Einführung in den Epheserbrief und die Bedeutung des Gebets
Die Lehre der Apostel – Der Epheserbrief Vers für Vers
Theologie, die dich im Glauben wachsen lässt, Nachfolge praktisch – dein geistlicher Impuls für den Tag.
Mein Name ist Jürgen Fischer, und wir betrachten den Epheserbrief bis Kapitel 4, Vers 6.
Wir haben einen Apostel, Paulus, der in Rom im Gefängnis sitzt. Etwa im Jahr 61 oder 62 nach Christus schreibt er einen Brief an Gemeinden in der Nähe von Ephesus, in Ephesus selbst. Gerade hat er davon gesprochen, wie großartig und herrlich der Dienst ist, den er von Gott bekommen hat.
Er beschreibt, wie herrlich dieser Dienst an den Heiden ist, dass die Gemeinde tatsächlich eine Offenbarung ewiger, mannigfaltiger Weisheit Gottes ist. Es gibt diesen unausforschlichen Reichtum Christi, der uns geschenkt wird. Und das fängt jetzt an und wird in alle Ewigkeit so weitergehen.
Weil das so ist, weil Paulus diese Dinge erkennen und predigen durfte, sagt er hier: „Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater.“ Es ist die Begeisterung für einen Gott, der uns einfach unglaublich beschenkt hat.
In der Bibel gibt es ganz verschiedene Gebetshaltungen. Es lohnt sich, darüber nachzudenken, warum es überhaupt so unterschiedliche Gebetshaltungen gibt. Was macht es mit mir, wenn ich eine andere Haltung einnehme?
Eigentlich ist es ein Stückchen egal, wie wir beten. Auf der anderen Seite ist es so, dass wir als Menschen nicht nur Geist sind, sondern auch Körper. Manchmal merkt man, dass eine Gebetshaltung, bei der Geist und Körper eins werden, tatsächlich etwas mit mir macht. Sie richtet mich anders noch einmal auf Gott aus.
Man sollte das einfach mal ausprobieren. Ich sage nicht, dass man eine bestimmte Gebetshaltung einnehmen muss, aber es kann hilfreich sein zu sagen: „Ich gehe jetzt mal auf meine Knie und bete.“ Ich schaue, wie sich das für mich anfühlt und was das bewirkt. Oder ich erhebe die Hände und lobe Gott. Oder ich stehe, wie vorhin einfach auf.
Das ist etwas, wo man merkt: Körper und Geist werden eins, und das passt irgendwie.
Wenn es hier heißt: „Ich beuge meine Knie vor dem Vater“, dann ist das die übliche Spannung, die es beim Beten gibt – aus Respekt und Liebe. Da ist dieses „Ich beuge mich vor Gott, ich anerkenne seine Autorität, er ist Gott“, und gleichzeitig rede ich zu meinem Vater.
Ihr habt das auch im Vaterunser: „Vater unser, der du bist im Himmel.“ Da habe ich auch dieses Vater, aber gleichzeitig: „Du bist da oben, und ich bin hier unten.“ Es ist ungewöhnlich, dass ich zu dir reden darf. Es ist nicht normal, dass wir das dürfen.
Wir haben Zugang zu Gott, dem Vater, durch das Blut des Herrn Jesus. Wir sind Teil dieser Familie, weil wir in Christus sind, weil wir Christen sind, weil wir an Jesus glauben.
Wir sind überhaupt alles, was wir haben und was wir sind, durch diese eine Beziehung. Das muss uns immer wieder klar sein. Am Ende liegt es überhaupt nicht an uns, sondern das ist alles Gnade.
Ich glaube, das ist etwas, das wir nicht oft genug hören können, auch wenn es sich nur ganz langsam in unserem Denken festsetzt.
Wir brauchen das ganz oft: zu begreifen, wer wir in Christus sind.
Die biblische Bedeutung von Vaterschaft und Gottes Kenntnis
Deshalb beuge ich meine Knie vor dem Vater, von dem jede Vaterschaft in den Himmeln und auf Erden benannt wird.
Wenn die Bibel von einem Vater spricht, dann ist dieses Bild nicht nur ein Symbol für Nähe, sondern auch für Würde und Autorität. Biblisch betrachtet ist ein Vater jemand, bei dem ich bedingungslose Liebe erwarten darf – aber noch mehr. Ein Vater ist auch dazu da, mir Hoffnung zu geben und mir die Unterstützung zu bieten, damit für mich eine Zukunft möglich wird.
Außerdem gehören charakterbildende Erziehung und alle Arten von guten Gaben in der Bibel zu einem Vater. Das ist die biblische Vaterschaft. Sie ist nicht einfach nur das Patriarchat, also der Typ, der oben steht und den Ton angibt. Es ist viel mehr. Noch einmal: bedingungslose Liebe, zukunftsspendende Unterstützung, charakterbildende Erziehung und gute Gaben – das ist das, was im Bild eines biblischen Vaters zusammenläuft.
Wenn Paulus hier sagt: „Ich beuge meine Knie vor dem Vater, von dem jede Vaterschaft in den Himmeln und auf Erden benannt wird“, dann ist dieses Wort „Vaterschaft“ ein merkwürdiges Wort. Man könnte es vielleicht verständlicher mit „Familie“ oder „Familiengruppe“ übersetzen. Wenn etwas benannt wird, drückt dieser Prozess der Benennung Herrschaft aus.
