Herzlich willkommen zum Podcast der EFH Stuttgart mit Jörg Lackmann und Thomas Powileit. Unser Podcast möchte zum praktischen Christsein herausfordern und zum theologischen Denken anregen.
Die Gemeinde hat von Gott den Auftrag erhalten, sich gegenseitig seelsorgerlich zu dienen. Leider bieten viele Gemeinden heute kaum Möglichkeiten, Seelsorge in Anspruch zu nehmen. Ein großes Problem ist auch, dass sich viele Christen schnell überfordert fühlen, wenn es darum geht, Seelsorgegespräche zu führen.
In diesem Podcast überlegen wir, wie Gott die Seelsorge wieder besser in den Gemeindealltag integrieren kann.
Ich habe von Eberhard Platte gehört, dass er gesagt hat, viele Christen gehen zum Psychotherapeuten, weil ihnen in der Gemeinde keiner mehr zuhört. Das ist, glaube ich, ein Problem, weil manche mit dem Begriff Seelsorge nichts anfangen können. Das Wort kommt ja nicht in der Bibel vor.
Das stimmt. Das Wort Seelsorge kommt natürlich nicht vor, aber das ist wie bei anderen Dingen auch. Auch wenn ein Wort in der Bibel nicht vorkommt, muss man schauen, ob die Sache an sich vorkommt. Seelsorge als Inhalt gibt es sehr wohl in der Bibel. Besonders im Neuen Testament gibt es viele Stellen, die das Miteinander betonen. Zum Beispiel: „Liebt einander“, „tragt die Last des anderen“. Das ist nichts anderes als Seelsorge.
Oder: „Ermahnt einander“, „dient einander“, „vergebt einander“. Das sind ganz praktische Anweisungen, wie wir uns seelsorgerlich dienen können. Außerdem gibt es Worte, die den Gedanken der Seelsorge transportieren. Zum Beispiel das griechische Wort parakaleo, das heißt „ermahnen“ oder „ermutigen“. Der Heilige Geist wird auch so bezeichnet, nämlich als der Tröster.
Der Tröster ist der Beistand, ein gutes Bild dafür, dass jemand einem anderen beisteht. Dann gibt es das Wort nutithio, das eher „zurechtweisen“ bedeutet, und das Wort katharizu, das „zurechtbringen“ oder „in Ordnung bringen“ heißt. Diese griechischen Worte zeigen verschiedene Aspekte der Seelsorge.
Es gibt auch Vorbilder im Neuen Testament. Zum Beispiel spricht der Herr Jesus mit der Frau in Johannes 4, wo es um ihre wilde Ehe geht. Das ist ein Seelsorgegespräch, dem man zuhören kann. Oder Jesus spricht mit dem Pharisäer Nikodemus, der nach der Wahrheit sucht. Jesus baut ihm Brücken, wie er diese Wahrheit finden kann.
Ich denke auch an Paulus, der immer wieder Christen ermahnt und ermutigt. Das ist Seelsorge.
Das heißt, der Begriff Seelsorge selbst kommt nicht vor, aber die Inhalte und Handlungen, die seelsorgerlich sind, sind vielfach in der Bibel zu finden – auch wenn das Wort Seelsorge nicht verwendet wird.
Jetzt sagen manche: Ja, ich habe doch den Heiligen Geist. Der wird uns alles lehren, was Jesus gesagt hat. Warum brauche ich da noch einen anderen, der mich auf dem Weg begleitet, tröstet, ermutigt oder zurechtweist?
Im 1. Johannes 2 steht ja auch: Ihr habt nicht nötig, dass euch jemand belehrt. Das ist richtig, und Gott kann ja auch direkt lehren. Wir haben das durchaus in der Bibel. Ich denke zum Beispiel an Adam. Da stellt Gott Fragen, die in jedem Seelsorgegespräch hilfreich sind.
Ja, aber wem er das Holz schicken soll, da war ja keiner da. Nee, die kann ich ja heute übernehmen. Er sagt dann: Wo bist du? Was hast du getan? Und wer hat dir gesagt? Klar, da musste Gott noch selber reden.
Aber bei Elija, der so depressiv unter seinem Strauch liegt – und jede Firma hätte das als Herausforderung gesehen: Welche Pharmatabletten produzieren wir jetzt für Elija? – da sagt Gott: Ja, steh auf, iss, leg dich schlafen. Das sind direkte Anweisungen, die Gott über einen Engel schickt.
Oder manchmal heute: Gott redet durch mein Gewissen hinein. Ich weiß, was jetzt in der Situation zu tun ist. Also, wir haben durchaus im Alten Testament schon Vorbilder, dass Seelsorge, auch wenn es nicht so genannt wird, geschieht. Dass sie stattfand, nicht nur Gott und ich alleine, sondern dass er uns zusammenstellt.
