Erinnerung an historische Versöhnung
In unserer Gegend, in Detmold, gibt es einige Sehenswürdigkeiten. Unter anderem steht dort das Hermannsdenkmal. Ich weiß nicht, ob ihr es schon einmal gesehen habt, ansonsten könnt ihr es ja mal googeln.
Es handelt sich um eine riesengroße Figur aus Kupfer, die auf einem großen Sockel steht. Das Denkmal erinnert an Hermann den Cherusker, der etwa im Jahr neun nach Christus gegen die Römer, genauer gesagt gegen den römischen Feldherrn Varus, gekämpft und ihn besiegt hat.
Lange Zeit war diese Geschichte weitgehend in Vergessenheit geraten. Erst in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts wurde das Denkmal errichtet. Heute gehört es zu den bekanntesten Sehenswürdigkeiten von Detmold. Wenn man von der Stadt aus schaut, sieht man die Figur oben auf dem Berg stehen. Sie steht breitbeinig da, mit dem Fuß auf einem Schild der Römer und das Schwert erhoben. Der Blick ist in Richtung Westen gerichtet.
Seit zwei Jahren arbeitet meine Frau, die sich zunächst eingearbeitet hat, im Auftrag der Stadt als Stadtführerin. Sie führt Gruppen zu solchen Sehenswürdigkeiten, darunter auch zum Hermannsdenkmal und zu einigen anderen Orten. Dabei bringt sie immer ein Bild mit – das Bild von unserer Hochzeit.
Sie erzählt dann die Geschichte von Hermann, also von der Schlacht zwischen Römern und Germanen, und berichtet auch von Ernst von Bandel, der das Denkmal gebaut hat, sowie von Kaiser Wilhelm, der zur Einweihung gekommen ist. Sie erzählt all diese Geschichten und endet meistens damit, dass sie das Hochzeitsfoto zeigt.
Die Leute sind oft überrascht und fragen sich, was das Hochzeitsbild mit Hermann zu tun hat. Und tatsächlich hat es etwas mit Versöhnung zu tun.
Von Erbfeindschaft zu Freundschaft
Denn es gab nämlich über Jahrhunderte hinweg die sogenannte deutsch-französische Erbfeindschaft. Ich weiß nicht, ob ihr davon gehört habt, aber im Geschichtsunterricht müsste das vorkommen. Es gab über lange Zeit Feindschaft, und immer hatte man dafür guten Grund.
Die Deutschen haben immer gesagt: „Da haben doch die Franzosen uns überfallen.“ Und die Franzosen haben gesagt: „Da haben uns die Deutschen überfallen.“ Bis heute ist das spürbar, wenn man im Elsass ist. Das Elsass liegt an der Grenze und war mal deutsch, mal französisch, je nachdem, wie der Krieg gerade ausging.
Beim Deutsch-Französischen Krieg, als Deutschland 1870 gegründet wurde, kam das Elsass zu Deutschland. Im Ersten Weltkrieg kam es dann wieder zu Frankreich. Danach hat Hitler es erobert, und es kam wieder zu Deutschland. Nach dem Krieg wechselte es erneut hin und her.
Also für Feindschaft war da jede Menge Platz. Noch vor hundert Jahren dachte jeder anständige Deutsche, die größten Feinde der Deutschen seien die Franzosen.
Dann habe ich eine Französin geheiratet, und wir haben die deutsch-französische Freundschaft gelebt. Seitdem gibt es Frieden zwischen den Ländern. Na ja, nicht seitdem ganz offiziell, aber vor hundert Jahren wäre das undenkbar gewesen. Damals hätte man so etwas nicht machen können.
Das zeigt, wie sich Zeiten verändern können.
Die menschliche Neigung zu Feindschaften
Heute gibt es andere Feindbilder, die wir haben. Diese Bösen sind entweder persönliche Feindbilder oder staatliche, politische Feindbilder. So wird es ja immer dargestellt. Manchmal fragt man sich, wie die Leute überhaupt darauf kommen.
Zum Beispiel die Ostukraine, dann die Kurden gegen die Türken und die Türken gegen die Kurden – und so weiter. Überall gibt es Feindschaften. Dabei merken wir, dass es irgendwie zum Menschsein dazugehört, Feindschaften aufzubauen und sich nicht gut zu vertragen.
Man könnte hier einfach das Motto ausgeben, wie es bei vielen Musikpreisen üblich ist. Vielleicht kennt ihr das auch: Es gibt irgendeinen Musikpreis, und danach kommt eine hübsche junge Sängerin nach vorn, bekommt zum Beispiel das goldene Bambi oder etwas Ähnliches. Dann wird sie gefragt: „Was wünschst du dir?“ Und was wünschen sie sich alle? Frieden auf der Welt.
Das ist natürlich nett, und wir wünschen uns das alle. Aber es verändert relativ wenig. Ich finde, es gehört irgendwie dazu, solche kleinen Lieder zu singen. Nur ändern diese Lieder meist nicht viel am Frieden oder Krieg in der Welt.
Die Menschen finden immer wieder guten Grund, sich gegenseitig ans Leder zu gehen und sich umzubringen. So sind die Menschen eben – und zwar seit es Menschen gibt. Wir wissen ja, schon bei Kain und Abel erschlägt der eine den anderen, obwohl es sein Bruder ist. Seitdem gibt es Mord und Totschlag bis in die Gegenwart.
Frieden und Sicherheit in Deutschland im Vergleich
Wir in Deutschland leben sozusagen ein kleines bisschen auf der Insel der Glückseligen. Zumindest seit dem Zweiten Weltkrieg gibt es hier deutlich weniger Mord und Totschlag. Die Mordrate in den USA ist mehr als doppelt so hoch.
Seid also froh, dass ihr in Deutschland lebt. Die Wahrscheinlichkeit, hier Opfer eines Gewaltdelikts zu werden, ist viel, viel geringer. Wenn man dann noch in Länder wie Kolumbien reist, ist die Gefahr noch viel größer. Dort kann man fast froh sein, wenn man überhaupt ein Jahr, zwei oder drei Jahre überlebt.
Ich kenne einige unserer Absolventen, die zum Beispiel in Brasilien arbeiten. Sie erzählen, dass fast alle schon einmal überfallen wurden – zwar nicht gleich getötet, aber zumindest auf der Straße überfallen. Ihre Empfehlung lautet dann: Kämpft nicht, seid kein großer Held, gebt sofort euer Geld heraus. So überlebt man wenigstens, denn sonst gibt es nur Ärger.
In Deutschland ist das alles viel schöner, eigentlich schön. Trotzdem gibt es hier Streit und Auseinandersetzungen. Doch ich möchte nicht einfach dabei stehen bleiben und sagen: Vertragt euch mit allen, seid freundlich zueinander.
