Einführung: Empfehlung einer Biografie über Paulus
Diejenigen, die gestern Abend den Vortrag gehört haben, fragen sich vielleicht, ob man solche Inhalte irgendwo nachlesen kann – also ein paar Hintergründe und Zusammenhänge.
Ich möchte euch kurz ein Buch vorstellen, das heißt „Paulus persönlich“. Genau um solche Themen geht es darin. Es ist im Grunde eine Biografie über Paulus, aber nicht als klassisches Sachbuch, wie man es aus der Schule kennt. Dort gibt es oft blaue Kästchen, in denen einzelne Punkte hervorgehoben werden. Dieses Buch ist einfach wie eine Biografie eines Missionars geschrieben. Es basiert auf der Apostelgeschichte, aber vor allem auf dem, was Paulus in seinen Briefen selbst als autobiografische Anmerkungen eingebaut hat.
Das Buch behandelt seine verschiedenen Lebensabschnitte, aber auch seine Motivation und seine Einstellung zu Menschen. Es geht um das, was ihn begeistert und antreibt, aber auch um das, was ihm Angst und Sorgen bereitet hat. Tatsächlich gab es Dinge, die ihn emotional an den Rand seiner Stabilität brachten.
Das Buch hat 335 Seiten. Wie ihr seht, ist es kein Paperback. Daher sind die Seiten etwas größer bedruckt als bei einem Paperback. 335 Seiten klingen viel, aber es ist nicht ganz so umfangreich, wie es scheint. In Deutschland kostet es 14,90 Euro, denn dort gibt es eine Preisbindung für Bücher. Ich weiß nicht genau, wie das in Österreich geregelt ist.
Es gibt aber eine andere Möglichkeit: Für diejenigen, denen es nichts ausmacht, am Bildschirm zu lesen, ist der CLV-Verlag genial. Er stellt fast alle seine Bücher online kostenlos zur Verfügung. Das heißt, man kann das Buch bei clv.de einfach als PDF herunterladen und kostenlos lesen.
Wie gesagt, viele Menschen lesen nicht gerne am Bildschirm, sondern bevorzugen ein richtiges Buch. Das kostet dann Geld. Ihr könnt es aber bestimmt über euren Büchertisch bestellen. Manche haben aber keine Probleme damit, am Bildschirm zu lesen, und möchten lieber kein Geld ausgeben. Oder sie wollen erst einmal drei Kapitel lesen, bevor sie Geld investieren. Diese Möglichkeit bietet das Internet.
Ihr könnt das Buch hier vorne irgendwo anklicken. Es bleibt bis heute nach dem zweiten Vortrag liegen, und ihr könnt einen Blick hineinwerfen.
Das war der Werbeblock. Ende.
Die Beziehung zwischen Paulus und den Philippi: Ein Ausdruck tiefer Verbundenheit
Noch eine kurze Ergänzung zu gestern Abend: Ich möchte noch eine Stelle ergänzen, die die Beziehung zwischen Paulus und den Philippern beschreibt. Der Satz ist etwas kürzer formuliert als im ersten Thessalonicherbrief, aber dennoch sehr beeindruckend. Er steht am Anfang von Kapitel 4, Vers 1. Eigentlich sollte man an dieser Stelle nicht mit Kapitel 4 beginnen, denn der Satz gehört eigentlich ans Ende von Kapitel 3. Glaubt nicht allen Kapiteleinteilungen in der Bibel; sie sind nicht inspiriert, sondern erst später hinzugefügt worden.
Kapitel 4, Vers 1 lautet bei uns so, obwohl es sinnvoller wäre, ihn als Kapitel 3, Vers 22 zu lesen. Paulus schreibt: „Daher, meine geliebten und ersehnten Geschwister, meine Freude und Krone.“ So hat er die Philipper gesehen. Sie waren für ihn geliebte Menschen, die er im Herzen trug. Es waren Menschen, nach denen er sich gesehnt hat und die er möglichst bald wiedersehen wollte. Er sagt: „Ihr seid meine Freude und ihr seid meine Krone.“
Um diesen Satz richtig einordnen zu können, muss man wahrscheinlich kurz, wie ich es schon erwähnt habe, in 1. Thessalonicher Kapitel 2 schauen. Die Gemeinde in Thessalonich war eine Nachbargemeinde der Philipper. Der Thessalonicherbrief wurde Jahre zuvor geschrieben. Die Philipper kannten ihn vielleicht oder haben einen ähnlichen Brief bekommen, der nur nicht in der Bibel steht. Hier sagt Paulus es noch ausführlicher, und es ist schön, dass er Jahre später auf den gleichen Gedanken in Philipper Kapitel 4, Vers 1 zurückkommen kann.
Im 1. Thessalonicher Kapitel 2, Vers 19 schreibt Paulus: „Denn wer ist unsere Hoffnung oder Freude oder Krone des Ruhms, nicht auch ihr vor unserem Herrn Jesus bei seiner Ankunft?“ In mehreren Stellen im Neuen Testament ist die Rede davon, dass wir belohnt werden, wenn wir dem Herrn treu nachgefolgt sind, wenn wir in seinem Dienst treu waren oder uns vielleicht sogar in seinem Dienst aufgeopfert haben.
Paulus schreibt ganz am Ende seines Lebens im 2. Timotheusbrief, dass ihm die Krone des Lebens bereitliegt – und allen, die die Erscheinung des Herrn lieben. Im Neuen Testament gibt es verschiedene Belohnungen. Eine davon ist die Belohnung, dass der Herr sagt: „Gut gemacht!“ Das ist eine riesige Belohnung. Wenn wir den Herrn lieben und versucht haben, ihm zu dienen, ihm im Himmel zu begegnen, und er sagt: „Gut gemacht!“ – das wird uns emotional für ungefähr ein oder zwei Millionen Jahre reichen. Danach sehen wir weiter.