Genau, und dass Gott auch Menschen gebraucht, zum Beispiel jetzt den Nathan, den Propheten, der zu David geht. Das macht Gott nicht selber. Er erscheint nicht dem David, oder es gibt auch keine Schrift an der Wand. Sondern Nathan muss gehen, Nathan muss es sagen.
Der aber ziemlich viel Aufwand treiben musste, damit David seine Sünde erkannte. Richtig, das ist trotzdem Gottes Wirken, aber Leute müssen sich auch Gott zur Verfügung stellen.
Oder ich denke auch an Paulus, der in 1. Thessalonicher 5,14 sagt: „Wir ermahnen euch aber, Brüder, weist die Unordentlichen zurecht, tröstet die Kleinmütigen, nehmt euch der Schwachen an, seid langmütig gegen alle.“
Das ist ja Seelsorge, und zwar sehr vielfältig. Es geht dabei nicht nur um Ermahnung. So soll ich die Unordentlichen zurechtweisen, aber gleichzeitig auch die Kleinmütigen trösten. Es geht nicht darum, die Schwachen niederzumachen, sondern sich ihrer anzunehmen und gegen alle geduldig zu sein.
Hier sehen wir deutlich, dass es immer ein Miteinander ist und dass Menschen in der Seelsorge füreinander da sind. Auch Gott gebraucht die ganze Gemeinde, wie zum Beispiel in Matthäus 18, als korrigierende Seelsorge. Wenn jemand sich komplett verirrt, dann sagt die Gemeinde „Stopp, das geht nicht so“. Man läuft dem Herrn hier nicht aus der Schule.
Das heißt, Seelsorge bedeutet auch, dass man einander hilft. Das erkennt man immer wieder, wenn man die Bibel liest. Die Bibel zeigt uns die Grundlage, dass es Seelsorge gibt. Ich denke, das haben wir jetzt an einigen Beispielen gesehen.
Was wäre das Ziel der Seelsorge? Irgendein Ziel muss es ja geben. Wenn ich an vergangene Zeiten in meinem Leben zurückdenke, gab es darüber teilweise Streit – sogar große Auseinandersetzungen.
Was ist aus biblischer Sicht wichtig für die Seelsorge? In Kolosser 1,28 heißt es: „Ihn verkündigen wir, indem wir jeden Menschen ermahnen und jeden Menschen in aller Weisheit lehren, um jeden Menschen vollkommen in Christus darzustellen.“ Paulus sagt hier, dass er sich bemüht und kämpfend ringt, gemäß der Kraft, die in ihm wirkt.
Es geht also darum, dass mein Leben Jesus ähnlicher wird. In unserer Seelsorge steht nicht an erster Stelle, dass es mir um jeden Preis gut gehen muss. Natürlich versucht man auch, Drucksituationen zu entschärfen oder praktische Hilfe zu leisten, aber das ist nicht das Hauptziel.
Die erste Frage lautet vielmehr: Was hat Gott mit meinem Leben vor? Was möchte er vielleicht auch durch diese Not bewirken? Der Begriff „Seelsorge“ ist per se christlich, weil er auf Christus ausgerichtet ist. Es geht nicht nur darum, bestimmte psychische Krankheiten, Probleme oder schwierige Lebenskonstellationen zu lösen oder zu verbessern. Das wäre nur ein Zwischenziel.
Gehen wir zur Praxis über: Wie darf ich mir das vorstellen, wenn ich Seelsorge suche? Wenn es etwas in meinem Leben gibt, worüber ich reden möchte, melde ich mich dann in unserer Gemeinde an? Und erzähle dir, was mir auf dem Herzen liegt? Männer gehen ja ohnehin selten zur Seelsorge. Dort sind meistens mehr Frauen.
Ja, das stimmt. Du kannst dich gerne anmelden, du kennst ja meine Nummer, kannst anrufen und so weiter. Ob ich dir dann wirklich weiterhelfen kann, weiß ich nicht immer. Man kann das so machen, aber man muss schon unterscheiden, um welche Fragen es geht.
Geht es zum Beispiel darum, dass mir etwas nicht gelungen ist und ich darüber traurig bin? Oder habe ich eine handfeste Depression, die mich in Verzweiflung treibt? Das sind ganz unterschiedliche Dinge. Man muss also genau unterscheiden, worum es geht.
Dann machen wir das doch mal ein bisschen genauer, indem wir das etwas aufdröseln.
Was mir sehr geholfen hat: Man muss nicht alles selbst wissen, sondern darf von anderen lernen. Ein Modell, das Matthias Burhenne entwickelt hat, ist mir dabei hilfreich gewesen. Er ist, soweit ich weiß, Lehrer in Wiedernest.
