Einführung und persönliche Hinweise zum Predigtablauf
Missio Camp 2013 erlebt
Hans-Peter Reuer spricht zum Thema „Erlebt Dankbarkeit – der Schlüssel zum Leben als Christ“.
Guten Morgen alle zusammen! Ich hoffe, es geht euch gut, ihr habt es warm genug und so weiter. Es ist schön, die paar Tage mit euch zu sein.
Ich möchte nur kurz sagen, dass ich heute Abend schon abreisen muss. Ich habe noch eine Verkündigung und werde dann gleich fahren. Ich werde um zwei Uhr in der Früh zu Hause sein, weil ich morgen um sieben Uhr schon wieder bei unserer Gruppe sein muss.
Darum, wenn jemand ein Gespräch möchte, sucht es bitte heute. Ich bin den ganzen Tag noch da, nach dem Gottesdienst und so weiter. Am Abend werde ich keine Zeit mehr haben.
Auch wenn Sie ein Buch oder etwas anderes möchten, macht es bitte jetzt. Ich werde am Nachmittag schon alles abräumen.
Auf jeden Fall ist es schön, da zu sein.
Die Bedeutung von Dankbarkeit als Lebensprinzip
Das Thema für heute Morgen war Dankbarkeit. Ich wurde gebeten, darüber zu sprechen, und für mich ist das ein sehr bedeutendes Thema. Es ist für mich zu einem Schlüssel im Leben als Christ geworden.
Dankbarkeit ist nicht irgendein Thema, sondern eigentlich das Thema, das Gott mir vor vielen Jahren ans Herz gelegt hat. Es hat mein Leben wirklich geprägt.
Es gibt einen Spruch, der ungefähr so lautet: Du säst einen Gedanken und erntest eine Tat. Du säst eine Tat und erntest eine Gewohnheit. Du säst eine Gewohnheit und erntest einen Lebensstil. Du säst einen Lebensstil und erntest eine Bestimmung.
Es beginnt immer mit den Gedanken und endet mit deiner Bestimmung. Das ist ein universales Gesetz. Es gilt nicht nur für Christen, sondern für alle Menschen.
Zwei Schulkameraden von mir, mit denen ich die Schulbank gedrückt habe, haben sich schon vor einigen Jahren das Leben genommen – in relativ jungen Jahren. Wenn Menschen sich das Leben nehmen, stellt man oft die Frage: Warum haben sie das getan? Was hat sie so verzweifelt gemacht?
Heute weiß man, dass ein Mensch, der sich das Leben nimmt, nicht unbedingt ein riesiges Problem vor sich hat. Das kann zwar sein, aber meistens ist Verzweiflung sein Lebensstil geworden. Er ist jeden Tag verzweifelt, und oft reicht dann eine ganz kleine Sache, die zu viel wird, sodass er sich das Leben nimmt.
Genauso kann zum Beispiel Freude die unterschwellige, die zugrunde liegende Motivation für dein Leben sein. Das bedeutet nicht, dass du den ganzen Tag mit einem breiten Grinsen herumlaufen musst. Aber letztlich ist Freude dein Lebensstil.
Dasselbe gilt für Dankbarkeit. Es gibt dankbare Menschen, für die Dankbarkeit die grundlegende Motivation im Leben ist. Und es gibt undankbare Menschen. Diese Haltung bestimmt alles, was du tust und bist.
Die Kraft der Dankbarkeit im Leben – Ein Beispiel aus der Mystik
Ich habe vor Jahren ein Buch von einem gewissen John Tauler gelesen. Er war Theologe im vierzehnten Jahrhundert, Mystiker, und betete acht Jahre lang, damit Gott ihm den Weg zur Perfektion zeigen würde.
Eines Tages, als er betete, hörte er eine Stimme, die zu ihm sagte: „Geh aus der Kirche hinaus, denn dort draußen wirst du deinen Lehrer treffen.“ Tauler stand auf und ging auf die Straße. Dort sah er auf der Stiege einen Bettler sitzen, barfuß, verletzt und blutend.
