Alle Gäste, die zum ersten Mal an dieser Reihe teilnehmen, auch wenn sie nicht zum ersten Mal im Gottesdienst sind, sollen die Überraschung genießen, zu erfahren, wo wir gerade stehen.
Wir befinden uns nämlich mitten im Hohelied. Beim letzten Mal haben wir uns mit der Szene beschäftigt, in der Salomo und Sulamit geheiratet haben. Am Ende dieser Szene sind sie sich in der Hochzeitsnacht zum ersten Mal körperlich nahegekommen.
Die zentrale Bedeutung von Bewunderung und Wertschätzung in der Liebe
Am Anfang dieser Predigt möchte ich die Frage stellen: Was ist der herausragende Bestandteil von Liebe – einerseits im Hohelied, aber darüber hinaus auch in unseren Beziehungen? Was ist der Teil der Liebe, bei dem man sagen würde, das ist das Wichtigste?
Man kann das Hohelied nicht lesen, ohne ständig darauf gestoßen zu werden. Es ist wirklich so, als würde man jemanden immer wieder beim Schopf packen und immer tiefer hineinführen, bis er es wirklich vollständig begriffen hat.
Ich glaube, das Hohelied funktioniert ein bisschen so, nach dem Motto „Auslegung für Optiker“ – dieses immer wieder Hineinsehen, um den wirklich wichtigen Bestandteil der Liebe zu erkennen. Dort, wo Liebe den Unterschied macht, wo sie wirklich besonders wird, heißt dieser Bestandteil Bewunderung und Wertschätzung.
Wenn man eine Sache von Salomo und Sulamith mitlernen kann, dann ist es, wie sie miteinander umgehen: Sie bewundern einander, sie schätzen einander und bringen das mit Worten zum Ausdruck. Niemals entsteht der Eindruck, dass sie wie ein altes Ehepaar sind, das seit 40 oder 50 Jahren verheiratet ist und sich einfach darauf eingestellt hat, nebeneinander herzuleben. Jeder hat seinen Teil des Hauses für sich eingerichtet, und man sieht sich vielleicht gerade noch in der Dusche.
Hier sind zwei Menschen, die ganz aufeinander fixiert sind. Sie finden einander so toll, bewundern sich gegenseitig und schätzen einander über alle Maßen wert. Das lässt einen einfach staunen. Wenn Bewunderung und Wertschätzung verloren gehen, dann geht auch die Liebe verloren.
Das gilt nicht nur für eine Ehe, sondern auch für die Gemeinde. Wenn wir als Gemeinde Liebe leben wollen – und wir sind dazu berufen, dazu muss ich nichts weiter sagen – dann darf unter uns Bewunderung und Wertschätzung nicht verloren gehen.
Die Herausforderung von Ehestreit und die Bedeutung von Bewahrung der Liebe
Ich werde heute ein sehr ernstes Thema ansprechen. Es geht um das Hohelied, und ich kann nichts dafür – es wird nämlich um Ehestreit gehen. Ich werde über neun Prinzipien aus dem Hohelied sprechen, wie man mit Ehestreit umgehen soll. Ihr könnt jedes einzelne Prinzip auf jeden Streit in eurem Leben übertragen.
Immer dann, wenn Bewunderung und Wertschätzung verloren gehen, kommen Dinge in eine Beziehung, die dort nicht hingehören. Zum Beispiel baut sich Distanz auf, es findet eine Entfremdung statt. Man fängt an, übereinander statt miteinander zu reden. Man beginnt, seine eigenen Wege zu gehen. Vielleicht wird Kritik wichtiger als Lob, und das Eigeninteresse wichtiger als das Miteinander.
Ich weiß nicht, ob ihr solche Dinge in eurem Leben gerade erlebt, wo ihr sagt: Ja, das ist mir passiert. Vielleicht ist es in den letzten Wochen passiert, dass ihr Distanz aufgebaut habt oder eine Entfremdung stattgefunden hat. Ich kann euch nur eines sagen: Wo das passiert, wird nicht geliebt. Egal, von wem ihr glaubt, dass die Schuld ausgeht – es ist keine Liebe.
Das ist es, was uns das Hohelied beibringt. Salomo und Sulamit gehen so nicht miteinander um. Sie lassen eine Entfremdung gar nicht erst zu. Wenn man den beiden zuhört, dann feiern sie ihre Liebe. Sie schwärmen voneinander und betonen ganz bewusst die schönen Seiten.
Und das ist nicht nur so, weil Poesie natürlich nie objektiv ist. Wenn ihr ein Lied lest, dann geht es nie um objektive Wahrheiten. Ein Lied will das auch gar nicht. Es will die schönen Seiten herausstellen, übertreiben und den Schwerpunkt auf das richten, was uns verbindet.
Denn der Blick auf das, was trennt, das schaffen wir als Sünder ganz alleine. Dann müssen wir uns nicht anstrengen. Das ist unsere natürliche Blickrichtung: Was stört mich am anderen?
Und das, was wir hier in der Liebe lernen, ist deshalb so wichtig. Ich glaube, dass Liebe, wenn ich sie definieren müsste, Sehnsucht nach Beziehung ist. Liebe ist Sehnsucht nach Beziehung.
