre, wenn Sie heute noch sterben müssten? Haben Sie schon die Gewissheit erlangt, dass Sie dann im Himmel aufwachen würden?“ Das ist die Frage nach der Heilsgewissheit.
Man kann einen Menschen diese Frage stellen. Ich habe noch nie erlebt, dass jemand beleidigt reagiert oder sagt: „Was erlauben Sie sich, mir so eine Frage zu stellen?“ Noch nie. Man kann diese Frage stellen, wenn man sie in der richtigen Haltung und Art formuliert.
Nun antwortet der Gesprächspartner: „Ja, doch, habe ich.“ Oder: „Nein, diese Gewissheit habe ich noch nicht.“
Ich muss euch eine Geschichte erzählen. Ich war an einem Samstagmorgen, wie heute, unterwegs im Raum Karlsruhe. Ich hatte mir Adressen von Leuten besorgt, die einmal eine Zeit lang in einem christlichen Jugendkreis im Nachbarort gewesen waren, aber dann weggeblieben waren. Ich dachte mir, diese Leute sind irgendwann weggeblieben, ich suche sie auf und frage sie, warum.
Unter anderem hatte ich die Adresse einer jungen Katholikin, Maria Schmidt. Ich stand bei ihr vor der Tür, klingelte, der Summer ging, die Tür öffnete sich, und sie stand oben auf der Treppe, ich unten. Ich sagte: „Guten Tag, Frau Schmidt, ich habe Ihre Adresse vom EC-Jugendbund bekommen, wo Sie früher mal waren, und ich möchte Ihnen heute Morgen eine Frage stellen: Haben Sie schon die Gewissheit erlangt, dass Sie einmal in den Himmel kommen würden, wenn Sie heute noch sterben müssten?“ Ich fragte sie, nachdem ich sie ungefähr eine Minute kannte. Ich weiß nicht, warum Gott mich damals so führte. Normalerweise mache ich das nicht, aber in dem Moment fragte ich so.
Sie antwortete: „Nein, diese Gewissheit habe ich noch nicht, aber ich habe schon dafür gebetet, dass irgendwann ein Mensch kommt, der mir den Weg dahin zeigt.“ Alarmanlage ging bei mir los! Ist doch klar, wenn sie sagt, sie hat dafür gebetet, dass jemand kommt, der ihr den Weg zeigt.
Ich traf mich dann etliche Male mit ihr. Ich war damals noch unverheiratet, sie auch. Ich traf mich nie mit ihr alleine, immer an öffentlichen Plätzen, zum Beispiel in einem Café, weil wir keine anderen Möglichkeiten hatten. Wir lasen zusammen die Bibel, und es dauerte etwa vier Monate, bis sie sich bekehrte. Wir durften viel Segen erleben. In ihrer Wohnung begann ein Hausbibelkreis. Es kamen andere Menschen zum Glauben, der Kolping-Vorsitzende des Ortes bekehrte sich mit seiner Frau und anderen. Ein Hausbibelkreis entstand mitten in diesem katholischen Ort.
Begonnen hatte alles mit der einen Frage: „Haben Sie schon die Gewissheit erlangt, dass Sie in den Himmel kommen würden, wenn Sie heute noch sterben müssten?“ Ich möchte euch ermutigen, solche Fragen zu stellen. Es kostet Überwindung, ich weiß, auch bei mir. Aber ich stelle diese Frage immer wieder.
Ich habe diese Frage einmal im Aufzug gestellt, als ich mit jemandem vom ersten in den sechsten Stock fuhr. Als wir oben waren, hatte ich ihm die Frage gestellt. Das kann man machen, ihr müsst es nicht. Aber vor allem, wenn ihr jemanden kennt, um den ihr wirklich ringt, wollt ihr irgendwann wissen: Wo steht er? Ist er auf Gottes Seite oder noch auf der Seite der Finsternis? Da müssen wir gezielte Fragen stellen.
Jetzt kommt die geniale Frage. Kennedy sagt weiter: Angenommen, er sagt: „Ach ja, doch, ich glaube schon, ich werde im Himmel sein.“ Ihr denkt: Das klingt nicht sehr überzeugend. Ich will wissen, worauf er seine Gewissheit gründet.