Tauler grüßte den Bettler herzlich und sagte: „Guten Morgen, mein Bruder, möge Gott dir einen guten Tag und ein glückliches Leben schenken.“ Der Bettler antwortete: „Mein lieber Herr, ich kann mich nicht daran erinnern, jemals einen schlechten Tag gehabt zu haben.“
Erstaunt fragte Tauler, wie so etwas möglich sei, wo doch Trauer und Schmerz Teil eines jeden Menschenlebens sind. Darauf sagte der Bettler: „Sie haben mir einen guten Tag gewünscht, und ich antwortete, dass ich noch nie einen schlechten Tag hatte. Wissen Sie, ich danke Gott jeden Tag, egal ob mein Bauch voll oder leer ist. Wenn ich abgestoßen und verachtet werde, preise ich dennoch meinen Herrn.
Ich vertraue Gott einfach, dass er es absolut gut mit mir meint, und darum gibt es für mich keinen schlechten Tag. Sie haben mir auch ein glückliches Leben gewünscht. Nun, ich bestehe darauf, dass ich immer glücklich bin. Etwas anderes zu sagen, wäre die Unwahrheit, denn meine Erfahrung hat mir gezeigt, dass alles, was Gott in meinem Leben tut, gut ist.
Alles, was ich im Leben empfange, empfange ich aus seiner liebenden Hand, sei es Reichtum oder Armut, sei es bitter oder süß. Ich empfange beides aus seiner gebenden Hand. Ich habe erkannt, dass der Wille Gottes für mein Leben die Liebe Gottes ist. Und weil ich seine Gnade täglich empfange, will ich genau das, was er für mich will, und darum bin ich immer glücklich.“
Diese Dankbarkeit, von der dieser Bettler spricht, bestimmt unser ganzes Leben.
Die bewusste Entscheidung zur Dankbarkeit
Ich habe vor etwa 25 Jahren eine Entscheidung getroffen. Vor 26 Jahren habe ich meine Frau geheiratet – auch das war eine gute Entscheidung. Vor 25 Jahren fiel eine weitere wichtige Entscheidung. Die Details dazu möchte ich jetzt nicht erzählen.
Damals entschied ich mich, Gott immer zu danken. Es war eine bewusste Entscheidung. Ich möchte nicht behaupten, dass es mir immer gelungen ist, aber im Prinzip bin ich dieser Entscheidung bis heute treu geblieben.
Der Auslöser war ein Vers aus dem 1. Thessalonicher 5,18. Dort schreibt der Apostel Paulus: „Gib Dank in allen Umständen, denn das ist der Wille Gottes für dein Leben in Jesus Christus.“ Was ist also der Wille Gottes für mein Leben? In allen Dingen danke zu sagen.
Ich nenne diesen Moment den Augenblick, als ich mit dem Heiligen Geist erfüllt wurde. Etwas veränderte sich in mir. Ich kann mich noch gut daran erinnern: Es war 1989, ich war in England – auch das ist eine längere Geschichte. Dort traf ich Meyer Ian Thomas, den Gründer der Fackelträger. Nach Gesprächen sagte er zu mir: „Hans Peter, don’t forget to say thank you“ – vergiss nicht, danke zu sagen.
Das habe ich bis heute nie vergessen. Ich wusste zwar nicht genau, warum und wieso, aber ich habe es dann getan.
Seht ihr, es ist ein Kampf, der in unserem Kopf und in unseren Herzen jeden Tag stattfindet. Entweder denken wir negativ über Menschen und Situationen oder wir sind dankbar und positiv.
Im Galaterbrief lesen wir, dass unser Geist im Streit mit dem Fleisch steht – jeden Tag. Das ist normal. Wenn du das erlebst, bist du willkommen im Club; so geht es jedem.
Und wir entscheiden täglich, ob wir dankbar sind oder nicht.
Persönliche Erfahrungen mit Dankbarkeit im Alltag
Ich erinnere mich an eine Zeit vor einigen Jahren. Ich bin viel unterwegs und würde nicht sagen, dass mein Leben langweilig ist. Eigentlich habe ich immer genug zu tun. Ich bin herumgereist, habe Christus gepredigt und so weiter. Dann hatte ich mal ein paar Tage frei und dachte, ich fahre mit meiner Frau für ein paar Tage in den Süden. Es war Winter, bei uns ist es im Winter kalt. Wir wollten uns nur ein paar Tage erfrischen und ein bisschen Wärme genießen.