Er hat die Seelsorge in drei Bereiche aufgeteilt:
Erstens die Basisseelsorge. Das ist der seelsorgerliche Umgang miteinander, die Gemeinschaft, die Freundschaft, die Kleingruppen. Also etwas sehr niedrigschwelliges. Dort ist man ja sowieso immer wieder zusammen. Man könnte sagen: Seelsorge unter der Gemeindetür.
Wenn der Tag schlecht war, kann man miteinander reden und füreinander beten – so auf dieser Ebene.
Dann gibt es die strukturierte Seelsorge. Hier geht es schon um schwierigere Themen. Es geht um Reflexion und Beratung, die mehr Fachkenntnis verlangt. Zum Beispiel bei Depressionen oder wenn jemand mit Magersucht kämpft. Da kann ich der Person nicht einfach auf die Schulter klopfen und sagen: „Vertrau einfach dem Herrn, und alles wird gut.“ Das wird zwar oft so gemacht, ist aber nicht ausreichend.
Und dann nennt Burhenne, was ich zu Recht finde, die Krisenseelsorge. Das ist für Menschen mit psychischen Krankheiten oder extremen Lebenssituationen wie Tod, Unfall, Hoffnungslosigkeit. Auch Korrektur bei Sünde, wenn sich jemand komplett verlaufen hat, gehört dazu – aber wirklich krisenmäßig, so dass es eine Krise im Leben auslöst.
Mir ist wichtig, dass diese drei Bereiche – Basisseelsorge, strukturierte Seelsorge und Krisenseelsorge – nicht gleichzusetzen sind. Das Wesentliche ist nicht die Krisenseelsorge, wie wir das oft im Kopf haben. Vielmehr ist es die Basisseelsorge.
Auch bei strukturierter Seelsorge und Krisenseelsorge kann es sehr hilfreich sein, mit einem Psychiater zusammenzuarbeiten. Dabei darf ich den Ratsuchenden aber niemals alleinlassen. Ich darf nicht sagen: „Der ist jetzt bei Psychiater XY, alles ist gut.“ Nein, ich bleibe trotzdem gefordert, mit ihm zu reden, mit ihm zu beten und seinen Glauben zu stärken. Das bleibt mein Auftrag als Basisseelsorger.
Psychiater – da klingelt es jetzt bei mir. Erinnerst du dich an die Thematik damals: nouthetische Seelsorge? Das kam mir übrigens bei dem Wort vorhin in den Sinn, zusammen mit Jay Adams, Larry Crabb, Seelsorge oder Psychotherapie. Das war ja eine lange Zeit ein sehr heißes Eisen, bei dem es verschiedene Lager gab, mit unterschiedlichen Protagonisten, die darüber gesprochen haben.
Würdest du jeden Psychiater nehmen? Würdest du überhaupt einen Psychiater nehmen? Das habe ich aus dem Gespräch entnommen: Muss es ein christlicher Psychiater sein? Wie darf ich das verstehen? Ist das ein Gegensatz? Kann ein nicht-christlicher Psychiater einen Christen überhaupt weiterführen? Wenn ja, in welchen Bereichen? Such dir etwas aus den vielen Fragen aus.
Ich halte es schon für sinnvoll, bei manchen Fragen, Problemen und Krisen einen Psychiater hinzuzuziehen. Manchmal ist es hilfreich, auch Medikamente zu verschreiben, aber natürlich nicht jeden Psychiater. Ich glaube, dass es durchaus möglich ist, für mich als Christen auch bei einem Psychiater zu sein, der nicht Christ ist. Wenn er mir entsprechende Medikamente geben kann und mich fachlich unterstützt, wenn ich einfach psychische Defizite habe, dann ist das möglich.
Aber das muss sich vorher geklärt haben. Es ist mittlerweile so, dass manche mit dem Psychiater, ich habe ja von der Krankenkasse sowieso zwei Gespräche, die ich nutzen kann, um ihn besser kennenzulernen und zu entscheiden, ob ich weitere Gespräche mit ihm führen möchte. Es muss klar sein, ob der Psychiater meinen Glauben eher als eine Ressource sieht oder eher als Ursache der Störung. Wenn er den Glauben als Ursache der Störung betrachtet, dann ist das keine Grundlage, um mit ihm weiterzugehen. Das halte ich für wichtig.