Unser natürlicher Trend geht immer weg von der Beziehung. Das ist immerhin die Sünde, die die Beziehung zerstört – zu Gott und zu anderen Menschen. Und jetzt kommt die Liebe quasi als Gegenmittel. Sie zwingt uns, auf die andere Seite zu schauen, dahin zu blicken, wo der andere in seiner Gottesebenbildlichkeit als Bruder, Schwester, Freund oder Ehepartner etwas ganz Besonderes ist.
Diesem Blick gilt es, Raum zu geben und ihn zu fördern. Das sehen wir bei Salomo und Sulamit.
Die göttliche Zustimmung zur sinnlichen Liebe
Wir haben sie uns angeschaut, wie sie in diese Hochzeitsnacht hineingehen, wie sie einander genießen und förmlich verschlingen. Dann kommt im Hohelied, Kapitel 5, Vers 1b, diese Stimme aus dem Off.
Man hat noch gerade das Bild vor Augen, wie sie einander verschlingen und im Rausch der Sinne untergehen. Plötzlich spricht Gott und sagt: „Esst, Freunde, trinkt und berauscht euch an der Liebe.“
Ich finde es so schön, dass Gott sich in diesen Momenten ein wenig pikiert abwendet und sagt, dass ihm das, was die beiden da machen, nicht ganz recht ist. Gleichzeitig stellt er sich aber auch dazu, weil er sich als Schöpfer die Sexualität ausgedacht hat. Er sagt einfach: „Hey, super, dafür ist es da! Genießt einander!“ Es ist der Raum, in dem berauschende Liebeserfahrungen genossen werden dürfen. Diese genussvollen Stunden zu zweit sind von Gott gewollt.
Theologisch und strukturell ist dieser Vers der Höhepunkt des Hohelieds. Alles andere ist um diesen Vers herum aufgebaut. Das ist die Spitze, wenn Gott sagt: „Ich bin voll dafür!“
Das, was die beiden erleben, ist nicht nur ein bisschen na ja. Es gibt immer Leute, die sind ein wenig zurückhaltend oder denken: „Du kennst doch diese überdrehten Typen, die sich mit 35 noch Plüschherzchen schenken und sagen: ‚Ich bin ja so verliebt in dich‘ – und du denkst dir, was für Spinner.“ Ein bisschen kommen Sulamit und Salomo so rüber. Man könnte meinen: „Muss man wirklich so schwärmerisch sein? Komm, ein bisschen deutsche Gründlichkeit und Ruhe reinbringen, ein bisschen zurückfahren! Dieses ständige ‚Du bist schön, du bist auch schön, und deine Augen sind wie Tauben, ach, und du bist wie eine Zeder vom Libanon‘ – muss das wirklich sein? Ist das nicht ein bisschen überkandidelt?“
Die Antwort lautet: Nein. Denn in dem Moment, in dem es richtig zur Sache geht, wenn die beiden ihren Höhepunkt erreichen, tritt Gott an ihre Seite und sagt: „Jo, Freunde, esst, trinkt, berauscht euch an der Liebe!“
Er sagt es für uns, damit wir an dieser Stelle begreifen, dass Gott wirklich auf ihrer Seite steht.
Die Realität von Konflikten in der Ehe
Und während wir das lesen und uns gerade so an ihnen freuen, frage ich mich, wo dieses eine Zettelchen ist, das ich jetzt bräuchte. Da passiert etwas in dem Buch. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber man hat das gerade so vor Augen. Dann liest man ein Stückchen weiter und will weiterlesen. Ah, da ist es, danke schön! Zweiseitig kopiert – ey, das ist fies, wenn du normalerweise mit einseitigen Skripten arbeitest und plötzlich auf zweiseitig gehst. Okay, gut.
Also, die beiden sind gerade total aufeinander bezogen. Gott sagt super, und dann Vers 2: „Ich schlief“, sagt Sula mit, „aber mein Herz wachte.“ Sie war schon mal zu Bett gegangen. Sie haben getrennte Schlafzimmer, und sie schläft ziemlich unruhig. Salomo geht ihr einfach nicht aus dem Kopf. Und wie sie da gerade nicht einschlafen kann, hört sie: „Horch, mein Geliebter, er klopft.“ Steht draußen Salomo. Schönes Bild, oder? Ich und noch waren so miteinander vereint.
Und was sagt er? „Tu mir auf, meine Schwester, meine Freundin, meine Taube, meine Vollkommene, denn mein Haupt ist voll von Tau, meine Locken voll von Tropfen der Nacht.“ Ach, er klopft da an. Komm, Kleine, mach mal auf, ich will mal rein. Und du erwartest, du hast sie noch vor Augen, wie sie so eng umschlungen die Hochzeitsnacht genießen. Du denkst, ja, sie sprintet bestimmt jetzt zur Tür.
Reißt sie auf, fällt ihm um den Hals, gibt ihm einen lang anhaltenden Schmatz, sagt irgendwas von Honig und Milch ist unter deiner Zunge und so – das hatten wir schon. „Ich habe mein Kleid schon ausgezogen, wie sollte ich es wieder anziehen? Ich habe meine Füße schon gewaschen, wie sollte ich sie wieder beschmutzen?“ Was ist das für eine billige Ausrede? Nee, ich will jetzt nicht. Ich bin schon im Bett.
