Mit Freuden Christsein – Orientierung an der Bibel heißt das Thema, das mir gegeben wurde. Zunächst dachte ich: Das ist wohl kein Problem. Doch wie passt das zusammen? Wenn so betont wird, mit Freuden Christsein, dann ist wahrscheinlich irgendwo der Wurm drin. Denn die Christen schauen doch oft so ernst.
Na ja, habe ich gesagt, wenn zu viel gelacht wird, ist das wahrscheinlich nicht fromm genug. Die Christen haben eine tiefere Freude, so tief, dass sie nicht immer sichtbar ist.
Was hat das mit der Orientierung an der Bibel zu tun? Dazu möchte ich vier Punkte ansprechen.
Die privilegierte Generation im Umgang mit der Bibel
Erstens: Wir sind die bevorzugte Generation. Ich weiß nicht genau, ob Ihnen das schon bewusst geworden ist. Was die Bibel betrifft, sind wir auf einzigartige Weise bevorzugt. Noch nie hatte eine Generation so viele Möglichkeiten, so wunderbare Bibeln zu besitzen – preiswert, in zahlreichen Variationen. Das ist unglaublich.
Jetzt steht ja das Jahr der Bibel bevor. Neue Bibelausgaben kommen auf den Markt. Für jede Altersgruppe gibt es eine besondere Ausgabe, schön gestaltet, damit das Lesen leichtfällt. Zum Beispiel mit Comics oder Rembrandt-Illustrationen, in kleiner Schrift, so klein, dass man die ganze Bibel schnell in die Tasche stecken kann. Für ältere Menschen gibt es Ausgaben mit größerer Schrift. Wer gar kein Buch mehr aufschlägt, kann sich alles auf den Computer herunterladen oder es sich im Fernsehen anschauen. Man kann es sogar auf einem Palm-Gerät lesen – einem kleinen Computer, den man in der Hand halten kann. Es gibt einfach alles Mögliche. Es ist toll. Es gibt überhaupt keine Grenzen mehr. Ich warte nur noch auf die Bibel, die mit Duft herauskommt. Fantastisch!
Stellen Sie sich bitte vor, dass zu Zeiten der Reformation der Buchdruck gerade erst erfunden worden war. Erst dadurch konnten Bücher in größerer Anzahl gedruckt werden. Die Reformation hatte deshalb einen solchen europaweiten Durchbruch, weil die Botschaft damals mit diesem neuen Medium, dem gedruckten Buch, verbreitet werden konnte – auch die Bibel in deutscher Sprache. Das war eine Medienrevolution im 16. Jahrhundert.
Aber wer konnte sich damals so ein Buch leisten? Selbst damals, vorher erst recht, wenn kostbare, handschriftlich vervielfältigte Ausgaben vorlagen – wahre Kostbarkeiten, die nur an ganz wenigen Orten existierten. Überhaupt war es über Jahrhunderte hinweg nicht vorstellbar, dass jeder Christ eine Bibel besitzen konnte. Vielleicht war das theoretisch erst seit etwa zweihundert Jahren möglich, aber auch dann noch nicht für alle durchgängig.
Wir denken oft, es wäre immer so gewesen. Wir haben eigentlich die Idee, sonntags zwischen zehn und elf einmal in den Gottesdienst zu gehen. Aber das ist nicht so. Gottesdienste wurden in der Urchristenheit täglich gefeiert, eigentlich immer. Man kam zusammen, hörte das Wort der Bibel, es wurde vorgelesen. Man prägte es sich ein, lernte es auswendig und lebte damit.
Man brauchte die Gemeinschaft. Manchmal denke ich, wenn ich in der Jugendarbeit versuche, junge Leute zu motivieren, persönlich die Bibel zu lesen, merke ich, wie schwer sie sich tun, die Disziplin aufzubringen, morgens früh genug aufzustehen. Das ist ja nicht nur für junge Leute schwierig. Sich zu konzentrieren beim Bibellesen fällt vielen schwer. Viele lesen sonst kaum. Wie soll man plötzlich so ein schwieriges Buch verstehen und lesen können?
Dann denke ich mir: Es ist doch viel einfacher, wenn man sich trifft und gemeinsam vorliest oder die Bibel zusammen liest. Jeder weiß, dass man sich viel besser konzentrieren kann in Gemeinschaft mit anderen. Das wurde gelebt in Zeiten des Aufbruchs und in der Reformationszeit. Natürlich gab es dort jeden Morgen Gottesdienst. Die Menschen arbeiteten wahrscheinlich viel mehr als wir, und trotzdem traf man sich morgens vor Tagesanbruch, hörte das Wort Gottes.
