Vielleicht zunächst ein Überblick, bevor ich direkt ins Thema einsteige.
Freiheit im Fragenstellen und geistliche Orientierung
Das Erste, was ich immer als sehr bereichernd empfinde, ist, wenn wir große Freiheit im Umgang mit Fragen haben. Ich weiß nicht, ob es möglich wäre, einen Fragenkasten einzurichten, in den man jederzeit, Tag und Nacht, Fragen hineingeben kann. So könnten wir gemeinsam überlegen und beten, um herauszufinden, wie wir einander helfen können, gerade wenn unterwegs viele Fragen auftauchen.
Ein Bibelvers hat mich besonders beschäftigt, als ich am Anfang meines Dienstes stand. Es ist Apostelgeschichte 20,24, den kennt ihr sicher. Als Entschuldigung für mein Deutsch sei gesagt, dass ich sonst meist französisch spreche. In diesem Kapitel ist Paulus unterwegs. Er möchte noch einmal mit den Ältesten von Ephesus sprechen und ruft sie nach Milet, um dort eine Pause einzulegen. So hat er die Möglichkeit, noch einmal mit ihnen zusammen zu sein.
In Vers 24 sagt er unter anderem: „Aber ich halte mein Leben nicht der Rede wert, wenn es gilt, meinen Lauf und den Dienst zu vollenden, den ich von dem Herrn Jesus empfangen habe, nämlich das Evangelium der Gnade Gottes zu bezeugen.“
Das war ganz am Anfang meines Dienstlebens, als ich diesen Vers lange an der Wand meines Büros hängen hatte. Immer wieder habe ich darüber nachgedacht: Bin ich bereit, mein eigenes Leben und meinen persönlichen Wert zurückzustellen? Bin ich bereit, dass das Kreuz Jesu für mich der Weg ist, an dem ich sterben muss? Denn nur wenn ich mich zurücknehme, kann etwas multipliziert werden. Wenn ich nicht Platz mache und mich zurückziehe, können andere nicht weitergehen.
Dienst und persönliche Hingabe
Und es wurde dann ganz konkret in meinem Dienst, in verschiedenen Stufen, hat der Herr mir einfach geholfen, das auszuleben. Immer wieder in verschiedenen Verantwortungen hatte ich die Freude, jüngere Menschen zu finden, die dem Herrn treu sind und ihm nachfolgen. Ich durfte ihnen Verantwortung überlassen, mich wieder zurückziehen und etwas Neues anfangen – wieder eine ganz kleine, unscheinbare Arbeit an einem anderen Platz, um neu zu beginnen.
Mir scheint es wichtig: Wenn du im Dienst für den Herrn bist – ob als Prediger, Pastor, Missionar oder wie man es nennt – dann musst du bereit sein, mit dir selbst klarzukommen. Du wirst hier auf dieser Welt keine wichtige Persönlichkeit sein. Das musst du vergessen. Auf dieser Welt wirst du einfach jemand sein, der vergessen wird, wenn du wirklich das Reich Gottes aufbauen willst.
Wenn du dein Leben einsetzt, damit andere Menschen zum Glauben kommen, wirst du oft falsch verstanden werden. Du wirst oft Wege gehen, auf denen du dich sehr alleine fühlst. Dieses Alleinsein ist wichtig in unserem Dienst als Pionierarbeiter. Denn dieses Alleinsein bindet uns immer mehr an Jesus.
Erfahrungen im Gemeindedienst und Schwachheit
Ich habe gesehen, wie der Herr Menschen bekehrt hat. Ich habe erlebt, wie der Herr Gemeinden aufgebaut hat. Dabei war ich dabei und habe mitgemacht.
Gleichzeitig habe ich aber auch gesehen, wie sich diese Gemeinden zum Teil gespaltet haben. Es gab Kämpfe und sogar Kriege zwischen Brüdern. Streitigkeiten entstanden, bei denen man sagte, die Lehre sei das Problem. Doch eigentlich waren es die Charaktere, die das Problem darstellten.
Oft habe ich mitgelitten und in der Gemeindearbeit geweint. Ich habe auch erlebt, wie ich manchmal falsch reagiert habe, wenn ich etwas nicht mehr verstanden habe. Dann habe ich in der Gemeinde falsch gehandelt.
Ich habe gemerkt, wie andere schwach sind. Gleichzeitig habe ich aber auch in meinem eigenen Leben ganz deutlich erkannt, dass ich der Schwächste bin.
Und das ist, finde ich, das Schöne, wenn man mit dem Herrn Jesus lebt und versucht, ihm nahe zu sein: Je mehr die Zeit vergeht, desto mehr merkt man, dass die eigenen Schwachheiten kein Problem für Gott sind. Oft waren es meine Stärken, die Probleme bereiteten. Denn dort war ich manchmal sicher – aber nicht unbedingt in die gute Richtung.
Die Schwachheiten hingegen haben mich immer wieder zu ihm zurückgeführt. Die Kämpfe haben wir zu ihm zurückgeführt.
Dienst und Leiden – geistliche Schulung
In meinem Dienst war ich in letzter Zeit oft in Situationen, in denen man mich gefragt hat, bei Konflikten in Gemeinden zwischen Pastoren, Eltern und anderen zu vermitteln. Es gibt viele Nöte in den Gemeinden, und ich soll als Schiedsrichter helfen. Dabei erlebt man oft sehr emotionale Momente, in denen Menschen weinen.
Dann denkt man daran, dass in dieser Zeit Tausende von Menschen verloren gehen. Man merkt, dass es Situationen gibt, in denen eigentlich starke Charaktere Schwierigkeiten haben, ruhig zu bleiben. Man versucht dann zu sagen, dass vielleicht auch der andere viele Rechte hat – vielleicht sogar noch mehr Rechte als man selbst.
Dienst ist eng verwandt mit Leiden, das möchte ich betonen. Das hat mir Ralf Chalice gesagt. Ralf Chalice war praktisch einer meiner geistlichen Väter. Falls du den Kurswechsel nicht kennst: Da musste ich mindestens zehn Exemplare kaufen. Es ist ein Buch, das hilft, mit Jesus zu leben.
Ralf Chalice war unser geistlicher Vater, und als ich jung in den Dienst kam, sagte er zu mir: „Dani, 50 Prozent der Schulung für einen Reich-Gottes-Arbeiter ist Leiden.“ Ich dachte damals, er sei alt und habe wahrscheinlich Probleme. Ein anderes Mal sagte mir Ralf: „Danny, wenn Gott dich so lange schult und auf die Seite stellt, will er dich im Leben vielleicht nur fünf Minuten gebrauchen. Aber mit diesen fünf Minuten macht Gott eine neue Schöpfung.“
Manchmal habe ich gedacht: „Ralf, was willst du mir da beibringen?“ Doch es war so, so wahr – wirklich sehr wahr.