Auf der einen Seite innerlich diese Sehnsucht, sie denkt noch über ihn nach, und dann will sie nicht aufstehen, weil sie schon ausgezogen ist. Entschuldigung, du brauchst nichts anzuziehen, um ihm aufzumachen. Ja, ohne Scherz, und er lebt auch gut damit, wenn deine Füße ein bisschen dreckig sind, das ist alles in Ordnung.
Nee, warum lässt sie ihn nicht rein? Warum kann sie wach sein, also Sehnsucht nach ihm haben und trotzdem die Tür nicht aufmachen? Und der Punkt ist ganz einfach: Sünde, da wo sie im Leben auftritt, ist nie rational. Sie ist immer ein Stückchen unlogisch. Sünde ist auf ihre Weise immer irrational und dumm.
Aber das, was wir hier präsentiert bekommen, ist das ganz normale Liebesleben. Normalerweise hören Filme, so Hollywood-Filme, an der Stelle auf, wo man so zueinander kommt und die Hochzeitsnacht beginnt. Und dann ist irgendwie ein Schnitt. Ich weiß nicht, wie viele Filme ihr kennt, die damit enden, dass sie im weißen Kleid und er im Anzug sind, sie noch ein bisschen tanzen, da spielt irgendwo eine Kapelle, und dann geht langsam der Abspann an.
Und du denkst dir: Na, wie wird das wohl weitergehen mit Mrs. and Mr. Right? Und hier sagt dieses Buch: Wenn es weitergeht, verspreche ich dir Probleme. Ich verspreche dir, dass in deiner Beziehung irgendwo Dinge passieren werden, bei denen der eine einfach ein natürliches Bedürfnis hat, und der andere diesem Bedürfnis mit Unwilligkeit, mit einem Mangel an Sensibilität oder einfach mit Ignoranz und mit ganz billigen Ausflüchten begegnet.
Neun Prinzipien für den Umgang mit Ehestreit
Wie gehe ich damit um? Wenn ich mit nassen Haaren vor der Schlafzimmertür meiner Traumfrau stehe und der König bin, rufe ich die Wachen und sage: „Aufbrechen!“ Oder ich handle ganz im Stil von John Wayne, breche selbst auf, gebe der Tür einen kräftigen Tritt, sodass sie aufspringt. Dann gehe ich hinein und sage: „Weißt du was, Kleiner, das passiert nie wieder, okay? Nie wieder.“ Das wäre eine Option.
Es gibt neun Lektionen, wie man mit solchen Situationen umgeht. Neun Lektionen, in denen jemand sich in der Ehe falsch verhält. In diesem Fall ist es Sulamit, doch es könnte genauso gut Salomo sein. Es wird nur eine einzige Situation geschildert, und plötzlich entsteht Raum für Bitterkeit, Zorn und böse Worte.
Diese neun Lektionen zeigen, wie man mit solchen Momenten umgeht.
Erste Lektion: Streit vermeiden
Erste Lektion: Fang keinen Ehestreit an, sondern geh lieber einfach weg. Das ist eine biblische Lektion. Ihr wisst das schon, wir haben darüber schon gesprochen, auch von der Kanzel, in den Predigten darüber. Ich lese nur einen Vers vor: Sprüche 17,14. Dort gibt uns Salomo einen Tipp an anderer Stelle. Es heißt: „Der Anfang eines Zankes ist wie das Loslassen von Wasser.“
Also lasst den Streit, bevor er losbricht. Ganz einfach: Fang gar nicht erst an. Wisst ihr, was das Gute an einem Streit ist? Ein Streit ist zwar nicht gut, aber er hat etwas Gutes: Du spürst ihn, bevor er kommt. Es gibt diesen Moment, in dem das Gefühl der Enttäuschung in Bitterkeit und Aggression umschlägt.
Es gibt so einen kurzen Moment, in dem du merkst: Ja, jetzt steigt die Temperatur, jetzt bricht es gleich aus. Und das ist der Moment, in dem du einfach weggehst.
Wir sehen das auch bei Salomo in Vers 4: „Mein Geliebter streckte seine Hand durch die Öffnung.“ Alte Türen hatten so ein Loch, durch das man greifen konnte. Innen konnte man dann versuchen, den Riegel wegzuschieben. Wenn der Riegel nicht zusätzlich verriegelt war – es gab so eine Art Schlüssel, der aussah wie eine überdimensionale Zahnbürste aus Holz –, konnte man damit auch hineingelangen.
War der Riegel verriegelt, griff man durch, rüttelte am Riegel, aber wenn es nicht aufging, ging man wieder weg. Genau das macht Salomo. „Mein Geliebter streckte seine Hand durch die Öffnung.“ Sie sieht diese Hand, und ihr Innerstes wird seinetwegen erregt.
„Ich stand auf, um meinem Geliebten zu öffnen, und meine Hände tropften von Mürre, und meine Finger von flüssiger Mürre von den Griffen des Riegels.“ Ich öffnete meinem Geliebten, aber mein Geliebter hatte sich umgewandt und war weitergegangen.
Was Salomo also macht: Er bekommt ein Nein, rüttelt mal, schaut, ob irgendwas offen ist, sieht, dass es nicht klappt, und geht wieder.
Das Spannende ist, was sie erlebt: Wenn sie jetzt zur Tür rennt, ist er schon lange weg. Sie fasst den Riegel an und berührt quasi sein Parfüm. Myrrhe auf Ölbasis, und wenn sie die Hand wegzieht, riecht ihre Hand nach seinem Parfüm und nach Myrrhe.