Wir fuhren also in den Süden, doch es hat nur geregnet und es war kalt. Ich dachte: „Okay, danke, Herr, das war zwar nicht, was wir gesucht haben, aber es ist okay.“ Einen Monat später hatte ich wieder fünf Tage frei. Ich fuhr mit Freunden zum Gardasee zum Klettern. Dort gibt es ein super Klettergebiet namens Arco. Aber auch in diesen fünf Tagen hat es nur geregnet.
Ich sagte wieder: „Okay, Gott, das war nicht das, was ich gesucht habe, aber es ist okay, danke.“ Im Mai hatte ich dann zwei, drei Tage frei und freute mich aufs Klettern. Das Wetter war wunderschön, aber ich war krank und lag im Bett.
Da dachte ich mir: „Gott, jetzt reicht es mir. Ich reiße mir beide Beine aus, um dein Wort in der ganzen Welt zu verkündigen. Dann will ich ein paar Tage einfach nur das tun, was ich liebe, und dann schenkst du mir nichts. Ich danke dir nicht mehr. Ausschluss.“ So entschied ich mich, nicht mehr zu danken.
Doch ich stellte fast sofort fest, dass das Blödsinn war. Ich wurde unerträglich für meine Frau. Ich bin sowieso nicht immer einfach, aber jetzt war es noch schlimmer. Die Kinder trauten sich auch nicht mehr in mein Zimmer. Da dachte ich mir: „Das ist ja Blödsinn, ich sage doch wieder Danke.“
Warum erzähle ich das? Weil du und ich die Freiheit haben, unseren Weg zu wählen. Aber du hast nicht die Freiheit, dein Ziel zu wählen. Das Ziel ist dir vorgegeben. Das heißt: Du und ich haben die Freiheit, dankbar oder undankbar zu sein. Diese Freiheit hast du. Aber das Ziel ist vorgegeben.
Wenn du dich entscheidest, undankbar zu sein, weiß ich genau, welche Art von Mensch du wirst. Du wirst bitter, zornig, ängstlich und ein unguter Mensch. Manchmal frage ich Menschen in der Seelsorge, bei denen ich spüre, dass ein bisschen Bitterkeit da ist: „Ist es dein Ziel, ein unguter, bitterer, zorniger Mensch zu werden? Ist das, was du willst?“ Bis jetzt haben alle Nein gesagt.
Dann sage ich: „Okay, dann triff heute eine Entscheidung. Beginne heute, Danke zu sagen. Denn wenn du so undankbar bleibst, wie du jetzt bist, wirst du genau das.“ Du kannst dir das Ziel nicht mehr auswählen, nur den Weg.
Zusammenhang von Denken und Dankbarkeit
Zuerst treffen wir die Entscheidungen, und dann machen die Entscheidungen uns. Dieses universelle Prinzip ist bereits in der Bibel bezeugt und gilt immer.
Es gibt einen direkten Zusammenhang zwischen Denken und Danken – nicht nur sprachlich, auch im Englischen: thinking and thanking. Im Römer 1,21 sagt der Apostel Paulus: „Weil sie Gott kannten, aber ihn nicht verherrlichten und ihm keinen Dank darbrachten, darum wurde ihr Denken finster.“ Wenn du Gott nicht dankst, wird dein Denken finster. Es besteht also ein Zusammenhang zwischen Danken und Denken.
Wir wissen aus der Bibel, dass wir angehalten sind, richtig zu denken. In Philipper 4,8 zum Beispiel sagt Paulus: „Übrigens, Brüder, auch Schwestern, ihr seid auch gemeint: Alles, was wahr, alles, was ehrbar, alles, was gerecht, was rein, was liebenswert, was wohltuend ist, daran denkt.“
Doch hier eine Frage an dich, die du nicht beantworten musst: Es ist ungefähr halb elf, die meisten von uns sind seit drei, vier oder fünf Stunden wach. War jeder Gedanke, den du in den letzten fünf Stunden gedacht hast, rein, liebenswert, ehrbar, wohltuend und gerecht? Kann jemand von euch sagen, dass das so war? Ich sehe keine Hände. Mir geht es ähnlich.