Was für ein Vorrecht ist es, dass wir heute so preiswerte, lesefreundliche Ausgaben des Wortes Gottes haben! Jeder kann an die Quelle gelangen. Wenn Sie möchten, können Sie drei verschiedene deutsche Übersetzungen parallel lesen – dazu Spanisch und Englisch, wenn Sie das anregt. Das ist unglaublich.
Man kann aus erster Hand informiert sein, wirklich präzise wissen, was Gottes Wort sagt. Man kann selbst nachdenken und prüfen, ob das, was andere sagen, auch stimmt. Wir sind eine bevorzugte Generation. Ich sage das einfach so. Vielleicht klingt es zunächst nur äußerlich, aber in einer Zeit, in der ich den Eindruck habe, alle kennen Schwierigkeiten und sehen vieles als unmöglich an, und viele von den „guten alten Zeiten“ sprechen – was waren die guten alten Zeiten eigentlich?
Gott hat uns in unserer Zeit Möglichkeiten gegeben, wie keine Generation vor uns sie hatte. Warum also rumnörgeln? Es gibt gar keinen Grund! Wenn die Bibel die Quelle der Kraft und der Liebe Gottes ist, die uns darüber informiert, dann haben wir alle Möglichkeiten, den unmittelbaren und direkten Zugang zu haben. Es gibt keine Ausreden.
Nutzen wir die Bibel! Ich freue mich darauf! Ich denke, das wird manche Tür öffnen und Rückenwind geben. Wenn in den Medien über die kulturelle Bedeutung der Bibel gesprochen wird – und wer weiß, was noch alles gesagt wird –, nützt das alles, um Menschen aufmerksam zu machen: Es gibt ein Wort Gottes, den Liebesbrief Gottes in der Bibel.
Dort sagt er uns schwarz auf weiß, wie wichtig wir ihm sind, wie sehr er uns liebt, dass er uns geschaffen hat und in seiner Geduld erhält. Er will uns retten durch Jesus und zum Ziel unseres Lebens führen – zu seiner Ehre.
Jeder darf es wissen. Jeder kann sich informieren. Man muss nicht dumm sterben. Man muss nicht dumm sterben.
Das ist das Erste: Wir sind die bevorzugte Generation.
Die ungenutzten Möglichkeiten der biblischen Orientierung
Und zweitens: Wir leben weit unter unseren Möglichkeiten.
Auf dem Christiwill Anfang Oktober in Kassel war ich an einem Seminar beteiligt. Plötzlich fragte mich ein junger Mann: „Warum willst du eigentlich unbedingt, dass ich die Bibel lese?“ Ich antwortete: „Warum fragst du das? Glaubst du an Jesus?“ „Ja, sicher“, sagte er. Daraufhin fragte ich weiter: „Und woher weißt du, wer Jesus ist?“ „Na ja, das weiß man doch so. Man hat so viel gehört, und das reicht doch vom Hörensagen, was die Leute da so erzählen. So nach Gefühl und Wellenschlag, ein bisschen Nebel.“
Meine Güte, dein Leben ist doch wichtig! Du kannst doch nur etwas vertrauen, über das du dich präzise informiert hast. Gott will ja nicht, dass du dumm durch die Gegend rennst und leichtgläubig irgendjemandem nachplapperst, nur weil es dir gerade gefällt. Mach doch die Augen auf, lerne erkennen, wer Jesus ist.
Darüber haben wir miteinander gerungen. Ich war erstaunt, denn er wollte ganz ehrlich an Jesus glauben. Nun hatte er so ein Kettchen mit dem Buddha um den Hals hängen. Da sagte ich: „Hör mal, wer ist denn das?“ Er antwortete: „Ach so, das finde ich putzig.“ Ja, wir sind merkwürdige Leute. Wir leben weit unter unseren Möglichkeiten.
Angeblich sind wir so kritisch, aber in Wirklichkeit schöpfen wir die Möglichkeiten an präziser Information, die Gott uns gibt, gar nicht aus. Nicht blindes Vertrauen, sondern begründetes Vertrauen mit präziser Information bietet uns die Bibel an. Deshalb gibt Gott uns sein Wort, weil er will, dass wir wissen, worauf wir uns verlassen.
Dass es ein Wagnis ist, dass es Vertrauen, ein Risiko ist, dass es spannender wird als ein Krimi, das ist wohl wahr. Aber wohl begründet, wohl begründet soll jeder Schritt sein. Darüber informiert Gott uns in seinem Wort, darüber informiert er uns. Das ist der Sinn, warum die Bibel geschrieben wurde.