Das wisst ihr schon: Myrrhe ist im Hohelied ein Bild für die sinnliche Freude aneinander. In dem Moment, wo sie sich ein Stückchen auf ihn zubewegt, findet sie bei ihm den Inbegriff von Liebe: Mürre.
Zweite Lektion: Liebe trotz Fehlverhalten schenken
Und das ist die zweite Lektion: Da, wo jemand sich versündigt, begegne ihm mit Liebe. Ich weiß, dass er sie nicht verdient hat, und ich weiß auch, dass du dich in dem Moment nicht danach fühlst, ihn zu lieben. Ich weiß, dass du ihm lieber eine Scheuer geben würdest. Aber die Idee von Salomo ist, ich investiere Liebe – das Bild für Liebe – und das ist das, was Sulamit als Allererstes mitkriegt. Da sind wir noch lange nicht bei Versöhnung.
Ich merke, wie Salomo reagiert, und ich glaube, dass es das ist, was Gott uns in solchen Situationen gebietet. Ich werde verletzt, ich bin derjenige, der zurückgewiesen wird, dessen Bedürfnisse nicht wahrgenommen werden – und ich schenke Liebe. Sie öffnet die Tür, er ist nicht da. Ich war außer mir, dass er gegangen war. Das trifft sie total wie ein Schlag. Sie denkt, sie kann alles noch gut machen, aber es ist schon vorbei. Und jetzt beginnt für sie ein langer Weg zurück.
Der Text ist nicht ganz einfach, weil hier zwei Ebenen übereinandergelegt werden. Auf der einen Seite werden Bilder verwendet, in denen sie ihn sucht und gleich in die Stadt geht. Auf der anderen Seite merken wir, dass der Text eigentlich gar nicht eine räumliche Trennung behandeln möchte, sondern eine innere Trennung. Denn ein Streit oder eine Zurückweisung mit den eigenen Bedürfnissen führt nicht zwingend zu einer räumlichen Trennung, sondern zu einer inneren Trennung. Dabei bleibt die erste Liebe auf der Strecke.
Sie sagt: „Ich suchte ihn, aber ich fand ihn nicht, ich rief ihn, er aber antwortete mir nicht.“ Es finden sie die Wächter, die in der Stadt umhergehen. Sie findet ihn nicht im Palast, sie geht in die Stadt. Und jetzt passiert etwas: Wir haben das mit Wächtern schon mal gehabt, da waren das ganz friedfertige Gesellen. Aber hier heißt es: „Sie schlugen mich, verwundeten mich, die Wächter der Mauern nahmen mir meinen Schleier, das ist ein leichter Überwurf gegen die Kühle der Nacht, weg.“
Was ist denn das für ein Bild? Überlegt mal: Das ist doch ein Liebeslied. Da schlägt man doch nicht die Frau und verwundet sie schon gar nicht! „Verwunden“ heißt, da läuft irgendwo ein bisschen Blut. Und dann nimmt man ihr noch etwas weg. Ich denke übrigens auch immer darüber nach, was die armen Wachen dachten, als ihnen klar wurde, mit wem sie da ... na ja, gut, aber das ist ein anderes Thema.
Warum dieses Bild an dieser Stelle? Die Antwort ist – und das ist eine Lektion, die selten gepredigt wird: Weil da, wo wir uns zurückziehen, wo wir sagen, ich werde da, wo der andere sich falsch verhält, ich werde das ertragen, an dieser Stelle lernen wir die dritte Lektion zum Thema Ehekrach, und die heißt: Lass Gott Richter sein.
Da, wo ich mich nicht räche, wo ich mir nicht anmaße, den anderen zurechtzubringen, da kann ich ihm Gottes Hand geben. Und Gott ist ein Gott, der Sünde vergibt, aber nicht ungestraft lässt. Gott wird Situationen schaffen, sodass im Leben meines Partners er die Lektionen lernt, die er lernen muss.
Und das, was wir hier sehen, ist, wie Sulamit erst eine Distanz zu ihrem Ehepartner aufbaut. Streit hat in der Ehe immer Konsequenzen. Er beraubt uns des Schutzes und des Segens unseres Ehepartners. Und dann muss jeder die Konsequenzen tragen.
Dritte Lektion: Gott das Urteil überlassen
Dritte Lektion: Lass Gott Richter sein.
Vierte Lektion: Hilfe von außen annehmen
Vierte Lektion
Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems: Wenn ihr meinen Geliebten findet, was sollt ihr ihm berichten? Dass ich krank bin vor Liebe.
Ganz simple Lektion: Lass dir helfen.
Wenn eine Beziehung erst einmal einen Knacks hat, dann sind die Töchter Jerusalems – Frauen, die am Königshof leben – diejenigen, die hier in die Suche einbezogen werden. Es ist nicht verkehrt, Freunde um Hilfe zu bitten, wenn eine Beziehung beschädigt ist.
Meine Erfahrung zeigt, dass in zu vielen Beziehungen und Ehen zu lange gewartet wird, bevor Probleme angepackt werden. Da gibt es die kleinen Füchse, und man meint, man könne sie alleine bewältigen. Doch diese kleinen Füchse wachsen, weil man damit allein nicht fertig wird. Irgendwann werden aus diesen kleinen Füchsen ausgewachsene Monster, die ganze Familien verschlingen.
