So gestalten Christen das Leben

Jürg Birnstiel
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Serie | 4 Teile

Wie Christen leben

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Einleitende Gedanken

Der Prozess gegen Paulus wurde über zwei Jahre verschleppt. Deshalb musste er unter leichten Haftbedingungen in Cäsarea bleiben, bis ein Urteil gefällt würde. Als ein neuer Gouverneur nach Cäsarea kam, verlangten die Juden, dass er Paulus nach Jerusalem überführt lässt. Sie planten, ihn bei dieser Überführung zu ermorden. Doch Festus, der neue Gouverneur, wollte Paulus in Cäsarea lassen. So mussten die Ankläger, um den Prozess neu aufzurollen, nach Cäsarea reisen. Um sich der drohenden Lynchjustiz durch die Juden zu entziehen, verlangte Paulus als römischer Bürger, dass sein Fall vom Kaiser in Rom beurteilt wird. So wurde er auf einer abenteuerlichen Schifffahrt nach Rom überführte. Doch Rom hat nicht auf Paulus gewartet, der Prozess verschleppte sich um weitere 2 Jahre. Wenigstens waren die Haftbedingungen für die Verbreitung des Evangeliums vorteilhaft. Lukas berichtet: „Paulus blieb zwei volle Jahre in der von ihm gemieteten Wohnung und durfte dort so viele Besucher empfangen, wie er wollte. Er verkündete ihnen die Botschaft vom Reich Gottes und lehrte sie alles über Jesus Christus, den Herrn. Er tat es frei und offen und wurde von niemand daran gehindert.“ Apostelgeschichte 28, 30-31. Unter diesen Besuchern waren auch Christen, die Paulus über die Entwicklung in verschiedenen Gemeinden berichteten. Sie fragten ihn natürlich auch um Rat, besonders dort, wo die Gemeinden grossen Gefahren ausgesetzt waren. Aus dieser Zeit sind uns in der Bibel vier Briefe von Paulus erhalten geblieben, die er aufgrund von Berichten verfasste. Es sind die Briefe nach Ephesus, Kolossä, Philippi und ein persönliches Schreiben an Philemon. Wir beschäftigen uns in nächster Zeit mit dem Brief den Paulus den Christen in Kolossä schickte. Epaphras, der als Gemeindegründer gilt, besuchte Paulus in Rom und berichtete ihm über die erfreuliche Entwicklung der Gemeinde, aber auch über die grossen Gefahren durch Irrlehren, denen die Christen ausgesetzt sind. Für Paulus war das Grund genug, die Gemeinde mit einem Brief zu ermutigen und ihnen hilfreiche Anweisungen zu geben. Er beginnt zu schreiben: „Paulus, Apostel Jesu Christi nach Gottes Plan und Willen, und der Bruder Timotheus an die Geschwister in Kolossä.“ Kolosser 1, 1. Paulus stellt sich als Apostel vor. Diese Tatsache gibt seinen Worten besondere Autorität, denn diese Aufgabe hat er sich nicht selbst ausgesucht. Jesus wollte das, es war Gottes Plan und sein Wille. Für die Gemeinde ist das wichtig zu wissen, denn es gab genug selbsternannte Lehrer, die falsche Lehren verbreiteten. Bei Paulus ist es klar, er ist von Gott eingesetzt und verdient höchsten Respekt, in dem was er sagt. Kolossä war eine aufstrebende und wohlhabende Stadt. Die fruchtbaren Wiesen dienten den Schafherden und dadurch entstand eine grosse Woll- und Webereiindustrie. Eine Purpurfarbe, die dort produziert wurde, nannte man sogar die „kolossische“. Kolossä liegt im kleinen Lykostal, im östlichen Teil der Provinz Asia. Laodicea liegt ca. 17 km und Hierapolis 20 km von Kolossä entfernt. Wie das zur damaligen Zeit üblich war, existierte in dieser Stadt ein vielfältiges religiöses Leben. Verschiedene Gottheiten wurden verehrt und man opferte ihnen fleissig. Religion und gesellschaftliches Leben waren eng ineinander verwoben. Das war für die Menschen, die zu Jesus gefunden hatten, eine grosse Herausforderung. Wie sollen sie ihr Leben in diesem Umfeld gestalten? Wie sollen sie sich in gewissen Situationen verhalten? Paulus richtet sich also an die Christen: „Euch allen, die ihr aufgrund des Glaubens mit Christus verbunden seid und zu Gottes heiligem Volk gehört, wünschen wir Gnade und Frieden von Gott, unserem Vater.“ Kolosser 1, 2. Seine Aufmerksamkeit gilt einzig den Christen in Kolossä, denn sie hatten die Unterstützung von Paulus dringend nötig. Paulus wünscht ihnen Gnade und Frieden, ein hohes Gut, das sie sich nicht erarbeiten können oder müssen, sondern es wird ihnen von Gott dem Vater geschenkt! Im ersten Abschnitt dieses Briefes, den wir in diesem Sunntigsquattro ansehen, können wir entdecken, wie Christen leben. Und mit Versen 3-5 im ersten Kapitel schauen wir heute, wie Christen ihr Leben gestalten. „Jedes Mal, wenn wir für euch beten, danken wir Gott, dem Vater unseres Herrn Jesus Christus, für euch. Denn wir haben gehört, wie lebendig euer Glaube an Jesus Christus ist und was für eine Liebe ihr allen entgegenbringt, die zu Gottes heiligem Volk gehören. Angespornt werdet ihr dabei von der Hoffnung auf das, was Gott im Himmel für euch bereithält. Davon habt ihr ja von Anfang an gehört – seit damals, als die Botschaft der Wahrheit, das Evangelium, zu euch gekommen ist.“ Kolosser 1, 3-5. Ja: So gestalten Christen das Leben.