Erinnert euch: Am Anfang wird da jemand in den Garten Eden gesetzt und bekommt den Auftrag, die Tiere zu benennen. Er gibt ihnen Namen und bringt damit zum Ausdruck, dass er über die Tiere herrscht. Paulus betont hier, dass Gott, der Vater, alle Gruppen von Lebewesen – egal ob himmlisch oder irdisch – geschaffen hat und ihnen Namen gibt. Das heißt, er kennt sie.
Und er kennt nicht nur sie, sondern auch ihre wahre Natur. Weil er so ein Vater ist, der alles kennt, alle Gruppen kennt und jetzt eben – ich darf das auf euch übertragen – euch kennt, weiß er genau, wer ihr seid. Er hat euch einen Namen gegeben.
Dieses „Ich gebe dir einen Namen“ bringt zum Ausdruck: Ich kenne dich, ich durchschaue dich, ich weiß, wer du bist. Ich weiß, was du brauchst. Und weil wir diesem Gott dienen dürfen, der uns durch und durch kennt und wirklich weiß, wer wir sind…
Wisst ihr, wir machen uns doch manchmal etwas vor. Ich weiß manchmal nicht, wer ich bin. Meine eigenen Motive kann ich oft nur schwer durchschauen. Ich denke, das ist immer so ein „mixed bag“, ein Durcheinander. Ich hoffe immer, dass das meiste davon irgendwie gut ist. Aber ob ich bis in die letzte Konsequenz weiß, warum ich Dinge tue, wer ich bin – ganz ehrlich, ich check das nicht.
Jetzt habe ich aber einen Vater, der mich checkt, der genau weiß, was ich brauche. Wenn ich meine Knie beuge und für meine Geschwister bete, dann weiß ich, dass da einer am anderen Ende zuhört, der meine Geschwister besser kennt, als ich das tue. Ist das nicht schön? Mir hilft das.
Und nicht nur meine Geschwister, sondern von dem jede Art von Familie, jede Art von Familiengruppe, alle Vaterschaft. Ich kann für alles beten und weiß, dass Gott die Menschen, für die ich bete, sehr, sehr gut kennt.
Das Gebet des Paulus für geistliche Stärkung und Liebe
Was betet der gute Paulus? In Kapitel 3, Vers 16 heißt es: Er gebe euch nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit mit Kraft gestärkt zu werden durch seinen Geist an dem inneren Menschen.
Als ich diesen Vers gelesen und studiert habe, hat er mich anfänglich überrascht. Das ganze Gebet hat mich überrascht, weil wir ja in Kapitel 1, Vers 19 schon gelesen haben, dass Gott uns seine überragende Größe an Kraft gegeben hat. Dort geht es darum, dass er die Augen eures Herzens erleuchtet. Das war ein anderes Gebet. Gott sollte uns geistlichen Durchblick schenken, damit wir die überragende Größe der Kraft Gottes erfassen, die an uns wirkt.
In Kapitel 1, Vers 19 ist also schon Kraft Gottes in unserem Leben vorhanden. Hier bittet Paulus nun Gott darum, die Leser durch seinen Geist an dem inneren Menschen mit Kraft zu stärken. Merkt ihr den Widerspruch? Ist da jetzt Kraft oder brauchen die noch Kraft? Müssen sie nur erfassen, was da ist, oder müssen sie jetzt gestärkt werden? Was ist es denn jetzt? Innerhalb von ungefähr einer Seite finden sich zwei Gebete, die sich scheinbar widersprechen.
Wie passt das zusammen? Ganz einfach: Es ist eine Sache, zu wissen, welche Kraft mir zur Verfügung steht. Es ist eine ganz andere Sache, diese Kraft zu entfesseln. Der Geist Gottes ist genauso ein Geist der Weisheit und Offenbarung, wie er auch ein Geist der Kraft, der Liebe und der Zucht ist.
Es scheint nicht so zu sein, dass der Heilige Geist einfach so den inneren Menschen stärkt. Da ist Kraft vorhanden. Aber jetzt geht es um die Frage, wie ich es schaffe, dass diese Kraft in meinem Leben praktisch wird. Die Antwort ist ganz simpel – und übrigens immer die gleiche: Gott will gebeten sein. Ist euch das mal aufgefallen? Jakobus schreibt etwas Ähnliches: Ihr habt nicht, weil ihr nicht bittet. Und hier ist es genauso.
Auf der einen Seite geht es darum zu verstehen, dass ich nicht defizitär bin. Es ist genug Kraft da für dich. Die Kraft, mit der Jesus von den Toten auferweckt wurde, wirkt in dir. Also mach dir keine Sorgen, dass da irgendetwas fehlen könnte.
Auf der anderen Seite: Fang an, darum zu bitten, dass Gott diese Kraft in dir entfaltet. Du kannst für dich selbst bitten. Hier betet Paulus ganz konkret für die Leser seines Briefes, dass sie an ihrem inneren Menschen gestärkt werden.
Der innere Mensch und seine Bedeutung
Frage: Was ist der innere Mensch?
Man könnte jetzt sagen: Na ja, irgendwie das Gegenteil vom Äußeren, oder? Das wäre die einfachste Antwort. Unser innerer Mensch ist unser Bewusstsein, das Zentrum der Persönlichkeit. Es ist der Teil von uns, der jeden Tag von Gott etwas Neues erhält. Währenddessen zerfällt der andere, der äußere Teil, jeden Tag ein bisschen mehr.
Es wird nie so sein, dass du zum Zahnarzt gehst und er sagt: „Hallo, da ist ja ein neuer Zahn gewachsen, das ist aber schön.“ Er wird immer sagen: „Wir müssen hier etwas abschleifen, etwas herausziehen, da muss eine Füllung rein.“ Wir werden immer weniger Mensch, wir werden immer kaputter. Der äußere Mensch zerfällt einfach.