Herausforderungen der postmodernen Welt
Ich möchte heute Abend mit dem Thema beginnen, das in unserem Titel steht: die postmoderne Welt. Was bedeutet das eigentlich? Wir leben in einer Welt, über die man stundenlang reden könnte – über Humanismus, Relativität und vieles mehr. Man könnte auch über die Situation in Frankreich sprechen, über die Laïcité, also die atheistische, anti-göttliche Laizität. Darüber ließe sich viel sagen.
Doch ich glaube, das Wichtigste, was wir in dieser Welt verstehen müssen, ist, dass wir noch viele Möglichkeiten haben, das Evangelium weiterzugeben. Aber wir leben in einer Gesellschaft, in der so viel auf Wissen und Relativität gesetzt wird. Deshalb haben wir immer weniger Mut, konsequent etwas zu sagen. Es wird immer schwieriger, ganz klar Stellung zu beziehen, wenn man weiß, dass das, was man sagt, systematisch infrage gestellt und relativiert wird.
Ich habe heute wieder gemerkt, was ich am meisten brauche. Im Flugzeug hatte ich die Möglichkeit, mit einer Hostess zu reden. Wir sprachen über das Flugzeug und andere Dinge. Später, als ich mit meinen Notizen auf den Knien saß, fragte ich sie, was sie von Christen und Gemeinden hält. Das Gespräch war interessant. Aber als es vorbei war, dachte ich: Dani, du warst nicht klar. Du hattest die Chance, ganz klar von deinem Herrn zu sprechen, und bist stattdessen schön brav philosophisch geblieben.
Ich merke, wie schwierig es in unserer Zeit für mich persönlich ist, die Freiheit zu nehmen, die ich in Jesus habe. Jesus hat uns den Heiligen Geist gegeben, das wisst ihr, zum Beispiel in Apostelgeschichte 1,8. Wir sollen Zeugen in dieser Welt sein, dafür haben wir den Geist bekommen. Trotzdem fällt es mir schwer, diese Stellung einzunehmen und etwas Klartext zu sagen.
Es wird immer schwieriger. Das sehe ich besonders in der Pionierarbeit. In Frankreich gibt es zurzeit immer mehr Menschen, die Interesse am Evangelium zeigen. Doch bei den wenigen, die sich interessieren, bleibt es oft bei einem rein intellektuellen oder überlegenden Interesse. Sie sind sogar oft total einverstanden mit dem, was wir sagen. Sie finden es gut, dass es Jesus als Herrn und Heiland gibt, und sie finden das prima. Dann kommen sie mit uns mit.
Aber in den letzten sieben Jahren habe ich so wenige Menschen erlebt, die wirklich Buße getan haben. Menschen, bei denen man sieht, wie der Heilige Geist sie von der Sünde überzeugt und sie in einer tiefen Not sind, weil sie wissen, dass sie verloren sind. Das scheint mir ein Problem unserer Zeit zu sein. Deshalb glaube ich, dass man diese Zeit als Endzeit bezeichnen kann.
Wenn wir zum Beispiel 2. Timotheus 3 anschauen – ihr kennt dieses Kapitel sicher –, dort schreibt Paulus in seinem letzten Brief an Timotheus, kurz bevor er als Märtyrer stirbt, im Kapitel 3: "Das aber sollst du wissen, dass in den letzten Tagen schwere Zeiten eintreten werden. Denn die Menschen werden selbstsüchtig sein, geldgierig, prahlerisch, hochmütig, lästererisch, den Eltern ungehorsam, undankbar, gottlos, lieblos, unversöhnlich, verleumderisch, unenthaltsam, zuchtlos, dem Guten feindlich, treulos, leichtsinnig, aufgeblasen, das Vergnügen mehr liebend als Gott. Dabei haben sie den Schein von Gottseligkeit, deren Kraft aber verleugnen sie. Solche meide."
Dazu werde ich morgen noch ausführlicher kommen, um zu versuchen, mit der Bibel zu messen, wie weit wir als Diener, Missionare und Pioniere in der Welt leben sollen, ohne von der Welt zu sein. Wie können wir messen, wie viel Kraft wir haben, um in der Welt zu leben, ohne unterzugehen? Das scheint mir eine sehr wichtige Frage in unserem Dienst als Pioniere zu sein.
Ich spreche hier als Pionier, weil ich meistens nicht mehr meine Zeit mit Christen verbringe. Ich kann praktisch nur leben, wenn ich immer wieder mit Nichtchristen zusammen bin. Das ist meine Aufgabe. Das bedeutet auch, dass ich in verschiedenen Vereinen und Situationen mitlebe, die nicht christlich sind, und so die Welt hautnah erfahre.
Aber ich muss wissen, wie weit ich auf dem Ast hinausgehen kann, ohne zu sündigen und ohne, dass mein Leben zerbricht. Ich muss wissen, wie fest meine Wurzeln in Jesus verankert sind, um das zu leben. Das scheint mir eine der großen Herausforderungen im Gemeindebau in unserer postmodernen Zeit zu sein.
Wir müssen uns klar sein: Wir können keine Gemeinde bauen und Menschen erreichen, wenn wir nur in unserer eigenen Seele bleiben oder in einer Subkultur leben – zum Beispiel in einer evangelikalen Kultur, die sich von der Welt abschottet. Menschen müssen Menschen begegnen. Wir müssen Salz der Erde und Licht der Welt sein, so wie Jesus es gesagt hat.
Deshalb müssen wir mitten in der Welt leben, die Kraft und die Freiheit in Jesus haben, um Zeugen für ihn zu sein. Das werden wir in den nächsten Stunden und morgen noch näher anschauen. Es braucht mehr Konzentration auf die Bibelstellen, um das genau zu verstehen.
Die postmoderne Gesellschaft und geistliche Herausforderungen
Unsere postmoderne Zeit, wie man sie oft nennt, ist, glaube ich, im Grunde nichts anderes als das, was im Römerbrief Kapitel 1 beschrieben wird. Wir haben den Gott der Schöpfung nicht mehr anerkannt und verehren stattdessen die Geschöpfe. Deshalb hat Gott uns in unsere Gelüste gegeben und lässt uns in unseren Ländern in Not geraten. Denn vermutlich kommt der Mensch ohne eine echte Notlage nicht zu Gott zurück.