Heute Abend, wenn es um Versöhnung geht, dann geht es natürlich zuerst um einen anderen Kriegszustand, eine andere Auseinandersetzung, einen anderen Zwiespalt. Und zwar um den Zwiespalt zwischen Gott und Mensch.
Der Konflikt zwischen Gott und Mensch
Wir werden als Geschöpfe Gottes geboren. Das bedeutet, Gott hat jeden von euch gewollt und geschaffen, so wie ihr seid. Deshalb ist es sinnvoll, an Gott zu glauben. Gott ist dein Schöpfer, und er wird auch einmal dein Richter sein.
Allerdings werden wir sozusagen in einem feindlichen Zustand gegenüber Gott geboren. Wir sind nicht in einem friedlichen Zustand, wenn wir geboren werden, weil wir in einer Umgebung aufwachsen, in der auch schon unsere Eltern, Großeltern, Ururgroßeltern und so weiter zunächst in Spannung zu Gott standen.
Vielleicht sagt ihr jetzt: „Ja, meine Eltern waren doch alle fromm.“ Aber aus Gottes Sicht reicht es nicht aus, nur ein bisschen fromm zu sein. Hier geht es nicht darum, ob deine Eltern kämpferische Atheisten waren, sondern darum, ob du ganz im Sinne Gottes lebst. Und kein Mensch wird ganz im Sinne Gottes geboren.
In der Bibel finden wir einen deutlichen Hinweis: Es heißt dort, „Und sie sind alle Sünder“. Luther übersetzt das in einer in Deutschland sehr gängigen Version mit „Ermangel der Ehre, die sie bei Gott haben sollen“. Das klingt vielleicht etwas seltsam, bedeutet aber einfach: Alle Menschen – egal ob groß oder klein, alt oder jung, fromm oder nicht fromm – leben nicht so, wie Gott es sich eigentlich vorstellt.
Nur die einen sind etwas weiter davon entfernt, und die anderen sind etwas näher dran. Aber niemand lebt wirklich so, wie Gott es will. Das liegt daran, dass wir als Menschen zu schwach dafür sind. Wir sind viel stärker darauf ausgerichtet, unseren eigenen Gefühlen, Gedanken, Emotionen und Bedürfnissen nachzugehen, als dem, was Gott eigentlich will.
Wir Menschen messen uns meistens so, dass wir sagen: „Ich bin ein kleines bisschen besser als der Durchschnitt.“ Und die meisten halten sich selbst für besser als der Durchschnitt. Das ist zumindest ihr Selbstbild. Die anderen tun das nicht unbedingt, aber für sich selbst sehen sich viele als besser an.
Doch das genügt in Gottes Augen nicht. Ein kleines bisschen besser zu sein, reicht nicht aus. Das wäre ungefähr so, als ob du im Gefängnis einen Wettbewerb machst und der einfache Mörder sagt: „Ich bin eigentlich gar nicht so schlecht, denn in der Nachbarzelle sitzt jemand, der hat zehn Menschen umgebracht. Dann bin ich ja eigentlich richtig gut.“
Derjenige, der zehn Menschen umgebracht hat, sagt dann vielleicht: „Na ja, im Vergleich zu Stalin bin ich noch richtig gut, denn Stalin hat 50 Millionen umbringen lassen.“ Natürlich hat Stalin die Menschen nicht alle selbst umgebracht – das wäre physisch gar nicht möglich –, aber es geht um sein Gewissen.
So findet sich immer jemand, der noch schlimmer und böser ist. Doch das macht den einzelnen Mord nicht besser. Und das macht auch das einzelne Versagen Gott gegenüber nicht besser.
Wir sind gegenüber Gott im Kriegszustand geboren – mal etwas stärker, mal etwas weniger stark. Wenn wir in Kontakt mit Gott kommen wollen, muss dieser Kriegszustand erst einmal beendet werden. Es braucht Versöhnung.
Ich möchte euch eine Geschichte vorlesen, die Jesus zu diesem Thema erzählt. Diese finden wir im Neuen Testament, und ich möchte euch gleich ein paar Worte dazu sagen. Das lesen wir im Matthäusevangelium, Kapitel 18.
Das Gleichnis von der Vergebung
Im Matthäusevangelium, Kapitel 18, finden wir ein Gleichnis. Jesus spricht häufig in Gleichnissen. Ein Gleichnis bedeutet einfach, dass er uns eine geistliche Wahrheit bildlich darstellt, damit wir sie besser verstehen können.
So heißt es in Matthäus 18,21: Da trat Petrus zu Jesus und fragte: „Herr, wie oft soll ich meinem Bruder vergeben, der gegen mich gesündigt hat? Bis zu siebenmal?“ Jesus antwortete ihm: „Ich sage dir, nicht bis siebenmal, sondern bis siebzigmal siebenmal.“
Daraufhin erzählt Jesus das Gleichnis: Das Reich der Himmel gleicht einem König, der mit seinen Knechten abrechnen wollte. Als er anfing abzurechnen, wurde einer vor ihn gebracht, der ihm zehntausend Talente schuldig war.
Weil er nicht zahlen konnte, befahl der Herr, ihn samt seiner Frau, seinen Kindern und allem, was er hatte, zu verkaufen, um die Schuld zu begleichen. Da warf sich der Knecht nieder, huldigte ihm und sagte: „Herr, habe Geduld mit mir, so will ich dir alles bezahlen.“
Daraufhin erbarmte sich der Herr über diesen Knecht, gab ihn frei und erließ ihm die Schuld. Als der Knecht jedoch hinausging, traf er einen Mitknecht, der ihm hundert Denare schuldete.
Er ergriff ihn, würgte ihn und sagte: „Bezahle mir, was du schuldig bist!“ Der Mitknecht warf sich ihm zu Füßen, bat um Geduld und versprach: „Ich will dir alles bezahlen.“
Der Knecht wollte jedoch nicht nachgeben. Stattdessen ließ er ihn ins Gefängnis werfen, bis er die Schuld bezahlt hätte.
Als die anderen Mitknechte sahen, was geschehen war, wurden sie sehr betrübt. Sie kamen und berichteten ihrem Herrn den ganzen Vorfall.
Daraufhin ließ sein Herr ihn zu sich kommen und sagte: „Du böser Knecht, jene ganze Schuld habe ich dir erlassen, weil du mich darum gebeten hast. Solltest du dich da nicht auch über deinen Mitknecht erbarmen, wie ich mich über dich erbarmt habe?“
Voll Zorn übergab ihm sein Herr die Folterknechte, bis er alles bezahlt hätte, was er ihm schuldig war.
So wird auch mein himmlischer Vater euch behandeln, wenn ihr nicht jedem von ganzem Herzen seine Verfehlungen vergebt.