Du kannst jetzt sagen: „Okay, heute habe ich es nicht geschafft, aber morgen mache ich es. Ich stehe um sechs Uhr morgens auf und alles, was ich denke, ist ehrbar, gerecht, wahr usw.“ Ich kann dir heute schon sagen: Es wird dir nicht gelingen, denn du kannst dein Denken nicht einfach so ändern.
Aber hier kommt der Schlüssel: Weißt du, wie sich dein Denken ändern kann? Indem du dich entscheidest zu danken. Wenn wir lernen zu danken, dann ändert sich unser Denken.
Dankbarkeit als Weg zu Gott
Psalm 50 ist ein Dankpsalm. Er fordert dazu auf, Gott Dank zu opfern, denn das gefällt ihm.
In Epheser 5,20 lesen wir, dass wir Gott für alles danken sollen. Ebenso heißt es in 1. Thessalonicher 5,18, dass wir in allen Umständen dankbar sein sollen.
Bonhoeffer hat ebenfalls gesagt – Fritz hatte das schon zitiert – dass Dankbarkeit den Weg zu Gott öffnet. Das bedeutet, Undankbarkeit, um es negativ auszudrücken, verschließt den Weg zu Gott.
Vater Bodelschwing hat gesagt: „In Christus zu reifen bedeutet, Christus zu danken.“ Denn Dankbarkeit ist ganz einfach mein Ausdruck gegenüber Gott, dass ich ihm vertraue.
Ich möchte es mal negativ formulieren, denn manchmal hilft die Antithese, um die These besser zu verstehen. Was sage ich, wenn ich Gott nicht danke, wenn ich undankbar bin? Wenn du undankbar bist, sagst du im Grunde eines von zwei Dingen.
Entweder sagst du zu Gott: „Du liebst mich nicht wirklich, denn wenn du mich wirklich lieben würdest, dann wäre das nicht geschehen.“ Oder du sagst: „Gott, dir ist gerade ein Fehler unterlaufen, denn das hätte nicht passieren dürfen.“ Diese zwei Aussagen sendest du aus.
Ich nehme ein ganz blödes Beispiel: Angenommen, ich steige am Ende meiner Predigt die zwei Stufen herunter, falle nach vorne, lande auf Fritz’ Knie und breche mir dabei beide Hände. Was sage ich dann?
Zuerst werde ich sicherlich „Autsch“ sagen, weil es weh tut. Dann werde ich Gott sagen, was ich davon halte – nämlich überhaupt nichts, denn ich finde das, was passiert ist, extrem schlecht. Ich werde ihm ehrlich sagen, was ich denke.
Aber ich nehme an, dass ich zum Schluss sagen werde: „Herr, ich kapiere das überhaupt nicht, leiden kann ich es auch nicht, von Herzen tue ich es auch nicht, aber danke dafür, denn du weißt Bescheid und ich nicht.“ Vielleicht muss ich hier in einem Krankenhaus sein, vielleicht will eine Krankenschwester etwas hören, keine Ahnung. Aber das ist sein Problem.
Herausforderung des Dankens in schweren Situationen
Seht ihr, das Problem ist jetzt: Unser logisches Denken schreit hier laut auf und sagt: Hans-Peter, was du gerade gesagt hast, ist völliger Unsinn. Wie kann ich Gott danken für meinen Ehepartner, der Krebs hat? Wie kann ich Gott danken für meinen Vater, der Alkoholiker ist? Wie kann ich Gott danken für den Missionar, der gerade umgebracht wurde, irgendwo am Missionsfeld?
Oder etwas alltäglicher: Wie kann ich Gott danken für mein Kind, das schon wieder eine Fünf in Latein oder Mathe hatte oder sonst etwas?
Ich möchte euch eine Legende vorlesen. Geschichten sind oft viel hilfreicher als alle systematische Theologie. Ich nenne sie eine wichtige Legende, eine tiefsinnige Legende. Ich lese sie euch vor und ziehe dann eine Zusammenfassung daraus.