Aber gleichzeitig, wenn ihr mit Gott unterwegs seid, werdet ihr feststellen, dass es einen inneren Menschen gibt, der, wenn er über Jahre und Jahrzehnte mit Gott lebt, immer enger an Gott hängt. Er erlebt immer mehr, wie schön es ist, mit Gott zu leben. Er erfährt, was es heißt, Trost, Kraft und Hoffnung aus dieser Beziehung zu ziehen.
Also, das erste Gebetsanliegen hier ist die Stärkung des inneren Menschen. Wenn ihr wollt, könnt ihr euch eine Liste machen, wofür Paulus betet. Das ist so ein Anliegen, das ihr immer für die Geschwister in der Gemeinde beten könnt.
Fangt eine Gebetsliste an, betet pauschal für die Geschwister. Geht noch einmal den Epheserbrief durch und schreibt das einfach auf. Ihr könnt immer dafür beten: „Herr, ich bete dafür, dass alle meine Geschwister in der Gemeinde am inneren Menschen durch den Heiligen Geist gestärkt werden.“ Das brauchen sie garantiert, glaubt mir, das brauchen sie.
Jesus im Herzen und die Wurzel der Liebe
Das zweite Anliegen findet sich in Kapitel 3, Vers 17: dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohnt. Das Herz ist hier – wie im Alten Testament üblich – das Zentrum der Persönlichkeit. Es hat mit unseren Gedanken und unserem Wollen zu tun.
Wenn Jesus durch den Glauben in meinem Herzen wohnt, bedeutet das, dass er über alles regiert, was ich bin und tue. Wichtig ist: Das kann nur durch den Glauben geschehen. Ich muss Jesus vertrauen und ihm folgen. Nur dann wird er sich auch in meinem Herzen wiederfinden.
Das ist das zweite Anliegen. Ich bete erstens: „Herr, stärke sie!“ Zweitens wünsche ich mir, dass Jesus durch den Glauben in ihren Herzen wohnt, dass wirklich Jesus da ist. Versteht ihr? Da könnte ja auch Egoismus sein, da könnte auch noch der alte Mensch sein – irgendwelche schrulligen Gedanken, die man halt so hat.
An genau dieser Stelle wünscht sich Paulus für die Geschwister Jesus. Er möchte, dass im Zentrum unseres Lebens wirklich Jesus ist, dass er dort ist, wo es darum geht, wer mir sagt, wie ich lebe. Dass es hier innen drin so eine Stimme gibt, die von innen entscheidet, was ich tue. Und genau da gehört Jesus hin.
Das ist dann das dritte Anliegen: dass ihr in Liebe gewurzelt und gegründet seid. Man kann das als logische Folge davon sehen, dass Jesus in meinem Herzen wohnt. Wenn Jesus da ist, dann sind wir in Liebe gewurzelt und gegründet.
Wenn jemand in Liebe gewurzelt ist – merkt ihr, das sind zwei Bilder: Wurzel ist mehr so ein Baum-Ding, und gegründet ist wie ein Hausfundament – wer in Liebe gewurzelt und gegründet ist, kann einfach nicht anders als lieben. Er kann nicht anders leben als genau so, wie Jesus gelebt hat.
Wenn jemand in Liebe gewurzelt und gegründet ist, dann ist das jemand, der sagt: Ich will Liebe verstehen, weil ich Liebe leben möchte. Und ich darf dafür beten, dass Menschen immer mehr ihre Wurzeln zur Liebe hin ausstrecken und dass Liebe immer mehr die Grundlage für ihr ganzes Leben wird. Wirklich Liebe.
Ich bete also, dass meine Geschwister gestärkt werden, dass der Herr Jesus selbst durch den Glauben in ihren Herzen wohnt und dass die Liebe das Fundament ist, auf dem sie stehen.
Ihr könntet mal überlegen, was das Gegenteil davon ist: Das Gegenteil wäre, dass meine Geschwister schwach sind, dass in ihrem Herzen Egoismus wohnt und sie einfach das leben, worauf sie gerade Lust haben. Das wäre das Gegenteil – da kommen wir her, das ist unser altes Leben.
Und jetzt dürfen wir für das Gegenteil beten.
Die unbegreifliche Liebe Gottes erfassen
Warum ist Liebe als Fundament so wichtig? Weil man Gott nur verstehen kann, wenn man liebt. Es ist entscheidend, dass wir das begreifen. Ein Gott der Liebe wird dadurch verstanden, dass wir selbst Experten in Sachen Liebe werden.
Ich verstehe Gott nicht, wenn ich mir nur eine Liste mit Eigenschaften Gottes aufschreibe und diese einfach herunterrasseln kann. Das wäre so, als würdest du sagen: Wie kann ich einen Menschen verstehen? Du machst eine Liste mit Angaben wie Schuhgröße, Anschrift, Lieblingsessen.
Ich kann dir von meiner Frau die Schuhgröße, das Lieblingsessen, die Anschrift und ihre Lieblingsmusik nennen. Doch du kennst trotzdem nichts von ihr. Du hast die Person selbst nicht kennengelernt. So ist es auch bei Gott.
Gott ist ein Gott, der erfahren wird, den man kennenlernt, indem man ihn imitiert. Das ist der Clou. In dem Maß, wie wir Liebe lernen und selbst Experten in Sachen Liebe werden, in dem Maß, wie wir Gott ähnlicher werden, erkennen wir ihn.