Dann frage ich: „Angenommen, Sie müssten heute Nacht sterben und Gott würde Sie fragen: ‚Warum soll ich dich in den Himmel lassen?‘ Was würden Sie ihm antworten?“
Diese Frage ist genial. Sie geht auf den Punkt. Wenn ein Mensch ehrlich antwortet, wisst ihr danach, ob er gerettet ist oder nicht. Er kann natürlich lügen, aber diese Frage ist deshalb so gut, weil sie nach dem Grund der Rechtfertigung fragt. Worauf stützt er seine Hoffnung, warum meint er, wird er in den Himmel kommen? Die Antwort zeigt, ob er wirklich errettet ist oder nicht.
Diese Frage habe ich oft gestellt, und danach weiß man in der Regel, wo man dran ist – wenn der Betreffende ehrlich ist. Das muss man immer dazusagen.
Ein paar mögliche Antworten: Er sagt, „weil ich getauft bin.“ Ich frage euch: Ist der Mensch gerettet? Eugen schüttelt wenigstens den Kopf. Seid ihr noch wach? Gleich gibt es Kaffee. Er hängt noch ein bisschen in den Seilen. Ich weiß, es war eine schwüle Nacht, vielleicht habt ihr nicht so gut geschlafen, oder mein Vortrag ist langweilig, kann auch sein. Aber ich nehme euch trotzdem mit.
Also, „weil ich getauft bin.“ Die Taufe rettet nicht. Keine Form der Taufe rettet, schon gar nicht die Kindertaufe, die Säuglingsbesprengung. Auch nicht die Erwachsenentaufe, weder Begießen noch Untertauchen. Die Taufe rettet nicht. Nirgendwo steht in der Bibel, dass die Taufe rettet.
Dann kommt sehr oft als Antwort: „Weil ich zu dieser oder jener Kirche gehöre.“ „Ich bin Methodist, ich bin Katholik, ich bin evangelisch, ich gehöre zur Urkirche Petrus, ich bin katholisch, ich gehöre zur Kirche der Reformation, Luther, ich bin baptismatisch oder katholisch oder wie die Konfessionen alle heißen.“ Ihr merkt, ich mache gerne Wortspiele.
Die Kirche rettet nicht, egal welche. Wir glauben nicht an eine allein seligmachende Kirche. Wir glauben an einen allein seligmachenden Herrn, Jesus Christus. In keinem anderen ist das Heil. Also die Kirche rettet nicht. Man kann sagen, es ist in Ordnung, dass jemand sich zu einer Kirche zählt, aber die Kirche rettet niemanden, auch die katholische nicht, auch wenn sie selbst behauptet, allein seligmachend zu sein. Das stimmt nicht.
Dann kommt die häufigste Antwort, der Spitzenreiter, den ihr auf dem Ausdruck einkreisen könnt: „Weil ich mich immer bemüht habe, christlich zu leben. Weil ich versucht habe, nach den Zehn Geboten zu leben. Weil ich mich immer angestrengt habe, ein guter Christ zu sein.“ Solche Antworten kommen am häufigsten, in verschiedenen Variationen.
Man merkt, dass Goethe Recht hatte, als er seinen Faust sagen ließ: „Wer immer strebend sich bemüht, den können wir erlösen.“ Das ist die Religion der meisten Menschen: sich strebend bemühen, ein guter Mensch sein, hier mal helfen, da mal spenden, etwas für Brot für die Welt oder Caritas tun – und dann meinen sie, das reicht für den Himmel. Weil sie sich nicht kennen, die Bibel nicht kennen, in völliger Illusion leben, nicht wissen, wie verloren sie sind. Deshalb meinen sie, das reicht.
Wir können ihnen zeigen, dass die Gnade rettet und nicht die Werke. Schlagen wir bitte die Stelle auf: Epheser 2,8-9. Diese Stelle sollten alle von euch auswendig kennen. Ich könnte sie jetzt auswendig sagen.
Epheser 2,8-9: „Denn aus Gnade seid ihr errettet durch den Glauben, und das nicht aus euch – Gottes Gabe ist es –, nicht aus Werken, damit niemand sich rühme.“
Geht es noch deutlicher? Hier wird gesagt, wie wir gerettet sind und wie nicht. Aus Gnade durch Glauben, nicht aus Werken.