Die Dramatik des Gleichnisses verstehen
Wenn wir uns in die damaligen Zuhörer Jesu hineinversetzen, dann müssen wir uns vorstellen, dass sie bei dieser Geschichte ziemlich erstaunt waren. Die Menschen interessieren sich meist für Geschichten, in denen etwas Dramatisches passiert. Und Dramatik gibt es in dieser Geschichte definitiv.
Was die Leute außerdem oft mögen, sind Erzählungen über talentierte, reiche oder vornehme Personen – oder eben besonders schlimme Situationen. Deshalb hören sie gerne Geschichten von Königen oder ähnliche Märchen, in denen Könige eine Rolle spielen. Hier erzählt Jesus von einem reichen Mann, einem König.
Es war damals durchaus üblich, dass ein König, wenn er Geld hatte, es verlieh. Das ist heute nicht anders: Wer viel Geld besitzt, verleiht es oft in der Hoffnung, es mit Zinsen zurückzubekommen. Dabei gibt es immer wieder Abrechnungen, bei denen geprüft wird, wie es mit den Geschäften steht – ob alles gut läuft oder ob es Probleme gibt.
In der Geschichte kommen verschiedene Leute vor, die vor den König treten. Einer wird besonders erwähnt: Er ist dem König zehntausend Talente schuldig.
Zehntausend Talente klingt für uns zunächst etwas merkwürdig, weil wir nicht genau wissen, was ein Talent ist. Wir verwenden das Wort "Talent" meistens im Sinne von Begabung, zum Beispiel "Ich habe Talent zum Singen" oder "Ich kann gut Tischlern". Hier ist aber eine Geldeinheit gemeint.
Ich habe die genaue Zahl nicht mehr im Kopf, aber wenn ich mich richtig erinnere, entsprechen zehntausend Talente etwa zehn Milliarden Euro. Ist das eine ordentliche Summe Geld? Könntest du gut schlafen, wenn du zehn Milliarden Euro Schulden hättest?
Stell dir vor, du müsstest dafür nur ein Prozent Zinsen pro Jahr zahlen. Rechne mal: Ein Prozent von zehn Milliarden sind hundert Millionen Euro Zinsen jährlich. Das ist eine enorme Summe.
Ich muss ehrlich sagen: Vielleicht denkt ihr jetzt, ich bin ein Verlierer, aber ich glaube, ich habe in meinem ganzen Leben noch keine Million verdient, geschweige denn hundert Millionen im Jahr. Das zeigt, dass hier ein Großspekulant am Werk war. Der Mann hat sich bis über beide Ohren verschuldet, er hat extrem viel Geld geliehen.
Diese Geschichte wird dadurch umso dramatischer: Wenn ein König mal eben zehn Milliarden verleihen kann, dann muss er sehr reich sein. In der Antike wird kaum von einem Menschen berichtet, selbst nicht von römischen Kaisern, die so viel Geld persönlich zur Verfügung hatten – abgesehen vom Staatshaushalt.
Es soll hier vor Augen geführt werden: Dieser Mann hat ein Risiko eingegangen, das für die meisten von uns undenkbar ist – und er hat verloren. Der König fordert von ihm Rechenschaft. Wenn er das Geld gut angelegt hätte, könnte er sagen: "Das steht noch aus, ich bekomme alles zurück, und du bekommst dein Geld." Aber der Mann hat sich verzockt.
Vielleicht hat er in Goldminen investiert – damals gab es noch keine in Alaska, aber vielleicht in Ägypten – und es stellte sich heraus, dass es keine Goldminen gab. Das Geld war weg. Oder er hat es einfach falsch angelegt. Er hat es nicht in Häuser investiert, denn für zehn Milliarden braucht man kein Haus. Es war eine Finanzanlage, die schiefging.
Wenn wir uns in die Situation des Königs versetzen, der so viel Geld verleiht, gehört dazu schon viel Vertrauen. Und wenn wir uns in die Lage des Knechtes, also des Schuldners, versetzen, dann ist das äußerst peinlich.
Vielleicht hast du schon mal Geld geliehen, wenn auch nicht in dieser Größenordnung, und dann gemerkt, dass alles weg ist. Das ist peinlich genug. Stell dir vor, du stehst dann vor einer Person und musst Rechenschaft ablegen – und das ist ein orientalischer Herrscher.
Diese orientalischen Herrscher waren damals nicht nett. Es gab keine Gerichte, die ihnen Grenzen setzten. Sie taten, was sie wollten. Wenn sie wollten, dass jemand tot umfällt, sagten sie nur: "Hau ihm den Kopf ab." Und ihre Leute taten es. Blutvergießen war normal und niemand regte sich auf. Amnesty International gab es nicht, und Grausamkeit war üblich.
So einen Herrscher müssen wir uns hier vorstellen. Er sagt zu dem Schuldner: "Das Geld kriegst du nicht zurück. Ich werde alles verkaufen, was du hast. Ich werde auch deine Frau und deine Kinder verkaufen als Sklaven."
Das reichte aber nicht einmal für die Zinsen. Ein Sklave kostete damals ungefähr fünf Euro. Nehmen wir an, er hätte zehn Kinder, dazu die Frau – das wären etwa 55 Sklaven. Damit könnte man nicht einmal die Zinsen für einen Tag decken.
Das Haus, selbst wenn es groß war, wäre vielleicht eine Million wert – aber die Zinsen betragen hundert Millionen im Jahr. Es ging hier also nicht darum, durch den Verkauf der Familie das Geld einzutreiben. Das war vollkommen unmöglich.
Es ging nur darum, ein Zeichen zu setzen: "Du bist so unverschämt gewesen, wenn ich dich jetzt laufen lasse, bekomme ich einen schlechten Ruf. Dann kommen alle möglichen Leute und wollen mich anflehen. So geht das nicht. Du wirst eingesperrt, auch wenn du nie bezahlen kannst. Deine ganze Familie wird leiden."
Das war das Schlimmste, was man sich vorstellen kann: Du verbringst dein Leben im Gefängnis und weißt, dass deine Familie versklavt ist. Du wirst sie nie wiedersehen. Wir können uns vorstellen, dass der Mann große Probleme hatte.
Dann fiel er vor dem König nieder, küsste seine Füße und weinte bitterlich. Und dann passiert das, was sonst nur in Hollywood oder Märchen vorkommt: Der König hat Mitleid.
Er sagt nicht: "Bezahl mir das später." Der Schuldner verspricht zwar, alles zurückzuzahlen, aber wie soll das gehen? Wie kannst du mit normaler Arbeit zehn Milliarden zurückzahlen? Du kannst arbeiten, bis du tot umfällst, tausend Jahre lang – es ist unmöglich, denn die Schulden wachsen jährlich.