Lukas schreibt: „Da haben auch ich für gut gehalten, nachdem ich alles von Anfang an sorgfältig erkundet habe, es für dich, hochgeehrter Theophilus, in guter Ordnung aufzuschreiben, damit du den sicheren Grund der Lehre erfährst, in der du unterrichtet bist.“ (Lukas 1,3-4)
Wozu? Weshalb? Damit du den sicheren Grund der Lehre erfährst, in der du unterrichtet bist. Das ist der Grund, warum Gott will, dass seine Zeugen in seinem Auftrag und mit seiner Autorität diese Botschaft uns schreiben.
Es gehört zu den innerlich mich am meisten belastenden Dingen, die ich erlebt habe, zu sehen, wie wenig Christen eigentlich von der Heiligen Schrift her begründen können, warum sie an Jesus glauben, warum Jesus der einzige Weg zu Gott ist, warum er allein der Retter ist und warum ein Mensch ohne Jesus verloren ist.
Es mag sein, dass in Zeiten, in denen die offizielle Religion staatlich verordnet das Christentum war und alle, was auch immer innerlich davor ging, sozusagen offiziell glaubten, es mag sein, dass man da im Windschatten solcher Staatsreligion leicht glauben konnte, weil es zu unbequem war, etwas anderes zu glauben, wo die meisten mit dem Kopf nickten.
Wir leben in anderen Zeiten. Alles ist gleichgültig, und wer sich anmaßt zu sagen, dass er die Wahrheit bekennt, die für alle gilt, gilt als Fanatiker, als Fundamentalist, als völlig unakzeptabel in unserer Gesellschaft. Da hört der Spaß auf.
Das heißt, wir sind nicht mehr in einer Zeit, in der man einfach behaupten kann, indem man in einem Traditionsstrom glaubt, sich schützen zu können. Der Wind bläst ins Gesicht. Ein Glaube, der keinen Grund hat, der keinen sicheren Grund hat, hat heute keinen Bestand.
Das ist das Problem von Jung und Alt, jeweils auf besondere Weise. Die einen verlassen sich auf ihr Gefühl. Also ob Gefühl irgendetwas begründen könnte! Gefühl ist das Unbeständigste, was es gibt. Es kommt und geht. Es sagt überhaupt nichts. Aber wir ziehen uns aufs Gefühl zurück und sagen: „Also ich empfinde das so, und es tut mir so gut.“ Der andere mag etwas anderes empfinden, was soll's?
Andere schützen sich einfach in ihrer Tradition und sagen: „So haben wir es immer gemacht, und da bleiben wir dabei.“ Ich meine, das ist auch keine besonders intelligente Argumentation.
Da verstehe ich viele junge Leute, die sagen: „Wenn das das Einzige ist, was als Begründung hierherhält, dann überzeugt mich das überhaupt nicht.“ Wenn Hunderttausende in die falsche Richtung marschieren, dann ist die Richtung nicht deshalb richtig, weil Hunderttausende in die falsche Richtung marschieren.
Traditionen gibt es viele. Wir leben in einer Zeit, in der es begründet sein muss, worauf ich mich verlasse und warum ich mich auf Jesus verlasse. Warum ist er der Weg?
„Ja“, sagt Lukas, „das ist nichts Neues, das ist nicht etwas, was heute im 21. Jahrhundert plötzlich aktuell wird. Das steht am Anfang der Geschichte. Das Evangelium beginnt damit, deshalb schreibe ich es auf, damit du den sicheren Grund der Lehre erfährst.“ (Lukas 1,1-4)
Das ist das Trauerspiel der Kirchengeschichte, das hier eigentlich eine dauernde Geschichte ist: Den Christen wurde die Bibel aus der Hand genommen, aus verschiedenen Gründen. Wir sind alle so dumm, sie selbst zu leben. Wir brauchen immer ein paar Kleriker oder Wissenschaftler, die uns erst mal sagen, wie wir es verstehen müssen.
Wir werden entmündigt, und dadurch wird der Glaube unsicher. Wir wissen nicht, wer Jesus ist. Und weil wir nicht wissen, wer Jesus ist, wissen wir nicht, wer Gott ist.