Die Legende vom Einsiedler Johannes und den Wegen Gottes
Ein Einsiedler namens Johannes, der schon viel über die Rätsel im Leben der Menschen nachgedacht hatte, hatte einen Traum. Es war nur ein Traum. Eine Stimme rief ihn: „Steh auf, Johannes, nimm deinen Stab! Ich will dir die Wege Gottes zeigen.“
Ein unbekannter Mann trat zu ihm und sagte: „Ich komme mit dir, denn allein kommst du nicht zurecht.“ So geschah es.
Am Abend kamen die beiden an ein Haus. Der Hauswirt versorgte sie aufs Beste, denn er hatte einen Freudentag: Sein Feind hatte sich mit ihm versöhnt und ihm einen goldenen Becher geschenkt.
Am Morgen, beim Abschied, sah der Einsiedler Johannes, wie sein Begleiter den goldenen Becher heimlich in sein Bündel schob und mitnahm. Der Einsiedler wurde böse, doch er erhielt die Antwort: „Schweig, so sind die Wege Gottes.“
Am nächsten Tag waren sie Gäste bei einem Mann, der schrecklich fluchte und ein Geizhals war. Ehe sie am Morgen wieder gingen, schenkte der Begleiter dem Hauswirt den goldenen Becher. „Wieso das?“, entfuhr es dem Einsiedler. Der andere legte den Finger auf den Mund und sagte: „Schweig, so sind die Wege Gottes.“
Am nächsten Tag übernachteten sie bei einer armen Familie und wurden sehr herzlich aufgenommen. „Gott segne euch!“, rief der Begleiter. Doch beim Weggehen ergriff er Zündhölzer und zündete heimlich die Hütte an. Der Einsiedler wollte ihm in die Arme fallen, doch die Antwort lautete: „Schweig, so sind die Wege Gottes.“
Am vierten Tag logierten sie bei einem Mann, der nur einen einzigen, sehr freundlichen Sohn hatte. „Ich kann euch nicht begleiten“, sagte der Vater zu seinen Gästen beim Abschied, „aber mein Sohn wird euch den Weg zeigen, vor allem den Steg über die Schlucht.“
Der Junge ging voraus, und als sie bis zur Mitte des Steges gekommen waren, packte der Unbekannte den Jungen und schleuderte ihn in die Tiefe. Der Einsiedler war geschockt. „Das sollen die Wege Gottes sein? Du bist ein Lügner!“, rief er entsetzt.
Da verwandelte sich der Begleiter in einen Engel und sagte: „Höre, Johannes: Der goldene Becher war vergiftet. Der Geizhals wird sich daraus den Tod trinken. Der arme Mann wird unter der Asche seines Hauses einen Schatz finden, mit dem ihm aus aller Not geholfen ist. Das Kind, das in den Strom geschleudert wurde, wäre ein Mörder geworden. Du konntest die Weisheit der Wege Gottes nicht erkennen. Nun hast du ein Stück davon gesehen. Sei in Zukunft vorsichtig mit deinen Urteilen.“
Das biblische Prinzip der göttlichen Vorsehung am Beispiel von Josef
Jetzt kannst du sagen: Hans-Peter, nette Geschichte, aber was hat das mit der Bibel zu tun?
Es gibt eine Geschichte im Alten Testament, im 1. Mose 45,4-8. Das ist die Geschichte von Josef. Ihr kennt sie: Da waren zwölf Brüder. Einer war Josef, der war ein bisschen ein Verwöhnter. Einmal brachte er die Lunchpakete zu den Brüdern, und die konnten ihn nicht leiden, weil er der Lieblingssohn vom Vater war.
Sie sagten: „Wir hauen ihn in den Brunnen, dann verkaufen wir ihn.“ Gesagt, getan. Sie verkauften ihn, verlangten Geld, und dann sagten sie zum Vater: „Ja, den hat irgendein Tier gefressen, wir können nichts dafür.“
Josef lebte dann in Ägypten im Gefängnis und hatte eine harte Zeit, weil seine bösen Brüder ihn verkauft hatten. Nach vielen Jahren, ungefähr zwanzig Jahre später, sah er seine Brüder wieder. Jetzt ist interessant, was er zu ihnen sagte.
