Einführung: Die Herausforderung des Annehmens schwieriger Lebenssituationen
Gottes Leute suchen das Beste für die Stadt. Das ist das Thema dieser Einheit.
Thomas, es war großartig, wie du diese Situation geschildert hast. Ich glaube, jeder kennt solche Momente, in denen man sagt: "Es geht eigentlich nicht. Das kann ich nicht. Da gehöre ich nicht hin. Da passe ich nicht hin. Da muss ich weg. Da bin ich am falschen Platz."
Es gibt Situationen, mit denen wir nicht klarkommen – oder zumindest meinen, nicht klarkommen zu können. Manchmal fühlt man sich richtig fremd, denkt: "Da gehöre ich nicht hin." Man fühlt sich unwohl, ungeborgen. Es gibt Zustände, die für uns unerträglich sind. Dann möchte man am liebsten den Koffer packen, weglaufen, weggehen. Man schreit zu Gott: "Hey, nimm das weg! Mach das weg! Das geht nicht, ich halte es nicht mehr aus!"
Dann kommen Fluchgedanken auf: Man möchte alles hinter sich lassen, abhauen, verschwinden.
Ich habe gestern mit einer Bekannten gesprochen, die in der Woche vor Weihnachten die Diagnose erhalten hat, dass sie wahrscheinlich an Multipler Sklerose erkrankt ist. Das ist eine ziemlich schlimme, unheilbare Nervenkrankheit – ein langer, langsamer Tod auf Raten. Sie sagt: "Seitdem schreie ich nur noch: Jesus, mach das weg! Mach das weg! Ich halte es nicht aus, das geht nicht. Ich komme damit nicht klar. Ich will und ich kann damit nicht leben."
Andere Bekannte haben vor vielen Jahren ein behindertes Kind bekommen. Am Anfang sagten sie: "Gott, lass die Uhr doch zurücklaufen. Lass die Uhr noch einmal zurücklaufen. Wir können das nicht. Wir schaffen das nicht. Wir wollen das nicht." Sie lieben ihr Kind, aber sie packen die Situation nicht. Sie wollen raus aus diesem Zusammenhang.
Vielleicht sitzt heute Morgen jemand da, der mit ähnlichen Gedanken gekommen ist. Du sitzt in der Schulklasse und denkst: "Das geht nicht. Hier passe ich nicht hin. Hier gehöre ich nicht hin – weder mit den Lehrern noch mit den Klassenkameraden oder dem ganzen Stoff."
Oder du sitzt in einem Job, in dem das Verhältnis zum Chef oder zu den Kollegen nicht stimmt. Die Tätigkeiten sind zu langweilig, zu stressig oder was auch immer. Du denkst: "Ich gehöre hier nicht hin."
Es gibt so viele Situationen im Leben, in denen es uns nicht gut geht. Immer wieder geraten wir in solche Momente, in denen wir meinen, nicht überleben zu können.
Jeremia-Brief an die Exilierten: Gottes Perspektive auf das Leben im Fremdland
Um eine solche Situation geht es heute in unserem Text für die Bibelarbeit. Ich möchte aus dem Buch des Propheten Jeremia einen Brief vorlesen, den Jeremia an Juden geschrieben hat, die nach Babylon deportiert worden waren.
Ich lese aus Jeremia die Verse 1 bis 14, lasse aber einige Verse aus, da es sonst zu lang wird. Dort heißt es: Dies sind die Worte des Briefes, den der Prophet Jeremia von Jerusalem sandte an den Rest der Ältesten, die weggeführt waren, an die Priester und Propheten und an das ganze Volk, das Nebukadnezar, der König von Babylon, von Jerusalem nach Babel, Babylonien, weggeführt hatte.
Dann lese ich weiter Vers 4: So spricht der Herr Zebaoth, der Gott Israels, zu den Weggeführten, die ich von Jerusalem nach Babel habe wegführen lassen: Baut Häuser und wohnt darin, pflanzt Gärten und esst ihre Früchte. Nehmt euch Frauen und zeugt Söhne und Töchter. Nehmt für eure Söhne Frauen und gebt eure Töchter Männern, damit sie Söhne und Töchter gebären. Mehrt euch dort, damit ihr nicht weniger werdet.