Wenn du dann noch jemanden fragst: Kannst du mir helfen? – stehst du oft vor einem Problem, das unlösbar scheint. Sulamit macht das Richtige: Sie hat ein kleines Problem und holt sich Hilfe. Die Töchter Jerusalems sind zwar jung, aber nicht dumm. Sie sind gute Seelsorger.
Was macht ein guter Seelsorger? Er stellt eine Frage.
Hier fragen sie Sulamit: Was hat dein Geliebter einem anderen Geliebten voraus, du Schönste unter den Frauen? Was hat dein Geliebter einem anderen Geliebten voraus, dass du uns so sehr beschwörst? Warum sollen wir dir da helfen? Was ist denn dieser Salomo für ein Typ?
Frage: Was überwindet die Trennung in einer Ehe? Wenn ich diese Distanz durch irgendein blödes Verhalten aufgebaut habe, was überwindet die Trennung?
Die Antwort ist immer dieselbe. Es ist so schön: Liebe ist so furchtbar einfach. Die Antwort lautet Bewunderung.
Das Mittel der Wahl, um eine Trennung zu überwinden, ist Bewunderung.
Ich finde das so schön. Ich pinge Sulamit an, ich pinge jetzt eine Ehefrau an und sage: Was macht deinen Mann besonders?
Ich glaube, die meisten Ehefrauen – entschuldigt, wenn ich da vielleicht eine schlechte Meinung von euch habe, aber vielleicht irre ich mich, ich hoffe, ich irre mich – würden erst einmal sagen: Na ja, da muss ich mal drüber nachdenken, wo mein Mann jetzt so ganz besonders ist. Ja, das kann er ganz gut, und da ist er irgendwie auch nicht schlecht, und das mag ich an ihm.
Wenn ihr mal erlebt, wie das Sulamitier, also wie sie dargestellt wird, da kommt die Frage und sie antwortet: Haha, mein Geliebter ist weiß und rot, also hat Ausstrahlung und entspricht dem Schönheitsideal ausgezeichnet vor Zehntausenden. Sein Haupt ist gediegenes, feines Gold, seine Locken sind wie Dattelrispen, schwarz wie der Rabe, seine Augen sind wie Tauben an den Wasserbächen, in Milch badend.
Seine Zähne – ihr wisst schon, die fangen dann immer so an, die Leute so zu beschreiben, das geht so runter: Seine Zähne in Milch badend, seine eingefassten Steine, seine Wangen sind wie ein Beet von Wirtskraut, duftende Anhöhen, seine Lippen sind Lilien, träufelnd von flüssiger Myrrhe.
Seine Arme sind goldene Rollen mit Türkis besetzt, sein Leib ist ein Kunstwerk von Elfenbein, bedeckt mit Lapislazuli. Seine Schenkel sind Säulen von weißem Marmor, gegründet auf Untersätze mit feinem Gold. Seine Gestalt ist wie der Libanon, auserlesene Zedern. Sein Gaumen ist lauter Süßigkeit, und alles an ihm ist lieblich.
Salomo ist einfach ein heißer Typ, und das sagt sie auch. Sie muss ja anscheinend gar nicht lange überlegen.
Das ist das, was die Töchter Salomos auslösen.
Wir haben eine Frau, die gerade Knatsch mit ihrem Mann hat, und da kommt jemand und stellt die Frage: Sag mal, was ist dein Mann für ein Typ? Und so geht das weiter.
Und das ist die fünfte Lektion an einem Ehekrach.
Fünfte Lektion: Die Kraft der Bewunderung im Streit
Wenn du mitten in einer schwierigen Situation steckst, denke voller Begeisterung an die schönen Seiten deines Partners. Schwärmerei, die sich in lustvollen Worten, anerkennenden Komplimenten und poetischen Vergleichen ausdrückt, lässt in mir den Wunsch nach Zweisamkeit wachsen. Sie bringt mich meinem Partner innerlich näher.
Warum? Weil Wertschätzung, Zuneigung und Bewunderung die natürlichen Feinde von Entfremdung und Streit sind.
Ich möchte dich fragen: Gibt es in deinem Leben Menschen, bei denen du sagst, dass du gerade ein bisschen im Knatsch mit ihnen bist? Mit denen du momentan nicht so richtig gut auskommst? Wenn ja, gebe ich dir einen Tipp.
Wenn es Leute gibt, die dich enttäuscht haben, oder Menschen, die dich vielleicht auf eine blöde Weise angesprochen haben, sodass du gemerkt hast: „Okay, ich habe mich distanziert, ich habe den Weg der Liebe verlassen“, dann ist das der Rückweg. Fang an, über sie nachzudenken.
Was ist das in ihrem Leben, das ich bewundern kann? Was kann ich wertschätzen? Wofür bin ich begeistert? Das muss nicht nur der Ehepartner sein. Du musst nicht anfangen mit: „Deine Locken sind wie Dattelristen, schwarz wie Raben.“ Du kannst auch auf Charaktereigenschaften eingehen.
Wir sind hier in einem Liebeslied. Liebeslieder sind oft etwas körperbetonter. Da darfst du typisch deutsch sein und ein bisschen tiefer gehen. Du musst nicht, aber du kannst es von mir aus. Fang einfach damit an, wenn du merkst, dass sich irgendwo in deinem Leben eine Distanz zu einer Person aufbaut.