Deshalb schreibt der König nicht auf, dass der Mann später zahlen soll. Er sieht, dass der Schuldner keine Chance hat, und vergibt ihm die Schuld.
Das Vergeben dieser Schuld bedeutet nicht nur, dass das Geld nicht zurückgezahlt werden muss. Es bedeutet, dass das Leben der Familie gerettet ist, das Leben der Kinder, das Haus, die Freunde, das eigene Leben.
Der Schuldner muss nicht in den Bergwerken oder auf Galeeren schuften, wie es früher üblich war, wenn jemand im Gefängnis saß. Stattdessen kann er sein Leben normal weiterführen.
Das ist ein Geschenk, das man sich kaum vorstellen kann, wenn man nicht Ähnliches erlebt hat. Wahrscheinlich werden wir so etwas nie erleben. Die Schulden, die wir haben, sind meist viel kleiner.
Aber vielleicht kennst du solche Erleichterung: Wenn du dem Nachbarn eine Beule ins Auto gefahren hast und aufgeregt warst, was jetzt passiert. Das sind ja keine zehn Milliarden, und teure Autos gibt es nicht so oft. Doch wenn der Nachbar sagt: "Schwamm drüber, ist vergeben", bist du schon erleichtert.
Oder wenn du bei der Arbeit einen Fehler gemacht hast, zum Beispiel eine Palette Farbe umgeschmissen hast, und der Chef sagt: "Ist in Ordnung, macht nichts", bist du auch erleichtert.
Hier geht es aber um viel, viel mehr – nicht nur für dich, sondern für die ganze Familie und das gesamte Umfeld.
Wir können uns vorstellen, wie der Mann aus der Audienz beim König jubelnd und befreit herauskam. Er dachte: "Boah, mein Leben ist mir zurückgeschenkt worden. Das ist eine ganz geniale, tolle Sache."
Die Herausforderung der Vergebung gegenüber anderen
Und dann geht die Geschichte weiter, und hier wird sie fast absurd. Da trifft er einen anderen, dem er eine viel, viel kleinere Summe geliehen hat. Wir lesen von hundert Denaren.
Man rechnete damals, dass ein Landarbeiter ungefähr einen Denar am Tag verdiente. Das bedeutet, es waren ungefähr 100 Tagelöhne, also etwa dreieinhalb Monatslöhne. Wenn man jetzt überlegt, wie viel man heute verdient – sagen wir mal 2 Euro pro Tag – dann wären das dreieinhalb mal 2 Euro, also ungefähr 7 Euro.
Wenn der andere nun verspricht: „Ich gebe dir das Geld“, dann ist das realistisch. So viel kann man mal nebenher sparen, im Vergleich zu dem, was der erste dem König schuldig war.
Und was macht dieser Typ? Er geht nicht nur hin und schimpft mit ihm oder zieht vor Gericht. Lest das mal durch: Da steht, er würgte ihn.
Heißt das, es ist noch derselbe Kerl? Dem, dem gerade das Leben geschenkt worden ist, der geht hin, fasst den anderen bei der Gurgel und würgt ihn und schlägt ihn.
Und als sich der andere vor ihm niederwirft, hat er statt Mitleid mit ihm zu haben, keine Gnade. Er wirft ihn ins Gefängnis.
Das war damals üblich. Man hat die Leute ins Gefängnis geworfen, weil es kein Geld gab. Aber man hoffte, wenn der Gefangene genügend weint und schreit, dann kommt die ganze Familie, sammelt Geld und löst ihn aus. So war damals Gefängnishaft.
Das heißt, die Schuld wurde nicht bezahlt, sondern man war im Gefängnis, bekam wenig oder gar nichts zu essen. Der Gefangene weint, und die Familie zieht los, um Geld zu sammeln. Dann wurde das bezahlt, und der Gefangene konnte freikommen. Darauf hoffte man.
Und dann merken wir, was für ein rücksichtsloser, gemeiner Kerl das ist! Einige der anderen Mitknechte bekommen das mit, stecken es dem König und sagen: „Guck mal hier, dem, dem du gerade alles vergeben hast, der verhält sich so undankbar anderen gegenüber.“
Dann finden wir diese grausame Sache: Er sagt, „So, jetzt ist Schluss, das geht so nicht. Ich habe dir vergeben, und du bist nicht bereit zu vergeben. Jetzt fordere ich von dir wieder alles, was du mir schuldig bist.“
Und jetzt gibt es kein Pardon, keine Entschuldigung mehr.
Hinterher steht dann diese starke Ermahnung: „So ist auch Gott, wenn du nicht bereit bist, denen zu vergeben, die an dir schuldig geworden sind.“
Die Bedeutung des Gleichnisses für unser Leben
Die Geschichte ist an sich schon dramatisch genug und ganz erstaunlich, weil sie nicht das widerspiegelt, was wir im Alltag erleben. Es handelt sich dabei natürlich um ein Gleichnis. Jesus erzählt es auf die Frage des Petrus hin: Wie oft muss ich anderen Menschen vergeben?
Hier zeigt uns Jesus, wie Gott uns vergibt – wie Gott dir vergibt. Das ist eigentlich das, was gemeint ist. In der Geschichte befindest du dich an der Stelle dieses ruinösen Schuldners. Du stehst vor Gott und bist ihm sehr viel schuldig.
Vielleicht denkst du jetzt: Ich habe doch keine zehn Millionen bei Gott bekommen. Nein, das hast du nicht. Aber das Erste, was du Gott zum Beispiel schuldest, sind all die Geschenke, die er dir gemacht hat. Denn alles, was du hast, ist eine Leihgabe Gottes. Hast du dein Leben erschaffen? Deinen Körper? Deine Talente? Den jeden Tag, den Gott dir schenkt, mit Nahrung, Luft und Essen? Hast du das gemacht? Nein, das sind alles Geschenke Gottes an dich – Leihgaben Gottes. Das bist du ihm eigentlich schuldig.
Darüber hinaus hast du noch viel mehr Schuld auf dich geladen. Für alles, was du tust, das nicht im Sinne Gottes ist, bist du schuldig, es wieder gutzumachen, dafür geradezustehen und zu bezahlen. Jede Schuld, die du auf dich nimmst, alles, was die Bibel Sünde nennt, kommt zu diesem Schuldenhaufen noch hinzu.
Irgendwann ist Gott dann dabei, präsentiert dir die Rechnung und sagt: So viel schuldest du mir eigentlich. Wenn du das wieder gutmachen willst, könntest du es nur tun, indem du dein eigenes Leben hingibst – so wie der Mann in der Geschichte. Alles wird verkauft, er wird ins Gefängnis geworfen. Das ist genau das, was die Bibel uns auch sagt: Wir sind vor Gott alle schuldig und müssten eigentlich sterben für unsere Schuld. Nur so könnten wir sie bezahlen.