Man fragt sich, wie die katholische Kirche es fertigbringt, zu lehren, dass der Mensch durch Glaube und Werke gerettet werden muss, wenn hier ausdrücklich steht „nicht aus Werken“. Natürlich kann man Bibelstellen gebrauchen, um zu zeigen, dass die Kirche nicht rettet. Oder dass die Taufe nicht rettet, zum Beispiel Markus 16. Aber das ist oft eine fruchtlose Diskussion.
Manchmal kommt die Antwort: „Ich habe nichts falsch gemacht.“ Ich habe mal in Österreich eine Frau zu einer Veranstaltung eingeladen, und sie merkte, dass es eine christliche Veranstaltung ist. Sie sagte: „Wissen Sie, all das Böse, das ich bisher getan habe, passt unter meinen rechten Daumennagel.“ Ich war perplex, erschüttert. Ich stand wahrscheinlich mit offenem Mund da, sie ging weg, und ich konnte nichts sagen. So eine Selbstgerechtigkeit hatte ich noch nie erlebt.
Hinterher ist man immer schlauer. Ich hätte sagen sollen: „Liebe Frau, es mag sein, dass Sie im Augenblick denken, Sie haben nichts falsch gemacht und stehen gerecht vor Gott. Aber es könnte der Tag kommen, an dem Gott Sie in sein Licht stellt und Ihnen die Augen aufgehen. Dann sollen Sie wissen: Jesus Christus starb für Ihre Schuld.“ Das hätte ich sagen sollen, aber ich war sprachlos.
„Es gibt keinen gerechten Menschen“ – das ist eine andere Stelle, die wir auswendig kennen sollten, Römer 3,23: „Denn es ist hier kein Unterschied: Alle haben gesündigt und erlangen nicht die Herrlichkeit Gottes.“ Und Römer 3,24: „Sie werden ohne Verdienst aus seiner Gnade gerechtfertigt durch das Opfer Jesu Christi.“ Das muss man den Leuten sagen, wenn man eine Bibel dabei hat – und das ist meistens der Fall. Dann schlage ich die Bibel auf, halte sie hin und sage: „Schauen Sie mal hier, das sind nicht meine Worte, das hat Jesus selbst gesagt, das hat der Apostel Paulus geschrieben. Schauen Sie mal, was er sagt.“ Ich lasse die Bibel sprechen, damit sie sehen, dass sie zumindest im Widerspruch zur Bibel stehen.
Diese Antworten sind eindeutig zu durchschauen. Wer so antwortet, offenbart sich als Nicht-Christ, als jemand, der das Evangelium nicht verstanden hat, der das Geheimnis der Rechtfertigung nicht kennt.
Jetzt kommen fromme Antworten, die es schwieriger machen, sie zu durchschauen. Diese hier sind eindeutig. Nun kommen fromme Antworten.
Manche sagen: „Ich hoffe auf die Gnade.“ Das klingt sehr fromm. Sie benutzen das Wort „Gnade“. Aber ich sage: „Lieber Freund, hoffen auf die Gnade kann ins Auge gehen. Was ist, wenn du vergeblich hoffst?“ Hoffnung erfüllt sich manchmal, manchmal nicht. Das ist keine Gewissheit, keine echte biblische Gewissheit. Die Gnade muss man erfassen, ergreifen in der Gestalt Jesu Christi. Die Gnade muss in mein Leben kommen – hier und jetzt, nicht erst an der Himmelstür. Da ist es zu spät.
Ein Evangelischer sagte mal zu mir: „Ich hoffe, dass Gott mich als verlorenen Sohn annimmt, wenn ich an der Himmelstür stehe.“ Er kannte offensichtlich die Geschichte vom verlorenen Sohn. Er war angenommen worden. Dann sagte er: „So wird es mir auch gehen. Ich werde wie der verlorene Sohn ankommen, und Gott wird gnädig sein, ein Auge zudrücken und mich in den Himmel lassen.“ Hat er doch beim verlorenen Sohn auch gemacht.
Tja, falsch! Man muss in diesem Leben zu Gott umkehren. Das sind fromme Antworten. Diese beiden würden mir zeigen, dass dieser Mensch das Evangelium noch nicht erfasst hat, dass er noch nicht gerettet ist. Meine Diagnose wäre eindeutig.
Letztlich sieht nur Gott in die Menschenherzen. Ich bin nicht Gott. Er kann vielleicht falsch geantwortet oder sich unglücklich ausgedrückt haben. Das gestehe ich zu. Ich frage lieber noch einmal nach, bis ich ganz sicher bin. Aber ich muss zu einem Urteil kommen.