Sucht das Wohl der Stadt, dahin ich euch habe wegführen lassen, und betet für sie zum Herrn. Denn wenn es der Stadt wohlgeht, so geht es euch auch wohl.
Ich lese weiter Vers 10: Denn so spricht der Herr: Wenn für Babel siebzig Jahre voll sind, will ich euch heimsuchen und mein gnädiges Wort an euch erfüllen. Ich werde euch wieder an diesen Ort bringen, denn ich weiß wohl, was ich für Gedanken über euch habe, spricht der Herr. Gedanken des Friedens und nicht des Leides, dass ich euch gebe Zukunft und Hoffnung.
Ihr werdet mich anrufen, hingehen und mich bitten, und ich will euch erhören. Ihr werdet mich suchen und finden. Denn wenn ihr mich von ganzem Herzen suchen werdet, will ich mich von euch finden lassen, spricht der Herr.
Ich will eure Gefangenschaft wenden und euch sammeln aus allen Völkern und von allen Orten, wohin ich euch verstossen habe, spricht der Herr. Ich werde euch wieder an diesen Ort bringen, von wo ich euch habe wegführen lassen.
Historischer Hintergrund: Das Exil und die Herausforderung des Glaubens im fremden Land
Was war passiert? Nach Jahrzehnten, nein, nach Jahrhunderten der Gottlosigkeit hat Gott ein Gericht über Israel, über das Volk Juda, gebracht. Babylon, konkret der Herrscher von Babylon, Nebukadnezar, ein berühmter Mann eines großen Volkes der antiken Welt, kam und hat Israel vernichtet. Er hat den Tempel abgefackelt, Jerusalem in Schutt und Asche gelegt und einen Teil des Volkes nach Babylon verschleppt.
Das war damals üblich. Antike Herrscher zögerten nicht lange. Wenn es ihnen zu bunt wurde, machten sie ihre Gegner schnell platt und nahmen die Elite des Volkes mit ins Exil. Dort wurden sie an einem anderen Ort angesiedelt, damit Ruhe herrschte.
Diese Juden saßen nun in Babylonien. Babylonien war nicht nur ein fremdes, nicht nur ein feindliches Land. Viel schlimmer: Babylonien war ein heidnisches Land. Aus jüdischer Perspektive war es ein unreines Land, ein Ort, an dem der Gott Israels weit entfernt war. Jeder dachte: Hier ist Gott nicht. Und wenn Gott nicht da ist, kann ich eigentlich auch nicht hier sein. Hier kann ich nicht leben. Wie soll das gehen?
Der Glaube im alten Israel war von einem ganz bestimmten Denken geprägt. Die Heiligkeit Gottes wohnte im Tempel in Jerusalem. Das war sozusagen das Wohnzimmer Gottes. Dort konnte man Gott begegnen. Deshalb pilgerten die Juden Jahr für Jahr zu den großen Pilgerfesten, zu den großen Wallfahrtsfesten nach Jerusalem, um ihrem Gott, dem Gott Israels, nahe zu sein.
Dort konnte man Gott begegnen. Außerhalb Israels war dieser Gott nicht präsent, war die Heiligkeit Gottes nicht mehr vorhanden – und schon gar nicht in Babylon, bei diesen Heiden, bei diesem unreinen Volk. Wie sollte man dort ein gutes Leben führen können? Wie sollte man dort ein friedvolles, ein heiles Leben führen können? Dort konnte man eigentlich gar nicht leben, ganz abgesehen von der äußeren Not, dem Hunger und der Feindschaft der Babylonier.
Wo Gott nicht war, konnten die Menschen nicht sein. Das ging nicht. Es war eigentlich alles zum Davonlaufen. In dieser Situation schreibt Jeremia diesen Brief.
Erste Botschaft: Die Notwendigkeit des Annehmens unveränderlicher Umstände
Und dieser Brief hat eine spannende Tonlage, einen ersten Ton, einen ersten Punkt. Jeremia sagt: Nimm an, was du nicht ändern kannst. Nimm an, was du nicht ändern kannst.