Es scheint mir, dass dies eine Antwort auf unser Gebet ist. Wenn wir als Gemeinde beten, dass der Herr Menschen bekehrt und dass das Volk Jesus erkennt, dann ist es sicher eine Gebetserhörung, dass es zuerst immer schlechter wird. Vielleicht müssen wir in unseren Ländern finanziell noch viel ärmer werden. Momentan sind wir schon auf einem guten Weg, finde ich, aber wir können noch weitergehen, bis wir begreifen, dass wir ohne Gott nicht auskommen.
Es ist immer wieder interessant, Gespräche mit leitenden Personen zu führen. Ich bekomme immer wieder E-Mails, zum Beispiel aus der Regierung von Frankreich. Wenn man sieht, wie hoffnungslos es dort ist, noch daran zu glauben, dass der Mensch selbst dem Land helfen kann, kann man ihnen immer wieder sagen: Sacrace, Sacrace! Gott lässt uns allein gehen, wenn wir ihn nicht wollen, und dann werden wir sehen, wohin wir kommen.
Ich glaube, dass wir in der Zeit, in der wir leben, keine Illusionen haben dürfen – auch nicht in unseren Ländern – was Gemeindegründung betrifft. Es gibt Gemeindegründungskurse, in denen versucht wird, mit allen möglichen Methoden und Mitteln Leben in eine Gruppe oder Gemeinde zu bringen. Aber es gibt Leben und Leben. Es gibt Leben, das von Gott kommt, und das muss man nicht organisieren. Es ist organisch und kommt direkt vom neuen Leben in Christus.
Dann gibt es organisiertes Leben. Das organisierte Leben bleibt einfach nicht bestehen, hat eigentlich keine Wurzel und wird schnell wieder verschwinden. Darum musst du als Pionierarbeiter, als Gemeindegründer, bereit sein, Seemannsarbeit zu leisten. Du bist immer dabei, die Saat auszuwerfen, und darfst dein Leben niemals an den Resultaten messen.
Teamarbeit und kulturelle Vielfalt im Dienst
Wir haben jetzt die Freude, soeben auf etwas mehr als dreißig Jahre Teamwork zurückblicken zu können. Dabei haben wir immer wieder mit unterschiedlichen Menschen zusammengearbeitet, teils bis zu neun Jahre miteinander. Es waren verschiedene Teams und Mitarbeiter aus der Gemeindegründung an unterschiedlichen Stellen beteiligt.
Ich finde es immer spannend, mit anderen zusammenzuleben und zu arbeiten. Denn jeder, der mit mir arbeitet, hilft mir in meiner Heiligung, in meinem Wachstum als Sohn Gottes. Durch sein Wesen werde ich mir meiner eigenen Schwächen wieder bewusst. Wir sind alle sehr verschieden, haben unterschiedliche Temperamente und Charaktere.
In unserem Team kommen wir inzwischen sogar aus verschiedenen Kulturen: Brasilianer und jemand aus den Pazifikinseln. Der Mann aus den Pazifikinseln ist Fischer von Beruf, ein Tiefseefischer, der mit Pfeil und Bogen unter Wasser fischt. Er läuft zu Hause bei mir mit einem Lendenschurz herum. Und nun darf ich ihn schulen, damit er in der Gemeinde auf den Pazifikinseln eine Säule sein kann.
So verschieden und mit so unterschiedlichen Denkweisen – jeder von ihnen hat mir etwas beizubringen. Jeder zeigt mir in meinem Leben, wo ich näher zum Heiland kommen soll, wo ich noch mehr bei ihm sein darf, um echter zu werden. Das ist das Schöne, wenn man im Team mit anderen zusammenarbeitet.
Ich meine, das war auch der Weg, den Jesus gegangen ist. Er hat das Leben im Team gewählt, von Anfang an. Wenn man sieht, wie diese Männer, die mit ihm waren, immer beobachtet haben, wie er lebte, dann erkennt man, dass sie Tag und Nacht sehen konnten, wer Jesus wirklich ist.
Das ist eine Herausforderung und zugleich ein großer Segen. Ich glaube, es ist auch einer der Schlüssel für die Zukunft. Deshalb möchte ich älteren Reich-Gottesarbeitern immer wieder Mut machen, einen Jüngeren neben sich zu nehmen und zu sagen: „Jetzt will ich in den Jungen investieren. Ich will, dass ein anderer mit mir leben kann, dass wir gemeinsam leben.“
Das ist für uns auf jeden Fall fruchtbar und die größte Freude. Denn wir haben immer wieder Junge neben uns, die absolut kein Geld haben und nicht wissen, wie sie auskommen sollen. Und wir sagen: „Du, es gibt Suppe für uns zwei, dann gibt es auch für drei. Komm zu uns, lebe mit uns, und wir wollen gemeinsam dem Herrn dienen.“
Freiheit und Möglichkeiten in der postmodernen Gesellschaft
In der postmodernen Welt genießen wir immer noch sehr viel Freiheit. Frankreich erlebt derzeit zwar einen leichten Rückgang, doch ich spreche hier nicht speziell von Frankreich. Nach dem letzten L'Ouestasi vor drei Wochen ist die Situation so, dass der Glaube heute vor allem zum Privatleben gehört. Er spielt eine Rolle in kulturellen Räumen, also in bestimmten gesellschaftlichen Kontexten.
Das bedeutet, dass wir nicht mehr so einfach auf der Straße oder an öffentlichen Orten evangelisieren können. Dennoch stellt das kein unüberwindbares Problem dar. Wir haben weiterhin zahlreiche Möglichkeiten, um voranzukommen und mit Menschen über Jesus zu sprechen.
Grundlegende Prinzipien des Gemeindebaus
Gemeindebau umfasst verschiedene Schwerpunkte. Ich möchte drei davon nennen, die mir besonders wichtig sind. Diese wurden bereits in der Einleitung kurz angesprochen.
Der erste...
Erstens: Gemeindegründung ist nicht planbar
Man kann nicht einfach so eine Gemeinde gründen. Das muss klar sein. Wenn du als Gemeindegründer im Kopf hast: „Ich will eine Gemeinde gründen“, dann wirst du Menschen brauchen, um dein Ziel zu erreichen. Doch Menschen sind nicht dafür da, um nur Mittel zum Zweck zu sein.