Wenn du merkst, dass du anfängst, über statt mit Leuten zu reden, dann findet Entfremdung statt. Da verlassen sich Wege, und du bist nicht mehr mit jemandem unterwegs. Dann fang an, über ihn so nachzudenken: Was ist das in seinem Leben, das mich begeistert? Was bewundere ich an ihm? Du wirst merken, wie sich automatisch das Gefühl der Wertschätzung wieder einstellt.
Jetzt geht es weiter. Sie sagt: „Das ist mein Geliebter und das mein Freund, ihr Töchter Jerusalems.“ Und dann fragen sie nochmal, und zwar eine Frage, die noch komischer ist. Sulamit möchte, dass die Töchter Jerusalems ihr helfen, Salomo zu finden.
Die Töchter Jerusalems fragen: „Wohin ist dein Geliebter gegangen, der Schönste unter den Frauen?“ Sie weiß es nicht. Die Frage ist nicht völlig abwegig. Vielleicht kann sie es ein bisschen eingrenzen. Es ist nicht ganz sicher, nachts unterwegs zu sein.
„Wohin hat dein Geliebter sich gewandt, dass wir ihn mit dir suchen?“ Du würdest denken, Sulamit antwortet: „Na, keine Ahnung, deswegen habe ich euch ja gefragt.“ Doch dann heißt es in Kapitel 6, Vers 2, als wäre das völlig das Normalste der Welt: „Mein Geliebter ist in seinen Garten hinabgegangen, zu dem Wirtskraut, um in den Gärten zu weiden und Lilien zu pflücken.“
Und du denkst dir: Na super, Sulamit, wenn du das die ganze Zeit weißt, warum gehst du dann nicht einfach dorthin? Warum fragst du alle möglichen Leute, wenn es so einfach ist?
Jetzt müsst ihr zwei Ebenen denken können. Wenn Sulamit das sagt, kann man an einen realen Garten denken. Aber das letzte Mal, als von einem Garten die Rede war, handelte es sich um ihren eigenen Körper in der Hochzeitsnacht.
Wie kann Salomo in seinen Garten hinabgehen, um Lilien zu pflücken, ohne bei ihr zu sein? Ich denke, Sulamit versucht hier auszudrücken, was sie fühlt. Sie fühlt sich ihm in diesem Moment ganz nah, so nah wie in der Hochzeitsnacht.
Es spielt überhaupt keine Rolle, wie sie ihm real begegnet, denn die innere Trennung, die durch den Streit entstanden war, hat sie in diesem Moment durch Bewunderung schon überwunden. Sie weiß, wo sie ihn suchen muss.
Das ist jetzt ganz spannend, denn Salomo ist in seinem Herzen nie weggegangen. Versteht ihr das? Salomo ist immer in seinem Garten geblieben. Er ist emotional, was seine Liebe angeht, immer an ihrer Seite geblieben.
Das ist das Gleiche, was wir im Umgang mit Jesus erleben. Wir sündigen und bauen eine Distanz auf. In dem Moment, in dem wir Buße tun und uns nach Nähe zu Jesus sehnen, steht er bereits da. Er ist die ganze Zeit da gewesen. Er ist nie wirklich weggegangen.
Weil Salomo in der körperlichen Freude an Sulamit zu Hause ist, muss sie ihn gar nicht finden, sondern sie muss sich von ihm und seiner Liebe nur selbst finden lassen. Er befindet sich am Ort der Liebe, und wenn sie will, kann sie ihn dort treffen.
Das bedeutet, dass Salomo nie irgendeinen Groll gegen Sulamit gehegt hat. Seine Liebe ist die ganze Zeit ungebrochen und andauernd gewesen. Sie kann ihm in dem Moment wieder begegnen. Er steht die ganze Zeit mit offenen Armen da, so wie Jesus sagt: „Kommt her zu mir, all ihr Mühseligen und Beladenen.“
Er ist die ganze Zeit für sie da. Sie kann ihm begegnen in dem Moment, in dem sie ihn wieder als wahren Liebhaber erkennt.
Sechste Lektion.
Sechste Lektion: Nicht zurückziehen und Bitterkeit vermeiden
Was hat Salomo nicht gemacht? Er ist nicht bitter geworden und hat sich nicht zurückgezogen.
Wenn ich ganz ehrlich bin, ist das in einem Streit fast der schwierigste Punkt: Weiß mein Partner, dass er mich in dem Moment, in dem er mich finden will, genau dort findet, wo ich nie weggegangen bin – am Ort der Liebe? Weiß er, dass ich in diesem Streit niemals Bitterkeit oder Rückzug praktiziert habe?
Ich finde das schwierig. Ich werde verletzt, und trotzdem soll ich mich nicht zurückziehen. Die Antwort darauf lautet: Ja, lass es einfach sein. Es gibt nämlich gar keinen Grund dafür. Zum einen, weil es klug ist, nicht jeden Fehler, den der Partner macht, auf die Goldwaage zu legen. Zum anderen macht der andere einen Fehler – Mann, oh Mann, wie oft habe ich einen ähnlichen Fehler auch schon gemacht? Seien wir doch einfach ehrlich.
In diesem Moment sagt sie: „Ich bin meines Geliebten und mein Geliebter ist mein, der unter den Lilien weidet.“ Es ist dasselbe Bild, das die unverheiratete Sulamit benutzt, um die Tiefe ihrer Liebe zu beschreiben. Sie ist zurück, innerlich zurück, zur ersten Liebe gelangt.