Das will natürlich keiner von uns, mich eingeschlossen. Und selbst wenn wir es täten, würde das nichts bringen. Denn dann hätten wir ja nichts davon, dass wir befreit sind und unsere Schuld gesühnt ist. Die einzige Chance – und das sagt diese Geschichte auch – ist, dass Gott im Bild des Königs gnädig ist. Er sagt: Du kannst die Schuld nicht zurückzahlen, egal wie sehr du dich anstrengst.
Manche Leute versuchen trotzdem, aufzurechnen und sagen: Jetzt kann ich doch irgendetwas Gutes für Gott tun. Zum Beispiel zähle ich, wie oft ich Gottesdienst besucht habe, wie oft ich die Bibel gelesen habe, wie oft ich gebetet habe oder zuhause geholfen habe. Du kannst das alles aufzählen, aber das sind eher Peanuts.
Das ist so, als wolltest du zehn Milliarden zurückzahlen und sagst: In der Sparbüchse habe ich noch zehn Euro, auf dem Konto tausend Euro, und ich könnte mir noch zweihundert Euro leihen. Dann sagst du: Boah, das ist ja schon mal ein Anfang. Klar, aber wie willst du mit dieser Methode auf zehn Milliarden kommen? Total aussichtslos!
Jesus sagt durch diese Geschichte: Genau in dieser Situation bist du. Nach den Maßstäben Gottes ist die große Zahl der Dinge, die du falsch gemacht hast, viel, viel größer, als du je durch deine guten Taten ausgleichen kannst. Wenn es Versöhnung und Vergebung gibt, dann muss sie von Gott ausgehen. Sie funktioniert nur, wenn Gott sagt: Wenn du mich darum bittest, dann hast du kein Anrecht auf Vergebung, aber ich bin bereit, dir Vergebung zu schenken – einfach so, weil ich dich liebe.
Das ist es, was Gott tun will. Du kannst natürlich immer noch sagen: Ja, aber der Mann ist zwanzig Milliarden schuldig. Was hilft dir das? Das bringt doch nichts. Wenn andere noch mehr schuldig sind, werden deine Schulden dadurch nicht geringer.
Manche Menschen versuchen sich immer wieder herauszureden und sagen: Ich bin doch weniger schlimm als der andere. In den Augen Gottes genügt aber das, was du getan hast. Dort, wo du Gott nicht den Dank gegeben hast, der ihm gebührt, und dort, wo du nicht nach den Ordnungen Gottes gelebt hast, so wie er es sich vorstellt, da bist du schuldig.
Und das sind allein schon die Dinge. Im Neuen Testament lesen wir: „Dem, der Gutes weiß zu tun und es nicht tut, ist es Sünde.“ Das heißt, du kannst heute überlegen: Ist dir heute irgendetwas eingefallen, von dem du genau wusstest, dass du es tun solltest? Dass du jemandem helfen solltest oder dich bei jemandem entschuldigen solltest? Und du hast es nicht getan? Schon wieder ist das aus Gottes Sicht Sünde, schon wieder falsch, und der Schuldenhaufen wird größer.
Wenn du jetzt schon einige Jahre alt bist, sind viele Tage und viele Dinge zusammengekommen, die dich von Gott trennen. Das sind nicht nur ein paar Kleinigkeiten. Und Gott sagt: Irgendwann musst du dafür bezahlen.
Die einzige Chance, die wir haben, ist, dass wir zu Gott kommen, um Gnade bitten und sagen: Bitte, vergib mir. Ich kann es gar nicht zurückzahlen, ich kann es auch nicht rückgängig machen. Ich kann das, was ich falsch gemacht habe, nicht wieder gutmachen.
Da helfen auch keine Entschuldigungen wie: „Ich habe das zwar getan, aber ich hatte einen guten Grund dafür.“ Der gute Grund spielt am Ende keine Rolle – genauso wie bei dem Mann, der das Geld verzockt hat. Wenn er sagt: „Ich habe dem Falschen vertraut“, spielt das keine Rolle. Das Geld ist weg, und er muss bezahlen.
Genau hier bietet Gott Versöhnung an, und diese sollten wir in Anspruch nehmen. Denn jeder von uns wird einmal vor dem Thron Gottes stehen, wie wir am Ende der Offenbarung lesen können.
Das Gericht Gottes und die Entscheidung zur Versöhnung
In Offenbarung 20 lesen wir vom großen Gericht, das Gott abhalten wird. Jeder wird vor dem Gericht Gottes erscheinen und nach seinen Werken gerichtet werden. Niemand wird einfach so verurteilt, weil Gott keine Lust auf ihn hat. Stattdessen wird genau aufgezählt, was jemand getan hat.
Es wird aber auch deutlich gemacht, dass diejenigen, die nach ihren Werken beurteilt werden, ewig von Gott getrennt sein werden. Es gibt keinen Menschen, der allein durch seine Werke gerettet wird. Denn es steht klar geschrieben: Diejenigen, die gerettet werden, kommen gar nicht erst in dieses Gericht hinein, weil Gott ihnen aus Gnade vergeben hat.
Du kannst dich also entscheiden. Du kannst dich endlich entscheiden, ob du nach deinen Werken gerettet oder beurteilt werden willst. Wenn du beurteilt wirst, wirst du vor dem Gericht Gottes stehen. Dort wird dir eine lange Liste vorgelegt: Was hast du Gutes getan? Was hast du Schlechtes getan? Am Ende steht das Ergebnis fest: ewig von Gott getrennt.
Oder du kannst hier auf der Erde schon einsehen, dass du Fehler gemacht hast. Vielleicht sogar viele Fehler. Du bist schuldig und kannst es nicht wieder gut machen, auch wenn du es versuchst. Dann kannst du Gott um Vergebung bitten. Gott ist bereit, Versöhnung zu schenken.
Gerade das ist der Grund, warum Jesus auf die Erde gekommen ist und gestorben ist. Wäre das nicht nötig, könnten wir allein durch gute Taten gerettet werden. Dann wäre die Frage: Wozu musste Jesus sterben? Er hätte im Himmel bleiben können, das wäre viel angenehmer gewesen. Das große Drama wäre nicht nötig gewesen.
Jesus musste mit seinem Leben bezahlen, damit du nicht für deine Schuld sterben musst. Das ist das Angebot Gottes. So kann Versöhnung stattfinden, so kann wieder Frieden mit Gott geschlossen werden. Die angespannte Beziehung zu Gott wird gereinigt.