Jeremia macht seinen Leuten, seinen Landsleuten in Babylon, eines klar: Ihr bleibt ja siebzig Jahre dort. Das heißt, ihr werdet dort sterben. Das ist jetzt eure Heimat. Vergesst alle Träume von einer raschen Heimkehr. Ihr werdet hier euer Leben zu Ende bringen.
Diese Situation wird sich für euch nicht mehr ändern. Alle Fluchtgedanken, alles Heimweh, alle Hoffnungen, dass die Sache hier rasch ein Ende findet, könnt ihr euch abschminken.
Jeremia schreibt: Baut Häuser! Weil das so ist, weil es sich nicht ändern wird für euch, baut Häuser, macht das Ganze zu eurer Heimat. Pflanzt Gärten, esst Früchte. Sorgt dafür, dass eure Kinder dort heiraten und dass eure Kinder dort Kinder bekommen. Macht Babylon zu eurer Heimat. Bleibt nicht auf euren Koffern sitzen, packt eure Koffer aus und richtet euch ein, wo ihr seid.
Die Grundaufgabe eures Lebens, liebe Freunde, ist es, das anzunehmen, was ihr nicht ändern könnt. Die Grundaufgabe ist die Berufung Gottes in der jetzigen Lebenssituation anzunehmen und zu begreifen. Versteht, dass auch hinter den dramatischen Lebensführungen – denn es war für diese Juden eine dramatische Lebensführung – eine höhere Pädagogik Gottes steht.
Gott weiß, wofür das Ganze einmal gut sein soll. Er sagt: Ich habe Gedanken des Friedens und nicht des Leides. Und das sagt er Leuten, die wirklich am Ende waren – am Ende mit ihren Nerven, am Ende mit ihrer Situation, am Ende mit ihren Kräften.
Hey, ich habe Gedanken des Friedens und nicht des Leides, ich will dir Zukunft geben und Hoffnung in dieser Situation, die für dich so zum Davonlaufen ist.
Diese Situation, in der du sitzt, sagt Gott durch Jeremia, die ist meiner Hand nicht entzogen. Bitte glaube nicht, dass ich jetzt nicht auch da wäre. Bitte glaube nicht, dass ich nur im Tempel in Jerusalem sitze und nur in Israel irgendwie Einfluss hätte.
Ich bin da, und ich habe deine Situation im Griff – selbst im fernen, heidnischen, unheiligen, unreinen Babylon. Selbst dort bin ich da und habe es im Griff.
Das, was ihr erlebt, ist nicht das blinde Fatum, das blinde Schicksal eines Willkürgottes, der über seinen Leuten irgendwie Poker spielt oder Lotto spielt. Nein, ich habe Gedanken des Friedens, ich habe es im Griff, ich habe einen Plan.
Deshalb: Baut Häuser und richtet euch ein.
Die Bedeutung des Annehmens für das eigene Leben und die Veränderungsfähigkeit
Das ist die Grunderfahrung unseres Lebens. In unseren momentanen Lebenssituationen, die wir nicht einfach ändern können, liegt eine wichtige Erkenntnis. Thomas, du hast ein Bein verloren – das kann man nicht ändern. Das sind Dinge, die einfach so sind. Andere Menschen haben wiederum andere Grundsituationen. Ihr habt Eltern, die ihr nicht ändern könnt. Ihr habt eine Hautfarbe, die ihr nicht ändern könnt. Ihr befindet euch in einer bestimmten Situation, die man nicht einfach verändern kann.
Unsere Situation in Deutschland ist im Vergleich zu vielen anderen Lebenslagen von Schwestern und Brüdern auf der ganzen Welt noch verhältnismäßig gut. Was würde heute Morgen ein syrischer Familienvater sagen, der im Bombenhagel sitzt? Wir haben Situationen, die wir nicht ändern können.
Das Geheimnis Gottes ist: Wenn wir in den Situationen, wie sie nun mal sind, die Berufung Gottes entdecken, dann finden wir überraschenderweise irgendwann einen Sinn. Einen Sinn, der zeigt, dass das, wie es ist, gut ist. Und dass hinter allem, so unmöglich es auch scheinen mag, ein Gott des Friedens steht – einer, der gute Gedanken über unser Leben hat und uns trotz der spannungsvollen Lage eine Zukunft geben möchte.