Epheser 3,18: „Damit ihr imstande seid, mit allen Heiligen völlig zu erfassen, was die Breite und Länge und Höhe und Tiefe ist, und zu erkennen die die Erkenntnis übersteigende Liebe des Christus, damit ihr erfüllt werdet zur ganzen Fülle Gottes.“
Ich wage zu behaupten, dass das, was hier steht, wofür er betet, man nie wirklich ganz erreicht. Warum? Er betet dafür, dass wir die Liebe Jesu als eine die Erkenntnis übersteigende Liebe erfassen mögen. Aber ihr merkt schon, das geht nicht. Entweder übersteigt sie meine Erkenntnis, ich kann sie also nicht wirklich denken, dann kann ich sie auch nicht ganz erfassen.
Wir stehen hier vor einem Gebetsanliegen, bei dem das Ziel klar ist: Immer mehr zu begreifen, was es heißt, dass Gott mich liebt oder überhaupt liebt. Aber wir werden da nicht wirklich ankommen.
Wir können uns wünschen, dass wir so viel wie möglich von der Liebe Gottes erkennen, auch wenn wir gleichzeitig wissen, dass Gottes Liebe irgendwie unbegreiflich bleibt. Breite, Länge, Höhe, Tiefe – merkt ihr? Das ist eine Dimension zu viel. Genau so ist es bei der Liebe Gottes.
Drei Dimensionen reichen einfach nicht aus, um die Liebe Gottes zu beschreiben. Also gibt es eine vierte. Es ist eben eine die Erkenntnis übersteigende Liebe.
Aber in dem Maß, wie ich selbst liebe, erfasse ich immer mehr von dieser Liebe. Und in dem Maß, wie ich selbst liebe, werde ich immer mehr mit der ganzen Fülle Gottes erfüllt.
Das heißt, Gott selbst nimmt in mir mit seiner Fülle Gestalt an, in dem Maß, wie ich liebe. Wenn ich Liebe lebe, dann werde ich immer mehr wie Jesus.
Indem ich selbst liebe, verstehe ich immer mehr von der Liebe Gottes und werde immer heiliger. Gott sagt an einer Stelle: „Seid heilig, denn ich bin heilig.“
Doxologie: Gottes unermessliche Kraft und Herrlichkeit
Vers 20: Dem aber, der über alles hinaus zu tun vermag, über die Maßen mehr, als wir erbitten oder erdenken, gemäß der Kraft, die in uns wirkt, ihm sei die Herrlichkeit in der Gemeinde und in Christus Jesus auf alle Geschlechter hin, von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.
Das, was ihr hier habt, ist ein Fachbegriff pro Vortrag. Ihr habt es ja schon gemerkt: Gestern hatten wir Hendi als Thema, die „Join“, die wir irgendwann nochmal wiederholen müssen. Das hier ist eine Doxologie, okay? Das ist ein Gottlobpreis. Hier wird Gott gefeiert.
Und ihr merkt, was hier gefeiert wird. Ich lese es noch einmal vor: „Dem aber, der über alles hinaus zu tun vermag, über die Maßen mehr, als wir erbitten oder erdenken, gemäß der Kraft, die in uns wirkt, ihm sei die Herrlichkeit. In der Gemeinde und in Christus Jesus auf alle Geschlechter hin, von Ewigkeit zu Ewigkeit, Amen!“
Was hier gefeiert wird, ist Gottes Potenzial, seine Kraft, die in uns wirkt. Er ist der, der über alles hinaus zu tun vermag. Versteht ihr, es gibt bei Gott keine Grenzen – außer denen, die er sich selbst auferlegt.
Aber wenn Gott sich vornimmt, einen neuen Himmel und eine neue Erde zu schaffen, wenn er sich vornimmt, die Heilsgeschichte zu Ende zu bringen, das zu vollenden, was er angefangen hat, dann wird ihn niemand aufhalten. Und er ist der, der über die Maßen mehr zu tun vermag, als wir erbitten oder erdenken.
Ich weiß nicht, ob du manchmal, wenn du für Geschwister betest, vielleicht wirklich auf den Knien liegst und für sie Heilung erflehst, weil du merkst, dass sie sich völlig verrennen, weil sie wirklich in Not sind, an Grenzen stößt. Grenzen dessen, was du dir gerade noch vorstellen kannst, dass Gott tut. Manchmal merkt man, ich komme da an Grenzen in dem, was ich mir vorstellen kann.
Und Paulus sagt, dass Gott über die Maßen mehr zu tun vermag, als wir erbitten oder erdenken. Wo wir im Gebet oder in unserer Vorstellungskraft an Grenzen stoßen, da gibt es für Gott kein Limit. Und diesem Gott gebührt Anbetung, ihm sei die Herrlichkeit.
Dabei geht es nicht darum, dass wir Herrlichkeit geben, sondern – das hatte ich am Anfang schon mal gesagt – dass wir diese Herrlichkeit, die er hat, anerkennen.
Vielleicht drei Dinge zu dieser Herrlichkeit:
Erstens, sie ist in der Gemeinde. Ich kann das nur noch mal wiederholen: Die Gemeinde ist Gottes Meisterstück. Sie ist der Ort seiner Gegenwart, Ausdruck seiner Weisheit.
Zweitens, diese Herrlichkeit ist in Christus. Der Herr Jesus ist der sichtbare Ausdruck von Gottes barmherzigem Retterwillen. Er ist gleichzeitig, wie wir wissen, das endgültige Ziel der Heilsgeschichte.
Und drittens, diese Herrlichkeit ist auf alle Geschlechter hin von Ewigkeit zu Ewigkeit. Sie nimmt einfach kein Ende. Deswegen darf auch unser Lobpreis kein Ende nehmen.