Dann hast du Zugang zu Gott nicht nur als Schöpfer, Gott und Richter, sondern als Vater. Das war doch eines der Lieder, die wir vorhin gesungen haben – dass wir Gott als Vater ansprechen dürfen, nicht nur als Gott. Genau das ist gemeint.
In dem Moment, in dem du bereit bist, dein Versagen Gott gegenüber einzugestehen und um Vergebung zu bitten, ist Gott bereit, dir zu vergeben. Du wirst sein Kind, und er wird dein Vater. Er ist nicht mehr nur dein Schöpfer, nicht nur dein Gott und nicht nur dein Richter, sondern dein Vater geworden. Dir ist deine Schuld vergeben, und die Beziehung zu Gott ist erst einmal wieder in Ordnung.
Du kannst jetzt frei mit Gott kommunizieren. Du musst keine Angst vor Gott haben. Du weißt, Gott rechnet nicht mehr alles auf wie ein böser Polizist im Himmel. Stattdessen hat er dir vergeben, will dir helfen und dir beistehen.
Allerdings steht hier auch ziemlich deutlich, und das ist genau dasselbe, was wir im Vaterunser finden – das viele Christen regelmäßig beten. Dort heißt es am Ende: „Vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.“ Direkt danach steht sogar: „Wenn ihr nicht bereit seid zu vergeben, wird euch euer himmlischer Vater auch nicht vergeben.“ Wie auch immer das im Detail gemeint ist, fordert es uns alle heraus.
Wenn du Vergebung für deine Schuld im Leben erhalten hast, kannst du nicht einfach weiterleben wie bisher. Das fordert Veränderung, Dankbarkeit Gott gegenüber und dass du den Menschen mit derselben Liebe begegnest, mit der Gott dir begegnet ist.
Du kannst nicht sagen: Gott hat mir alles vergeben, er hat mir das ewige Leben geschenkt und die Sündenvergebung geschenkt. Und jetzt gehe ich zu meinem Nachbarn oder zu den Menschen, die böse zu mir waren, und mache das mal richtig schlimm. Obwohl sie genauso wie du um Vergebung bitten müssten.
Du sollst auch bereit sein, anderen zu vergeben. Viele Menschen tun das ihr Leben lang nicht. Sie rechnen ihr Leben lang alles auf: „Der hat mir das Böses getan, das werde ich nie vergessen.“ Manche sagen: „Wenn schon, dann muss der aber zuerst kommen und sich entschuldigen.“
Meine Frau hat zum Beispiel ein Jahr lang eine ältere Dame besucht, Mitte achtzig, fünf Kinder, mit allen zerstritten. Die Kinder reden nicht mehr miteinander. Meine Frau hat die Dame irgendwann ermutigt, den ersten Schritt zu machen und sich bei den Kindern zu melden. Die Dame antwortete: „Nein, meine Kinder sind falsch, die müssen den ersten Schritt tun.“
Ich muss sagen: Wie blöd kann man denn sein? Meint ihr, da wird sich etwas verändern? Die Kinder denken dasselbe. Meint ihr, ein Streit wird so beendet, wenn immer nur einer sagt: „Der ist schuld, der muss zuerst.“ Und der andere sagt dasselbe?
Das machen manche Staatslenker so, und am Ende entsteht Krieg. Der Krieg ist dann der Grund für den nächsten Krieg, und so weiter. Manche Menschen machen das im privaten Leben genauso. Sie rechnen alles auf: „Du hast dein Auto falsch geparkt, da ist Laub auf mein Grundstück gefallen, du hast schlecht von mir geredet, du hast bei Facebook ein Foto gepostet, wo ich einen Pickel hatte.“ Dann folgt die Rache: „Ich mache ein Foto von deinen fettigen Haaren.“
Das wird immer schlimmer. Es geht aber darum: Egal, was der andere getan hat und ob er schuld ist – mach du den ersten Schritt und sei bereit, dem anderen zu vergeben. Wenn du auf ihn zugehst und er sagt: „Okay, lass uns Frieden schließen“, dann ist das gut.
Wir sollen etwas von der Liebe, die Gott uns gegeben hat, auch an andere weitergeben. An Menschen, die uns schuldig geworden sind, die uns Böses getan haben.
Wenn du in dich hineinhörst, fallen dir bestimmt einige Menschen ein, die dir Böses getan haben. Vielleicht in der Schule, wo etwa die Hälfte aller Schüler berichtet, gemobbt worden zu sein – von Lehrern, Mitschülern oder anderen. Vielleicht bist du sauer auf deine Eltern, Nachbarn, Geschwister oder andere.
Menschen, auf die wir sauer sind, finden wir immer. Wir würden sie vielleicht nicht alle Feinde nennen, aber wir verstehen uns nicht gut oder gehen uns aus dem Weg. In den wenigsten Fällen wird das von selbst wieder gut. Und in den wenigsten Fällen hilft es, wenn jede Partei sagt: „Der andere muss zuerst.“
Manche stellen Bedingungen: „Wenn du mir tausend Euro gibst und auf Knien vor meiner Haustür bist, dann vergebe ich dir vielleicht.“ Manche machen das so. Was ist das für ein Verhalten?
Hat Gott das bei dir gemacht? Hat Gott gesagt: „Wenn du zum Petersdom gehst und dort auf Knien herumrutschst, dann …“? Nein, zum Glück nicht. Gott hat gesagt: „Wenn du bereit bist einzusehen, dass du schuldig bist, habe ich den ersten Schritt gemacht und bin dir entgegengekommen.“ Damit du nicht den ersten Schritt machen musst.
So sollen wir es auch tun. Die erste Herausforderung ist: Bist du bereit, deine Schuld bei Gott einzusehen und um Vergebung zu bitten? Dann ist Gott bereit, dir zu vergeben.
Wenn du das getan hast, sei auch bereit, den Menschen zu vergeben, die dir Böses getan haben. Denk nicht gleich: „Wenn ich das tue, passiert das und das.“ Lass das alles einmal beiseite. Denk auch nicht: „Der hat ja zuerst angefangen, der ist schuld oder böse.“ Darum geht es erst einmal nicht.
Wenn Gott so handeln würde – und hier wird der Vergleich zwischen Gottes Handeln und unserem Verhalten gemacht –, hätten wir keine Chance. Gott ist dir schon nachgegangen, als du noch gar nicht an ihn gedacht hast. Er ist dir durch den Heiligen Geist und durch Menschen begegnet, durch das, was du gehört hast.
Wir sollten zumindest ein kleines bisschen Dankbarkeit zeigen. Gott gegenüber können wir das nur begrenzt tun, denn Gott hat ja schon alles. Aber wir können diese Dankbarkeit zeigen, indem wir mit der Liebe, die wir von Gott empfangen haben, anderen Menschen begegnen. Nicht alles aufrechnen, Rache suchen oder ähnliches.