Dann gibt es eine andere Art von Belohnung, bei der es darum geht, öffentlich belohnt zu werden. Manche legen wenig Wert darauf und wollen lieber im Hintergrund geliebt werden. Für viele ist es jedoch bedeutsam, wenn der Herr sich zu ihnen stellen wird, sie öffentlich belohnt und alle das sehen. Es ist nicht nur ein persönliches Gespräch zwischen Jesus und mir: „Gut gemacht!“ Sondern eine öffentliche Belohnung, bei der jeder sieht, dass dieser Mensch vom Herrn belohnt wurde und dass er mit seiner Arbeit auf der Erde zufrieden war.
Wir finden viele Beispiele dafür im Neuen Testament. Ich glaube, diese Belohnung war die, nach der Paulus sich am meisten gesehnt hat: im Himmel Menschen zu begegnen, bei der Ankunft Jesu Menschen zu treffen, die dort sind, weil Paulus in ihr Leben investiert hat. Menschen, die durch ihn gläubig geworden sind oder die einen Schritt weitergekommen sind im Leben mit dem Herrn, weil Paulus in sie investiert hat.
Paulus fragt: „Wer ist unsere Hoffnung?“ Worauf hoffen wir, wenn wir an die Wiederkunft des Herrn denken? Worauf hoffst du? Hoffst du hauptsächlich darauf, dass der Stress in diesem Leben zu Ende ist? Oder hoffst du darauf, dass die Musik endlich gut ist? Paulus sagt: „Ihr seid meine Hoffnung. Ihr seid unsere Freude. Ihr seid unser Siegeskranz des Ruhms. Ihr seid die Belohnung, auf die wir hoffen, damit deutlich wird, dass unser Investment nicht umsonst war.“
Genau das schreibt er Jahre später noch einmal an die Philipper, etwas kürzer, in Kapitel 4, Vers 1: „Meine Geliebten und der Sehenden, Brüder, meine Freude und mein Siegeskranz, steht fest im Herrn, Geliebte.“ Darum geht es immer. Darum geht es, wenn du über Jesus liest, wenn du über Paulus liest. Mir ist nicht bewusst, wie es bei Petrus ist, aber bei Johannes ist es auf jeden Fall so: Es geht immer darum, in Menschen zu investieren.
„Ihr seid meine Hoffnung, ihr seid meine Krone.“ Mit dieser Haltung hat Paulus den ersten Thessalonicherbrief geschrieben, damals nach Mazedonien. Und mit dieser Haltung hat Paulus auch diesen Brief an die Philipper geschrieben. Es ist nicht so, dass in der Gemeinde alles in Ordnung war – das werden wir heute Vormittag sehen. Trotzdem sagt Paulus: „Ihr seid meine geliebten Geschwister, ihr seid meine Freude und meine Krone, mein Siegeskranz.“ Wow!
Aktuelle Herausforderungen und die Bedeutung von Einheit in der Gemeinde
Ja, das Thema von heute: Wir leben nach wie vor in einer herausfordernden Zeit. Zwei Jahre lang haben wir irgendwie mit einem Virus gelebt, aber auch mit vielen Verordnungen. In Österreich ist das etwas anders verlaufen als in Deutschland. In Deutschland war es von Bundesland zu Bundesland unterschiedlich, da die einzelnen Bundesländer viel Mitspracherecht hatten.
Es gab verschiedene Einschränkungen, die zu unterschiedlichen Zeiten unterschiedlich stark waren. Vor allem in den Gemeinden hat sich jeder seine eigenen Gedanken gemacht, sein eigenes Bild geformt und sein eigenes Denkmuster zu diesem Thema entwickelt.
Manchen gingen die Beschränkungen zu weit, und sie empfanden das Ganze als unangemessen. Krankheiten gab es ja schon immer, und sie waren, wie man es spüren konnte, immer auf der Suche nach irgendwelchen Lücken in den Gesetzen. Manchmal suchten sie nur nach Lücken in der Überwachung, manchmal auch nach unklar formulierten Stellen in den Gesetzen, um zu prüfen, was sie mit gutem Gewissen noch machen konnten.
Auf der anderen Seite gab es eine Gruppe, die die Beschränkungen angemessen oder sogar zu locker fand. In Deutschland gab es, nicht nur in den Gemeinden, sondern allgemein, zu manchen Zeiten mehr Menschen, die die Einschränkungen als zu locker empfanden, als solche, die sie zu streng fanden.
Diese Menschen versuchten peinlich genau, sich an die Vorschriften zu halten – persönlich an das, was vorgeschrieben war, aber auch an das, was nur Empfehlungen waren oder was Politiker sich wünschten. Manche achteten sehr darauf, dass auch ihre Umgebung das so sieht und macht. Das ist vielleicht typisch deutsch.
Das Problem hatten die Geschwister damals nicht. Dort war eher das verbreitete Problem in den Gemeinden, dass man die Frage unterschiedlich sah, welche Arten von Fleisch man essen durfte. Das ist für uns heute weniger ein Problem.
Sie wussten, dass ein Großteil des Fleisches auf dem Markt vorher irgendeinem Götzen geopfert worden war. Die Diskussion war: Darf ich das essen oder nicht? Muss ich nur bei jüdischen und muslimischen Anbietern einkaufen, bei denen ich weiß, dass das Fleisch halal ist? Oder muss ich mich darum nicht kümmern?
Das war damals der Streitpunkt in den Gemeinden, der das Potenzial hatte, sie zu spalten.
Bei uns war in den letzten zwei Jahren der Streitpunkt, der Gemeinden spalten konnte, wie gesagt, die Haltung zu den Einschränkungen oder im Laufe des letzten Jahres die Haltung zu einer Impfung – ob man sich impfen lassen sollte oder nicht.
Jetzt ist es gerade in vielen Gemeinden, die westlich geprägt sind wie wir, weniger ein Thema. Aber in Osteuropa oder in russlanddeutschen Gemeinden hier in Deutschland ist die Frage, wie man zu Putin steht, ein Thema, das die Gemeinden ganz real spaltet.
Wir reden heute darüber, dass Einheit in der Gemeinde, Einheit unter Gläubigen, eigentlich ein Charakteristikum des Christentums ist. Es ist ein Merkmal echter Christen, dass sie trotz unterschiedlicher Meinungen Einheit sein können.