Und dann heißt es hier: Amen. Ja, Amen bedeutet so viel wie „So sei es“. Wir wissen, mit einem Amen schließt man ein Gebet oder eben auch eine Doxologie ab.
Damit endet das, was ich mal die erste Hälfte des Epheserbriefs nennen möchte – der theoretische Teil. Und es beginnt die Praxis.
Es ist häufiger so bei Paulus, dass er am Anfang einen Theorieblock bringt. Da muss man sich dann immer ein bisschen durcharbeiten. Er hat es auch häufig wirklich theologisch in sich und auch sprachlich. Und dann kommt die Übertragung: Erst sagt er, was gilt, und dann, wie das, was gilt, für uns in unserem Leben jetzt Praxis werden kann.
Aufruf zum praktischen Glaubensleben: Würdiges Wandeln und Liebe in der Gemeinde
Epheser 4,1: Ich ermahne euch nun, ich, der Gefangene im Herrn, wandelt würdig der Berufung, mit der ihr berufen worden seid.
Es ist sehr wichtig, diesen Übergang zu verstehen. Ich habe das schon öfter gesagt: Geistliches Leben ist eine Symbiose. Symbiose bedeutet, dass zwei zusammenwirken. Das heißt, Gott kann mich beschenken und sagen: Hier ist mein Potenzial für dich. Nun geht es darum, dass du beginnst, dieses Potenzial zu nutzen.
Du kannst Gott nicht vorwerfen, dass das, was er dir gibt, zu wenig sei. Das Geschenk ist ziemlich groß. Jetzt geht es darum, dass du das umsetzt und draußen Leben formst. Das findet nicht mehr im Elfenbeinturm theologischer Theorie statt. Es wird richtig praktisch und manchmal auch herausfordernd.
Wenn ihr bis jetzt noch keinen Anstoß gespürt habt und noch nicht genau wisst, was ihr ändern wollt, wird sich das in den nächsten drei Kapiteln stark ändern. Ihr werdet viele interessante Ideen bekommen, über die ihr nachdenken könnt.
Schon hier merkt ihr den Ton: „Ich ermahne euch nun, ich, der Gefangene im Herrn, wandelt würdig der Berufung, mit der ihr berufen worden seid.“ Wenn wir verstanden haben, was Gott für uns getan hat, muss das Konsequenzen im Leben haben.
Paulus ermahnt seine Leser, indem er ihnen vor Augen führt, wozu er selbst bereit ist, was ihn sein Dienst kostet und wie weit er für das Evangelium gegangen ist. Er sagt: Ich bin ein Gefangener im Herrn. Das heißt, er sitzt im Gefängnis aufgrund seiner Missionstätigkeit für die Heiden.
Wir wissen, dass der Epheserbrief im Wesentlichen an Heidenchristen gerichtet ist. Die Frage lautet: Was sollen wir tun? Die Antwort: Wandelt würdig der Berufung, mit der ihr berufen worden seid.
Wozu sind wir berufen? Das wisst ihr schon: Wir sind dazu berufen, gute Werke zu tun. Ganz einfach. Und zwar die guten Werke, die Gott vorbereitet hat.
Wir sind auf der einen Seite super privilegiert. Wir sind Familie Gottes. Wir haben Zugang zum Vater im Himmel. Da ist Kraft, da ist Liebe, da ist die Fülle Gottes in uns. Aber mit den Privilegien kommt auch Verantwortung.
Oder wie Onkel Ben es Peter Parker erklärt: „With great power comes great responsibility.“ Das ist der Punkt. Unser Lebensstil muss sich jetzt unserer Berufung anpassen.
Die Frage ist: Wo fängt das an? Das finde ich super spannend. Du kannst dir aus allen ethischen Themen eines aussuchen und sagen: Damit starte ich, hier schlage ich den Pflock ein. Es kommen viele Themen.
Was ist das Erste, was Paulus am wichtigsten ist? Der erste Punkt, den er bringt, ist die Liebe in der Gemeinde. Hört euch das mal an: „Mit aller Demut und Sanftmut, mit Langmut einander in Liebe ertragend.“
Wahnsinn, oder? Du kannst alles sagen, dir irgendwas aussuchen, und der erste Punkt, den Paulus bringt, ist die Liebe in der Gemeinde. Zur Liebe in der Gemeinde gehört vielleicht mehr als alles andere, dass wir einander ertragen.
Ja, so ist es. Wenn Paulus die Frage angeht, was es heißt, als Christ zu leben, dann steht diese Frage im Raum: Was heißt es, als Christ zu leben? Wo fängt das an, dass ich gemäß der Berufung, die Gott mir gegeben hat, lebe?
Dann ist der erste Punkt, dass Paulus an ein harmonisches Miteinander in der Gemeinde denkt. Ich finde das unglaublich spannend, vor allem wenn man weiß, wie oft es unter Christen genau an dieser Stelle hapert. Lustig, oder?
Wenn man den Vergleich macht, hat man ja schon einiges mit Gemeinde erlebt. Man weiß, dass das ein Thema ist, das seit 2000 Jahren in der Gemeinde existiert. Wir sind den Streit in den Gemeinden noch nicht losgeworden.
Man könnte sagen: Nach 2000 Jahren wissen wir, dass uns das nirgendwo hinbringt. Das erste Thema ist Demut, Sanftmut, Langmut und Liebe. Wir müssen lernen, einander zu ertragen.
Ich stelle euch die vier Begriffe mal vor. Wenn es jetzt „ping, ping, ping“ macht, kann ich nichts dafür: Demut.