I. Die vorbildliche Selbsteinschätzung

Bevor wir uns der Gemeinde in Kolossä zuwenden, möchte ich noch etwas zur Selbsteinschätzung von Paulus sagen, die wir im Vers 3 entdecken: „Jedes Mal, wenn wir für euch beten, danken wir Gott, dem Vater unseres Herrn Jesus Christus, für euch.“ Kolosser 1, 3. Diese tiefe Dankbarkeit ist nicht selbstverständlich, denn Paulus und Epaphras hätten genügend Gründe, ihre eigenen Verdienste an der Gemeinde hervorzuheben, denn der Einfluss des Paulus war riesengross in der Provinz Asien, zu der auch Kolossä gehört. Seine Feinde sagten über ihn: „Ihr habt sicher schon miterlebt oder durch andere erfahren, dass dieser Paulus nicht nur hier in Ephesus, sondern beinahe überall in der Provinz Asien Scharen von Leuten den Kopf verdreht und sie auf Abwege führt. Denn er behauptet, Götter, die von Menschen gemacht werden, seien überhaupt keine Götter.“ Apostelgeschichte 19, 26. Wie gewaltig war doch der Einfluss von Paulus! Er war sich dessen auch bewusst. Er war auch davon überzeugt, dass er als Christ ein vorbildliches Leben führt. Deshalb schreibt er nach Philippi: „Folgt alle meinem Beispiel, Geschwister, und richtet euch auch an denen aus, deren Leben dem Vorbild entspricht, das ihr an uns habt.“ Philipper 3, 17. Bei Paulus ist nichts von einer unnatürlichen Selbsterniedrigung zu erkennen. Er versteht sich nicht als ein armes und nichtsnutziges Würmchen. Paulus hatte ein gesundes Selbstbewusstsein und das auch in Bezug auf seine Arbeit im Reich Gottes. Den Korinthern schreibt er: „Dass Gott mir seine Gnade erwiesen hat, ist nicht vergeblich gewesen. Keiner von allen anderen Aposteln hat so viel gearbeitet wie ich.“ 1. Korinther 15, 10. Das ist eine Seite, die Paulus betont. Die Seite seiner Leistung, die er in das Reich Gottes einbrachte. Er betont aber genauso die andere Seite, nämlich, dass seine Arbeit nur Frucht bringt, wenn Gott das Gelingen schenkt: „Aber wie ich schon sagte: Nicht mir verdanke ich das Erreichte, sondern der Gnade Gottes, die mit mir war.“ 1. Korinther 15, 10. Das ist echte Demut und das ist der Grund, weshalb Paulus mit seinen Mitarbeitern jedes Mal wenn sie beten für die Christen in Kolossä Gott danken, denn Paulus weiss sehr wohl, was dort geschieht, das kann nur Gott bewirken. Durch echte Dankbarkeit gegenüber Gott, lernen wir, unsere Arbeit im richtigen Verhältnis zu sehen und wir lernen uns richtig einzuschätzen.