Die Menschen, die sich bekehren und zu Gott gehören, mit denen musst du so leben wie Freunde in Christus. Sie sollen selbst in der Gemeinschaft mit dir erleben, was eigentlich Gemeindeleben bedeutet. Denn Gemeindeleben ist, wie gesagt wurde, nicht nur eine Veranstaltung oder ein paar Stunden im Gottesdienst. Gemeindeleben ist ein Lebensstil.
Und wenn es ein Lebensstil ist, dann kann dieser sehr unterschiedlich aussehen. Gemeinde in den Vogesen zum Beispiel war ganz anders, als ich sie am Anfang meines Dienstes im Elsass erlebt habe. Als ich in den Vogesen die Freude hatte, die ersten Bekehrten zu sehen, war der Gottesdienst sehr einfach. Jeder kam, wie er gerade war, oft im blauen Arbeitskleid aus der Fabrik. Wir saßen zusammen, und unser Abendmahl bestand einfach daraus, dass wir den Text lasen und nahmen, was wir vor Ort hatten: ein Glas und Brot.
Die Taufe fand im See statt. Die Menschen bemerkten: „Dani steht da, um zu taufen. Was hindert uns?“ Also gingen wir gemeinsam zum See. Die Neubekehrten haben später selbst die Gemeinde strukturiert. Ich wollte keine elsässische Gemeinde in den Vogesen gründen, sondern dass die Menschen dort mit Jesus leben.
Sie sollten das, was sie im Gotteswort lesen, in der Praxis umsetzen und es einfach leben. Oft traf ich mich mit ihnen am Ausgang der Fabrik. Wir fuhren im Auto zusammen, beteten miteinander und lasen die Bibel. Aber es war nichts Besonderes im äußeren Sinne. Gemeindeleben ist Leben.
Sobald wir als Gemeindegründer eine fertige Vorstellung von Gemeindegründung haben, müssen wir aufpassen, dass diese Vorstellung nicht zu einem starren Schema wird. In diesem Schema müssten andere Menschen dann das tun, was wir wollen. Unser Ziel ist es, Menschen an Jesus zu binden.
Und wenn sie an Jesus gebunden sind, dann zeigt sich das ganz verschieden, je nach Kultur. Wie sie das ausleben, ist unterschiedlich. Wenn ich in Südfrankreich bin, bei den Meridionos, diesen leidenschaftlichen Menschen, dann ist ein ganz normaler Gottesdienst dort etwas, was man in Nordfrankreich als sehr charismatisch bezeichnen würde – nur weil sie lachen und freudig sind, weil sie Südländer mit „heißem Blut“ sind.
Das bedeutet aber nicht, dass es falsch ist. Es ist einfach ein anderes Ausleben von etwas, das innerlich das Herz berührt hat, in der Gemeinschaft mit Gott. Das sieht man auch an verschiedenen Temperamenten.
Unsere Arbeit ist Seemannsarbeit. Du wirst dein ganzes Leben lang das Evangelium so ausbreiten, wie du kannst. Wir werden über verschiedene Möglichkeiten sprechen.
Beispiele aus der Praxis: Volleyball und Schule
Wir haben jetzt in dieser kleinen neuen Gemeinde in Bonn, im Weinberg in Burgund, drei Lehrer, die zum Herrn gekommen sind. Alle drei sind durch den Volleyball-Club zum Glauben gekommen. Einmal in der Woche haben wir Volleyball gespielt – mit ihnen im Club. Dabei haben wir zunächst absolut nichts vom Glauben gesprochen, bis die Fragen angefangen haben: „Warum?“ und so weiter.
Im Club haben wir sehr schnell gemerkt, dass dort ein negativer Geist herrscht. Jeder wollte dem anderen sagen, was falsch läuft. Beim Spielen habe ich dann gesagt: „Du, du hast super gespielt!“ Und wenn ein Fehler passiert ist, habe ich gesagt: „Das ist nicht so schlimm, komm, wir üben das noch besser. Es wird gut.“
Das Positive hat so weit geführt, dass dann die Fragen zum Glauben kamen. Danach haben wir mit ihnen zuhause die Bibel gelesen. Gott, der Heilige Geist, hat dann die Herzen geöffnet – etwas, was wir nicht selbst tun können. Der Heilige Geist öffnet Herzen.
Einer der Lehrer ist Geschichtslehrer an einer katholischen Schule. Dort muss ich jetzt bei allen Geschichtsexamen dabei sein, wegen der vielen Fragen über Reformation und Gegenreformation. Bei den verschiedenen Examina bin ich anwesend. Außerdem habe ich jetzt andere Lehrer dieser katholischen Schule als Freunde. Ich treffe mich mit ihnen, wir trinken Kaffee in der Stadt und führen Gespräche über die Bibel. Sie sind noch nicht bekehrt, aber der Herr kennt den Weg, wie es weitergeht.
Es sind immer Türen, die Gott öffnet – Türen, die man nicht organisieren kann. Als Gemeindegründer ist es wichtig, dass man Ordnung in seinem Leben hat, ein organisiertes Leben. Aber man muss immer bereit sein, dass Gott Türen öffnet, die man nicht geplant hat, wo Menschen sind und wo man mit ihnen zusammen sein kann.
Also erstens: Man kann es nicht alleine machen. Zweitens – und das finde ich schwierig – ...
Zweitens: Zielgerichtetes Leben trotz Unmöglichkeit
Man kann es nicht machen – und doch, zweitens: Man muss gezielt dafür leben, gezielt für etwas leben, das man nicht tun kann. Das ist doch schwierig. Und genau darum geht es: gezielt dafür leben!