Zur Frage Psychotherapie und Seelsorge: Es ist natürlich so, dass heute vieles, was unter dem Label Seelsorge läuft, eigentlich Psychotherapie ist – auch fromm. Das Ziel ist eben ein anderes. Das Ziel ist, dass es mir gutgeht. Ich komme noch einmal auf das Ziel zurück: Christus muss in meinem Leben zu seinem Ziel kommen. Das sind schon unterschiedliche Ziele. Da ist es hilfreich, dass ich als Basis-Seelsorger, wenn jemand bei einem Psychiater ist, vielleicht auch immer wieder an diesem Ziel arbeite, an dem Glaubensziel, auch wenn es vielleicht eine andere Komponente gibt.
Da darf ich auch mal sagen: Da ist der Facharzt sicher besser als ich, auch wenn er nicht glaubt und ich glaube. Rausgehört habe ich jetzt Folgendes: die fachärztliche Seite. Man muss vielleicht noch unterscheiden: Ein Psychiater ist ein Arzt, der Medikamente verschreiben kann. Ein Psychotherapeut ist ein Psychologe, der keine Medikamente verschreiben kann. Nein, auch ein Psychiater kann ein Psychotherapeut sein. Aber umgekehrt nicht. Umgekehrt nicht, ja.
Okay, und wenn jetzt Magersucht zum Beispiel vorliegt und du dann Medikamente brauchst, würdest du das hinzuziehen? Da hättest du die Freiheit. Früher gab es ja die Diskussion, dass man gesagt hat: „Nee, nee, weltlich geht gar nicht.“ Jetzt sagst du aber umgekehrt: Vieles, was als christliche Seelsorge bezeichnet wird, ist gar keine, sondern in Wirklichkeit weltliche Psychotherapie, die mit ein paar Bibelversen angereichert wurde. Richtig. Also wo es nur um mich selbst und um die Lösung meines Problems geht, aber nicht um das, was ich geistlich daraus lerne. Das heißt, ein ziemlich schillernder Bereich bei alledem.
Tröseln wir das vielleicht mal anhand dieser drei Kategorien auf, beginnend mit der Basisseelsorge. Das kann ja jetzt jeder mal in der Gemeinde. Dafür braucht man keinen Psychiater, oder? Wenn ich das bei der Basisseelsorge richtig verstehe, brauche ich keinen Psychiater. Das heißt, bei dieser Problematik gibt es auch keine Kontroverse. Da kann man ja mal anfangen.
Richtig, das ist schon mal wichtig. Wir waren jetzt so schnell bei der Krise, aber kommen wir mal zurück zur Basis. Basisseelsorge kann, ich muss es einschränken, fast jeder. Es gibt überall Leute, die sich kaum in andere einfühlen können und es immer wieder schaffen, durch ihre Worte andere massiv zu verletzen. Wenn ich weiß, ich bin so jemand, dann sollte ich vielleicht keine tiefergehenden Gespräche führen. Wissen die Leute so etwas?
Das Problem ist doch, dass sie sich oft nicht einfühlen können. Ich habe in meiner Praxis, als ich im Krankenhaus war, schon auch Ärzte erlebt, bei denen Patienten heulend im Bett lagen. Wenn das häufiger der Fall ist, muss ich mich vielleicht mal fragen: Liegt es auch an mir? Aber wenn ich mich einigermaßen in die Lage eines anderen hineinversetzen kann, dann darf ich gerne mit Christen aus der Gemeinde reden. Und das ist auch die meiste Seelsorge, die geschieht.
Die meiste Seelsorge ist Basisseelsorge, und da bin ich eben auch herausgefordert, mich der Verantwortung nicht zu entziehen. Nennst du mir da mal eine Prozentzahl, so ganz spontan? Ich kann dir keine genaue Prozentzahl nennen, aber ich würde auf jeden Fall sagen: achtzig Prozent.
Einfach reden, und dass ich in den Kleingruppen auch bin und dann in den Kleingruppen das sagen darf, was mich bewegt. Man betet füreinander, und da sitzen oft Leute, die mir wirklich einen guten Ratschlag geben können, weil sie selbst mit Jesus unterwegs sind. Ihnen sind die Probleme, die ich habe, oder die Versuchungen, die ich schildere, ja nicht unbekannt.
Das kann durchaus auch tiefer gehen. Das hängt dann jeweils an meinem Gesprächspartner. Manche können tiefer reden, manche können es eben nicht. Aber das Beten und sogar mal die Erstversorgung – oder wie soll ich das sagen – ist, denke ich, jedem Christen möglich. Manchmal, wie im Leben auch, brauche ich ja gar nicht mehr als Erstversorgung. Ich muss doch nicht auf jeden Ratscher, den ich da habe, einen Riesenverband machen. Ein Pflaster reicht.
Wenn wir einen Schritt weitergehen zur strukturellen Seelsorge, wie Burhenne es nennt, wie sieht das zum Beispiel in unserer Gemeinde aus?