Es geht ja gar nicht nur ums Wissen im Kopf. Erkennen in der Bibel ist ja immer ein Wissen, das die Praxis einschließt. Jesus sagt: „Wer meine Rede hört und tut sie, der ist ein guter, kluger Baumeister. Wer meine Rede hört und tut sie nicht, der ist ein Tor, der sein Haus auf Sand baut.“ (Matthäus 7,24-27)
Es geht nicht nur ums Wissen und Theorie, sondern ums Wissen und Tun. Aber ich kann nichts tun, was ich nicht weiß. Und eine sichere Gründung unseres Glaubens, sodass ich getragen bin, geborgen bin und Gewissheit habe, gibt Gott uns dadurch. Wir können sie uns nicht selber geben.
Aus mir selber kommt doch keine Gewissheit. Wenn ich eine starke Überzeugung habe und meine, das wäre es jetzt, ist das vielleicht nur Dummheit, weil ich nicht genug Fragen gestellt habe, oder ein Rausch, und irgendwann kommt der Kater.
Ich kann mir die Gewissheit über Gott nicht selber geben. Alles, was in mir ist, ist unsicher. Man wirft den Anker nicht ins Schiff, er muss draußen sein, außerhalb.
Reformatoren haben deshalb gesagt: Das Wort von außen, das verbum externum, das Evangelium ist ein Wort, das ich mir nicht selber sagen kann. Gott muss es mir sagen: „Dir sind deine Sünden vergeben, du bist angenommen, du bist mein Kind.“
Der Heilige Geist vermittelt es. Er ist der Dolmetscher unseres Gewissens hinein, aber Gott muss es sagen. Und er sagte es uns dokumentarisch in seinem Wort, so wie schwarz auf weiß, gegen alle Anfechtung.
Wir können es uns nicht selber sagen. In uns selber brodelt ein religiöser Nebel, der alles Mögliche produziert, aber nicht die Gewissheit, dass Gott ist, wer Gott ist und wie er zu uns steht als der heilige, liebende und rettende Gott.
Das kann sich niemand selber sagen. Das ist die Grunderkenntnis der Reformation gewesen. Sie ist im Kampf Martin Luthers in der Gewissensnot entstanden: Das Wort zu hören „Dir sind deine Sünden vergeben, um Christi willen, weil er gestorben und auferstanden ist, so wie es geschrieben steht“, schwarz auf weiß dokumentiert.
Im Heiligen Geist schafft so Gott Gewissheit, einen sicheren Grund der Lehre, einen sicheren Grund der Lehre. Und deshalb fing das an.
Lesen Sie die Geschichte von den ersten Christen: „Sie blieben beständig in der Apostellehre.“ (Apostelgeschichte 2,42) Das ist es: Bibel lesen!
Nicht mal das, was die Apostel sagen, das lesen wir im Neuen Testament. Sie blieben beständig in der Apostellehre. Vertrauen zu Jesus kann nur wachsen, wenn ich ihn besser kenne, wenn ich mehr weiß, besser weiß, wer er ist, ihn kennenlernen.
Das ist das Spannende an der Bibel: Man kann ein Leben lang, Jahrzehnte lang sie lesen und immer denken, es ist ein neues Buch, das kreative Wort Gottes. Gott zeigt uns neue Seiten in neuen Lebenssituationen, in veränderten Umständen auf eine ganz frische, originelle Weise.
So lernen wir ihn kennen. Und solange wir leben in dieser Welt, haben wir nur Teilwissen. Bruchstückwerk ist unser Wissen, sagt Paulus. Erst wenn wir verwandelt werden in Gottes Herrlichkeit, unsere Augen anders werden, dann werden wir ihn sehen, wie er ist. (1. Korinther 13,12)
Bis dahin ist es eine Pilgerschaft, ihn besser kennenzulernen. „Ich möchte ihn erkennen“, sagt Paulus gegen Ende seines Lebens, „die Kraft seiner Auferstehung, die Teilhabe an seinen Leiden.“ (Philipper 3,10)
Das ist der Prozess, das ist der Reichtum der Heiligen Schrift: dass wir sicheren Grund unter die Füße bekommen.
Das ist das Zweite: Leider leben wir weit unter unseren Möglichkeiten. Es muss aber nicht sein. Es gibt überhaupt keinen zwingenden Grund dazu. Das ist eine selbstverordnete Armut und Kümmerlichkeit, für die es überhaupt keine Entschuldigung gibt.
Die lebensspendende Kraft des Wortes Gottes
Und das Dritte ist: Wir brauchen die Energie des Wortes Gottes. Aus welcher Kraft lebe ich? Woher nehme ich die Kraft, um die unerhörten Herausforderungen des Lebens zu bewältigen? Ob man jung oder alt ist – jede Lebenssituation bringt neue Herausforderungen und Belastungen mit sich. Immer denkt man, das seien jetzt die schlimmsten.