Manche denken, das sei überheblich, pharisäisch, wenn ich mir anmaße, über einen Menschen zu urteilen, ob er gläubig ist oder nicht. Denkt bitte nicht so! Wie sollen die Ältesten in der Gemeinde prüfen, ob jemand getauft werden kann oder nicht? Sie müssen zu einem Urteil kommen. Wie sollen sie entscheiden, ob jemand in die Gemeinde aufgenommen wird? Oder später, wenn die Gemeinde jemanden ausschließt? Auch da muss die Gemeinde zu einem Urteil kommen.
Es gibt Dinge, die die Bibel verurteilt, die wir nicht tun dürfen: jemanden in seinen Motiven zu richten. Motive kennt nur Gott. Aber bestimmte Dinge, die jemand getan, gesagt oder gelebt hat, kann ich mit der Bibel beurteilen.
So muss ich auch hier zu einer Diagnose kommen. Ich will den Menschen nicht vernichten oder niederschmettern und sagen: „Jetzt will ich Ihnen mal eins sagen: Sie sind kein Christ, gehen Sie nach Hause.“ Ich will ihm helfen.
Der Arzt stellt eine Diagnose: „Sie haben ein bisschen Bronchitis.“ Dann gibt er Hustensaft und Tabletten. Wenn er aber Lungenkrebs diagnostiziert, gibt er keinen Hustensaft. Versteht ihr? Wenn wir merken, der Mensch hat Lungenkrebs, ist nicht gerettet, geht verloren, wollen wir ihm helfen. Wir wollen, dass er die Therapie bekommt, die wirklich hilft, nicht nur etwas, das ihn ein bisschen verdröstet.
Viele Christen wären mit der Antwort zufrieden, wenn jemand sagt: „Ich glaube, dass Jesus für mich gestorben ist.“ Dann würden viele sagen: „Prima, dann bist du ein Bruder! Komm, lass uns zusammen beten oder etwas tun.“ Nein, das wäre mir zu wenig. Es ist zwar richtig, dass Christus für ihn gestorben ist, aber Christus ist nach meiner Erkenntnis für alle Menschen gestorben. Sind deswegen alle gerettet? Ein deutscher Theologe namens Karl Barth lehrte, dass am Kreuz von Golgatha sich alle Menschen bekehrt hätten, die Hölle leer sei, Christus alle erlöst habe, alle zu Christen gemacht habe – die einen wissen es schon, die anderen noch nicht. Das ist die verderbliche Lehre von Karl Barth. Völlig falsch.
Also: „Christus ist für alle gestorben“ ist noch zu wenig. Wenn jemand sagt: „Ich glaube an Jesus“, dann frage ich nach: „Wie meinen Sie das?“
Großartig, ich freue mich, ich glaube auch an Jesus! Aber was bedeutet das für Sie? Glauben Sie, dass er ein guter Mensch ist? Albert Schweitzer, der bekannte Urwaldarzt, hat ein Buch über Jesus geschrieben. Er sah Jesus nur als guten Menschen, als Vorbild, als Edelhumanisten, aber nicht als Retter und Herrn, der für ihn am Kreuz starb und dem er sein Leben durch Buße und Glauben anvertraut hat. Das fehlt.
Das hier ist das objektive Heil: Gott hat Christus für uns ans Kreuz gegeben, und er ist für alle gestorben. Jeder Mensch könnte gerettet werden. Aber man muss das durch Umkehr und Glauben annehmen. Das ist das subjektive Heil, die Heilsannahme, wie die Bibel lehrt, durch Buße und Glauben, durch Umkehr und Vertrauen auf das vollbrachte Werk.
Was heißt das, wenn jemand sagt: „Weil ich an Jesus glaube“? Wunderbar, aber da frage ich nach. Das ist mir zu oberflächlich. Jeder gute Katholik glaubt an Jesus, sogar jeder Moslem glaubt an Jesus, weil Jesus ein Prophet im Koran ist – der Prophet ist natürlich Mohammed für die Moslems.
Also muss ich nachfragen: Was heißt das, dass du an Jesus glaubst?
Machen wir an dieser Stelle eine Pause. Es ist halb zehn, auch wenn wir etwas später angefangen haben, machen wir jetzt pünktlich Pause.