II. Die vorbildliche Gemeinschaft

Wenn sich Paulus mit seinen Freunden für die Christen in Kolossä bedankt, dann denken sie an zwei ganz wichtige Punkte, von denen Epaphras, der Gemeindegründer, berichtet hat: „Wir haben gehört, wie lebendig euer Glaube an Jesus Christus ist und was für eine Liebe ihr allen entgegenbringt, die zu Gottes heiligem Volk gehören.“ Kolosser 1, 4. Sie freuen sich über den lebendigen Glauben an Jesus und die Liebe unter den Christen. Der erste Dank gilt dem lebendigen Vertrauen in Jesus. Offensichtlich veränderte sich das Leben der Menschen, die zu Jesus fanden. Sie haben nicht einfach Jesus als ihren Herrn angenommen und dann so weiter gelebt wie vorher. Nein, sie vertrauten Jesus in jeder Lebenslage. Jesus nahm in ihrem Leben einen ganz wichtigen Platz ein. Sie haben begriffen, dass Bekehrung nicht etwas ist, dass man wie eine Trophäe aufstellt, um sie von Zeit zu Zeit zu bewundern, sondern dass die Bekehrung die Entscheidung ist, ab diesem Zeitpunkt Jesus nachzufolgen. Als Jesus seine Jünger berufen hatte, verlangte er nicht, dass sie sich bekehren sollten, sondern er forderte sie auf, ihm nachzufolgen, dem Zöllner Matthäus sagte er: »Folge mir nach!« Da stand Matthäus auf und folgte Jesus. Matthäus 9, 9. Lebendiger Glaube verändert die Richtung unseres Lebens und unserer Gewohnheiten. In Kolossä konnte das bedeuten, dass sie ihren Göttern keine Opfer mehr brachten, dass sie den Schutz von Göttern nicht mehr in Anspruch nehmen wollten, sondern sich allein auf Jesus verlassen, auch dann, wenn es schwierig und schmerzhaft wird. Lebendiges Vertrauen in Jesus bringt Veränderung ins Leben. Jesus sagte seinen Jüngern: „Wenn jemand mein Jünger sein will, muss er sich selbst verleugnen, sein Kreuz auf sich nehmen und mir nachfolgen. Denn wer sein Leben retten will, wird es verlieren; wer aber sein Leben um meinetwillen verliert, wird es finden.“ Matthäus 16, 24-25. Bekehrung heisst, ich entschliesse mich ab jetzt Jesus zu vertrauen. Mein Leben möchte ich ab jetzt auf Jesus ausrichten. Das war bei den Christen in Kolossä offensichtlich. Der zweite Grund für ihre Dankbarkeit ist die Liebe zu den Heiligen. Dieser lebendige Glaube wirkte sich auch auf die Gemeinschaft der Gläubigen aus. „Wir haben gehört, was für eine Liebe ihr allen entgegenbringt, die zu Gottes heiligem Volk gehören.“ Kolosser 1, 4. Da entstand eine tiefe Gemeinschaft unter den Christen. Ob sie in Kolossä wohnten oder auf der Durchreise waren. Die Liebe war unter ihnen sichtbar. Ein scharfer Kritiker (4.Jhd.n.Chr.), der die Christen mit beissendem Spott verhöhnte sagt: „An geheimen Zeichen und Merkmalen erkennen sie einander und lieben sich schon, fast ehe sie sich noch kennen.“1 Das konnte er nicht begreifen, das fand er suspekt und in seine Augen war das unheimlich. Doch das ist eben das, was Gottes Liebe in uns bewirken kann. Und Liebe wird nicht als ein Gefühl verstanden, sondern sie zeigt sich durch praktische Liebesdienste, wie Krankenbesuchen, Gastfreundschaft usw. Die Liebe zu den Christen hat in unserem Glauben eine hohe Priorität. Paulus schreibt den Galatern: „Solange wir noch Gelegenheit dazu haben, wollen wir allen Menschen Gutes tun, ganz besonders denen, die wie wir durch den Glauben zur Familie Gottes gehören.“ Galater 6, 10. Das Vorbild für diese tatkräftige Liebe ist Jesus selbst, der sich für uns geopfert hat. Diese Liebe fordert einiges von uns ab und die Frage ist, wie wir über längere Zeit so leben können.