Kleine Kinder, kleine Sorgen; große Kinder, große Sorgen, sagen die Älterwerdenden. Sie dachten, früher hätten sie die Sorgen gehabt, und wenn diese mal so aus dem Gröbsten raus sind, dann wird alles Paradies sein. Doch man merkt: Jede Lebensphase hat ihre Belastungen – sei es durch die Arbeit, durch Beziehungen, in Ehen, in Familien oder beruflich. Vieles ist so niederdrückend, persönlich und gesellschaftlich. Woher also die Kraft nehmen?
Im Hebräerbrief Kapitel 4, Vers 12 steht dieses große Wort: „Das Wort Gottes ist lebendig und energisch.“ So heißt es dort wörtlich, im Griechischen „energisch“. Es ist voller Energie. Es gibt so verkrampfte Vorstellungen; manche Christen spielen sich auf, als müssten sie die Bibel erst mit Tricks und Methoden aktuell machen. Wenn das ein alter Hut ist, macht sie das nicht aktuell. Dann ist sie nur noch interessant für Historiker, die altes Zeug gerne studieren.
Aber wenn Jesus auferstanden ist und der kommende Herr ist, dann liegt das Geheimnis der Bibel darin, dass er heute tut, was er damals nach der Auferstehung mit den beiden Männern tat, die nach Emmaus gingen. Diese sagten später: „Brannte nicht unser Herz in uns, als er uns auf dem Weg die Schrift öffnete?“ Das Geheimnis der Heiligen Schrift ist, dass sie auferstanden im Heiligen Geist selbst ist. Deshalb ist das Wort Gottes voller Energie, voller Kraft.
Wie soll man leben ohne dieses Wort? Woher soll man die Kraft nehmen? Ich weiß gar nicht, warum, wenn man leitende Aufgaben hat, dann muss man so ein furchtbares Image verbreiten, das so wichtig, touristisch und albern ist, dass die Leute alles Mögliche denken. Da fragt mich jemand: „Haben Sie denn eigentlich noch Zeit, persönlich die Bibel zu lesen und stille Zeit zu halten?“ Da war ich richtig erschrocken, weil man eigentlich unterstellt, dass diejenigen, die so beschäftigt sind mit Christentum, das sicherlich nicht mehr tun. Das sei etwas für junge Leute, die lernen, Bibel zu lesen und stille Zeit zu machen. Aber die Profis, die haben das ja studiert, die brauchen so etwas nicht. So hektisch, wie die durch die Gegend rennen.
Da war ich wirklich erschrocken. Und ich sagte: Es ist inzwischen so, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, mit denen ich zusammenarbeite, mit denen ich arbeiten darf, man ihnen nicht wünschen darf, einen Tag mit mir zu erleben, an dem ich morgens keine Zeit hatte, gründlich die Bibel zu lesen und zu beten. Ich kann mir das nicht mehr leisten. Ich bin zu dünnhäutig, zu nervös. Ich muss aus meiner eigenen Kraft leben? Nein. Ich kann die Tage nicht mehr bewältigen ohne die Kraft aus den Worten Gottes.
Deshalb verstehe ich das Problem nicht, wenn jemand sagt: „Ich habe keine Zeit.“ Jeder von uns hat 24 Stunden am Tag. Die Frage ist: Was ist Ihnen wichtig und was unwichtig? Aus welcher Kraft leben Sie? Beschweren Sie sich bitte nicht, dass Sie heiß laufen und einen Rappel kriegen, wenn Sie Ihre Prioritäten anders setzen. Wo schöpfen Sie Ihre Kraft her?
Ich bin nicht charakterstark genug, um irgendwann am Tag Zeit zu finden, um die Bibel zu lesen. Ich muss das morgens machen, bevor die Kiste richtig anfängt zu rasen. Wenn ich da nicht meine zwanzig Minuten bis halbe Stunde stille Zeit bekomme, finde ich sie selten noch im Laufe des Tages. Vielleicht sind Sie viel charakterstärker als ich. Aber das Problem, aus welcher Kraft Sie leben und sterben wollen, haben Sie genauso wie ich.