Es ist wichtig für uns, für Ursulandisch, dass wir jeden Morgen damit beginnen zu beten – gezielt dafür, dass Menschen gerettet werden. Unsere Nachbarn, die in unserem kleinen Dorf leben, wo wir als Fremde hineingekommen sind. Wir sind schon siebenmal umgezogen und jetzt wieder neu Fremde, ohne Freunde. Dann beten wir: „Herr, zeige uns den Weg zu den Herzen der Menschen, hilf uns, den Weg zu ihnen zu finden.“
Es ist so schön, wenn man diese Last in sich trägt und sie vor Gott bringt. Dann öffnet Gott Möglichkeiten auf diesem Weg. Als wir in diesen Ort kamen und beim Bürgermeister waren, um uns anzumelden, nahm er mich beiseite und sagte: „Ich muss Ihnen etwas sagen, es ist peinlich, aber der Nachbar neben Ihnen hat schon oft gestohlen. Sie müssen ein wenig aufpassen und abschließen, Tone. Ich sage es Ihnen ehrlich.“
Da habe ich gesagt: „Ja, das muss kein Problem sein.“ Wir waren 14 Tage im Haus, dann mussten Ursula und ich für ein Wochenende weg. Ich sagte zu Ursula: „Das Beste wäre jetzt, wenn ich zum Nachbarn gehe und ihm die Schlüssel gebe, damit er das Haus während des Wochenendes überwacht.“
Also bin ich zu ihm gegangen und sagte: „Du, du bist ja gerade nebenan. Ich bin das ganze Wochenende weg. Kann ich dir nicht zeigen, was ich im Haus habe? So kannst du sehen, was du tun musst, falls die Feuerwehr kommt oder so. Hier sind die Schlüssel, du kannst jederzeit reingehen.“ Er antwortete: „Ja, ja, nein, ich gehe doch, doch, doch, ruhig. Komisch, dass du mir das zeigst, wir sind doch die besten Freunde.“
Es wurde nichts gestohlen. Ich zeigte ihm, wo alle meine Maschinen in der Garage sind: Bohrmaschine, Sägemaschine und so weiter. Ich sagte: „Wenn du eine brauchst, hol sie dir. Die Garage ist nie abgeschlossen. Du holst sie einfach, aber bring sie wieder an ihren Platz. Sag es mir, wenn etwas kaputt ist, damit ich es reparieren kann.“ Ich habe mit diesem Nachbarn kein Problem.
Mir scheint, dass Gott immer wieder Wege gibt, wenn wir uns bewusst sind, dass das Wichtigste, was wir auf dieser Welt haben können, Beziehung mit Menschen ist. Denn durch Beziehung entsteht Vertrauen. Und im Vertrauen hast du die große Freiheit, das Evangelium weiterzugeben.
Wir haben Freude: In unserem kleinen Dorf haben wir jetzt einen regelmäßigen Hauskreis mit Leuten, die aus dem Dorf sind. Aber Ursula musste auch zwei Jahre lang an einem Frauenkreis im Dorf teilnehmen – einem Stubenkreis am Donnerstagnachmittag, wo die Frauen zusammenkommen, basteln und arbeiten. So hat sie Freundinnen im Dorf gefunden, und wir konnten gemeinsam eine Arbeit beginnen.
Sich damit zu beschäftigen, beschäftigt zu sein mit der Zielsetzung: Ich will dafür leben, dass andere Menschen so ein Vertrauen zu mir bekommen, dass ich mit ihnen von meinem Herrn reden kann. Was kann ich tun, damit andere Menschen mir vertrauen? Vertrauen kann man natürlich nur gewinnen, wenn ich wahrhaftig bin. Es geht nicht darum, künstlich Vertrauen zu erzeugen. Aber wenn ich ehrlich bin, kommt Vertrauen. Und ich glaube, Gott gibt dann Situationen, die man nutzen kann.
So war es auch in der Straße mit einer Frau, die an Krebs erkrankte und starb. Ursula konnte mit ihr genügend Zeit verbringen, damit sie das Evangelium annehmen konnte. Danach besuchte sie die Frau im Palliativbereich im Krankenhaus. Jetzt können wir auch dem Witwer in der Straße weiterhelfen.
Dann gilt es auch zu entdecken, wo andere Menschen dir helfen können. Wir haben so eine Krankheit – ich weiß nicht, ob es in Deutschland auch so ist wie bei uns Franzosen – dass Gläubige, wenn sie Arbeit zu Hause haben, den Reflex haben, einen anderen Gläubigen zu rufen, um zu helfen. Ich glaube, es ist gut, den Nachbarn zu fragen.
Was wird es für dich bedeuten, wenn ein Nachbar zu dir kommt und sagt: „Kannst du mir fünf Minuten helfen?“ Das wäre doch für dich eine Ehre, oder? Du sagst: „Super, der hilft mir.“ Jetzt musst du daran denken: Für den anderen ist es genau dieselbe Überlegung. Du machst ihm eine große Freude, wenn er dir helfen kann.
So war es bei uns. Zum Glück habe ich in verschiedenen Situationen immer wieder Ursula, die mir eine große Hilfe ist. Wir kamen nach einem Umzug für neue Gemeindearbeit in ein Haus, dessen Besitzer Zeuge Jehovas war. Im Untergeschoss des Hauses war der Versammlungsraum der Zeugen Jehovas, und wir wohnten darüber. Nicht sehr ideal, finde ich, als Missionar, als Platz.
Als ich dort ankam, sagte ich zu Gott: „Herr, wie stellst du dir das vor? Wie kommen wir da raus? Es ist nicht sehr ideal.“ Nach ein paar Wochen waren die Toiletten verstopft. Ich sagte zu Ursula: „Klar, wir sind zu viele Leute im Team, das WC ist verstopft. Ich muss einen Tag nehmen, um das alles wieder frei zu machen.“
Ursula sagte: „Der Nachbar, ein älterer Mann, war Berufssanitärinstallateur. Vielleicht weiß er sogar, wo die Rohre verlaufen, weil er schon so lange hier wohnt.“ Ich sagte: „Ich mache das selbst.“ Doch Ursula bestand darauf, und ich holte den Nachbarn. Er erklärte mir, wo die Rohre sind und wollte helfen.
Ich sagte: „Für die Arbeit mache ich es selbst, aber ich bin dankbar, dass du mir die Rohre gezeigt hast.“ Wir tranken Kaffee zusammen, und er sagte der Nachbarschaft, dass wir keine Zeugen Jehovas sind. Wir hatten aber nichts vom Evangelium gesprochen.
Der Nachbar öffnete uns die Türen. Im Viertel sagten die Leute: „Nein, nein, die sind keine Zeugen Jehovas.“ Dass er helfen konnte und wir gemütlich zusammen Kaffee tranken, zeigte, dass wir ganz normale Menschen sind. Das hat geholfen.
Man kann keine Gemeinde gründen, aber man muss gezielt dafür leben. Drittens, ...
Drittens: Vorbild sein im Glaubensleben
Man ist für andere Menschen ein Modell, ob man will oder nicht. Das ist ein biblisches Prinzip, sowohl im Alten als auch im Neuen Testament. Alles wird von Generation zu Generation weitergegeben – nicht nur durch Lehre und Gesetze, sondern vor allem durch das Ausleben dieser Lehre und Gesetze. Das müssen wir in jeder Generation neu begreifen.