Wenn wir ehrlich sind, sind es meistens nicht diese Themen, die uns auseinanderreißen. Meistens liegen die Probleme viel tiefer. Diese ganzen Themen, auch wenn es mal theologische Themen sind – in diesem Fall waren es viele praktische Themen – sind nur die Oberfläche, an der sich zeigt, dass es tiefere Probleme in unserer Gemeinschaft gibt.
Vor allem gibt es tiefere Probleme in unseren Persönlichkeiten. Wir haben ein großes Bedürfnis, wichtig zu sein, und wir haben Meinungen gebildet, die wir nicht in Frage stellen, weil es peinlich wäre.
Eine interessante Beobachtung vor zwei Jahren, in den ersten Wochen und Monaten: Die meisten Leute, die ich kenne, haben sich sehr früh eine Meinung zu dieser Krankheit und den Maßnahmen gebildet – zu einem Zeitpunkt, als man noch sehr wenig wusste.
Ich kenne praktisch niemanden, der seine Meinung geändert hat, weil er mehr Informationen bekommen hat – weder in die eine noch in die andere Richtung.
Für mich heißt das, wir sind zu stolz, zuzugeben, dass wir uns vielleicht am Anfang geirrt haben. Wir denken, wer A sagt, muss auch B sagen. In Wirklichkeit kann man aber auch zugeben, dass A falsch war. Man muss nicht B sagen.
Das ist ein tiefes Problem im Menschen, vielleicht ein tiefes Problem bei Deutschen, vielleicht auch bei Österreichern – das weiß ich nicht. Und es ist ein tiefes Problem in christlichen Gemeinden.
Und unter anderem darum geht es heute.
Die persönliche Beziehung zwischen Paulus und den Philippi: Erwartungen und Ermutigungen
Ich möchte noch einmal an einem anderen Punkt anfangen: bei der Beziehung zwischen Paulus und den Philippinern. Ihr seht schon, das ist ein Thema, das sich durchzieht.
Gibt es in deinem Leben jemanden, dem du wirklich dankbar bist? Wenn du darüber nachdenkst, fällt dir bestimmt jemand ein. Für viele sind es die Eltern, für manche vielleicht auch nicht. Für andere sind es Menschen, durch die sie das Evangelium gehört haben. Wieder andere sind verantwortlich in der Gemeinde, von denen sie viel profitiert haben.
Paulus geht davon aus, dass die Philippiner ihm sehr dankbar sind für all das, was er in sie investiert hat. Sie sind ihm nach wie vor sehr dankbar dafür. Und er wirft das in die Waagschale – etwas, das wir uns in unserer Kultur oft nicht trauen. Wir sagen: „Vergiss es, tu bloß nichts um meines Willen, tu alles um des Herrn Willen.“ Das klingt hypergeistlich, aber die Apostel sind nicht so.
Paulus sagt – wir müssen den Philipperbrief lesen – dass sie ihm sein Leben verdanken. Nun könnten sie mal etwas für ihn tun. Sie könnten den Onesimus aufnehmen und gut behandeln. „Hier, du verdankst mir etwas. Ich gehe davon aus, dass du mir eine Freude machen willst, und hier ist eine Gelegenheit.“
In Kapitel 1, Vers 7 lesen wir: „Weil ihr mich im Herzen habt.“ Es geht genau in diese Richtung.
In Kapitel 1, Vers 27 heißt es: „Wandelt würdig des Evangeliums des Christus, damit, sei es, dass ich komme und euch sehe, oder abwesend bin, ich von euch höre, dass ihr feststeht in einem Geist.“ Da schwingt etwas mit, oder? Das ist wie bei Eltern: Ob ich zu Hause bin oder nicht, verhalte dich so in diesem Haus, wie du denkst, dass ich es möchte, wie du denkst, dass es mir gefällt.
Das ist es, was Paulus sagt: Ob ich anwesend bin oder abwesend, lebt so, wie es würdig ist für das Evangelium. Letzten Endes steckt darin: Lebt so, wie es mir gefallen würde, wie ihr mir einen Gefallen tun könntet.
Kapitel 2, Vers 12: „Daher, meine Geliebten, wie ihr allezeit gehorsam gewesen seid, nicht allein in meiner Anwesenheit, sondern jetzt vielmehr in meiner Abwesenheit.“
Hier ist noch einmal dasselbe Bild. Paulus ist ihr geistlicher Vater. Sie waren gehorsam dem, was er ihnen gesagt hat – sowohl in Zeiten, in denen er anwesend war (was nur sehr kurz der Fall war), als auch in Zeiten, in denen er quasi anwesend war, weil ein direkter Mitarbeiter von ihm vor Ort war. Sie wussten: Alles, was dieser Mitarbeiter mitkriegt, wird Paulus eins zu eins gespiegelt. So war Paulus quasi anwesend.
Aber genauso waren sie gehorsam in Zeiten, in denen Paulus abwesend war. Sie wussten genau, dass er nicht direkt mitbekommt, wie sie sich verhalten. Und Paulus wirft das in die Waagschale: Wollt ihr mir nicht einen Gefallen tun? Wollt ihr mir nicht Freude machen als eurem geistlichen Vater?
Ich finde es beeindruckend, dass Paulus den Mut hat, das so zu formulieren.
Kapitel 2, Vers 1 ist ein schwieriger Satz: „Wenn es nun irgendeine Ermunterung gibt in Christus, wenn irgendeinen Trost der Liebe, wenn irgendeine Gemeinschaft des Geistes, wenn irgendeine innerliche Gefühle und Erbarmungen, so erfüllt meine Freude.“
Was meint Paulus damit? Wenn es irgendeinen Trost der Liebe gibt, wenn ihr jemals Trost vom Herrn empfangen habt, wahrscheinlich wenn ihr einander in Liebe tröstet – dann baut darauf auf. Wahrscheinlich ist das gemeint.
Aber was hier mitschwingt, ist auch: Wenn ihr das Bedürfnis habt, mich aus Liebe zu trösten, wenn es irgendeine Gemeinschaft des Geistes zwischen euch und mir gibt, wenn ihr innerliche Gefühle für mich habt und euch über meine Ängste und Sorgen erbarmen wollt, dann erfüllt das meine Freude.