Demut
Demut bedeutet, dass ich den anderen höher achte als mich selbst. Ich bin bereit, ihre Bedürfnisse ernst zu nehmen – egal, ob es die Jüngeren sind, die Mütter oder die Alten. Ich kann die Bedürfnisse anderer Menschen anerkennen und erlaube mir auch, manchmal den Kürzeren zu ziehen.
Ich handle dabei genauso wie Jesus. Übrigens war Demut in der damaligen Zeit eine Tugend, die überhaupt nicht hoch angesehen war. Dieser Begriff wurde in der Gesellschaft oft mit Unterwürfigkeit und Schwäche gleichgesetzt. Paulus stellt Demut jedoch gleich zu Beginn als das dar, was sie wirklich ist: den anderen höher achten als mich selbst, verbunden mit Sanftmut.
Sanftmut
Sanftmut bedeutet, dass ich mich zurücknehmen kann. Das gilt besonders für zwei Gruppen: die Starken und die Charismatischen.
Wenn ich also ein Starker in der Gemeinde bin, lasse ich neben mir genug Raum, damit andere sich entfalten können. Ich bin gerne bereit, mit meiner Stärke andere zu unterstützen. Jesus ist so ein Beispiel. Er sagt von sich, dass er sanftmütig war – und das ist alles andere als Schwäche.
Sanftmut zeigt sich darin, dass jemand bereit ist, sich für andere einzusetzen und seine Kraft einzubringen. Gleichzeitig nimmt er sich selbst zurück, damit das Ganze wachsen kann.
Langmut
Langmut
Langmut bedeutet, dass ich es zulasse, dass Geschwister schwach sind. Ich akzeptiere, dass sie Fehler machen, mich übersehen, einfach anders sind und meine Bedürfnisse nicht immer erfüllen.
Ich nehme das hin, ohne mich darüber aufzuregen oder mich zurückzuziehen. Dabei mache ich ihnen keine Vorwürfe und rede natürlich auch nicht hinter ihrem Rücken schlecht über sie. Das ist klar – das ist Langmut.
Und was ist mit Liebe?
Liebe
Tja, das ist der Punkt, an dem wir nie auslernen. Warum? Kennt ihr 1. Korinther 13, mal gehört oder gelesen? Schauen wir uns noch einmal 1. Korinther 13,4-7 an. Das ist sozusagen das „Bing Bing Bing“ der Liebe:
Die Liebe ist langmütig, die Liebe ist gütig, sie neidet nicht, die Liebe tut nicht groß, sie bläht sich nicht auf, sie benimmt sich nicht unanständig, sie sucht nicht das Ihre, sie lässt sich nicht erbittern, sie rechnet Böses nicht zu, sie freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, sondern sie freut sich mit der Wahrheit. Sie erträgt alles, sie glaubt alles, sie hofft alles, sie erduldet alles.
Ich muss den Text nur in Ruhe durchlesen, und ich habe für das nächste halbe Jahr genug zu tun. Ich hoffe, es ist bei euch ähnlich. Hier treffen wir auf Christsein ganz praktisch.
Warum betont Paulus als allerersten Punkt die Harmonie in der Gemeinde, die Liebe unter Geschwistern? Man könnte sagen: Weil es das eine ist, was uns einfach nach außen hin von allen anderen unterscheiden soll. Jesus sagt das in Johannes 13, ab Vers 34: „Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr einander liebt, damit, wie ich euch geliebt habe...“ Übrigens, das ist das Neue an diesem Gebot.
Liebe an sich ist nichts Neues, das gibt es auch im Alten Testament schon. Dort steht: „Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“ Aber jetzt kommt Jesus und sagt: Wir machen mal aus dem „wie dich selbst“ ein „wie ich es euch am Kreuz vorgemacht habe“. Versteht ihr? Das ist ein kleiner Tick mehr. Es ist ein Unterschied, ob ich bereit bin, für den anderen zu sterben, oder ihn einfach nur auf eine Stufe mit mir selbst zu stellen. Das ist ein Unterschied.
Deswegen ist das ein neues Gebot: „Dass ihr einander liebt, damit, wie ich euch geliebt habe, auch ihr einander liebt.“ Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt.
Es gibt Verse, da bin ich als Prediger inzwischen davon überzeugt, dass die deutsche Christenheit sie nicht glaubt und auch nicht mehr glauben wird. Das ist so ein Vers. Aber vielleicht ist hier bei euch der Durchbruch, dass ihr sagt: Wir nehmen den immer ernst. Wir glauben daran, dass man uns an der Liebe untereinander erkennt – nicht am Gesangbuch, nicht daran, dass wir zum gleichen Zeitpunkt am gleichen Ort Gottesdienst feiern, nicht daran, dass wir miteinander einen Kindergarten bauen oder sonst etwas, sondern an der Liebe zueinander, daran, wie ihr miteinander umgeht – ganz praktisch.
Jeder von euch sollte sagen: Ich werde in den nächsten zwölf Monaten, wenn es darum geht, die Geschwister zu lieben, einen Schritt vorangehen. Ich habe da irgendwo eine Delle, und die delle ich aus. Da werde ich besser. Ich werde besser werden. Ich werde in einem Jahr mehr lieben als jetzt. Und wenn du das tust, machst du es im nächsten Jahr wieder und dann noch einmal. So machst du das dreißig Jahre lang, und dann bist du nicht fertig.
Liebe ist das Kennzeichen echter Jüngerschaft. Deswegen gilt es, alle Formen von Hochmut, Grobheit, Ungeduld und Lieblosigkeit Stück für Stück aus unserem Charakter auszumerzen. Gott hat tatsächlich etwas Neues geschaffen, und wir dürfen uns mit diesen alten, fleischlichen Verhaltensweisen nicht länger kaputt machen – weder als Einzelne noch als Gemeinschaft.