Je mehr unser Leben als Ältere – ich zähle mich jetzt zu den Eltern – hinter verschlossenen Türen bleibt und junge Menschen nicht sehen, wie wir mit Christus leben, desto weniger Möglichkeiten haben sie, an uns Modelle zu finden. Wir können gute Botschaften weitergeben, aber Menschen müssen sehen, wie du lebst und was du lebst. Sie müssen beobachten, wie du mit Not, Leiden und Schwachheit umgehst.
Eine Zeit lang war ich in meinem Dienst Handlanger, also in einem Supermarkt, und das war eine Halbtagsstelle, etwa eine halbe Woche. Ich hatte keine Kontakte in der Stadt. In dieser Zeit war das Viertel, in dem ich lebte, sehr kommunistisch geprägt – in Romiermont. Als Vollzeitmitarbeiter kam ich nicht zu den Leuten, also dachte ich, ich müsse anders an sie herangehen. Deshalb ließ ich mich als Handlanger in einem Supermarkt anstellen.
Das war eine interessante Erfahrung. In dieser Zeit wurde mir als Arbeiter wichtig: Die Menschen erwarten nicht von mir als Christ, dass ich keine Fehler mache. Sie erwarten vielmehr, dass ich meine Fehler zugebe. Das ist ein großer Unterschied. Es gibt immer Christen, die das Gefühl haben, sie müssten so leben, dass alles perfekt ist – ohne Fehler. Mit dieser Einstellung verschließt man sich, trennt sich von anderen und hat Angst, ins Rutschen oder Abschleifen zu geraten.
Der wichtige Gedanke ist: Wir wollen nicht mehr sündigen, aber wir bleiben Sünder, solange wir in diesem Körper sind. Die Größe, die wir haben, liegt darin, dass wir von der Gnade leben. Wenn wir eine Sünde tun, können wir sie erkennen, bekennen und zugeben.
In dem Supermarkt hatten wir einen Chef, der in unserem Bereich immer die Gewohnheit hatte, laut zu schreien, wenn etwas schiefging. Einmal habe ich mit so einem Palettenheber eine Palette umgeschmissen. Er sah das, wurde ganz rot im Gesicht und wollte alle anschreien. Ich bin auf ihn zugegangen und habe gesagt: „Ich bin schuld, nicht die anderen, ich bin schuld.“ Danach fragte ich ihn, was ich tun könne, um den Schaden zu beheben.
Ein paar Wochen später begann er ein Gespräch mit mir, weil es ihm wichtig war, dass man Fehler und Schuld bekennen kann. Das scheint mir so wichtig im Umgang mit anderen Menschen. Die Menschen erwarten nicht, dass du perfekt bist, aber sie dürfen von uns Christen erwarten, dass wir wahrhaftig sind.
Ich glaube, das ist die Schule Gottes, um in dieser Welt zu leben: wahr zu sein, wahr zu werden. Es ist ein ganzer Prozess in unserem Leben, ein Prozess der Heiligung, um wahr zu werden.
Diese drei Schwerpunkte möchte ich Ihnen für heute Abend einfach mitgeben: Gemeindegründung kann man nicht einfach so machen. Vielleicht nehmen Sie Folgendes mit: Richte dein missionarisches Leben nicht nur auf Gemeindegründung aus, sondern orientiere es in deinem Herzen auf Jüngerschaft. Lebe mit Menschen, gehe mit ihnen gemeinsam in den Dienst – und du wirst sehen, wie diese Menschen mit ihren Ideen, Gaben und Möglichkeiten zusammen Gemeindegründung machen.
Du hast sicher bemerkt, dass das Schönste an einer Arbeit ist, wenn man den Menschen die Möglichkeit gibt, kreativ zu sein. Sie können etwas selbst ausdenken und eine ganz persönliche Note einbringen. Lass den anderen diese Freude: in der Gemeindearbeit, in Gemeindestrukturen und bei Gemeindeüberlegungen immer wieder ihre persönliche Note und das kreative Moment haben.
Mir scheint, je mehr wir eine Gemeinde von Anfang an in starre Formen pressen, desto weniger ermöglichen wir Kreativität bei den Menschen. Und desto weniger gibt es Multiplikation. Multiplikation, die Vermehrung der Jüngerschaft, geschieht durch Loslassen. Kreativität bedeutet Loslassen.
Ich hatte in den Vogesen die Freude zu sehen, wie Jüngerschaft bis zur achten Generation weitergegeben wurde. Das geschah, weil der Geist Gottes gewirkt hat: Ein Mensch wurde zu Jesus geführt, der einen anderen zu Jesus führte, der wiederum einen anderen, und so weiter bis zur achten Generation.
Aber jeder musste lernen, dass der andere die volle Freiheit hat, in Gottes Wort zu lesen, im Gebet zu entdecken, welchen Dienst er in der Gemeinschaft tun kann. Die Menschen, die dazukommen, müssen nicht in mein Programm einsteigen. Lass sie eigene Ideen haben.
Als Pionierarbeiter musst du immer wieder ein gewisses Risiko eingehen. Manchmal denkst du: „Uff, wenn der das so macht, wie wird das ausgehen?“ Und du wirst staunen, dass es ganz anders wird und plötzlich sehr gut funktioniert. Hinterher denkst du: „Ach Herr, da habe ich mir wieder unnötige Sorgen gemacht. Ich dachte, ich müsste alles kontrollieren, aber es gab etwas, das ich nie hätte bedenken können und das viel besser war.“
Also: Man kann es nicht einfach machen, man muss gezielt dafür leben.
Lebensziele und Prioritäten
Frage, die ich dir heute Abend stelle: Was ist das Ziel deines Lebens? Stell dir jetzt einmal vor, du bist fünfundachtzig oder neunzig Jahre alt. Du sitzt, wenn du noch sitzen kannst, und schreibst für deine Kinder die Ziele auf, die du erreicht hast. Vielleicht auch das, was du immer wolltest und nie getan hast. Es ist schwierig, sich das vorzustellen.
Denn die Ziele, die wir im Leben erreichen, sind diejenigen, die wir unser ganzes Leben lang als Prioritäten setzen. Nur diese kommen am Ende zum Tragen.
Als mein Vater im Sterben lag, also kurz vor dem Heimgehen, war er 91 Jahre alt. Gott hatte ihn gebraucht, um über dreißig Gemeinden zu gründen. Damals hatte ich noch Zeit mit ihm zusammen. Er war ein sehr guter Bibelkenner. Wenn ich Botschaften vorbereitete, habe ich oft meinen Vater angerufen und gefragt: „Du Papa, wie heißt das im Griechischen?“ Er hat es sofort gesagt und konnte mir helfen, die Texte zu verstehen.