Das Wort Gottes ist nicht dazu da, um fromme Leute frommer zu machen, sondern um uns mit den elementaren Herausforderungen des alltäglichen Lebens zu helfen. Wir dürfen aus der Kraft der Ewigkeit leben – der Kraft des Auferstandenen, der uns ein kostbares Wort gibt, das wir verstehen können. Das ist die Selbsterniedrigung Gottes. Göttlich verstehe ich nicht, ich verstehe nur menschlich. So menschlich und nah redet er und gibt es mir so in die Hände, dass ich es lesen kann. Ich kann es stehen lassen, verstauben lassen oder missbrauchen. Aber er will, dass ich es lese und weiß, welche Kraft er mir geben will.
Als ich jung war – ich weiß gar nicht, ob Sie das noch kennen – war eine der größten Sportarten, die wir mochten, das Seifenkistenrennen. Diese Kisten sahen aus wie Formel-1-Wagen, selbst gezimmert, hatten aber keinen Motor. Neulich bin ich noch mal über so eine Straße gefahren, jetzt eine vierspurige Straße. Dort könnte man nie mehr Seifenkistenrennen machen, so wie der Verkehr ist. Wir sind auch damals, wenn kein Rennen war, dort gefahren, herrlich war das.
Es musste bergab gehen, und dann kam es darauf an, wer am besten geölt und die beste Konstruktion hatte. Dann lief das Ding. Es hatte eine Bremse, die, wenn man Glück hatte, auch funktionierte. Wenn nicht, musste man sehen, dass man irgendwo in einem Busch landet, wo man halbwegs glimpflich davonkommt. Seifenkistenrennen war ein schöner Sport. Nur so eine Seifenkiste, diese Art von Mobil taugt nichts, um bergauf zu fahren. Es sei denn, man musste sie ziehen. Dann konnte man nicht drin sitzen und sich schnell fortbewegen. Das war furchtbar lästig, aber es war den Spaß wert.
Das Leben ist kein Seifenkistenrennen. Aber viele Christen laufen ohne Motor herum. Sie haben eine stolze Karosserie, die auch ganz schnittig aussieht, und es gibt viele Modelle – wie in der Autoindustrie. Religiösität ist heute ein Supermarkt der Religion. Jeder kann sich seinen Typ aussuchen – vom Smart bis zum Ferrari oder S-Klasse-Mercedes, wie es ihm gefällt. Der religiöse Supermarkt ist großartig ausgestattet – alles Kisten ohne Motor.
So sehen die Leute aus: angestrengt, überfordert, krachend, quälen sich über die Runden. Wir möchten es auch gern, es macht uns irgendwie auch Spaß. Deshalb sind Religionen, in denen Menschen sich richtig quälen können, besonders beliebt. Geschenkt will keiner etwas haben in Deutschland, wir sind viel zu arrogant. Aber wenn jemand kommt und erklärt, welche Strapazen dieser oder jener Weg hat, in der Selbsterlösung, sind wir bereit, es zu glauben. Auch wenn wir es dann nicht schaffen, rechnen wir uns so gut, dass wir alle Fehler haben und schwach sind. Na ja, es wird schon irgendwie werden. Merkwürdige Leute.
Gott bietet uns sein Wort an. Gottes Wort ist lebendig und kräftig. Es schneidet mitten in unser Leben hinein, sagt die Bibel. Es ist schärfer als ein zweischneidiges Schwert. Aber ich möchte im Augenblick unterstreichen, dass es energisch ist und dass wir nicht ohne diesen Antrieb leben müssen. Niemand muss ohne das leben. Christentum ohne diesen Antrieb kann furchtbar mühselig sein.
Manchmal denke ich mir, die Leute quälen sich so. Es ist so schade, dass sie in ihren Seifenkisten ohne Motor herumrennen – ohne die Kraft des Wortes Gottes.
Die belebende Hoffnung durch das Wort Gottes
Und dann will ich Ihnen noch ein Viertes und Letztes sagen: Wir sind die bevorzugte Generation. Zweitens leben wir weit unter unseren Möglichkeiten. Drittens brauchen wir die Energie des Wortes Gottes, und viertens brauchen wir das Feuer der Hoffnung.