III. Die richtige Motivationsquelle

Wie können wir Menschen diese praktische Liebe ausleben, wenn wir doch immer wieder zum Egoismus neigen. Wie bleiben wir motiviert unser Leben so zu gestalten, dass es Gott gefällt? Paulus gibt uns diesbezüglich einen klaren und hilfreichen Hinweis: „Angespornt werdet ihr dabei von der Hoffnung auf das, was Gott im Himmel für euch bereithält.“ Kolosser 1, 5. Die ganze Motivation für eine Lebensgestaltung, die Gott gefällt, wird vom Ziel her inspiriert. Die Aussicht auf den Himmel, auf das, was kommen wird, motiviert uns für ein Leben nach Gottes Vorstellungen. Interessant ist, dass der Himmel und was uns im Himmel erwartet zur elementaren Verkündigung des Evangeliums gehört, denn Paulus schreibt: „Davon habt ihr ja von Anfang an gehört – seit damals, als die Botschaft der Wahrheit, das Evangelium, zu euch gekommen ist.“ Kolosser 1, 5. Von Anfang an erklärte man den Menschen, was das Ziel des Glaubens ist. Was sie erwarten können, wenn sie Jesus nachfolgen! Erzählen wir das noch? Oder versuchen wir nicht viel mehr zu erklären, dass unser Leben in dieser Welt durch den Glauben an Jesus besser und erfolgreicher wird? Wie wichtig ist uns der Himmel überhaupt? Eines muss uns klar sein, Christen gestalten ihr Leben vom Ziel her, das ist zumindest die Überzeugung von Paulus. Mit dem Ziel vor Augen entscheiden wir, was wir heute tun werden. Mit dem Ziel vor Augen entscheiden wir, welche Verhaltensweisen uns wichtig sind. Eigentlich ist das für uns in vielen Lebensbereichen ganz selbstverständlich. Ganz selbstverständlich planen wir ausgehend vom Ziel, was wir tun werden. Ich mach mal ein ganz einfaches Beispiel. Ich möchte am Montagmittag einen feinen selbstgebackenen Kuchen essen. Um dieses Ziel zu erreichen, muss ich mir die Zutaten aufschreiben und was ich nicht zu Hause habe einkaufen. Ich plane, wann der Kuchen in den Backofen soll usw. So verhalten wir uns auch bezüglich unseren beruflichen Zielen. Möchte ich z.B. Kameramann werden, dann überlege ich mir, welche Voraussetzungen dazu nötig sind und ich werde die entsprechenden Vorbereitungen treffen. Je wichtiger mir ein Ziel ist, je grösser ist meine Bereitschaft und Motivation auch schwierige Abschnitte zur Erreichung dieses Ziel auf mich zu nehmen. Niemand wird sich freiwillig anstrengen ohne einen sinnvollen Nutzen in dem zu erkennen, was er tut. Im christlichen Glauben ist es eben auch das Ziel, das unseren Alltag bestimmen soll. Wir sehen unser Ziel, den Himmel und sagen uns, für das lohnt es sich zu leben. Für den Himmel bin ich sogar bereit, schwierige Zeiten durchzustehen. Ich bin bereit, auf Lug und Betrug zu verzichten. Ich bin bereit, meinem Partner treu zu bleiben. Ich lass die Sünde mit Gottes Hilfe nicht über mein Leben herrschen. Paulus gestaltete sein Leben eindeutig im Blick auf dieses Ziel: „Geschwister, ich bilde mir nicht ein, das Ziel schon erreicht zu haben. Eins aber tue ich: Ich lasse das, was hinter mir liegt, bewusst zurück, konzentriere mich völlig auf das, was vor mir liegt, und laufe mit ganzer Kraft dem Ziel entgegen, um den Siegespreis zu bekommen - den Preis, der in der Teilhabe an der himmlischen Welt besteht, zu der uns Gott durch Jesus Christus berufen hat.“ Philipper 3, 13-14.

Schlussgedanke

Christen gestalten ihr Leben, indem sie sich auf das Ziel konzentrieren und sich fragen: Was ist wichtig, um dieses Ziel gut zu erreichen? Sie verhalten sich wie Sportler, die alles, was sie tun darauf ausrichten, das Ziel, den Sieg zu erreichen. Paulus spornt die Christen oft an, indem er ihnen die Augen für das Ziel öffnet. Denn Korinthern schreibt er: „Haltet daher unbeirrt am Glauben fest, meine lieben Freunde und Geschwister, und lasst euch durch nichts vom richtigen Weg abbringen. Setzt euch unaufhörlich und mit ganzer Kraft für die Sache des Herrn ein! Ihr wisst ja, dass das, was ihr für den Herrn tut, nicht vergeblich ist.“ 1. Korinther 15, 58. Je klarer und anstrebenswerter unser Ziel ist, desto selbstverständlicher werden wir die entsprechenden Massnahmen für unser Leben treffen. Als Christen sollten wir unser Ziel klar vor Augen behalten. Nur so können wir in schwierigen Zeiten weitermachen im Wissen: es lohnt sich, Jesus treu zu bleiben. Es lohnt sich die Liebe zu den anderen Christen auszuleben, denn ich habe ein wunderbares Ziel vor Augen. „Ich laufe mit ganzer Kraft dem Ziel entgegen, um den Siegespreis zu bekommen - den Preis, der in der Teilhabe an der himmlischen Welt besteht, zu der uns Gott durch Jesus Christus berufen hat.“ Philipper 3, 14.