Jetzt trifft sie auf ihn. Und hier wird es spannend: Normalerweise hört der Streit an dieser Stelle auf, man hat sich irgendwie wieder arrangiert. Nicht hier. Wir haben noch die siebte, achte und neunte Lektion zum Thema Ehekrach zu lernen.
Siebte Lektion: Nicht nachtreten und den Wert des Partners bestätigen
Die siebte Lektion beginnt mit Salomo. Was sagt Salomo zu ihr, wenn er sie wieder trifft? Sie ist jetzt wieder bei ihm und hat ein wenig verstanden, dass sie einen Fehler gemacht hat. Wie geht man nun mit jemandem um, der so etwas erlebt hat?
Das Erste, was er ihr sagt, ist: "Du bist schön, meine Freundin, wie Tirza, eine Stadt, lieblich wie Jerusalem, wie eine Stadt, furchterregend wie Kriegsscharen." Ein starkes Bild. Zwei Schwerpunkte bei Städten im Vergleich sind Eleganz und Selbstständigkeit oder Wehrfähigkeit. Letzteres kommt hier bei den Kriegsscharen noch einmal zum Ausdruck.
Wenn Salomo diese Vergleiche wählt, die zunächst nicht ganz so feminin sind, wie man es vielleicht erwartet, möchte er ihr damit sagen, dass er sie als eigenständiges, starkes Gegenüber achtet. Ihr Fehlverhalten hat in seinen Augen weder ihre Schönheit noch ihre Würde genommen. Sie muss sich jetzt nicht hündisch unterwerfen oder ihre Stärke zurückdrehen. Sie muss nicht plötzlich um Gnade bitten oder betteln, damit die Beziehung weitergeht.
Er sagt: "Hey, du hast einen Fehler gemacht, und das ist ein Fehler, aber dadurch habe ich niemals deinen Wert, deine Würde, deine Ausstrahlung oder dein Königinsein in Frage gestellt. Du bist das immer noch für mich, in gleicher Weise wie vorher, obwohl du den Fehler gemacht hast." Es ist ihm völlig egal, er liebt sie genauso wie vorher. Sie hat für ihn den gleichen Wert.
Deshalb lautet die siebte Lektion: Es wird nicht nachgetreten. Jetzt wird nicht die Situation genutzt, um dem anderen brühwarm zu zeigen, wie schlimm er wirklich ist. Kein "Ja, du hast jetzt einen Fehler gemacht, und ich lege noch einen Fehler obendrauf." Kein Ausgraben alter Geschichten, um abzurechnen.
Nein, das Erste, was ich dem anderen sage, ist: "Du hast einen Fehler gemacht, und ich liebe dich genauso wie vorher. Du hast für mich den gleichen Wert, die gleiche Würde. Es hat sich nichts daran geändert, nur weil du einen Fehler gemacht hast."
Dann folgt ein toller Vers: "Wende deine Augen von mir ab, denn sie überwältigen mich." Also: "Schau weg! Wenn du mich so anschaust, dann habe ich Lust, mit dir zu schlafen." Aber warum soll sie wegschauen?
Der Punkt ist, dass in diesem Moment Versöhnungssex noch nicht das Wichtigste ist. Wenn er sich jetzt von ihren Reizen überwältigen lässt, besteht die Gefahr, dass sie den Eindruck bekommt, sie könne sich mit dem Hingeben Vergebung erkaufen. Sie könnte denken: "Ich kann mir seine Liebe durch Intimität erkaufen." Doch das ist nicht möglich. Liebe kann man nicht erkaufen, in keiner Situation.
Deshalb macht er etwas total Verrücktes: Er sagt, sie soll wegschauen. Er will nicht, dass sie ihn jetzt so ansieht. Er möchte ihr erst versichern, dass er sie genauso liebt wie am ersten Tag.
Sechs Verse lang beschreibt er sie. Man liest das und denkt, dass er das doch schon in der Hochzeitsnacht gesagt hat. Stimmt, sechs Verse lang bewundert er sie von oben bis unten: ihr Haar, ihre Zähne, ihre Schläfe. Dann geht er noch ein Stück weiter.
Es ist ein merkwürdiger Vergleich. Er sagt: "Von allen Frauen, die ich habe" – das muss man im Skript nachlesen, es ist ein bisschen komplizierter – "bist du meine Taube, meine Vollkommene." Sie ist einzigartig, absolut einzigartig. Das denkt auch ihre Mutter von ihr (Vers 9) und alle, die sie so kennen.
Sogar die Königinnen und Nebenfrauen, die eigentlich auf sie stinkesauer sein sollten, weil sie Salomos Nummer eins ist, rühmen sie, wenn sie über sie sprechen. Wenn sie den Mund aufmachen und über sie reden (Vers 10), sagen sie Dinge wie: "Wer ist sie, die da hervorglänzt wie die Morgenröte, schön wie der Mond, rein wie die Sonne, furchtbar wie Kriegsscharen?"
Diese Sprache beschreibt eine Göttin. Die Morgenröte, die Sonne und der Mond sind Götter. Die anderen Frauen stehen ehrfürchtig vor ihr. Sie holen aus der Regenbogenpresse Jerusalems, was irgendjemand mal gesagt hat, und präsentieren ihr das nach: "Das bist du für mich, wunderschön, einzigartig."