Das ist eigentlich die logischste Art, diesen Vers zu lesen. Alles, was ich vorher gesagt habe, steckt darin: Diesen Trost und all das, was ihr vom Herrn erlebt habt, diesen Trost und all das, was ihr schon untereinander praktiziert.
Was Paulus hier hineinbringt, ist eine ganz persönliche Note: Ich bin euer Vater. Habt ihr Gefühle mir gegenüber? Ihr könntet etwas tun, um mich wirklich zu erfreuen, damit es mir emotional und geistlich gut geht, wenn ich an euch denke.
Wenn ihr euch ein Vatertagsgeschenk für mich überlegt, hier ist ein Tipp für euch. Das steht hier: „Erfüllt meine Freude.“
Ich finde es spannend, dass Paulus hier – und wie gesagt, ganz stark im Philipperbrief – so etwas in die Waagschale legt.
Ihr möchtet für Gott leben, aber manchmal ist es schwierig, weil man Gott nicht sieht. Johannes sagt es: Wenn du sagst, dass du Gott liebst, aber deinen Bruder nicht liebst – Gott siehst du nicht.
Weißt du, was Paulus hier sagt? Vielleicht ist es manchmal für dich schwierig, etwas für den Herrn zu tun, weil du ihn nicht siehst, weil du seine Stimme nicht hörst, weil du diesen wohlgetanen und treuen Knecht nicht direkt erlebst.
Du könntest etwas für seinen Diener tun, für mich und für deine Geschwister.
Das Problem in der Gemeinde von Philippi: Mangelndes Miteinander
Aber worum ging es eigentlich? Was war das Problem in Philippi? An vielen Stellen ging es um das Miteinander. Das werden wir jetzt noch einmal kurz in Kapitel 1 sehen, vor allem aber in Kapitel 2 heute Vormittag. Das Problem war das Miteinander.
Die Gemeinde war total engagiert. Seit sie gläubig geworden waren, setzten sie sich intensiv für die Evangelisation ein. Sie nahmen sogar Leiden in Kauf, weil sie zum Evangelium standen. Sie ertrugen Verfolgung, weil sie sich zum Evangelium bekannten. Das war großartig. Sie verausgabten sich über ihre finanziellen Möglichkeiten hinaus, um Missionen zu unterstützen. Das war ebenfalls super. Die Hingabe war groß, das Engagement für Ungläubige ebenfalls.
Aber das Verhältnis unter den Gläubigen war problematisch. Das war es, was Paulus Bauchschmerzen bereitete. Ganz konkret eskalierte es offensichtlich bei zwei Schwestern. Paulus schreibt davon erst im letzten Kapitel, weil er nicht möchte, dass er das Problem gleich am Anfang nennt. Warum? Wenn er es am Anfang schreibt, sagen alle: „Okay, die zwei haben ein Problem, wer hat es denn noch?“ Das würde die Gemeinde spalten. Darum spricht er erst in Kapitel 2 über dieses Problem in der ganzen Gemeinde. Erst am Schluss erwähnt er das Beispiel, bei dem es schon eskaliert ist – wo es also nicht mehr nur im Untergrund brodelt, sondern offen ausgebrochen ist. So soll niemand sich zu früh darauf stürzen oder sich innerlich zurückziehen.
Lesen wir die zwei Verse. Es ist schon spannend, dass Paulus in seinem öffentlichen Brief Namen nennt. Das ist schon heftig. So etwas sollten wir nur in Ausnahmefällen tun, aber hier macht Paulus das.
Vers 2: „Evodia ermahne ich und Sintychche ermahne ich, gleich zu denken im Herrn. Ja, ich bitte auch dich, mein treuer Mitknecht, steh ihnen bei, die im Evangelium mit mir gekämpft haben, auch mit Clemens und meinen übrigen Mitarbeitern, deren Namen im Buch des Lebens sind.“
Meistens wird das so ausgelegt, dass hier zwei Schwestern gemeint sind, die miteinander im Clinch liegen. Das kann sein, ich schließe es nicht aus. Aber wenn man den Text genau liest, ist es nicht so eindeutig. Hier steht einfach nur, dass sie gleich denken sollen.
Und weil die Gemeinde insgesamt in Kapitel 2 schon aufgefordert wird, gleich zu denken, die gleichen Ziele zu haben und als Team zusammenzuarbeiten, muss das nicht bedeuten, dass diese beiden Frauen untereinander Streit hatten.
Es kann genauso gut sein, dass sich diese zwei Frauen zusammengetan haben und sich gegen die Verantwortlichen in der Gemeinde gestellt haben. Im Text steht nicht „untereinander“, sondern sie sollen „gleich denken“. Es kann also auch bedeuten, dass sie mit der ganzen Gemeinde gleich denken sollen und nicht in Rebellion gegen die Gemeinde leben.
Versteht ihr, was ich meine? Der Text lässt beide Möglichkeiten offen. Entweder sind es zwei, die eine Partei bilden, möglichst viele Anhänger um sich scharen und gegeneinander agieren. Oder es kann sein, dass sich die beiden zusammengetan haben und gegen alle anderen rebellieren, vor allem gegen die Gemeindeleitung.
Das würde besser erklären, warum Paulus sagt, sie waren früher im Team. Als die Gemeinde noch kleiner war, gehörten sie zum Team – auch mit Clemens.
Warum erwähnt er Clemens? Wenn sie nur untereinander Streit hatten, ist die Erwähnung von Clemens für uns nicht einsichtig. Wenn sie sich aber zusammengeschlossen hatten und Streit mit der Gemeindeleitung anfingen, dann könnte Clemens derjenige sein, auf den sie sich eingeschossen hatten. Paulus sagt, früher waren sie mit ihm und den anderen Mitarbeitern ein Team.
Nur so zum Nachdenken: Es gibt mehrere Möglichkeiten, wie das hier eskaliert sein kann.
Paulus bittet: „Ich bitte dich, mein treuer Mitknecht, steh ihnen bei.“ Es wird nicht genannt, wer genau gemeint ist. Paulus war offensichtlich ziemlich sicher, dass der Angesprochene und auch alle anderen wussten, wen er meint. Vielleicht ist es der Ehemann von einer der beiden oder jemand anderes, von dem man hoffte, dass er Einfluss auf sie hat.