Ich finde es immer sehr hilfreich, die Bibel zu fragen, was sie über sich selbst sagt. Im Römerbrief lesen Sie einen sehr, sehr interessanten Satz darüber, wozu die Bibel gut ist. Paulus schreibt: „Denn was zuvor geschrieben ist“ – er meint hier das Alte Testament, da das Neue Testament gerade erst entstand, etwa der Römerbrief, in dem er das schreibt – „das ist uns zur Lehre geschrieben, damit wir durch Geduld und den Trost der Schrift Hoffnung haben.“
Der Gott aber der Geduld und des Trosts gebe euch, dass ihr einträchtig gesinnt seid untereinander, sagt er dann. Durch Geduld und Trost der Schrift – Geduld heißt Belastbarkeit, Spannkraft – und durch Ermutigung, die die Schrift gibt. Er sagt also, Gott hat uns dieses Wort gegeben, damit wir die Geschichte Gottes mit den Menschen lesen. So können wir sehen, wohin man kommt, wenn man Gott den Rücken kehrt. Wir sehen, wie Gott in seiner unendlichen Geduld uns nicht aufgibt, seine Welt nicht aufgibt und immer wieder mit uns neu anfängt.
Die ganze Bibel ist eine Geschichte der Geduld Gottes mit seinen Menschen. Lesen Sie die Herausforderungen, die Kämpfe, die Nöte, das Weinen, die Freude, die Feste. Es ist kein Philosophiebuch, sondern die Dokumentation einer unglaublich spannungsreichen Geschichte von Gottes Ursprüngen her mit der Welt hin zu seinen Zielen mit der Welt. Geben Sie sich hinein in diesen Spannungsbogen, so werden Sie ermutigt, sagt er. Sie werden Spannkraft bekommen, und Ihr Leben wird vom Feuer der Hoffnung erfüllt.
Das Lesen der Bibel steckt an mit dem Feuer der Hoffnung, weil es uns hineinnimmt in diese Vorwärtsbewegung. Plötzlich merkt man: Ich lese nicht über jemanden, der vor zweitausend Jahren da war und wer weiß, was getan und gesagt hat, sondern der ist derselbe, der kommt. Er wird das letzte Wort der Weltgeschichte sprechen. Er wird die Toten aus den Gräbern rufen, er wird die Tränen abwischen, er wird den neuen Himmel und die neue Erde schaffen, in der Gerechtigkeit wohnt. Er wird Recht schaffen und er wird richten. Und wir werden alle – Glaubende und Nichtglaubende, Zweifler, Verächter und Begeisterte – vor ihm Rechenschaft geben.
Plötzlich sieht die Welt anders aus. Ich kann heute mit einer ganz anderen Spannkraft leben, weil der gekreuzigte und auferstandene Jesus mir den Rücken freihält und mir heute Geborgenheit schenkt. Der wiederkommende Herr öffnet mir die Zukunft, auf die ich zuversichtlich zugehen darf.
Was für ein Buch, was für ein Buch! Und jeder kann es lesen, jeder kann es haben. Man bekommt es geschenkt. Es ist für alte und für junge Augen. Und wer weiß, was – ich komme zum Anfang zurück – wir sind die bevorzugte Generation. Der ganze Reichtum der Freude ist uns geschenkt in der Bibel, der Quelle der Freude. Der große Psalm, das große Lied von Worten Gottes, ist der Psalm 119. Es ist doch der längste Psalm, und zwölfmal kommt im Psalm 119 vor, dass das Freude macht, dass ich Freude habe an Worten Gottes.
Der Satz, der mir die meiste Freude macht, heißt: „Ich freue mich an deinem Wort, an deinen Wegweisungen wie einer, der eine große Beute macht.“ In diesem Sinne möchte ich jeden Tag zu einem neuen Raubzug werden lassen – Beute machen im Reich, in den Worten Gottes, neue Entdeckungen machen. Nehmen und nehmen und wissen, es ist nicht auszuschöpfen, aber ich darf davon leben.
In der Reformationszeit gab es im Durchbruch vier große Alleinworte, mit denen man alles zusammenfassen kann, was die Reformation im Kern bedeutet für die Christenheit. Das heißt: allein Jesus Christus. Und darum allein die Gnade, das Geschenk Gottes zur Rettung. Und darum allein der Glaube, das Empfangen. Ich kann es nur geschenkt bekommen, ich bekomme es nicht aus eigener Kraft. Und allein die Schrift als das Dokument, als die Quelle.
Alle diese vier Alleins sind heute in Kirche und Christenheit in Frage gestellt, sind heute unsicher geworden. Allein Christus kann man doch nicht so sagen. Allein Glaube? Aber man muss sich doch engagieren. Allein Gnade? Na ja, was heißt schon Gnade. Allein die Bibel? Ist das alles historisch echt? Kann man die eigentlich jemandem in die Hand geben, ohne dass er einen studierten Theologen neben sich hat, der ihm sagt, wie er das zu verstehen hat? Alles ist fraglich geworden.