1. Mose 45,5: Josef sprach zu seinen Brüdern: „Seid nicht bekümmert und werdet nicht zornig auf euch selbst, dass ihr mich hierher verkauft habt. Denn zur Erhaltung des Lebens hat Gott mich vor euch hergesandt. Gott hat mich vor euch hergesandt, um euch einen Überrest auf Erden zu lassen und zu erhalten und seine große Errettung.“
Nun hört zu! Nicht ihr habt mich hierher gesandt, sondern Gott, und er hat mich zum Vater des Pharao gemacht.
Seht ihr, als die Brüder Josef verkauften, waren ihre Absichten nur böse. Sie hatten keine Gebetsgemeinschaft: „Gott, zeige uns bitte, sollen wir Josef verkaufen oder nicht? Zeige uns deinen Willen.“ Nein, ihre Absicht war nur böse.
Und wisst ihr, was Josef zwanzig Jahre später sagt? „Freunde, ihr habt mich zwar verkauft, aber es war nicht ihr. Gott hat mich hierher gesandt.“ Seht ihr, das ist ein extrem wichtiges Prinzip. Wir verstehen die Wege Gottes im Moment oft nicht.
Wir lesen dann zwei Kapitel später, wo Josef sagt: „Ihr habt es böse gemeint mit mir, aber Gott hat es zum Guten gewandt.“ Darum können wir dankbar sein, auch in bösen Dingen.
Das ist das Geheimnis.
Die Herausforderung der Dankbarkeit und die biblische Aufforderung
Nun, jemand hat einmal, ich sage es ganz offen, tut mir leid, dass ich das Wort benutze, aber sie kam zu mir und sagte: „Hans-Peter, für alles Danke zu sagen, das ist doch Selbstverarschung.“ Ich weiß genau, was sie meint.
Sie meinte, wenn ich jetzt Danke sage für etwas, das ich überhaupt nicht leiden kann, dann belüge ich doch mich selbst, ich belüge Gott und so weiter. Aber wisst ihr, so steht es nicht in der Bibel. Die Bibel sagt nirgends: „Wenn du dich danach fühlst, dann danke Gott.“ Das steht nie in der Bibel.
Die Bibel sagt: Dank in allen Dingen, in allen Umständen, denn das ist der Wille Gottes für dein Leben. Das heißt, du musst dich nicht danach fühlen, Danke zu sagen – überhaupt nicht. Du sollst es einfach tun.
Und das wird prägen, wie du denkst. Das ist nämlich das Geheimnis. Du wirst ein gesunder Mensch werden. Sonst bleiben wir krank, bitter, zornig und ängstlich.
Persönliche Erfahrungen mit Leid und Dankbarkeit
Ich möchte etwas Persönliches erzählen. Vor mehr als zwanzig Jahren, als ich begann, im Dauernhof zu arbeiten, war ich zuvor hauptberuflich Skilehrer und Bergführer. Meine Frau hatte gerade ihre Ausbildung zur Krankenschwester abgeschlossen. Wir haben geheiratet, und ich hatte nie Probleme mit der Sonne. Doch plötzlich konnte ich die Sonne nicht mehr vertragen.
Diese Phase dauerte zwei Jahre und war ziemlich schlimm. Ich konnte im Winter nicht mehr ohne Gesichtsmaske aus dem Haus gehen. Es tat extrem weh, ich hatte viel Wasser unter der Haut und so weiter. Meine Frau hatte zwar Krankenschwester gelernt, wurde jedoch allergisch gegen die Desinfektionsmittel im Krankenhaus und musste aufhören.
Ich erinnere mich, dass wir frisch verheiratet waren und immer wieder um zwei Uhr morgens in unserem kleinen Zimmer saßen. Sie kratzte sich bis zum Bluten, ich auch im Gesicht, bis es ein wenig leichter wurde. Hannelore weinte oft und fragte, was wir nur tun sollten. Damals sagte ich zu ihr: „Weißt du was, Hannelore, lass uns Gott danken.“ Denn ich wusste eine Sache: Wenn Gott will, könnte er sowohl Hannelore als auch mich in einer Sekunde heilen. Das ist für Gott kein Problem.