Das war also die Stelle, an der es eskaliert war, wo man einiges sah, das nicht nur im Untergrund brodelte.
Wenn wir aber zurückgehen zu Kapitel 2, sehen wir, dass es offensichtlich ein verbreiteteres Problem in der Gemeinde gab.
Aufruf zur Einheit und Selbstlosigkeit in der Gemeinde
Erfüllt meine Freude, dass ihr gleichgesinnt seid, dieselbe Liebe habt, einmütig seid und dasselbe denkt.
Offensichtlich war das ein Problem. Paulus sagt: Erfüllt meine Freude, arbeitet daran, nehmt es in Angriff. Es war nicht so, dass alle als Team in dieselbe Richtung gingen. Das war das Problem, das ihm im Magen lag: Innerhalb der Gemeinde funktionierte es nicht so wie gegenüber den Ungläubigen.
In Vers 3 heißt es: „Nichts als aus Streitsucht oder leerem Ruhm tuend.“ Offensichtlich gab es Streit. Bei vielen in der Gemeinde – oder zumindest bei einem wesentlichen Teil – ging es um das eigene Ansehen, um leeren Ruhm. Viele achteten auf ihr Image: Wie stehe ich da? Wie werde ich anerkannt? Paulus sagt, das ist euer Problem. Nicht die Evangelisation ist das Problem, da seid ihr gut. Das Problem ist, dass es so viel um das eigene Ego geht.
Wir werden später noch einmal im Detail darauf zurückkommen, wenn es heißt: „Versichert ein jeder nicht auf das Seine, sondern ein jeder auch auf das der Anderen.“ Was bedeutet das? Ich glaube, unser größtes Problem als Christen ist, dass jeder einzelne von uns – und da schließe ich mich hundertprozentig ein – sich selbst extrem wichtig nimmt. „Ich bin wichtig.“ Wie andere mit mir umgehen, ist wichtig. Dass meine Meinung gehört wird, ist wichtig. Dass ich in den Informationsflüssen der Gemeinde eingebunden bin und nichts an mir vorbeigeht, ist wichtig. Ich bin wichtig!
Wenn wir den Eindruck haben, nicht wichtig genug zu sein, werden wir depressiv. Paulus sagt: Das ist das Problem. Und es ist nicht nur das Problem der zwei Frauen, das ist euer Problem. Das ist ein ganz wesentlicher Punkt in diesem Brief. Warum? Weil Einheit bedeutet, sich selbst nicht so wichtig zu nehmen. Es geht darum, miteinander als Team zu arbeiten, wirklich von Herzen als Team zusammenzuarbeiten, wo jeder seine Rolle hat. Wo es nicht darum geht, wie ich gut anerkannt werde, sondern darum, wie wir gemeinsam die Ziele des Herrn erreichen. Das ist ein wesentlicher Bestandteil von echtem Christentum.
In Kapitel 1, Vers 27 heißt es noch einmal: „Wandelt nun würdig des Evangeliums des Christus, damit – sei es, dass ich komme und sehe, oder abwesend bin und von euch höre – dass ihr feststeht in einem Geist, der mit mir kämpft, mit dem Glauben des Evangeliums, und euch nicht erschrecken lasst von den Widersachern.“ Jetzt kommen die ganzen Leiden und alles, was sie auf sich nehmen. Aber er sagt: Was ist würdig des Evangeliums? Nicht nur, dass wir das Richtige sagen, nicht nur, dass wir engagiert sind. Würdig des Evangeliums ist, dass wir mit einem Geist und mit einer Seele dafür kämpfen. Nicht nur, dass wir kämpfen, sondern dass wir als Team mit einem Geist und mit einer Seele kämpfen. Er sagt: So sollen wir wahrgenommen werden als Verkündiger des Evangeliums.
Wow! Kapitel 2, Vers 16: Nachdem er all diese Dinge geschrieben hat, die wir ab Kapitel 11 betrachten, schreibt er: „Mir zum Ruhm auf den Tag Christi.“ Also noch einmal das Thema vom Anfang: Damit ich nicht vergeblich gelaufen bin, noch vergeblich gearbeitet habe. Das ist ein krasser Satz, wirklich ein krasser Satz. Er sagt es noch zweimal in seinen Briefen, dass er Angst hat, dass seine Arbeit vergeblich war.
Zum Beispiel bei den Thessalonichern sagt er: „Wir waren so kurz bei euch, und als wir weg waren, haben wir gehört, welchen Druck ihr von eurer Umgebung bekommen habt, von eurer Verwandtschaft, von alten Freunden, von Geschäftspartnern, von den Juden – hauptsächlich von euren eigenen Volksgenossen.“ Er sagt, er hatte panische Angst, dass ihr diesem Druck nicht standhaltet und dass seine Arbeit vergeblich gewesen wäre, dass ihr wieder vom Glauben abfallt.
Das kann man verstehen, oder? Er hat investiert, Menschen sind gläubig geworden, und er hat Angst, dass es so ist wie beim vierfachen Ackerfeld: Wenn Bedrückung kommt, zeigt sich, dass es nicht Bestand hat.
Hier nimmt Paulus quasi dieselben Worte Jahre später an die Nachbargemeinde in Philippi und sagt: Wenn ihr es nicht schafft, als Christen euch zu vertragen und in Einheit zu sein, dann habe ich dieselbe Angst. Nicht dass ihr vom Glauben abfallt, aber trotzdem, dass vieles, was ich investiert habe, umsonst ist. Denn Einheit ist so essentiell für Christen, dass er das Gefühl hat: Wenn das in eurer Gemeinde nicht vorhanden ist, dann ist vieles von dem, was ich in euch investiert habe, umsonst.
Das ist krass, oder? So würden wir das nie sehen. Paulus hebt es fast – also nicht ganz, er nimmt es nicht wörtlich – aber er hebt es von seinem Vokabular fast auf die Ebene, dass jemand vom Glauben abfällt, wenn eine Gemeinde es nicht schafft, einig zu sein. Das zeigt, was es für ihn bedeutet. Und das ist dieser totale Ernst, den dieses Thema in diesem Brief hat.