Das ist allerdings unmenschlich. Menschlich ist es, nach seinem Recht zu fragen, sich durchsetzen zu wollen und zu denken: „Ich werde bestimmt missbraucht, wenn ich so handle.“ Das ist das menschliche Denken.
Das göttliche Denken – das hat Jesus uns gezeigt – ist: „Ich rechne das nicht auf.“ Jesus hat sich grundlos schlagen lassen, obwohl er zurückschlagen hätte können. Er hätte eine Legion Engel rufen können, die alles zerstört hätten.
Das hat er nicht getan, aus Liebe zu den Menschen. Stattdessen betete er für die, die ihn ans Kreuz schlugen, schuldlos: „Vater, vergib ihnen, rechne ihnen ihre Schuld nicht zu.“
Was ist das? Keiner von uns ist je so schuldlos angeklagt worden wie Jesus. Und trotzdem sucht er keine Rechtfertigung oder Strafe für die, die das Falsche getan haben.
Schon im Alten Testament lesen wir: Gott hat keine Lust am Tod des Ungerechten, sondern will die Rettung des Ungerechten. Er liebt dich und alle Menschen so sehr, dass er in erster Linie will, dass du gerettet wirst – wenn du bereit bist, auf seine Bedingungen einzugehen: deine Schuld einzusehen, zu bereuen und um Vergebung zu bitten.
In der nächsten Stufe sollst du auch bereit sein, anderen zu vergeben. Wenn sie das nicht annehmen – vielleicht rufst du an, schreibst eine Karte oder eine E-Mail und versuchst, Kontakt aufzunehmen und zu signalisieren, dass du bereit bist zu vergeben – und die anderen wollen nicht, dann hast du getan, was möglich ist.
Wenn du aber immer darauf bestehst, dass der andere etwas tun muss, große Bedingungen stellst oder den anderen erst richtig demütigst und dann vielleicht noch ein bisschen Gnade anbietest, ist das nicht Gottes Weg. Das funktioniert nicht.
Das ist menschlich, irdisch. So reagieren alle Menschen, egal ob Christen oder nicht. Du sollst aber reagieren wie dein himmlischer Vater, wie es hier steht.
Dein himmlischer Vater hat dir einfach so Vergebung angeboten. Wenn du sie angenommen hast, kannst du dankbar sein. Dann weißt du: Egal, was andere an dir getan haben, dir ist viel mehr vergeben worden, als andere dir Böses tun können.
Sei ein bisschen wie dein himmlischer Vater und sei bereit zur Vergebung, auch wenn du irdisch als der Dumme dastehst. Auch wenn du denkst, der andere missbraucht das, oder er verdient es nicht, oder du hast ja gar nichts Böses getan, sondern nur der andere.
Trotzdem sei bereit zu vergeben, sei wie dein himmlischer Vater und nicht wie die meisten Menschen reagieren. Das kann die Welt wirklich verändern.
Die Kraft der Versöhnung im Alltag
Das ständige Aufrechnen führt sowohl bei Staaten als auch bei Menschen nur von einem Krieg zum nächsten oder von einem Vorwurf zum nächsten. Das Ganze steigert sich immer weiter. Am Ende gehen Beziehungen kaputt, Ehen werden geschieden, Menschen gehen aufeinander los, verklagen sich vor Gericht oder machen sonst irgendetwas.
Echte Versöhnung und Vergebung funktionieren anders. Sie stellen keine besonderen Bedingungen, sondern sind erst einmal bereit zur Vergebung – so, wie Jesus es uns gegenüber gewesen ist. Das kann auch Beziehungen unter Menschen heilen, mit denen wir immer wieder zu tun haben.
Das ist die Herausforderung, vor der du heute Abend stehst: Schau dir dein eigenes Leben an. Wenn du noch keine Vergebung von Gott hast, dann nimm sie in Anspruch. Versuche nicht, deine Schuld, die du Gott gegenüber hast, selbst zurückzuzahlen. Das funktioniert nämlich nicht, weil du gar nicht so viel bieten kannst, dass das aufgewogen wird.
Überlege dann, wo Menschen an dir schuldig geworden sind oder mit wem du momentan im Streit bist. Sei bereit zur Versöhnung, mach du den ersten Schritt, biete den Menschen Versöhnung an und entscheide dich in deinem Herzen, ihnen zu vergeben – auch wenn sie dich schwer verletzt haben. Das kannst du nur mit der Kraft Gottes, nur mit dem Heiligen Geist.
Vergebung ist kein bloßer positiver Vorsatz. Du wirst merken, dass du manchmal nicht die Kraft dazu hast. Dann ärgert dich etwas wieder, und du spürst die Aggression aufsteigen. Du sollst deine Kraft nicht als Maßstab nehmen, sondern Gott bitten, dein Herz zu verändern und dich bereit zu machen, Vergebung auszusprechen – auch wenn Leute dir ganz böse mitgespielt oder dich tief verletzt haben.
Alles andere wird dich nur zerstören und belasten. Schuld, die zwischen dir und anderen steht, schadet nicht nur dem anderen und der Beziehung, sondern macht auch dich kaputt. Viele Menschen werden im Laufe der Zeit richtig verbittert, manche entwickeln sogar eine feindselige Haltung gegenüber anderen, weil sie mit der Schuld nicht umgehen können und nicht vergeben können.
Wir sollen lernen, auch zu vergeben, selbst wenn das in der Sicht der Welt als Schwäche gilt. Jesus war für die irdischen Machthaber seiner Zeit ebenfalls ein Schwächling. Die großen Herrscher maßen ihren Wert daran, wie viele Soldaten sie hatten, wie viele Menschen sie getötet und wie viel Land sie erobert hatten. Jesus hat all das nicht getan.
Doch Jesus hat uns gesagt: Überwinde das Böse nicht mit mehr Bösem, sondern mit Gutem. Das ist die Strategie Gottes. Und genau nach dieser Strategie sollen auch wir leben.
Einladung zum persönlichen Gebet und Versöhnung
An dieser Stelle möchte ich dich ganz persönlich herausfordern. Wir machen das jetzt einfach so: Ich lasse euch zwei Minuten Zeit. Nutzt diese Zeit, um mit Gott zu sprechen. Sprich zu Gott, entweder indem du ihm sagst, dass du Vergebung von ihm haben möchtest, falls du das bisher noch nicht getan hast. Oder frage Gott: Wo sind Menschen, mit denen ich Frieden schließen sollte?
Wenn du dir ehrlich nachfragst, wird Gott dir das zeigen. Falls du schon weißt, wo etwas im Argen liegt, wo du im Streit mit anderen bist, wo dir jemand Unrecht getan hat oder wo du selbst im Streit bist, dann bitte Gott darum. Bitte ihn, dir Kraft zu geben, um zu vergeben und den ersten Schritt zu tun. Setze das dann auch um.