Und das sagt nicht nur Salomo, das sagen alle. Das muss sie in diesem Moment wissen, denn sie hat einen Fehler gemacht.
Versteht ihr das? Nicht nur: "Okay, wir haben uns jetzt gestritten, jetzt ist alles wieder gut." Nein, er legt nach. Er legt nach. Sie ist nicht klein mit Hut, wenn sie vor ihm steht mit dem Fehler. Er baut sie wieder zu ihrer alten Größe Stück für Stück auf.
Neunte Lektion: Verantwortung übernehmen und auf Bedürfnisse eingehen
Letzte Lektion
Jetzt ist noch einmal Sulamit dran. Sie ging in den Nussgarten hinab, um die jungen Triebe des Tales zu betrachten. Sie wollte sehen, ob der Weinstock austreibt und ob die Granatäpfelbäume blühen. Das Bild mit dem Garten kennt ihr schon. Sulamit war schon einmal in den Garten gegangen, und zwar in der Hochzeitsnacht.
Was sie hier tut, ist, dass sie dasselbe Bild vom Garten benutzt, um auszudrücken, dass sie sich ihm jetzt nähert. Dort, wo sie sich ihm zuvor verweigert hatte, macht sie das jetzt wieder gut. Sie nimmt ernst, was er an Bedürfnissen hat, und lässt sich tatsächlich auf diese Bedürfnisse ein.
Deshalb heißt die neunte Lektion zum Thema Ehekrach: Übernimm die Verantwortung für das, was du falsch gemacht hast, und tue das Richtige.
Es reicht nicht, bei einem Ehekrach einfach nur zu sagen: „Oh, Entschuldigung, bitte vergib.“ Natürlich ist es wichtig, um Vergebung zu bitten. Aber es geht auch darum, die Ursache für einen Streit zu erkennen. Man muss sehen, wo ein Grundbedürfnis nicht gestillt wurde, und sich dann auf dieses Grundbedürfnis einlassen.
Wenn das nicht so leicht ist, vielleicht wie im Fall von Salomo und Sulamit, dann muss man miteinander reden. Weder Verweigerung noch Totschweigen oder das sture Beharren auf dem eigenen Recht helfen da weiter.
Stattdessen müssen in der Ehe lebbare Kompromisse gefunden werden, damit zwei Menschen miteinander auskommen.
Der versöhnliche Abschluss und Ausblick auf reife Liebe
Letzter Gedanke: Sulamit geht diesen Weg, sie nähert sich ihm und vielleicht ist ihr gar nicht bewusst, was jetzt passiert. Sie weiß zumindest nicht, wie es dazu gekommen ist.
Aber in dem Moment, in dem sie in den Nussgarten geht und sich auf seine Bedürfnisse einlässt, verändert sich ihre Gemütsverfassung ganz dramatisch. Da setzt sie – ich weiß nicht, wie – ihr Verlangen, wörtlich ihre Seele, auf die Streitwagen ihres edlen Volkes.
Das ist jetzt ein ganz, ganz merkwürdiges Bild und gehört zu den merkwürdigsten Bildern, denke ich, im Hohelied. Was ist das Bild eines Streitwagens? Was will sie damit bitteschön sagen?
Stellt euch einen Streitwagen in der Antike vor: Da steht der Lenker drauf und hinten der Bogenschütze. Dieses Bild des Streitwagens gehört zu den gefährlichsten, tödlichsten und schnellsten Waffen in der Schlacht. Das Bild eines Streitwagens, der in die Schlacht fährt, ist eine Szene voller Dramatik, Nähe und Dynamik.
Das heißt, sie lässt sich auf ihn ein und erwartet an dieser Stelle nichts anderes als das, was sie schon kennt. Und mit einem Mal befindet sie sich in einer Situation absolut erregender Zweisamkeit, ohne zu wissen, wie es dazu gekommen ist.
Und das, bitte schön, ist der Punkt, wo ein Streit zu Ende ist. Das ist der Punkt, an dem ich am Anfang Distanz habe, weil einer dem anderen in seinem Bedürfnis nicht entgegenkommt und sein Ding durchzieht – und am Ende zwei, fast möchte ich sagen, nicht nur mit der ersten Liebe dastehen, sondern einander noch aufregender finden.
Wo ich den Streit nutze, weil ich ihn richtig durchlebe, so, wie Gott es sich vorstellt. Wo ich den Streit fast ein Stück als Mittel benutze, um die Liebe des Partners kennenzulernen, um mich dem anderen anzunähern und um fast in einer tieferen Beziehung herauszukommen, als ich reingegangen bin.
Ihr könnt euch vorstellen, wie eine Beziehung aussieht, die das Jahr für Jahr lebt. Wo ich nach einem Streit nicht immer ein bisschen mehr Distanz aufbaue, ein bisschen mehr Bitterkeit – wo jeder Streit uns ein Stück weiter auseinanderbringt –, sondern stellt euch eine Beziehung vor, in der selbst ein Streit, weil wir Liebe leben, uns enger zueinander bringen muss.
Wie sieht eine Beziehung aus, die das zehn, zwanzig, dreißig Jahre lang lebt? Wie sieht eine reife Ehe aus? Das machen wir beim nächsten Mal.