Vers 15: „Damit ihr untadelig und rein seid, unbescholtene Kinder Gottes inmitten eines verkehrten und verdrehten Geschlechts, unter denen ihr scheint wie Lichter in dieser Welt.“ Er sagt: Ihr müsst eine Einheit sein, damit ihr scheint wie Lichter in dieser Welt.
Jesus hat gesagt: Daran wird man erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr Liebe untereinander habt. Daran erkennt man echte Christen, echte Nachfolger Jesu, dass sie Einheit und Liebe untereinander haben.
Paulus sagt: Dann wird euch das Evangelium wichtig sein. Euch ist es wichtig, dass Menschen in eurer Umgebung und weltweit das Evangelium hören und zum Glauben kommen.
Wenn ihr dem Evangelium wirklich Feuer geben wollt, wenn ihr ihm wirklich Kraft verleihen wollt, wenn ihr wirklich leuchten wollt in dieser Welt wie ein Licht im Dunkeln, dann müsst ihr Einheit haben. Das ist es, was in dieser Welt leuchtet.
Die Einleitung des Philipperbriefs: Positiver Blick trotz Konflikten
So, das war das Problem und das große Anliegen, das Paulus in diesem Brief auf dem Herzen lag. Ich möchte jetzt noch einmal auf dieser Grundlage einige Sätze ganz am Anfang des Briefes mit euch lesen.
Wir haben gestern Abend schon ein wenig am Anfang dieses Briefes gelesen. Ein Teil davon wird jetzt eine Wiederholung sein, aber ich möchte es noch einmal mit euch lesen – zum großen Teil vor dem Hintergrund, den ich gerade versucht habe, als einen wesentlichen Schwerpunkt dieses Briefes zu zeigen.
Was schreibt Paulus hier? Warum schon direkt in seiner Einleitung? Was geht ihm durch den Kopf, als er seine Einleitung verfasst? Es ist ja nicht so, dass er erwartet, dass die Philipper beim ersten Lesen alles sofort einordnen können in das Hauptthema. Sie kennen das Hauptthema ja offiziell noch gar nicht. Aber das Hauptthema ist schon in seinem Kopf und prägt seinen Stil in dieser Einleitung.
Paulus und Timotheus, Knechte Christi Jesu – einer der wenigen Briefe, in denen er nicht schreibt, dass er Apostel ist. Warum? Er schreibt in Kapitel zwei über Jesus, der Knecht geworden ist. Sein Hauptthema in diesem Brief ist, dass sie sich selbst nicht wichtig nehmen sollen. Es soll für sie nicht wichtig sein, ob sie bestimmen oder ob andere bestimmen.
Darum lässt er intuitiv oder absichtlich an dieser Stelle jeden Titel weg und sagt: Wir sind Knechte Christi Jesu. Was das betrifft, was Unterordnung betrifft, was das betrifft, dass wir nicht bestimmen. Wir sitzen alle in einem Boot. Jesus hat diese Stellung auf dieser Erde eingenommen, wir Apostel nehmen diese Stellung ein. Ist es zu viel verlangt, dass ihr so miteinander umgeht?
Schon in den ersten Worten wird deutlich, was sein Thema ist, auch wenn das Thema noch gar nicht erwähnt wird: „Allen Heiligen in Christus Jesus, die in Philippi sind, mit den Aufsehern und Diakonen.“ Der einzige Brief, in dem diese erwähnt werden. Tut er sonst nirgends.
Ich weiß nicht, ob die Aufseher und Diakone der Gemeinde Teil des Problems waren. Wahrscheinlich waren sie in den Augen von Paulus eher Teil der Lösung. Das waren die, die diese Themen voranbringen sollten – mit Gesprächen, mit Vorbild. Und er nimmt sie hier ganz bewusst mit hinein, vielleicht auch um zu zeigen, dass er diese Gemeindeleitung anerkennt. Das haben vielleicht die zwei Schwestern und ihre Anhänger nicht gemacht, ich weiß es nicht. Aber er spricht sie auch an.
Ich glaube, weil er weiß, dass viele von ihnen die gleichen Sorgen haben, die er hat. Und er möchte ihnen deutlich machen, dass er sie mitnimmt, dass es ihm wichtig ist, ihre Rolle in dem Ganzen.
Vers drei: Ich habe es gestern schon erwähnt: „Ich danke meinem Gott bei jeder Erinnerung an euch allezeit in jedem meiner Gebete, in dem ich für euch alle das Gebet mit Freuden tue.“
Er sagt noch einmal: Innerlich befindet ihr euch vielleicht in verschiedenen Lagern. Innerlich seid ihr vielleicht verletzt worden von dem anderen und seiner Meinung. Oder weil ihr den Eindruck habt, dass er eure Meinung nicht wichtig genug nimmt. Oder dass eure Meinung zu diesem Thema in der Gemeinde nicht zählt. Oder keine Ahnung.
Innerlich hattet ihr vielleicht in der Vergangenheit ein gutes Verhältnis zu jemandem, und ihr habt den Eindruck, dass dieses Verhältnis getrübt ist. Ob ihr offen Streit habt oder euch nur ein bisschen aus dem Weg geht, weil ihr den Eindruck habt: Ja, bei den entscheidenden praktischen Themen, die es gerade gibt, sind wir einfach auf verschiedenen Böden.
Und Paulus sagt sehr bewusst: Ich danke für euch alle und ich bete für jeden von euch mit Freude. Ich glaube, dass ihr eigentlich, abgesehen von diesem Punkt, dass ihr gerade nicht miteinander auskommt, unterm Strich alle auf einem guten Weg seid. Und dass ich eigentlich für jeden von euch eine gute Beziehung habe oder die ich noch nicht so gut persönlich kenne, haben könnte.
Und es ist doch krass: Bei einem Brief, bei dem es irgendwie um Trennung und Spannung unter Geschwistern geht und um das Achten auf das eigene Image, sagt er ganz am Anfang, wofür er dankt: dass er für jeden von ihnen dankt und dass er für jeden von ihnen mit Freude betet. Ich finde das total cool.