Damals habe ich ihn auch gefragt: „Du Papa, welche Ziele hast du das Gefühl, hast du gut im Leben gesetzt? Und welche würdest du mir raten, anders zu setzen, jetzt wo ich noch jünger bin, um das Ziel zu erreichen?“ Ich war so dankbar, als er mir antwortete: „Du Dani, seitdem ich im Dienst bin, habe ich versucht, Menschen als Jünger Jesu mitzunehmen im Leben.“ Er sagte immer, er habe es nicht genug getan, aber er war dankbar, dass der Herr ihn immer wieder ermahnte, diese Priorität neu zu setzen.
Das war für mich eindrücklich. Wenn dir so dein alter Vater das sagt, hinterlässt das Eindrücke im Leben. Dann setzt du auch neue Prioritäten. Man muss gezielt dafür leben.
Drittens: Du bist für andere Menschen ein Modell. Ich sage oft, es ist so schön, wenn man als Team leben kann. Meine Frau sagt oft, Teamleben sei der beste Weg zum Sterben. Das ist gar nicht falsch, und ich finde das sehr gut.
Im Leben als Team zu leben, ist schön, weil wir miteinander dasselbe Ziel haben. Wir sind immer daran, uns gegenseitig Mut zu machen, durch unseren Lebensstil dieses Ziel zu erreichen. Das finde ich etwas sehr Schönes.
Das kann natürlich anfangen für Verheiratete mit der Ehe. Man setzt sich zusammen und sagt: „Okay, für was wollen wir jetzt miteinander leben? Was ist unsere Zielsetzung? Was wollen wir in unserem Leben erreichen?“ Wir wissen, dass wir niemanden bekehren können. Wir wissen, dass wir keine anderen Gläubigen heiligen können. Das ist doch unerhört.
Du kannst die besten Botschaften geben, und jeder darf dabei schlafen. Das ist doch gut. Du hast absolut keine Waffe, um Druck auf Menschen auszuüben. Denn die Menschen gehören Gott. Die Gemeinden, die du gründest, die Menschen, die du schulst, die gehören nicht dir, sie gehören alle Gott.
Und jetzt musst du dich total einsetzen für etwas, das nicht dir gehört, aber das deine Zielsetzung ist. Für diese Menschen bist du ein Modell. Sie werden dir nachahmen.
Ich hoffe, dass das dir Mut macht.
Alltag im Dienst und geistliche Disziplin
Ich habe in den letzten Tagen, als ich mit verschiedenen Missionaren zusammen war, eine Frage gehört: „Du, Dani, was hast du denn nach etwa 30 Jahren Pionierarbeit eigentlich verschlüsselt?“
Wie, wie, wie? Jeden Tag Bibel lesen – manchmal leider nicht, aber ich versuche es jeden Tag. Jeden Tag beten – das ist ein echter Kampf. Ich weiß nicht, wie du das lebst, aber es ist gar nicht so leicht, beim Beten auszuharren. Es ist schwierig, mit den Gedanken dabei zu bleiben und jeden Tag von der Gnade zu leben.
Das bedeutet, vom Geschenk Gottes zu leben, das ich nicht verdiene. Das ist Gnade, ja? Jeden Tag von Gott geschenkt.
Und morgen, so Gott will, werden wir mehr über die Überlegung sprechen, über die strategische Überlegung: Wie kann ich ein Ziel erreichen? Was ist biblisch? Dabei brauche ich eure Hilfe. Ich will nicht unbedingt behaupten, dass ich biblisch bin. Vielleicht habe ich manches verstanden, aber andere müssen mir helfen, damit wir uns so nah wie möglich an Gottes Wort orientieren.
Gemeinde zu bauen, um in diesen Taten zu stehen – das ist das Ziel.
Ich höre mit dem Thema Glaube für heute Abend auf.
Fragen und Diskussion
Wenn jemand eine Frage hat oder einen Kommentar abgeben möchte, soll er dies einfach tun. In Frankreich sind wir es gewohnt, dass die Leute ihre Emotionen frei äußern. Das ist zwar eine der Methoden, die im Moment am besten funktioniert, aber es ist nur eine Möglichkeit unter vielen.
Zurzeit veranstalten wir evangelistische Abende in Form von Rundgesprächen an einem Tisch. Dabei sprechen wir gemeinsam über ein Thema, und das Publikum greift immer wieder ein, sodass eine lebhafte Diskussion entsteht. Letzte Woche hatten wir einen Abend zum Thema Stress und Gleichgewicht im Leben. Dabei kamen viele Erfahrungen von Menschen zur Sprache, die unter Stress leiden – sei es durch Arbeit, Partnerschaft oder die Erziehung der Kinder. Vieles brach heraus, vieles explodierte förmlich. Im Laufe des Abends konnten wir auch Zeugnisse hören, wie Gott Ruhe schenkt und hilft, ein Gleichgewicht zu finden.
Das ist momentan eine Möglichkeit, die in Frankreich genutzt wird: Disputationen, also lebhafte Diskussionen.
Eine Frage dazu: Habe ich richtig verstanden, dass in Frankreich auf öffentlichen Plätzen nicht mehr evangelisiert werden darf? Darf man also keine Bibeln mehr verteilen?
Gesetzlich ist das tatsächlich verboten. Diese Gesetze sind vor etwa drei Wochen in Kraft getreten. Allerdings glaube ich, dass es eine Übergangszeit geben wird, in der Bürgermeister und Polizei diese Vorschriften noch nicht konsequent umsetzen. In Deutschland ist die Situation anders, weil dort die Organisation zwischen Glaubensgemeinschaften und Staat anders geregelt ist.
Zum Beispiel habe ich gelesen, dass in Baden-Württemberg viele Fragen aufkommen, weil Muslime verlangen, dass ihre Imame in Schulen unterrichten dürfen, ähnlich wie der Protestantismus. Frankreich hat einen 77-seitigen Text veröffentlicht, in dem die verschiedenen europäischen Länder verglichen werden. Frankreich ist dabei an der Spitze, was die Trennung von Glaubensfragen und öffentlichem Leben betrifft. Glaubensfragen gelten nur noch als Privatangelegenheit und dürfen nur in gemieteten Räumen für Gottesdienste behandelt werden.
Das wird allerdings Zeit brauchen, bis es wirklich umgesetzt wird. Ich habe das Gefühl, es ist ein Prozess, der erst in Gang gesetzt wurde. Für uns ist das momentan noch kein großes Problem. Wir werden weitermachen. Früher wurden wir auch schon von der Polizei angehalten, das kostet dann eben Zeit. Aber meist bekommt jeder Polizist ein Neues Testament, und dann geht es weiter.