Ich habe ja gefragt, warum Paulus das so an den Anfang stellt. Das wäre eine mögliche Antwort: Weil es das Kennzeichen ist, woran man Jünger Jesu erkennt. Nicht nur das, was Paulus schreibt, sondern auch Epheser 4,3: „Befleißigt euch, die Einheit des Geistes zu bewahren durch das Band des Friedens.“
Ich mag diesen Vers. Ich habe am Anfang der Corona-Krise eine fünfteilige Reihe zu diesem Thema gehalten. Ich hatte nicht den Eindruck, dass irgendjemand sie gehört hat, aber sie war trotzdem gut, weil ich darauf hingewiesen habe, dass hier steht: „Befleißigt euch, die Einheit des Geistes zu bewahren“, nicht „zu schaffen“. Das ist ein Unterschied.
Ich hoffe, ihr spürt etwas von der Dringlichkeit. Der Geist Gottes stellt Menschen zusammen, er schafft eine Verbundenheit – die Einheit des Geistes. Und wir müssen uns befleißigen, wir müssen uns wirklich anstrengen, wir müssen uns reinhängen, diese Einheit, die geschaffen wurde, zu bewahren.
Einheit in der Gemeinde darf kostspielig sein, sie darf dich etwas kosten. Befleißigen heißt, Eifer zu zeigen, Verzicht zu üben und sich anzustrengen. Ihr sollt in der Gemeinde durch ein Band des Friedens verbunden sein.
Was soll es also nicht geben in einer Gemeinde? Na ja, Dinge wie Streit. Es soll keinen Streit geben. Und wenn du merkst, ich könnte jetzt hier einen Streit vom Zaun brechen, ich habe da ein Thema, das ist mir total wichtig, dann lass es sein. Hör auf, weg damit. Nein, machen wir nicht.
Oder Parteiungen, also Klüngelbildung – machen wir nicht. Oder einfach so ein billiges Unter-den-Teppich-Kehren von Sachen – machen wir nicht. Wir machen Liebe. Das ist das, was wir machen.
Und wir machen auch nur Liebe, echte Liebe, die sich darin zeigt, dass ich Frieden und Harmonie suche, obwohl es mir natürlich schwerfällt, auf meine vermeintlichen Rechte zu verzichten. Natürlich ist es doof, wenn ich Vorteile einbüße. Und natürlich ist es so, wenn ich merke, ich habe da so eine Idee, und die will keiner hören. Ja, natürlich ist das doof.
Und jetzt ist die Frage: Was ist größer? Der Wunsch Gottes, dass ich Harmonie in der Gemeinde habe, oder mein Ego? Das ist eine ganz simple Frage. Meistens ist es das Ego.
Aber stell dir vor, du würdest diesen Vers ernst nehmen und sagen: Okay, das probiere ich zwei Jahre aus. Zwei Jahre werde ich, egal was es mich kostet, den Frieden suchen. Und ich werde schauen, was das mit dieser Gemeinde macht, mit mir und meinen Beziehungen zu den Geschwistern. Ich bin bereit, auf alles zu verzichten, alles zu investieren. Ich probiere das einfach mal aus.
Das ist es, was ich meinte mit neuen, guten Gewohnheiten als Experiment. Es gibt einen Bibelvers in Jakobus 5, da heißt es: „Seufzt nicht gegeneinander, Brüder.“ Irgendwann fiel mir auf: Das wird viel besser. Noch besser fiel mir auf: Das gilt ja auch für Schwestern. Dann fiel mir auf, meine Frau ist ja auch so eine Schwester.
Und dann stand ich da auf meiner Dachterrasse und fragte Gott: „Gott, heißt das, ich soll nicht über meine Frau seufzen?“ Und dann kam so eine Stimme aus dem Himmel – so fühlte es sich jedenfalls an – ein deutliches Ja.
Dann dachte ich mir: Das probiere ich aus. Ich habe es wirklich ausprobiert: Was passiert, wenn ich ein Vierteljahr lang nicht über meine Frau seufze? Dazu muss man sagen: Frauen schaffen es schon, Dinge zu tun, wo Männer ein bisschen... Also, das ist möglich. Das ist keine Ausnahme, sondern tendenziell die Regel.
Ich habe nicht gesagt, dass Männer besser sind, ich habe es nur aus meiner Perspektive betrachtet. Ich fand es eine ziemliche Herausforderung zu sagen: „Jürgen, das lässt du mal schön sein. Das lässt du einfach mal ein Vierteljahr lang konsequent sein. Das machst du einfach mal gar nicht. Experiment!“
Und das war super. Es war ein tolles Vierteljahr. Ich habe so viel gelernt, meine Frau mehr zu lieben – irre, einfach nur irre.
Ihr braucht solche Experimente. Vielleicht ist das so ein Punkt hier, wenn es heißt: „Befleißigt euch, die Einheit des Geistes zu bewahren durch das Band des Friedens.“
Wenn du merkst, ich habe da irgendwo in mir gerade Lust auf Streit, dagegen sein, ein bisschen Konfrontation, Rummeckern, hinter dem Rücken von Leuten quatschen, Klüngelbildung, im Hauskreis über die Ältesten herziehen oder sonst etwas, dann halte dir das vor Augen und sage: Das hört jetzt einfach mal für ein Vierteljahr auf. Mal schauen, wo wir da rauskommen.
Vielleicht wäre das eine gute Entwicklung für euch als Gemeinde. Schon allein deshalb, weil wir, wenn wir ehrlich sind, meistens mehr Teil des Problems als Teil der Lösung sind.