Wenn ich keinen Frieden mit der Situation schließe, wie sie ist, werde ich keinen Frieden mit mir selbst finden. Wer seine Lebenssituation mit allen Schwierigkeiten annimmt, kann sich mit ihr versöhnen. Und wer sich mit sich selbst und seiner Situation versöhnen kann, der kann sich auch mit den Menschen in dieser Situation versöhnen. Er kann sich mit seinen Eltern versöhnen, mit seiner Schule, mit seiner Arbeitsstelle. Er kann sich sogar mit seinem Aussehen versöhnen.
Viele sagen: „Mensch, ich würde gern ganz anders aussehen. Ich wäre gern viel schlanker oder viel dicker oder ganz anders.“ Nimm an, was du nicht ändern kannst. So kannst du dich auch mit deinen Begrenzungen, deinen Begabungen und deinen Schwächen versöhnen.
Menschen, die sich selbst und ihre Situation nicht annehmen können, verhalten sich in der Regel auch unversöhnlich. Wir verschließen uns das Leben, wenn wir die Dinge nicht annehmen, die wir nicht ändern können. Und es gibt vieles, was wir nicht ändern können.
Wir verschließen uns das Leben aber auch, wenn wir zu kleinmütig von unserer Veränderungsfähigkeit denken. Ihr alle – und ich auch – wir können uns viel mehr verändern, als wir heute Morgen glauben. Ihr könnt euch viel mehr verändern, als ihr euch im Moment vorstellen könnt.
Denkt nicht so klein. Denkt nicht so klein von eurer Veränderungsfähigkeit. Denkt nicht so klein von eurer Anpassungsfähigkeit. Ihr habt viel mehr Potenzial, als ihr euch vorstellen könnt.
Beispiel aus der Praxis: No-Go-Areas und die überraschende Wirkung von Annahme
Ich arbeite in Liebenzell mit jungen Studenten. Wenn sie ihr Studium abgeschlossen haben, fragen wir sie, was sie sich beruflich vorstellen können. In der Liebenzeller Mission gibt es verschiedene Jobs, und dabei geht es auch darum, ob sie sich einen Einsatz in der Mission vorstellen können oder eher irgendwo in Deutschland.
Wir stellen ihnen dabei immer eine Frage: Was ist für euch eine No-Go-Area? Ihr kennt das vielleicht aus den Touristenführern großer Städte. Dort werden für Touristen die No-Go-Areas beschrieben – Gegenden, in die man besser nicht geht, weil man dort schnell Ärger bekommen kann. Wir fragen also: Was wäre für euch weltweit eine No-Go-Area? Dann kommen Antworten wie Japan, wegen dem Fisch, oder Russland, weil es so kalt ist, und so weiter. Die Studenten dürfen ihre No-Go-Areas formulieren.
Wenn wir diesen Brief in diesem Horizont lesen, dann war Babylon für die Juden eine No-Go-Area. Das ging nicht, dort konnten sie nicht leben und nicht hin. Dort hielten sie es nicht aus. Doch Gott machte aus dieser No-Go-Area Babylon eine Grundlage seiner Heilsgeschichte. Nach siebzig Jahren durften die Juden wieder heimkehren, und viele Tausend sind tatsächlich zurückgekehrt.
Das Überraschende ist: Viele Tausend Juden sind geblieben. Zigtausende blieben in Babylon. In den folgenden Jahrhunderten zogen sogar Hunderttausende von Israel nach Babylon, weil es dort besser war. Dort konnte man besser leben, es gab mehr Jobs, und man konnte reich werden. In Israel hingegen nagte man am Hungertuch. Tausende Juden verließen Israel und gingen nach Babylon, Griechenland, Rom und Kleinasien, dem heutigen Gebiet der Türkei. Sie verstreuten sich im Ausland.
Diese Auslandsjuden nennt man Diasporajuden, weil sie in die Diaspora gegangen sind. Im ersten Jahrhundert lebten schätzungsweise drei Viertel aller Juden nicht in Israel, sondern irgendwo zwischen Spanien und dem persischen Hochplateau – in dieser Diaspora. Diese Gruppe war die erste, die das Evangelium erreichte. Viele von ihnen kamen zum Glauben an Jesus Christus und wurden Träger des Evangeliums in die Welt hinaus.