Wir haben also noch viel Freiheit. Das einzige Problem ist, dass diese Situation wie eine Decke auf die Gemeinden wirkt. Die Leute verlieren den Mut und ziehen sich zurück. Man merkt in den Gemeinden eine Art Entmutigung, ein Sich-zurückziehen von der Welt. Wahrscheinlich braucht man jetzt mehr Mut, um wirklich Stellung zu beziehen. Dafür beten wir, dass die Gemeinden sich nicht in eine unnötige Krise hineinziehen lassen.
Wir haben in Frankreich auch einen Kampf um das Gebet. In letzter Zeit gibt es in vielen Gemeinden viel weniger Beter. Das bereitet uns große Sorgen. Die Gebetsstunden sind oft nur noch schwach besucht. Das ist ein schlechtes Zeichen. Aber wir müssen weiterkämpfen, Mut machen und im Triumphzug des Herrn mitgehen.
Eine weitere Frage?
Am Anfang meines Dienstes hatte ich echte Krisen. Als ich jung war, wollte ich mehrmals aus dem Dienst aussteigen und in meinen Beruf zurückkehren. Ich hatte das Gefühl, ich verliere zu viel Zeit. In den ersten Jahren bin ich regelmäßig fünf Nachmittage pro Woche von Haus zu Haus gegangen, um Bibeln zu verkaufen. Oft habe ich ganze Tage verbracht, ohne eine einzige Bibel zu verkaufen oder einen Kontakt zu knüpfen. Immer wieder stand ich vor verschlossenen Türen und habe dann weinend dem Herrn gesagt: „Jetzt ist genug, ich höre auf, ich gehe zurück in den Beruf.“
Durch diese Situation musste ich lernen, dass es nicht darum geht, wie viele Bibeln man verkauft, sondern dass man weitermacht. Es wird Gelegenheiten geben, bei denen Menschen ihr Herz öffnen. Das ist ein Leiden. Das Problem ist, dass in unserer Gesellschaft alles messbar sein muss und Resultate vorliegen sollen.
Immer mehr junge Diener Gottes geraten unter Druck und springen von einer Methode zur nächsten, weil keine Methode sofort die gewünschten Ergebnisse liefert. In Frankreich zum Beispiel steigen viele junge Missionare, die aus Bibelschulen kommen, nach vier Jahren Dienst wieder aus. Von 35 Absolventen französischsprachiger Bibelschulen, egal ob aus Paris, Nogent oder der Schweiz, hören viele auf.
In den Schulen werden oft Modelle gelehrt, wie man vorgehen kann. Doch wenn man dann in einem Volk ist, in dem die Menschen keinen geistlichen Durst haben, funktioniert das nicht so einfach. Dann geht es ums Ausharren.
Ich sage oft, dass es viele gute Bücher über Erweckungen gibt. Aber meist fehlt das erste Kapitel: die Geschichte von den zwei Witwen oder dem kleinen Gebetskreis, der 25 Jahre lang für einen Stamm gebetet hat. Dann kam ein Missionar, und es geschah etwas.
Man fragt sich dann: Wie hast du das gemacht? Und man denkt, so müsse es immer gehen. Aber wir haben es mit Menschen und Gottes Plan zu tun, den wir nicht kennen.
Ich sage den jungen Leuten immer wieder: Wir leisten gute Arbeit, wenn wir mit einem vollen Sack Traktate losgehen und leer zurückkommen. Dann haben wir Seemannsarbeit gemacht. Vielleicht werden wir eine ganze Generation mit dieser Art von Arbeit verbringen, aber wenn die nächste Generation ernten kann, dann loben und danken wir Gott.
Wir wollen nur eines: dass der Herr gepriesen wird. Das erfordert Durchhaltevermögen in einer Welt, die postmodern ist und in der alles schnell gehen muss. Weil alles so schnell gehen muss, müssen wir aufpassen, dass wir nicht meinen, intellektuelle Schulung auf geistlichen Prinzipien allein bringt das Leben. Das stimmt nicht.
Viele Gläubige haben heute gute Ordner zu Hause, in denen steht, wie man Jünger schult. Aber das bedeutet nicht automatisch, dass Jünger entstehen. Das heißt nicht, dass man keine Schulung machen soll. Wir sollen uns immer verbessern, wo wir können. Aber wir dürfen unseren Wert nicht auf Schulung, Wissen oder Methoden stützen. Sonst kommen schwere Stunden der Enttäuschung.
Ich bin auch durch solche Zeiten gegangen. Als junger Missionar hatte ich Ideale und dachte, alles läuft problemlos, so wie ich es gelernt hatte. Später lernte ich, wie man mit Streitigkeiten umgeht. Ich dachte: Kein Problem. Doch dann kamen Streitereien, für die es keine Lösung gab, nur Tränen. Das war oft unlogisch, und man spürte, dass der Feind dahintersteckt.
Auch Kurse über Seelsorge bringen einen nicht immer weiter. Man steht trotzdem vor Situationen, für die es keine Lösung gibt. Aber ich glaube immer noch, dass Gott will, dass wir abhängig von ihm bleiben. Sonst würden wir uns auf etwas anderes stützen.
Ich hoffe, ich war nicht zu negativ.
Schlussgebet
Ich möchte zum Schluss noch beten.
Es ist wahr, Heiland, du baust deine Gemeinde. Wir sind auch sehr dankbar, wenn wir hören, dass in anderen Ländern und auf anderen Kontinenten Menschen zu dir kommen, Buße tun und deinen Namen verherrlichen.
Herr, schenke uns die Kraft, in unseren Ländern auszuharren. Gib uns deine Geduld und hilf uns, Heiland, vorwärtszugehen. Lass uns lernen, mit dir und deinem Eingreifen zu leben.
Ich bitte dich, Herr, dass du alle Lieben, die im Dienst stehen, besonders in der Gemeindegründung, stärkst. Lass keinen entmutigt werden. Herr, gib jedem so ein Vertrauen zu dir, dass man auch dort, wo man von der Arbeit nichts sieht, sich ganz in dir freuen kann.
Herr, danke, dass du uns das im Leben schenkst. So können wir wie Paulus sagen: „Freut euch im Herrn allezeit, wieder sage ich: Freut euch im Herrn!“ (Philipper 4,4).
Danke, Herr, für die Freude, die du für unser Leben bist. Herzlichen, herzlichen Dank dafür, Amen.