Im Kinderdienst gibt es ein richtiges Eigenarbeitsprogramm. Gibt es so etwas auch bei der Seelsorge? Mmm, jein. Also, wenn du bei uns in der Gemeinde Seelsorge in Anspruch nehmen möchtest – oder die Frage ist ja, wie man Seelsorge wieder in die Gemeinde hineinbekommt – dann haben wir benannte Seelsorger. Das sind Leute, bei denen man weiß, dass man hingehen kann. Natürlich gibt es einmal die Pastoren, zu denen man gehen kann. Wir haben sogar eine Frau angestellt, die sich speziell um die Seelsorge für Frauen kümmert. Sie ist Ansprechpartnerin in diesem Bereich.
Wir haben vor allem versucht, die Basisseelsorge zu stärken. Dafür haben wir eine Schulung durchgeführt, die über drei Jahre lief. In dieser Zeit haben wir uns immer wieder mit einer Gruppe von Leuten getroffen und systematisch versucht, ihnen Prinzipien der Seelsorge zu vermitteln.
Es gibt auch Fälle, in denen eine Person doch einiges an Ressourcen für die Seelsorge benötigt. Das ist in Ordnung, und eine Gemeinde kann das auch leisten. Sehr oft aber kann das keine einzelne Person allein bewältigen. Deshalb haben wir für solche Fälle ein Care Team zusammengestellt. Das bedeutet, mehrere Leute kümmern sich gemeinsam um diese Person. Eine Person übernimmt dabei eine Art Supervisor-Rolle und gibt die Richtung vor.
Man merkt, dass immer mehr englische Begriffe Einzug halten, wie Care Team oder Supervisor. Aber das ist einfach so.
Dieses Team hilft der betroffenen Person, die Unterstützung zu bekommen, die sie braucht.
Ich möchte noch einmal betonen, dass im Rahmen der Basisseelsorge jeder auf unterschiedlichem Niveau mitarbeiten kann. Wenn jemand lange in der Basisseelsorge tätig ist und eine entsprechende Anleitung erhält, kann es sein, dass er sich in strukturierteren Gesprächen wiederfindet. Außerdem kann er sich durch Literatur oder andere Quellen weiterbilden. Vieles ist auch learning by doing.
Wichtig ist, dass man immer einen Ansprechpartner hat, gerade in der Seelsorge. Wenn man von seelsorgerlichen Situationen überfordert ist, sollte man sich an diesen Ansprechpartner wenden können.
Man kann dann demjenigen, mit dem man Seelsorge macht, sagen: „Ich brauche jemanden, der mir weitergehend Rat gibt.“ So kann man zu diesem Ansprechpartner gehen und sagen: „Ich habe dieses oder jenes Problem in der Seelsorge. Was soll ich tun?“
Ich halte es für sehr wichtig, dass das im Rahmen der Gemeinde so gehandhabt wird.
Wenn wir das auf die Praxis übertragen, was wäre denn besonders wichtig in der Seelsorge?
Ich glaube, was wirklich hilft, ist der Blick auf Jesus. Das stelle ich immer wieder fest. Einer meiner Lieblingsverse steht im Psalm 34: „Die auf ihn schauen, werden strahlend vor Freude.“ Natürlich gehören zur Seelsorge auch praktische Ratschläge und praktische Hilfe. Aber diesen Blick auf Jesus entdecke ich immer wieder in der Bibel.
Zum Beispiel in 1. Petrus 2: Dort gibt es eine Gemeinde, die kurz vor einer Verfolgung steht. Petrus sagt zu ihnen: „Hierzu seid ihr berufen worden, denn auch Christus hat für euch gelitten und euch ein Beispiel hinterlassen, damit ihr seinen Fußspuren nachfolgt.“
Wieder wird der Blick auf Christus gelenkt, der keine Sünde getan hat. Von ihm wurde kein Trug im Mund gefunden. Er wurde geschmäht, doch schmähte nicht zurück. Leidend drohte er nicht, sondern übergab sich dem, der gerecht richtet. Er hat unsere Sünden an seinem Leib selbst auf das Holz hinaufgetragen.
Man merkt, dass Petrus aus der Situation heraus die Leute auf Jesus lenkt. Dadurch ändert sich die Situation nicht, aber dieser Blick auf Jesus gibt Motivation, weiterzugehen. Das macht Mut. Deshalb muss es der zentrale Punkt der Seelsorge sein, auf Jesus hinzuweisen.
Hier ist auch das Mitgefühl sichtbar: Christus hat für euch gelitten. Das bedeutet, es gibt jemanden, der gelitten hat und das nachempfinden kann. Ich bin nicht allein, sondern er kann sich in mich einfühlen. Außerdem kann ich auf ihn schauen und mich fragen: Wie hat er sich in dieser Drucksituation verhalten? Er sagt ja ganz klar: keine Sünde, nicht geschmäht, nicht drohend im Leiden. Und was er dann noch für uns getan hat.