Du wirst merken, dass dich das innerlich befreit. Es nimmt dir viel von Krampf, Verbitterung und Schmerz. Wenn es von Gott gesegnet wird, kann es auch zur Heilung von Beziehungen beitragen, die auf andere Weise nicht geheilt werden können.
Lebe so, wie derjenige lebt, der dich gerettet hat – Jesus Christus. Handle so, wie er handelt, und nicht so, wie Menschen oft irdisch handeln. Menschlich irdisch gesehen schlägt man oft zurück oder setzt sich durch. Jesus aber sagt: Nein, überlasse es Gott. Das kann dich innerlich befreien.
Also, lass uns jetzt einfach zwei Minuten nehmen. Jeder geht in sich, spricht mit Gott darüber, was gerade dran ist. Danach bete ich ein Gebet mit euch allen. Also, zwei Minuten Pause – mach mit Gott klar, was jetzt gerade dran ist.
Gebet um Vergebung und Versöhnung
Vater im Himmel, ich danke dir, dass du mir meine Schuld in meinem Leben vergeben hast. Auch dort, wo ich nichts dafür tun konnte, wo ich mir nichts anrechnen kann, weil ich irgendwie besonders viel geleistet hätte. Du hast mir einfach Vergebung angeboten für die Dinge, bei denen ich aus deiner Sicht falsch gehandelt habe, bei denen ich anderen Menschen gegenüber falsch war. Danke dafür.
Danke auch, dass du jedem anderen diese Vergebung angeboten hast und dass hier viele Menschen sind, die das schon erlebt haben. Die ihre Schuld bei dir ablegen durften und erfahren haben, dass du einfach so vergibst – ohne dass wir etwas geleistet oder uns das besonders verdient hätten. Danke für deine große und bedingungslose Liebe, eine Liebe, die so groß ist, dass du selbst bereit warst, dein Leben zu geben, damit wir leben dürfen, so wie du es versprochen hast.
Danke, dass du auch unser ganzes Leben verändern und umgestalten willst – unser Fühlen und Empfinden. Ich möchte dich bitten, uns die Freiheit zu geben, auch anderen Menschen Vergebung zuzusprechen. Dass wir nicht endlos auf unserem Recht beharren, sondern bereit sind, Vergebung zu geben – selbst denen, die es eigentlich gar nicht verdienen. Denn wir wollen so sein wie du, der auch uns nachgegangen ist, als wir noch schuldig waren, noch Sünder, als wenig Liebenswertes in uns war, vor allem in deinen Augen.
Herr Jesus, ich möchte dich bitten für all die Menschen, an die du uns gerade jetzt erinnerst. Dass dort Beziehungen gereinigt werden, Schuld vergeben wird und neue Schritte aufeinander zugehen. Dass Menschen merken: In deiner Kraft können wir anders handeln und anders reagieren, als es normal möglich ist. Gibst du uns diese Kraft und erinnere uns daran, dass wir das wirklich umsetzen – und dass es heute Abend nicht nur bei einem guten Vorsatz bleibt.
Wir möchten dich bitten, dass du dich dadurch verherrlichst, dass Menschen merken: Es muss nicht immer so laufen, dass Schuld aufgerechnet wird, dass gegenseitige Anklagen ausgesprochen werden und man sich aus dem Weg geht. Sondern dass echte Versöhnung möglich ist, wenn wir von deiner Kraft ergriffen werden, wenn du unser Herz heilst, unsere Verletzungen heilst und wir dann auch in der Lage sind, anderen Vergebung auszusprechen. Lass uns das erleben – heute und in den nächsten Tagen.
Führe uns und gib uns den Mut, den ersten Schritt zu tun – gerade in solchen häufig verfahrenen Situationen. Ich möchte dich ganz besonders bitten für diejenigen, die heute Abend hier sind und noch in Distanz zu dir leben, die noch alleine mit ihrer Schuld sind und versuchen, auf irgendeine Weise damit zurechtzukommen oder darauf zu hoffen, dass ihre guten Taten überwiegen.
Lass diese Menschen überwältigt werden von deiner Liebe und deinem Angebot zu vergeben. Lass sie erkennen, dass alle anderen Bemühungen letztlich ins Leere laufen. Die einzige Chance ist, zu dir zu kommen, sich dir zu stellen, Schuld und Fehler einzugestehen und Vergebung zu bitten. Ich möchte dich bitten, dass noch einige diesen Weg schaffen und dann erleben, wie du ihr Leben veränderst und dass der Kriegszustand dir gegenüber aufgehoben werden kann.
Du siehst, was wir gerade brauchen, und wir vertrauen darauf, dass du uns die richtige Antwort gibst: Vergebung ins Herz, dort wo wir in Streit mit anderen Menschen leben, Bereitschaft, Fehler dir gegenüber einzugestehen, dort wo wir das noch nicht getan haben. Danke, dass wir dich kennenlernen dürfen, so wie du dich auch in der Bibel zeigst – als liebenden Vater, der uns entgegenkommt und zur Vergebung bereit ist, wenn wir es auch sind.
Danke, dass das ganz anders ist als in der Welt, wo nur die Starken sich durchzusetzen scheinen und es nur um Aufrechnung geht. Du kommst einfach, ohne große Bedingungen zu stellen. Erinnere uns daran und gib uns die Kraft, das Gehörte und Verstandene auch umzusetzen. Amen, Amen!
Einladung zum Gespräch und weitere Angebote
Ja, wenn ihr noch Fragen habt oder etwas auf dem Herzen liegt und ihr gern mit jemandem zusammen beten möchtet, dann geht einfach auf jemanden zu.
Wenn ihr wollt, könnt ihr auch zu mir kommen, und wir können die Sache gemeinsam klären. Es freut mich, wenn ich manche von euch morgen im Gottesdienst wiedersehe. Ich glaube, viele bleiben ja hier.
Falls ihr mich mal besuchen wollt, könnt ihr das gerne tun. Ich habe das nämlich gar nicht erwähnt: Ich bin hauptsächlich Lehrer an der Bibelschule Brake in Lemgo. Wenn ihr mal vorbeikommen möchtet, könnt ihr auch ein oder zwei Tage dort bleiben – kostenlos – und euch den Unterricht anhören oder mich besuchen. Ihr seid dort herzlich willkommen.
Wenn ihr euch noch von den Büchern etwas anschauen wollt, liegen hier vorne noch Kurzbiografien, Gendergeschichten oder Ähnliches aus. Ich hoffe, dass ihr etwas mitnehmt von Versöhnung – Versöhnung zwischen Menschen und vor allem Versöhnung mit Gott.