Übrigens haben wir auch um Heilung gebetet. Ich wurde einen Tag später geheilt. Bei Hannelore hat es leider nicht funktioniert, sie hatte die Beschwerden noch 15 Jahre lang. Trotzdem wusste ich: Wenn Gott will, kann er uns so leicht heilen. Aber aus irgendeinem Grund hat er es nicht getan.
Die zwei Jahre waren relativ hart. Aber wisst ihr, was ich euch ehrlich sage? Rückblickend möchte ich diese zwei Jahre nie missen. Es waren die zwei Jahre, in denen wir schneller und näher zu Jesus Christus gewachsen sind als zu irgendeinem anderen Zeitpunkt in unserem Leben. Diese Zeit hat uns für den Dienst vorbereitet, den Gott uns zugedacht hat.
Das kannst du nicht sehen, wenn du mittendrin bist. Aber was du tun kannst, ist, Gott zu danken, auch wenn du gerade in einer schwierigen Situation bist.
Übrigens noch eine Sache, die ich sagen muss: Wenn eine Mutter ihr Kind bei einem Unfall verliert, ist das tragisch und das Schlimmste, was passieren kann. Das Letzte, was du zu dieser Frau sagen darfst, ist: „Danke Gott dafür.“ Das ist nicht biblisch, sondern gemein. Die Bibel lehrt uns: Weinet mit den Weinenden und lachet mit den Lachenden, trauert mit den Trauernden.
Wenn ein Mensch trauert, hat er das Recht, seinen Zorn vor Gott auszuschreien und seine Verzweiflung kundzutun. Du sollst mit ihm leiden. Aber für dich gilt: Erinnere dich daran, dass Dankbarkeit der Schlüssel zu einem gesunden Leben ist.
Beispiele für gelebte Dankbarkeit in schweren Zeiten
Eine Geschichte, die ich gehört habe:
Eine alte Frau war im Krankenhaus. Sie befand sich am Ende ihres Lebens und hatte nicht mehr lange zu leben. Eine junge Studentin besuchte diese Frau einmal im Monat. Die Frau war von der Studentin sehr beeindruckt.
Die alte Frau konnte nur noch den Kopf und die Finger an der rechten Hand bewegen, sonst nichts mehr. Als die Studentin ins Zimmer kam, sagte die Frau: „Ich bin Gott so dankbar, dass ich meinen Finger und meinen Kopf noch bewegen kann.“
Einen Monat später konnte die Frau nur noch den Kopf bewegen. Sie sagte zu der Studentin: „Ich bin Gott so dankbar, dass ich den Kopf immer noch bewegen kann.“
Noch einen Monat später konnte sie nichts mehr bewegen. Dennoch sagte die Frau: „Ich bin Gott so dankbar, dass du mich besuchen kommst.“
Sieh, es sind nicht die Umstände. Wir haben einen Spruch in der Küche, ganz groß: „Nicht die Glücklichen sind dankbar, es sind die Dankbaren, die glücklich sind.“ Das ist der Schlüssel.
Charles Spurgeon, ein englischer Prediger, hat es einmal so formuliert: „Ich fürchte, dass all die Gnade, die ich aus meinen sorgenfreien, angenehmen und glücklichen Stunden empfangen habe, nur einen Groschen wert ist. Aber das Gute, das ich durch Leiden, Schmerz und Trauer empfangen habe, ist nicht berechenbar.“
Er sagte weiter: „Was schulde ich nicht dem Hammer und dem Schmiedstock, dem Feuer und den Pfeilen in meinem Leben? Anfechtung und Leid sind die wertvollsten Einrichtungsgegenstände in meinem Haus.“
Ermutigung durch das Beispiel eines Freundes im Leid
Vor einigen Jahren besuchte ich einen lieben Freund, der evangelischer Pfarrer war. Er war genau in meinem Alter, im selben Jahr geboren. Jedes Mal, wenn ich in der Mitte Deutschlands unterwegs war, besuchte ich ihn und predigte in seiner Kirche.
Vor einigen Jahren kam ich wieder zu ihm. Sein Name war Peter, und er sah nicht gut aus. Er hatte gerade eine Chemotherapie hinter sich, da bei ihm Krebs diagnostiziert worden war.