Kirchengeschichtlich können wir uns die Ausbreitung des Evangeliums kaum ohne diese Gruppe der Diaspora-Juden vorstellen. Sie waren die Nachkommen derjenigen, die Nebukadnezar vor 500 Jahren nach Babylon verschleppt hatte. Mit ihnen zusammen wurden Tausende anderer Landsleute mitgenommen. Sie verstanden als erste das Evangelium von Jesus Christus, dem König Israels.
Das Evangelium breitete sich aus, weil 500 Jahre zuvor Menschen eine unerträgliche Situation angenommen und Frieden mit ihr geschlossen hatten. Diese Erfahrung machen viele unserer Studenten heute. Sie sitzen später vielleicht tatsächlich in einer Gegend, die sie vorher als No-Go-Area beschrieben hatten, wo sie dachten: „Das geht nicht, das halte ich nicht aus, das läuft bei mir nicht.“
Für viele wird diese No-Go-Area, in der sie später leben, zu einem Ort des Segens. Und sie selbst werden für diesen Ort zum Segen.
Zweite Botschaft: Aktiv werden und das Umfeld mitgestalten
Nimm an, was du nicht ändern kannst. Was ist im Moment dein Problem, das du nicht ändern kannst? Hör auf, Krieg dagegen zu führen. Nimm die Dinge an, die du nicht ändern kannst.
Aber das ist nicht das Letzte, was Jeremia hier schreibt. Eine zweite Tonlage, ein zweiter Punkt: Verändere, was du ändern kannst. Verändere, was du ändern kannst.
Dieser Brief ist voller Überraschungen. Jeremia schreibt den Juden im Exil nicht nur, dass sie dort 70 Jahre lang irgendwie aushalten sollen, sondern dass sie diese No-go-Area Babylon mitgestalten sollen. „Suchet der Stadt Bestes, dahin ich euch habe wegführen lassen, betet für dieses heidnische fremde Land.“ Wenn es Babylon wohl geht, dann geht es euch wohl. Suchet der Stadt Bestes.
Das griechische Wort für Stadt heißt Polis, und von diesem Wort Polis kommt unser deutsches Wort Politik. Man könnte deshalb übersetzen: Sucht nach der besten Politik für Babylon.
Wisst ihr, was das heißt? Jeremia schreibt denen, die in Babylon verkümmern, verzagen und verzweifeln: „Hey, mischt euch in die Kommunalpolitik von Babylon ein! Setzt euch mit diesen Heiden an einen Tisch, lasst euch in den Kreistag von Babylon City wählen, verhandelt mit ihnen, schaut mal, was da herauskommen kann.“
Könnt ihr euch die Reaktion dieser Juden vorstellen, als sie diesen Brief bekommen und ihn lesen? Sie schauen mit ungläubigen Augen und fragen: „Was, Politik für Babylon? Kreistag in Babylon City? Mit den Typen? Mit unseren Erzfeinden, mit diesen Heiden, mit diesen Götzendienern? Sich mit denen an einen Tisch setzen, mit ihnen gemeinsame Sache machen, politische Kompromisse aushandeln?“
Das war für die Juden eine theologische No-go-Area. Da macht man sich ja die Hände schmutzig. Kompromisse mit diesen Heiden? No-go, vergesst es! Und Jeremia sagt: Macht es! Macht es! Suchet der Stadt Bestes!
Jeremia fordert sie auf, Politik für Babylon zu machen. Gott schickt seine Leute in die politischen Gremien, in die politischen Prozesse, ins Machtgerangel, in die Debatten, in das Ringen um Kompromisse und Lösungen. Sucht der Stadt Bestes! Wenn es der Stadt gut geht, geht es euch gut.
Sucht das Beste eures Landkreises. Wenn es dem Landkreis gut geht, geht es euch gut. Sucht das Beste eures Bundeslandes. Wenn es Baden-Württemberg gut geht, geht es uns gut. Sucht das Beste für Deutschland. Wenn es diesem Land gut geht, geht es uns gut. Sucht das Beste für Europa. Wenn es Europa gut geht, geht es uns gut.