Wir haben neben dem noch anderes: auch Jesus, natürlich, auch Gnade, auch Glaube, auch die Heilige Schrift, natürlich irgendwie. Aber es gibt viel anderes. Die Folge ist, dass unser Leben unsicher, ängstlich, niedergedrückt, traurig und ohne Hoffnung ist.
Das Fundament der Gewissheit, das Fundament der Freude im Leben ist, dass nichts sich auf mich allein gründet, sondern allein auf den gekreuzigten, auferstandenen und wiederkommenden Jesus. Und dass deshalb alles allein Geschenk ist und ich strahlen darf wie ein Honigkuchenpferd, weil er es mir schenkt und mir es niemand nehmen darf.
Deshalb hängt alles allein vom Vertrauen ab, mit dem ich die leeren Hände ausstrecke und sage: Beschenke mich, Herr. Ich bin nicht mehr so stolz, dass ich die Hände verkrampfe und sage, ich muss mich selber versorgen, ich lasse mir nichts schenken.
Und deshalb allein die Schrift, weil das kann sich keiner selber sagen. Es braucht das Wort, das von außen Gott uns sagt, in seinem Dokument, in seinem Liebesbrief, der Heiligen Schrift.
Ich würde mich ja am liebsten nachher am Ausgang hinstellen und ein Notizbuch nehmen – ich weiß, so unverschämt darf ich hier nicht sein – und wenn Sie vorbeigehen, dann notieren: Alle, die sagen, von morgen an stelle ich meinen Wecker und nehme mir mindestens eine Viertelstunde Zeit täglich, um das Wort Gottes zu lesen.
Das fällt einem nicht so zu. Man lernt ja auch nicht von selbst Zähneputzen. Aber wenn man es mal gelernt hat, macht man es ganz von selbst. Man muss nicht jeden Tag eine große Entscheidung treffen. Es ist eine nötige Lebensgewohnheit, so wie auch Frühstücken dazugehört.
Alles, was wir zum Leben wirklich brauchen, braucht man in kleinen, aber regelmäßigen, überschaubaren Portionen. Davon besteht das Leben.
Wenn er uns beschenkt mit seiner Liebe, dann geht es daran, dass wir lernen, diese Tagesportionen in Anspruch zu nehmen.
Helfen Sie sich gegenseitig, verabreden Sie sich miteinander. Es ist doch ganz einfach. Heute unter jungen Leuten – manche Ältere verstehen das ja auch – zweimal die Woche eine E-Mail geschickt: „Wie ist eigentlich deine stille Zeit? Bist du noch dran? Heute Morgen habe ich das und das gelesen, ich verstehe es nicht.“
Vielleicht haben Sie drei, vier Freunde auf Ihrer E-Mail-Liste, die Ihnen sagen, wie sie es sehen. Wenn man sich mit anderen verabredet, stärkt man die eigene gute Gewohnheit.
Training ist das Wichtigste im Leben. Jeder gute Sportler würde nie aus dem Stand einen Marathon laufen. Man muss solide trainieren. Das gestaltet das Leben. Dann macht es Freude, überfordert einen nicht, sondern gestaltet das Leben.
Wenn wir mündig sein wollen, wenn Sie sicheren Grund unter die Füße Ihres Glaubens haben möchten, wenn Sie nicht zufrieden sind mit irgendwelchen unklaren Nebeln, mit denen man weder leben noch sterben kann, dann bitte ich Sie: Nehmen Sie die Kostbarkeit des Wortes Gottes und der Heiligen Schrift und nehmen Sie sie zum täglichen Brot.
Lassen Sie keinen Tag, wenn es irgend geht, vorübergehen, an dem Sie nicht Stille hatten mit dem Herrn aller Herren, der sich herabneigt in Jesus und sich in seinem Wort uns in die Hände gibt.
Reden Sie mit ihm, seien Sie vor ihm still, horchen Sie auf ihn, öffnen Sie sich, um seine Liebe, Kraft, Erneuerung und Inspiration in Ihr Leben hineinzulassen.
Ich bitte Sie darum: Die Reformation war der Durchbruch der Neuentdeckung der Bibel in unserem Volk! Ob die Protestanten heute Grund haben, dieses Fest zu feiern? Wenn ich die Geschichte des Umgangs mit der Bibel betrachte, wären Trauer- und Bußgottesdienste mindestens ebenso berechtigt.
Aber okay, so oder so: Grund zum Feiern ist immer noch da. Die Quelle ist noch da. Noch ist uns die Bibel nicht aus der Hand gerissen. Wer weiß, wie lange noch.