Das ist sehr viel eine Einstellungssache, oder?
Ja, auf jeden Fall. Dieser Blick auf Jesus verändert meine Einstellung. Dadurch verändert sich auch sehr oft meine Bereitschaft, die Situation anzunehmen und vielleicht anders zu bewerten, als wenn ich nur auf mich selbst schaue. Ich denke, das ist zentral – diese innere Einstellung.
Was ist aber jetzt, wenn ich ganz praktisch – na praktisch ist vielleicht das falsche Wort – wenn ich eine Herausforderung habe, wie zum Beispiel eine Depression? Da geht es ja nicht nur um die Einstellung. Wenn ich es einfach nicht mehr schaffe, meinen Tagesablauf geordnet zu gestalten und keinerlei Kraft mehr habe, wie ist es da mit dieser Abgrenzung?
Reicht da so ein Spruch wie Römer 8,28: „Gott wird alles zum Besten dienen“ und dann einfach aufzustehen und die Hausarbeit zu machen? Oder wieder zur Arbeit zu gehen? Ganz sicher nicht.
Gerade bei dem Beispiel Depressionen ist der Faktor Zeit etwas ganz Entscheidendes. Ich habe einmal gebetet und dann hat sich alles gelöst – so einfach ist es bei schwerwiegenden seelsorgerlichen Fragen nicht. Zeit ist hier ein ganz wichtiger Faktor. Ich habe gehört, dass Leute, die Eheseelsorge machen, sagen: Wenn sich nach einem halben Jahr mal leicht etwas ändert, dann bist du relativ gut davor. Das ist, glaube ich, wichtig.
Ich möchte aber auch Mut machen: Basisseelsorge kann natürlich auch jemanden, der in einer Depression ist, weiter begleiten. Die Faktoren, die schlussendlich helfen, sind oft solche, die ich im Grunde selbst leisten kann. Wenn jemand in eine Praxis geht und dort von einem Arzt begleitet wird, ist das gut und richtig. Ich bin überhaupt nicht gegen Fachpersonal, das habe ich ja schon gesagt. Aber was es wesentlich ausmacht, ist einmal die vertrauensvolle Beziehung. Diese kann ich auch als Basisseelsorger leisten.
Außerdem ist wichtig, dass ich über Ursachen reflektiere: Warum bin ich in diese Situation gekommen? Das hängt ein bisschen von der Begabung ab, denn nicht jeder kann mit dem anderen reflektieren und herausfinden, warum es so ist. Ein weiterer Punkt ist der Blick auf die Ressourcen. Zum Beispiel zu sagen: „Wo sind deine Stärken? Schau mal, du bist in einem familiären Umfeld, das dich unterstützt.“ Diesen Blick kann ich jemandem auch eröffnen.
Dann kann ich auch fragen: „Gibt es jemanden aus deiner Familie, der Depressionen hat?“ Oder ich erkenne: „Ich brauche Ordnung im Tag, jemanden, der mich morgens anruft und sagt: Bitte steh auf.“ Das kann für eine bestimmte Zeit sehr wichtig sein. Es sind ganz einfache, aber entscheidende Dinge.
Ebenso kann ich konkrete Ratschläge geben, wie man ein Problem angehen kann. Ich habe zum Beispiel gehört – fand ich spannend, konnte es aber nicht selbst überprüfen –, dass Muhammad Ali, der ja mal Boxweltmeister war, nach einem Fahrraddiebstahl mit seinen Aggressionen nicht umgehen konnte. Da hat ihm jemand den guten Rat gegeben, er solle mal in einen Boxclub gehen, um zu lernen, besser mit seinen Aggressionen umzugehen. Das war ein guter Rat. Er wurde dann Boxweltmeister oder war es über eine längere Zeit. Das sind praktische Ratschläge, die helfen können.
Das ist zwar nicht der Schwerpunkt von christlicher Seelsorge, aber manchmal kann ich auch sehr praktische Ratschläge geben, die dem anderen in seiner Drucksituation helfen. Dabei sollte man nie vergessen, dass letztendlich der Blick auf Jesus das ist, was wirklich weiterhilft – auch innerlich und geistlich.
Das heißt, wir haben hier verschiedene Ebenen: einmal das Christliche, und manches von den Dingen wie Reflektion oder den Blick auf die Ressourcen würde ich jetzt nicht als ursprünglich christlich ansehen. Die Bibel nennt das Weisheitsliteratur. Früher gab es ja keine Psychotherapeuten im Alten Testament. Aber sie haben sich manches davon abgeguckt.