Da sagt Gott Ja zur Politik. Da sagt Jeremia: Auf in die Politik! Nicht in dem Sinne, dass Politik eine Kirche wäre und es dort immer um den Willen Gottes ginge, sondern in dem Sinn, dass Politik ein Raum ist, wo es Christen gut ansteht, sich zu engagieren – zumindest als Beter, wenigstens als Beter.
Das Beten für die Politiker ist Christenpflicht. Das ist unser Mindestengagement in der Politik. In der antiken Welt haben übrigens alle Religionen für ihre Herrscher gebetet. Das Gebet für die Obrigkeit war eine Selbstverständlichkeit in allen Religionen der antiken Welt.
Nicht nur Christen und Juden beteten für ihre Obrigkeit, sondern alle Menschen in der ganzen antiken Welt, egal welcher Religion sie angehörten, beteten zu ihren Göttern für die Obrigkeit. Denn alle hatten dieses tiefe Wissen: Wenn die Obrigkeit es gut macht, geht es uns gut. Wenn sie gute Politik macht, geht es uns besser, als wenn sie schlechte Politik macht. Wenn der Obrigkeit Weisheit geschenkt wird, dann geht es uns gut.
Deshalb heißt es im Neuen Testament: Überall betet für den Kaiser. Zum Beispiel im ersten Petrusbrief. Dort sind Leute angesprochen, die wirklich unter der Knute der römischen Herrschaft litten. Sie wurden gemobbt, diffamiert und drangsaliert. Und Petrus schreibt ihnen: „Hey, betet für den Kaiser, betet für die Instanzen, die euch gerade so mobben. Wenn sie gute Politik machen, wird es euch irgendwann auch wieder gut gehen.“
Wir haben es uns in unserem Land angewöhnt, über Politiker zu schimpfen. Wir ziehen gern über sie her. Kritische Bürger brauchen wir, kein Thema. Aber wir brauchen vor allem Menschen, die für Politiker beten.
Mal umgedreht: Wenn wir Politiker nur schlecht machen und nicht für sie beten, wie sollte es uns dann gut gehen? Wie sollte es uns gut gehen, wenn wir uns nur in der Klage über Menschen aufhalten, die uns regieren?
Aber es geht hier nicht nur um Politik. Es geht um die Mitgestaltung unserer Umwelt und unserer Gesellschaft auf allen Ebenen. Auch in der Wirtschaft, im kulturellen und im sportlichen Geschehen gehört alles mit dazu.
Ich denke an diese Mütter, die angefangen haben, für die Schulen zu beten – Mütter in Kontakt. In Amerika heißen sie so. Sie haben gesagt: „Mensch, wir schicken unsere Kinder jeden Morgen in die Schule, und dort begegnen sie Lehrern, Rektoren und was weiß ich alles. Wir beten für die Schule. Wenn es der Schule gut geht, geht es unseren Kindern gut.“ Wir gestalten Schule, indem wir für sie beten.
Oder ich denke an John Naismith. John Naismith war Ende des 19. Jahrhunderts YMCA-Sekretär in Springfield, Massachusetts, in Nordamerika. Er hatte ein Herz für junge Menschen – logisch, sonst wäre er auch nicht YMCA-Sekretär geworden. Aber er litt darunter, dass in Amerika des 19. Jahrhunderts die beliebtesten Sportarten, die Zigtausende und Hunderttausende junger Menschen faszinierten, Boxen und American Football waren.
Das waren Sportarten, die auf die Zerstörung und Demütigung des Körpers des Gegners angelegt waren. Wenn ein Boxer dem anderen einen so richtig in die Fresse haut, dann johlte das Publikum. Und wenn einer dann auf den Brettern lag, war das Ziel erreicht.
American Football hatte damals noch nicht die heutigen Bandagen und Helme. Es gab bei jedem Spiel ausgeschlagene Zähne. Er sagte: Das kann es nicht sein. Es kann nicht sein, dass der größte Spaß junger Menschen die Zerstörung gegnerischer Körper ist.