Wir gingen zusammen etwas trinken, und ich fragte ihn: „Peter, sag mir, was hast du in diesen drei Monaten der Chemotherapie gelernt, was du vorher nicht wusstest?“
Ich werde nie vergessen, was er antwortete. Er sagte: „Ich war noch nie so dankbar in meinem Leben.“ Es war Herbst. Er sagte, er danke Gott für jedes Laubblatt, das vom Baum fällt – es sei schön. Er danke Gott für jeden Schluck Tee, der so gut schmecke. Er war noch nie so dankbar.
Peter verstarb wenige Monate später. Er hinterließ eine liebe Frau und vier Kinder, was sehr traurig war. Doch in seinen letzten Monaten war er nie so dankbar wie damals.
Aufforderung zur praktischen Umsetzung von Dankbarkeit
Und seht, einige von euch befinden sich gerade in einer Zeit, in der ihr es schwer habt – vielleicht in der Beziehung zum Ehepartner oder zu den Kindern. Du tust dich wahnsinnig schwer. Ich möchte dich ermutigen, Gott dafür zu danken.
Vielleicht hast du Schwierigkeiten in deiner Arbeit oder mit deiner Gesundheit. Auch dann möchte ich dich ermutigen, Gott dafür zu danken.
Vielleicht machst du eine Übung, die ich oft Leuten empfehle: Schreibe in deine Bibel – die hast du ja meistens bei dir – vorne hinein fünf Dinge, für die es dir leichtfällt, Gott zu danken. Zum Beispiel für dein Leben, deine Gesundheit oder die Tatsache, dass du in einem Land leben darfst, in dem wir so viel haben.
Dann möchte ich dich bitten, einen Punkt aufzuschreiben, für den es dir wahnsinnig schwerfällt zu danken. Weißt du, was du feststellen wirst? Dein Denken wird sich ändern. Wenn du nämlich für eine Person dankst, die du nicht leiden kannst, wird sich etwas in deinem Denken verändern. Das ist der Schlüssel.
Darum möchte ich euch bitten, das zu tun. Ich lese noch einmal den Vers aus 1. Thessalonicher 5,18 vor:
Manchmal, wenn ich predige oder in Bibelschulen bin, kommen junge Leute auf mich zu und sagen: „Hans-Peter, sag mir, was ist Gottes Wille für mein Leben?“ Dann antworte ich manchmal: „Genau dafür bin ich hierher gekommen, um dir zu sagen, was Gottes Wille für dein Leben ist.“ Dann glauben sie, ich sei ein Prophet.
Ich schlage dann 1. Thessalonicher 5,18 auf und lese vor: „Sagt in allem Dank, denn das ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euer Leben.“
Ich weiß heute genau, was Gottes Wille für dein Leben ist: nämlich in allen Dingen Danke zu sagen.
Übrigens, wisst ihr, wie der nächste Vers lautet? „Den Geist löscht nicht aus.“
Weißt du, wie du den Heiligen Geist in deinem Leben auslöschen kannst? Es ist ganz einfach: Hör einfach auf, Danke zu sagen. Dann sieht kein Mensch Jesus in deinem Leben, weil der Geist ausgelöscht ist.
Wenn du Danke sagst, wird der Geist Gottes sichtbar – und das ist das Geheimnis.
Schlussgebet und Vertrauensbekundung
Ich bete noch lieber, Vater, denn es ist so wunderbar, wie klar, verständlich und eindeutig dein Wort ist. Herr, deine Worte sind so weise. Sie funktionieren, weil du der Schöpfer und Geber von allem Leben bist. Du weißt, wie wir funktionieren, weil du uns gemacht hast.
Darum hast du uns gesagt, danke zu sagen – nicht nur für die guten Dinge im Leben, sondern auch für die schweren. Denn du bist unser Gott, und du meinst es gut mit mir.
Doch jetzt leben wir noch in einer gefallenen, bösen Welt, in der wir böse Dinge erleben. Diese Dinge sind aber auch, Vater, gefiltert. Sie müssen erst bei dir vorbeigehen. Darum wissen wir, dass alles, was uns trifft, letztlich gut ist, auch wenn wir es nicht sehen können.
Herr, so bete ich, dass wir dieses Vertrauen dir gegenüber haben und dir in allen Umständen danken, weil wir wissen, dass du gut bist. Amen.