Manche Probleme waren damals anders ausgeprägt als heute, je nachdem, in welcher Gesellschaft man lebt. Das ist klar.
Biblische Seelsorge – was wäre da neben den praktischen Dingen, die bisher eher Thema waren, noch wichtig?
Biblische Seelsorge fördert vor allem den Blick auf Jesus. Gleichzeitig ist es wichtig, sich zu überlegen: Wenn jemand mit einem Problem kommt, wo in der Bibel finden wir eigentlich dieses Problem? Und wie sind die Menschen damals damit umgegangen?
Biblische Seelsorge geht von der Bibel aus. Das ist die wesentliche Grundlage. Man fragt sich: Was sagt Gott über dieses Problem in seinem Wort? Zum Beispiel: „In der Welt habt ihr Angst.“ Ja, das ist so. Aber er sagt auch: „Ich habe die Welt überwunden.“ Als Seelsorger kann ich das nachsprechen, diesen Bibelvers vorlesen und deutlich machen, wie der Herr Jesus die Welt überwunden hat und was das für den Alltag bedeutet.
Dabei muss man jedoch genau hinschauen. Wenn jemand zum Beispiel unter Sozialangst leidet, also Angst vor Kontakten hat, und man sagt „In der Welt habt ihr Angst“, dann trifft das eher auf Sorgen zu. Es handelt sich um eine andere Art von Angst. Man darf nicht zu schnell sagen, dass das eine auf das andere passt. Stattdessen muss man genau hinsehen.
Deshalb ist Zuhören sehr, sehr wichtig. Man sollte lange und aufmerksam zuhören, um wirklich zu verstehen, worum es geht.
Es gibt eine Form der Seelsorge, die sich mit den tieferliegenden Ursachen von Problemen beschäftigt. Die Frage ist: Liegen die Probleme meist an der Oberfläche oder eher ein paar Schichten darunter? Ich glaube, dass sie meistens ein paar Schichten tiefer liegen. Manchmal ist man sich selbst gar nicht bewusst, wo genau die Probleme eigentlich sitzen.
Eine bestimmte Richtung in der Seelsorge argumentiert stark damit, dass viele Probleme im Leben von einem Götzen herrühren. Das kann ich nachvollziehen. Was ich jedoch nicht nachvollziehen kann, ist die Behauptung, dass dies die einzige Lösung sei. Das ist oft problematisch, wenn eine wahre Erkenntnis plötzlich zur Methode wird.
Um das zu verdeutlichen, ein Beispiel: Geldliebe. Hier ist der Götze die Sicherheit. Man erwartet Sicherheit vom Geld und glaubt, dass Geld mehr Sicherheit geben kann als Jesus.
Ein weiteres Beispiel ist eine eheähnliche Beziehung mit einem Nichtchristen, in die man als Single bewusst hineingeht. Die Bibel sagt dazu klar nein. Trotzdem will man diese Beziehung um jeden Preis, weil man glaubt, dass sie einem Glück schenkt, das Gott nicht geben kann.
Das zeigt die Ebene dahinter, nämlich das Streben nach Glücklichsein. Es geht also eher um das Glücklichsein. Natürlich ist es schwer, das auszuhalten, und es klingt auf dem Papier einfach. Aber es ist wichtig zu begreifen, was einen antreibt, wenn man Gottes Wort eindeutig übertritt.
Ich finde es sinnvoll, gerade bei biblischer Seelsorge auch die geistliche Motivation zu hinterfragen. Man sollte erkennen, warum man so handelt. Allerdings sollte man das idealerweise vor einer Krise tun.
Das Sprichwort „Töte das Monster, solange es klein ist“ trifft es gut. Leider habe ich über die Jahrzehnte viele Fälle erlebt, in denen sich Probleme über Jahre hinweg verschlimmert haben. Anfangs waren sie klein und beherrschbar – etwa Ängste, Probleme mit anderen oder Geldliebe und Sicherheit. Nach zehn Jahren waren diese Probleme so groß geworden, dass niemand mehr wusste, wie man sie lösen sollte. Sie wurden immer größer, weil sie nie richtig angegangen wurden. Dann kamen noch weitere Ebenen hinzu, und die Situation wurde sehr verwirrend und schwierig.
Deshalb ist Basisseelsorge so wichtig. Sie ermöglicht es, relativ schnell in die Problematik hineinzukommen und frühzeitig zu helfen.