Er zog sich zum Gebet in seine Turnhalle zurück. Er sagte: „Gott, es muss doch irgendeine Sache geben, die Spaß macht, ohne dass ein Körper kaputtgeht dabei.“
Er überlegte ein bisschen, nahm zwei Obstkörbe, schlug den Boden dieser Obstkörbe durch und hängte sie an die Balustradenkante seiner Turnhalle in Springfield, Massachusetts. Dort erfand er das Basketballspiel, das Korbballspiel. Er überlegte ein paar Regeln.
Heute ist Basketball eine der beliebtesten und meistgespielten Sportarten weltweit. Er sagte, es muss einen Sport geben, der nicht auf die Zerstörung von Körpern ausgelegt ist – einen körperlosen Sport.
Gut, das hat nur bedingt funktioniert. Wer heute Basketballspiele sieht, weiß, dass es dann auch schön zur Sache geht. Der Gerechtigkeitsaspekt ist für kleinere Menschen nicht ganz gewahrt. Aber es war ein deutlicher Fortschritt.
Denn ein junger YMCA-Sekretär hatte Gott gebeten: „Du, gib mir eine Idee für eine sinnvollere Freizeitbeschäftigung.“ Und weil er auch gesehen hatte, dass kleinere Menschen beim Basketball gewisse Nachteile haben – übrigens bis heute hängen alle Basketballkörbe auf einer Höhe von 3,05 Metern –, das war genau die Höhe der Balustradenkante dieser YMCA-Sporthalle in Springfield, Massachusetts. Die Höhe hat sich bis heute gehalten, die Körperlosigkeit nicht so.
Fünf Jahre später setzte er sich nochmal hin und fragte: „Gibt es noch etwas für die Kleinen?“ Dann nahm er Elemente des Tennis und Elemente vom Faustball und erfand das Volleyballspiel – fünf Jahre später.
John Naismith, der YMCA-Sekretär, war Erfinder des Basketball- und Volleyballspiels, heute zwei der beliebtesten Sportarten der Welt. Er sagte: „Ich will meine Gesellschaft verändern. Ich will die junge Generation verändern. Ich will ihnen eine Freizeitbeschäftigung geben, die sie nicht zerstört, wo es nicht nur Krüppel mit ausgeschlagenen Zähnen oder schlimmeren Verletzungen gibt, sondern wo junge Menschen Freude haben, zur Ehre Gottes einen Sport zu machen.“
Wenn wir die Situationen, in denen wir stehen, annehmen, dann können wir sie auch verändern. Dann können wir immer mehr entdecken, was wir verändern können.
Indem ihr die Politik dieses Landes annehmt, die Herausforderungen unserer Gesellschaft annehmt und nicht nur sagt: „Igitt, da gehöre ich nicht hin“, könnt ihr sie verändern. In dem Moment könnt ihr sie gestalten. Und wenn es noch so schwer sein mag: Verändere, was du ändern kannst.
Dritte Botschaft: Gott als der, der durch Annahme Veränderung bewirkt
Und schließlich drittens: Finde den Gott, der verändert, indem er annimmt. Was Gott durch seinen Propheten Jeremia in diesem Brief seinem Volk sagen lässt, ist im Grunde ein Ausdruck seines eigenen Wesens.
Gott hat es mit dieser Welt nicht anders gemacht, denn diese Welt ist für Gott eigentlich zu einer fremden Welt geworden. Diese Welt ist nicht mehr das Zuhause Gottes. Gott ist heilig, diese Welt ist unheilig. Gott ist Liebe, in dieser Welt regiert der Hass. Diese Welt ist für Gott eigentlich eine No-Go-Area, da gehört er nicht hin.
Und mitten in dieser No-Go-Area dieser Welt schickt Gott seinen Sohn. Versteht ihr: Da, wo wir vielleicht sagen, „Da gehöre ich nicht hin“, da sagt Gott zu seinem Sohn: „Geh da hin, geh da rein.“ Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab. Er hat seinen einzigen Sohn in diese No-Go-Area geschickt, im vollen Bewusstsein dessen, was ihn dort erwartete, im vollen Bewusstsein dessen, was am Ende stehen würde.
In Jesus hat Gott diese Welt, diese No-Go-Area, diese Situation, wie sie war, angenommen und in all ihrer Feindschaft und Fremdheit geliebt. Paulus schreibt: Gott war in Christus und hat die Welt mit sich versöhnt, hat diese No-Go-Area mit sich versöhnt.