Vers fünf bis fast sechs hatten wir gestern: „Indem ich in diesem Punkt guter Zuversicht bin, dass der, der ein gutes Werk noch nicht angefangen hat, es zu Ende bringen wird bis auf den Tag Jesu Christi, eigentlich vollenden wird, zur Perfektion bringen wird – nicht nur zu irgendeinem Ende.“
Ich bin überzeugt, dass die Probleme, die ihr in der Gemeinde habt, die Probleme, die ihr momentan meistens beim anderen seht und nicht bei euch, Probleme sind, an denen Jesus arbeitet. Und ich traue ihm zu, dass seine Arbeit erfolgreich sein wird. Das ist doch eine coole Aussicht, oder?
Und eigentlich, wenn man es wörtlich sieht, spricht er hier von einem Handwerker, der an einem Werkstück arbeitet. Irgendetwas Kompliziertes, das der Dreher herstellen soll, das mehr als einen Tag braucht. Irgendetwas Kompliziertes, das jemand schnitzt. Und er sagt: Ihr seid ein Werkstück.
Ich bin überzeugt, dass der Meister an jedem von euch und auch an eurer Gemeinschaft arbeitet. Und ich bin überzeugt, dass er bis zu dem Zeitpunkt, an dem er wiederkommt, mit jedem einzelnen Werkstück zu seinem Ziel kommen wird.
Das ist meine Perspektive für euch. Du hast vielleicht deinen Bruder abgeschrieben und denkst: Oh Mann, was der für Verschwörungstheorien glaubt, das wird ja nichts mehr. Paulus sagt: Ich bin überzeugt, dass der Meister an diesem Werkstück arbeitet und dass er mit diesem Werkstück zu seinem Ziel kommen wird.
Ich meine, er hat diese Überzeugung, glaube ich, nicht für alle Christen und für alle Menschen. Aber er hat eine sehr positive Sicht auf diese Geschwister in Philippi, dass sie eigentlich gut unterwegs sind. Und er versucht, ihnen diese Sicht zu vermitteln. Ich finde das richtig schön.
Vers sieben: „Wie es für mich recht ist, dass ich dies alles über euch denke, weil ihr mich im Herzen habt, sowohl in meinen Fesseln als auch in der Verteidigung und Bestätigung des Evangeliums. Ihr alle meine Mitteilnehmer der Gnadenorg, ihr alle gehört zum Team.“
Ihr alle arbeitet mit am Evangelium, ihr alle leidet mit und habt Verfolgung für das Evangelium. Ihr alle gehört zum Team. Und weil ich weiß, dass ihr alle zum Team gehört, ist es doch nur richtig, wenn ich diese Erwartung habe, dass der Meister euch bei allen, bei jedem Werkstück, zu seinem Ziel bringt, oder?
Man merkt ja, wie er seine Einleitung schreibt in Bezug auf das Thema des Briefes, wie er in seine Sicht, bevor er sie kritisiert, seine Sicht für diese Gemeinde und für jeden einzelnen der Geschwister zeigen will. Er möchte, dass sie das vor Augen haben, auch wenn sie später mit der Kritik konfrontiert werden, wie positiv er sie eigentlich sieht – jeden einzelnen von ihnen.
Vers acht: „Gott ist mein Zeuge“, das hatten wir gestern ausführlich, „wie ich mich nach euch allen sehne mit dem Herzen Christi.“
Ihr müsst mal zählen, wie oft „jeder“ und „alle“ in diesem kurzen Abschnitt vorkommen. Ich sehne mich nach euch allen. Hier steht eigentlich: mit den Eingeweiden Christi Jesu, mit allen Emotionen – nicht nur so theoretisch „ja, schön, euch mal wiederzusehen“. Ich sehne mich emotional nach Begegnung mit euch allen.
Und das ist etwas, was vom Herrn kommt, sagt er, „mit dem Herzen, mit den Eingeweiden Jesu“. Jeder sehnt sich nach euch emotional. Und das ist etwas, das auf mich abfärbt. Wow, das ist eine Einleitung!
Wenn ich über Schwierigkeiten der Gemeinde, über Spaltung, über Egoismus, Egozentrik reden will, das ist eine Einleitung: Ich sehne mich nach euch allen mit allen meinen Eingeweiden. Egal in welchem Lager ihr gerade steht.
Gebet als Ausdruck der Fürsorge und Motivation
Okay, und dann müssen wir jetzt noch ein paar Minuten über das Gebet sprechen. Leg die Uhr gleich weg, wir nehmen uns ein paar Minuten Zeit.
An dieser Stelle möchte ich ein kurzes Gebet aus Philipper 1,9-11 betrachten. Ich werde es nicht ausführlich tun. Die Briefe, die Paulus während seines ersten Gefängnisaufenthalts schrieb, sind vor allem der Epheserbrief, der Kolosserbrief und der Philipperbrief. Später schrieb er auch den zweiten Timotheusbrief aus dem Gefängnis, aber das war eine ganz andere Form von Haft.
In jedem dieser drei Briefe spielen Gebete eine große Rolle. Wahrscheinlich hatte Paulus in Gefangenschaft mehr Zeit zum Beten als sonst. In diesen Briefen sagt er den Gemeinden, wofür er für sie betet. Das ist ein interessanter Trick: Wenn ich für euch bete, dann ist das, was ich euch bete, das, was mir gerade am wichtigsten für euch ist. Wenn ich euch gut kennen würde und euch sagen würde, wofür ich bete, dann wüsstet ihr, wo ich bei euch die Knackpunkte sehe. Wo ich denke, dass, wenn Gott diese Gebete erhört, das einen Unterschied machen würde.
Ein zweiter Effekt ist, dass Paulus durch das Aufschreiben seiner Hauptgebetsanliegen die Gemeinden motivieren möchte, an der Erfüllung dieser Gebete mitzuarbeiten. Wenn das das Wichtigste ist, dann sollten wir uns nicht einfach zurücklehnen und hoffen, dass die Gebete erfüllt werden. Stattdessen sollten wir daran arbeiten. Das ist das, was Paulus versucht.