Theologische Grundlagen der Einheit in der Gemeinde
Jetzt gibt es natürlich auch unverhandelbare Dinge, das ist mir schon klar, und Paulus sieht das genauso. Das heißt, Einheit geht nicht über alles – also nicht Einheit um jeden Preis. Es gibt da ein paar theologische Grundsätze, die wir einfach festhalten sollten, okay?
Hier, Vers 4 und Vers 5. Da heißt es: „Ein Leib, ein Geist, wie ihr auch berufen worden seid in einer Hoffnung eurer Berufung, ein Herr, ein Glaube, eine Taufe.“ Das sind ein paar theologische Pflöcke, die man einschlagen darf.
Es gibt nur einen Leib. Das heißt, „Leib“ bezieht sich hier auf die Gemeinde, auf die Kirche als Leib Christi. Dieses „Ein Leib“ betont einfach, dass wir wirklich mit allen Gläubigen in der Welt verbunden sind. Wir können nicht sagen, es gibt da fünf Leiber. Wenn jetzt jemand anfängt und sagt, wir sind aber die einzig selig machende Kirche, dann wäre das schon wirklich schwierig. Also muss man schon sagen, das macht keinen Sinn.
Ein Geist – damit ist der in uns wohnende Heilige Geist gemeint. Und mit diesem einen Geist kommt auch eine Hoffnung unserer Berufung. Über beides haben wir ja schon eine ganze Menge gesprochen.
Ein Herr – logisch, Jesus ist dieser Herr. Indem wir Jesus als Herrn bezeichnen, erkennen wir ihm einen Titel zu, der aus dem Alten Testament für Gott verwendet wird. Damit bringen wir zum Ausdruck, dass er tatsächlich Gott ist und dass ihm unser Leben gehört. Wir folgen ihm und sonst niemandem. Wir brauchen keinen zweiten oder dritten Herrn über uns.
Ein Glaube – es geht hier um das Zentrum des Glaubens, das, was an anderer Stelle im Judasbrief einmal für alle Mal den Heiligen überlieferten Glauben genannt wird. Es geht um Glaubensinhalte, für die es sich zu kämpfen lohnt, weil sie eng verbunden sind mit ewiger Errettung und ewigem Leben.
Dann haben wir eine Taufe. Die Taufe ist das sichtbare Zeichen der Eingliederung in den Leib Christi. Sie symbolisiert die Reinigung von den Sünden und die Wiedergeburt durch den Heiligen Geist.
So, das kann ich euch hier so vorlesen. Und während ich das hier vorlese, denke ich mir, wie schlau von Paulus, am Anfang der Kirchengeschichte gleich zu schreiben, worauf wir bitte achten sollen. Schön, oder?
Die meisten von euch sind in Kirchengeschichte nicht so bewandert, um bei jedem Punkt sofort zu sagen: Haben sie nicht gemacht, haben sie nicht gemacht, haben sie nicht gemacht, haben sie nicht gemacht, haben sie nicht gemacht, haben sie auch nicht gemacht, haben sie gar nicht gemacht. Ja, also du kannst bei jedem der Punkte durch die Kirchengeschichte hindurchgehen und zeigen: Wir haben das alles falsch gemacht. Das ist der absolute Hammer. Wir haben nicht einen dieser Punkte in irgendeiner Weise bewahrt.
Deshalb ist dieser Text für mich auch ein bisschen frustrierend. Wie gesagt, dieser Vers wird in den nächsten zweitausend Jahren Kirchengeschichte komplett ignoriert. Das interessiert einfach niemanden.
Nicht nur, dass die Einheit nicht bewahrt wird – das ist ja schon schlimm genug – sondern es sind genau diese Punkte. Und das ist so erschreckend, weil eigentlich alles klar sein sollte.
Dass die Einheit nicht bewahrt wird, ist eine traurige Tatsache. Und wir haben es 2000 Jahre lang kompliziert gemacht. Aus einem liebevollen Miteinander wird innerhalb von wenigen Jahrzehnten in der Kirchengeschichte ein klein karierter Streit.
Aus einem Leib werden viele Kirchen. Aus einem Geist wird dann die Frage: Gehört man zur richtigen Kirche oder nicht? Nicht: Habe ich den Geist Gottes?
Welches Glaubensbekenntnis unterschreibst du? Wo gehörst du dazu? Bist du EFG, FEG oder Mennonit? Das wird plötzlich viel zu wichtig.
Ein Herr und ein Glaube – ja, ja, super, unterschreiben wir alle. Aber du müsstest auch unser Bekenntnis noch mit unterschreiben, bitte. Ja? Wir haben da so was Eigenes. Und wenn du das nicht unterschreibst, dann kannst du bei uns nicht dabei sein.
Eine Taufe – wow, wow, eine Taufe. Da hört es wirklich komplett auf.
Wir werden in Kapitel 4 hören, dass die Gemeinde wachsen und reif werden soll. Das machen wir im nächsten Vortrag.
Wisst ihr was? Wir sind aktuell von dem, was Gott sich wünscht für seine Gemeinde, was Reife und Einheit angeht, ganz, ganz weit entfernt.
Ich glaube, das Einzige, worüber wir froh sein können nach zweitausend Jahren Kirchengeschichte, ist, dass es da einen gibt, der uns wirklich kennt und über uns wacht – so wie es in Vers 6 heißt: „Ein Gott und Vater aller, der über allen und durch alle und in allen ist.“
Gut, dass wir den haben. Amen.
Das Skript zum Vortrag findest du in der App. Der Herr segne dich, erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.