Und vielleicht ist das ein gutes Beispiel. Ich bin auch bei der Frage: Was ist biblische Seelsorge? Ich habe gesagt, sie geht von der Bibel aus. Im Grunde genommen bedeutet das, dass ich erkenne, warum ich so handle, also dass ich das wirklich begreife. Dann stelle ich Gottes Wort dem gegenüber und sage: Okay, wenn mein Denken und Handeln dem Wort Gottes widerspricht, dann muss ich umdenken und Buße tun.
Das dauert manchmal Zeit, um es mir einzugestehen. In der Offenbarung lesen wir: „Und ich gab ihr Zeit, Buße zu tun.“ Ja, das geht manchmal auch gar nicht so schnell. Aber ich sage mir: Ja, ich will hier anders denken und mit Gottes Kraft auch anders leben. Dabei muss ich mir immer wieder deutlich machen, was Gottes Wort zu dieser Situation sagt.
Ich glaube, das haben wir viel zu wenig. Wir müssen viel mehr Gottes Wort ganz praktisch in unsere Situation hineinreden lassen. Und das ist eben auch biblische Seelsorge. Wobei das ja schon nicht einfach ist. Da muss man Zeit haben – oder besser gesagt, sich Zeit nehmen und sich hinsetzen.
Ich würde es immer mit dem Schreiben machen, weil ich mir das gar nicht alles merken könnte. Wenn ich schreibe, komme ich auf andere Gedanken – interessant ist, dass Schreiben auch ein Denken ist. Aber es ist ja auch nicht so einfach, das alleine zu machen. Da weißt du ja, dass du in viele Richtungen kommen kannst.
Ja, das ist richtig. Deswegen ist es gut, jemanden zu haben, mit dem man spricht, der einem hilft. Manche Leute können das auch alleine, es ist ja kein Gesetz, dass Seelsorge immer zu zweit stattfinden muss. Aber für viele ist es eine Hilfe. Meine Erfahrung ist, dass viele Menschen nicht gut über sich selbst reflektieren können. Da ist es manchmal gut, wenn jemand anders reflektiert.
Es gibt diesen berühmten Spruch von Bonhoeffer: „Der Christus im eigenen Herzen ist schwächer als der im Worte des Bruders.“ Das heißt, er kann mir manchmal genau das Gleiche sagen, was ich auch sagen würde. Aber weil er es sagt, trifft es mich viel mehr.
Einen großen Nutzen in der Seelsorge sehe ich auch darin, dass manche Prozesse in meinem Leben, wie du sagst, entweder verhindert oder abgekürzt werden. Ich war letztens mit meiner Tochter im Krankenhaus. Da musste eine Wunde genäht werden, weil sie dagegen gelaufen war. Die Wunde wäre auch so zugeheilt, aber durch das Nähen ist es einfach viel schneller gegangen. Und du siehst wahrscheinlich später nicht einmal die Narbe im Leben.
Ja, die geht meist recht gut weg. Genau. Aber wenn du es nicht nähst, dauert es länger. Und das ist im Grunde genommen auch ein Effekt von Seelsorge: dass Dinge viel schneller wieder in die Bahn kommen und dass Folgen von Fehlverhalten im Blick auf Gott mein Leben dann nicht mehr weiter so bestimmen dürfen.
Deswegen motiviere ich zur Seelsorge und erinnere vor allem an die Basisseelsorge.
Ja, das war heute wirklich ein wichtiges Thema: auch mal über Seelsorge zu sprechen, gerade weil sie unser Leben so stark betrifft.
Dabei ist es gut, sich bewusst zu machen, dass die meisten seelsorgerlichen Gespräche im Rahmen der Basisseelsorge stattfinden. Und auch wenn es strukturierte oder Krisengespräche gibt, sollten wir nie aufhören, Christen in Gesprächen zu begleiten und ihren Glauben zu stärken. Dabei helfen wir ihnen, den Blick auf Jesus zu richten.
Letztendlich wollen wir ja auf Jesus kommen, wie wir das als Ziel genannt haben, und nicht nur Menschen werden, die besser funktionieren. Das kann ja nicht das Ziel sein.
Damit sind wir schon wieder am Ende unseres Podcasts von Evangelium für alle in Stuttgart. Wir hoffen, dass dieser Podcast euch motiviert hat, Seelsorge in Anspruch zu nehmen oder vielmehr viele Gespräche im Rahmen der Basisseelsorge zu führen.
Wenn ihr weitere Fragen oder Vorschläge zu unserem Podcast habt, schreibt uns gerne unter podcast@eva-stuttgart.de. Und falls ihr jetzt überlegt: „Vielleicht sollte ich doch mal schreiben, die wollen bestimmt Interaktion haben“, dann sage ich es nochmal: podcast@eva-stuttgart.de. Vielleicht macht es jetzt auch mal jemand.
Wir freuen uns auf jeden Fall, von euch zu hören, und wünschen euch Gottes Segen.