Dann schreibt der Apostel Paulus an die Römer: „Nehmt einander an.“ Auch diesen fremden Bruder, diese fremde Schwester, die dir so fremd ist, die du nicht verstehen kannst – nehmt einander an, wie Christus euch angenommen hat. Gott verändert, indem er annimmt. Gott verändert, indem er annimmt.
Das Annehmen und Erleiden des Fremden, des Feindlichen ist die Grundlage und die Voraussetzung für Veränderung. Paulus schreibt: Gott wurde arm für uns, damit wir durch seine Armut reich werden. Gott hat sich in all seinem himmlischen Reichtum, in all seiner himmlischen Herrlichkeit in Christus der Armut dieser Welt angepasst, um sie reich zu machen, um sie zu verändern.
Viele Menschen sagen: „Mensch, wenn ich ans Kreuz von Golgatha schaue, dann scheint mir Gott so blutrünstig, so barbarisch, so brutal. Das ist so hässlich, so brutal, so grausam. Das kann doch nicht Gottes Wille sein.“ Und Gott sagt: Genau an diesem Kreuz sollst du erkennen, dass ich Gedanken des Friedens und nicht des Leids habe.
An diesem Leitbalken, an diesem Marterinstrument des Leids, sollst du sehen, dass ich Gedanken des Friedens und nicht des Leids habe. Denn ich habe an diesem Balken die Welt verändert, weil ich an diesem Balken die Welt in all ihrem Hass, in all ihrer Feindschaft angenommen habe. Durch Vergebung verändere ich sie und öffne dadurch einen Weg in die Zukunft, indem ich euch Hoffnung gebe.
Schlusswort: Hoffnung und Frieden in jeder Lebenslage
Ich weiß nicht, mit welcher Lebenssituation du heute Morgen zu ringen hast. Was ist heute Morgen deine No-go-Area? Was sind die Dinge, bei denen du heute sagst: Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen?
Sprich das doch mal vor Gott aus: Jesus, erstens, zweitens, drittens – das sind meine No-go-Areas. Das kann ich mir überhaupt nicht vorstellen. Da würde ich protestieren, da würde ich weglaufen wollen, da habe ich Angst davor.
Und dann legst du das vor Gott hin und lässt dir aus dem Brief des Jeremia sagen: Gott hat Gedanken des Friedens und nicht des Leids über deinem Leben. Deine No-go-Areas sind niemals Gottes No-go-Areas. Für Gott gibt es keine No-go-Areas.
Gott hat Gedanken des Friedens und des Leids, um dir Zukunft und Hoffnung zu schenken – in jedem Bereich dieser Welt und deines Lebens. Wenn du dich von Gott finden lässt, in den unmöglichsten Lebensumständen, an den schlimmsten Orten, in den schwierigsten Situationen, dann ist alles möglich in deinem Leben – wirklich alles.
Amen.
Gebet: Um Frieden und Veränderung durch Jesus Christus
Ich möchte beten: Herr Jesus Christus, du bist aus deiner himmlischen Herrlichkeit in die No-Go-Area dieser Welt gekommen. Du bist aus dem Reichtum deiner Herrlichkeit in die Armut dieser Welt gekommen. Du bist aus dem Frieden des Vaters in die Feindschaft dieser Welt gekommen.
Herr, wir begreifen das nicht, wir verstehen es nicht, aber wir staunen darüber. Wir beten dich dafür an, dass du das getan hast.
Heute Morgen siehst du unsere kleinen, unsere verkümmerten Herzen, die sagen: „Das kann ich nicht, das will ich nicht, das geht nicht.“ Doch dann nimmst du unsere Hand, gibst uns deinen Frieden und sagst: „Friede sei mit dir.“
Wir wollen geschehen lassen, dass du uns die Augen öffnest, dass du unseren Blick veränderst und unsere Herzen wandelst. So bekommen wir wieder offene Augen und Ohren. Wir empfangen Frieden und auch eine Liebe für die No-Go-Areas unseres Lebens, für die Umstände, die uns Schwierigkeiten machen, und für die No-Go-Areas dieser Welt.
Gib uns deinen Frieden, deine Hoffnung und Zukunft – in deinem Namen. Amen.