Er schreibt ein Gebet in Epheser 1, ein weiteres in Epheser 3 und eines in Kolosser 1 auf. Im Epheserbrief geht es mehr um Motivation: Die Gemeinde soll eine neue Sicht darauf bekommen, wer Gott ist, wer Jesus ist, und wer sie selbst sind – was es heißt, Erben zu sein. Was bedeutet es, dass uns die Kraft zur Verfügung steht, mit der Jesus aus den Toten auferweckt wurde? Das hat viel mit Motivation zu tun.
Im Kolosserbrief geht es in dem Gebet mehr um Reife. Die Motivation soll auf die Straße kommen. Man soll erkennen, was Gott will, und ausharren, weil man weiß, worum es geht. Ein bisschen in diese Richtung geht auch das kurze Gebet in Philipper 1, das ich euch am Ende dieser Stunde noch vorlesen möchte.
Dort heißt es: „Und um dieses bete ich, dass eure Liebe noch mehr und mehr überströme in Erkenntnis und aller Einsicht, damit ihr prüfen mögt, was das Bessere ist, damit ihr rein und ohne Anstoß seid auf den Tag Christi, erfüllt mit der Frucht der Gerechtigkeit, die durch Jesus Christus ist, zur Herrlichkeit und zum Preise Gottes.“
Paulus sagt also, er betet darum, dass ihr am Tag Christi – den wir gerade schon besprochen haben – geprüft seid. Er meint damit, dass ihr so gereinigt seid, wie man ein Werkstück im Sonnenlicht prüft. Man schaut es sich genau an, um sicherzugehen, dass nichts Störendes mehr daran ist. Damit ist nicht nur moralisch Störendes gemeint, sondern auch Gedanken, in denen man sich über den anderen erhebt.
Paulus betet, dass am Tag des Herrn alles Störende weg ist, aber nicht nur das: Es soll auch Frucht da sein. Frucht der Gerechtigkeit, also Auswirkungen eures geistlichen Lebens. Früchte von Dingen, die ihr getan habt, weil sie richtig sind.
Gestern Abend hatten wir das Beispiel, wie Paulus materielle Unterstützung sieht. Ihm geht es nicht um das Geld, sondern darum, Frucht von eurem geistlichen Wachstum zu sehen.
Ganz am Anfang des Briefes betet Paulus genau um diese Dinge. Er hofft, dass sie in Kapitel 2 besiegt werden, dass in Kapitel 3 Dinge, die vielleicht noch mangeln, wie Hingabe, angesprochen werden, und dass sich genau diese Dinge in Kapitel 4 zeigen.
Aber wie fängt dieses Gebet eigentlich an? Paulus sagt: „Ich bete darum, dass eure Liebe – und er meint hier hauptsächlich die Liebe zum Herrn – mehr und mehr überfließt, dass es nicht mehr zu halten ist, dass ihr den Herrn immer mehr liebt in Erkenntnis und Einsicht.“
Das heißt, Paulus betet darum, dass ihr den Herrn immer mehr vor Augen habt, euch mit ihm beschäftigt und seht, wie er ist und was er für euch getan hat. In dieser Beziehung soll eure Erkenntnis und Einsicht wachsen, sodass ihr den Herrn immer mehr liebt.
Das ist ein starkes Gebetsanliegen! Überlegt mal: Wenn ihr für eure Geschwister betet, dass ihre Liebe mehr und mehr überströmt, weil sie Gott immer besser verstehen, und der Herr dieses Gebet erhört – das wäre großartig.
Paulus fragt dann: Woran sieht man, dass die Liebe mehr und mehr überströmt? Indem ihr prüft, was das Beste ist. Denn das ist es, was Liebe tut. Wenn ich behaupte, jemanden zu lieben, aber nur darüber nachdenke, was ich vermeiden oder tun muss, damit die Beziehung gerade noch hält, dann ist das kein Ausdruck von Liebe.
Wenn ich mir überlege, was ich mir alles erlauben kann, ohne dass meine Frau mich verlässt, ist das kein Zeichen von Liebe. Jemand hat mal gesagt, das seien „Gummibandchristen“. Kennt ihr das? Früher gab es Gummitwist. Das sind lange Gummibänder, die man mit einer Reißzwecke am Pult befestigt hat. So habe ich mich bei Gott mit einem Gummiband festgemacht und ausprobiert, wie weit ich mich von ihm entfernen kann, ohne dass das Band reißt.
Das ist ein Gummibandchrist: „Was kann ich noch tun, bevor Gott mich nicht mehr segnet oder mich nicht mehr laufen lässt?“ Wenn ich den Herrn liebe, frage ich doch nicht, was ich noch darf, sondern was er am liebsten möchte. Was ihm am meisten Freude macht. Das ist doch ein Ausdruck von Liebe.
Ich frage also nicht: „Was darf ich anstellen, ohne dass meine Frau mich verlässt?“ Sondern: „Wie kann ich ihr eine Freude machen?“ Paulus sagt, das ist das, wofür er für euch betet: Dass ihr so eine Beziehung zum Herrn habt, dass ihr überlegt und prüft, was das Beste ist.
Dazu gehört auch Einsicht: Dass ihr versteht, was Gott wirklich gefällt. Darum betet Paulus, dass ihr aktiv prüft. Prüfen ist ein aktives Wort. Es bedeutet, nicht einfach abzuwarten oder Ausreden zu suchen, sondern bewusst zu fragen: „Was möchtest du? Was gefällt dir? Womit kann ich dir eine Freude machen?“
Dieses Gebet steht über dem gesamten Brief, der sich mit schwierigen Themen beschäftigt: mit Stolz, Image, Prioritäten (Kapitel 3) und vielleicht auch mit unserem Lebensstandard. Alles Dinge, die schwierig sein können und uns wehtun, wenn wir sie konsequent umsetzen.
Paulus sagt am Anfang: „Ich bete darum, dass eure Liebe überströmt, dass ihr prüft, was das Beste ist.“ Und das wird letzten Endes zur Herrlichkeit und zum Preise Gottes sein.
Das ist eines der wichtigen Themen dieses Briefes. Daran werden alle erkennen, dass ihr Jesu Jünger seid: Wenn ihr Liebe untereinander habt. Und da werden wir in einer halben Stunde weitermachen.