Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!
So eine Veranstaltung ist wie eine Überraschungstüte – man weiß nie, was drinsteckt. Ich wusste auch nicht, dass man hier noch sportliche Höchstleistungen vollbringen muss.
Ich grüße euch alle ganz herzlich heute Morgen in dieser Einheit, die voll auf Kurs durch die Strömungen der Zeit ist.
Markus Völker hat eindrücklich erzählt, was passiert, wenn man in einen anderen kulturellen Kontext kommt, in dem plötzlich ganz andere Spielregeln herrschen. Man kommt aus einem Umfeld, in dem man Entscheidungen vielleicht in Minuten oder Sekunden treffen muss – schnell und oft ohne zu wissen, ob sie richtig oder falsch sind. Man muss sich orientieren.
Solche Wechsel der Verhältnisse gibt es immer wieder. Nicht nur, wenn man in eine andere Kultur kommt, sondern auch, wenn man in eine andere Zeit oder ein anderes Land wechselt oder mit einer neuen Generation zu tun hat.
Wir sind im Leben ständig mit neuen Verhältnissen konfrontiert. Auch als Gemeinde begegnen wir immer wieder neuen Generationen, neuen Strömungen und Bewegungen.
Dann ist es gar nicht so leicht, den Kurs zu halten, den richtigen Kurs zu finden und auf dem Weg zu bleiben, auf dem uns Gott eigentlich haben möchte.
Herausforderungen beim Kurshalten in veränderten Zeiten
Ich habe euch eine Geschichte mitgebracht, in der ein Volk in veränderten Zeiten und unter veränderten Verhältnissen den Kurs beibehalten muss, den ihm sein Gott vorgegeben hat.
Das Volk Israel war vierzig Jahre in der Wüste unterwegs. Vierzig Jahre marschierte es durch karges Land, führte Kriege mit verschiedenen Völkern und gewöhnte sich an dieses Leben. Dieses Leben funktionierte, man arrangierte sich mit der Wüste und machte Erfahrungen mit seinem Gott.
Nun aber, nach diesen vierzig Jahren, kam das Volk endlich ins gelobte Land. Ein Kulturland, von dem in der Bibel gesagt wird, dass Milch und Honig dort fließen. Ein Land, das blüht, wächst und in dem man Ackerbau und Landwirtschaft betreiben kann.
Das Leben veränderte sich nun grundlegend. In diesem Land ist alles anders. Es tauchen viele Fragen auf: Müssten wir unseren Glauben nicht an diese veränderten Verhältnisse, an dieses neue Land und die neue Kulturlandschaft anpassen? Sollten wir unser Denken nicht auch an dieses neue Umfeld anpassen?
In dieser Situation, in der viele Fragen aufbrechen, Zweifel entstehen und viele Stimmen laut werden, die sagen: „Nein, wir müssen es ganz anders machen. Gott war bisher gut, aber jetzt müssen wir neu und anders handeln“, beruft Joshua einen Landtag ein.
Dieser Landtag findet in der Stadt Sichem statt, wo Joshua die Anführer aller Stämme Israels zusammenruft und das ganze Volk versammelt. Es geht um eine Kursbestimmung.
Joshua, der sich am Ende seines Lebens weiß und nicht mehr lange leben wird, will noch einmal den Kurs festlegen. Er möchte sicherstellen, dass Israel seinem Gott auch in einem neuen Land und unter neuen Verhältnissen treu bleiben kann.
Diese Fragen, die Markus Völk angesprochen hat, waren damals überall gegenwärtig.
Die Herausforderung der Anpassung an neue Umstände
Ich möchte drei Verse aus der Geschichte vom Landtag zu Sichem vorlesen, und zwar aus Josua 24, Verse 14 bis 16.
In den ersten dreizehn Versen erzählt Josua die gesamte Geschichte, die Israel mit Gott erlebt hat. Er berichtet von der Geschichte, die Gott mit seinem Volk gemacht hat. Dabei erinnert er das Volk an die Heilsgeschichte, die es bisher mit seinem Gott erlebt hat.
Dann folgt das Fazit in Vers 14: „So fürchtet nun den Herrn und dient ihm treu und rechtschaffen. Lasst fahren die Götter, denen eure Väter jenseits des Euphrat-Stroms gedient haben, und in Ägypten, und dient dem Herrn!“
Josua fährt fort: „Wenn es euch aber nicht gefällt, dem Herrn zu dienen, dann wählt euch heute, wem ihr dienen wollt: den Göttern, denen eure Väter jenseits des Stroms gedient haben, oder den Göttern der Amoriter, in deren Land ihr jetzt wohnt. Ich aber und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen.“
Darauf antwortete das Volk: „Das sei ferne von uns, dass wir den Herrn verlassen und anderen Göttern dienen!“
Das war damals ein ganz sensibler Punkt. In der antiken Welt herrschte die Überzeugung, dass in jedem Land eigene Götter herrschen. Jedes Land hatte seine eigenen Götter, und diese Götter zogen nicht um. Sie mochten keine Umzüge und begleiteten ihre Anhänger nicht an einen neuen Ort.
Wenn man in der antiken Welt umzog, was damals selten war, dann war es üblich, sich im neuen Land mit den dortigen Göttern zu arrangieren. Das war das damalige Denken, eine Art antike Götterlandkarte. In Kanaan, wo das Volk Israel jetzt lebte, gab es andere Götter, und man musste sich mit ihnen arrangieren.
Das war vergleichbar mit einem Umzug heute: Wenn man nach Hamburg zieht, gelten andere Sitten; zieht man nach Peru, erst recht. Man müsste sich also auch mit den Göttern des neuen Landes arrangieren, wenn man schon dort lebt.
Das war die große Frage: Welchen Kurs wollen wir fahren? Diese Frage stellt sich immer wieder, wenn neue Generationen kommen. Darf nicht jede Generation den Kurs neu bestimmen?
Damals sagte man sich: Unsere Väter lebten vor Abraham in Mesopotamien, am Euphrat und Tigris. Sie hatten ganz andere Götter. Wäre es nicht logisch, wenn wir, die wir jetzt durch die Wüste gezogen sind und in ein anderes Land kommen, genauso verfahren wie unsere Väter, die ihre Götter wechselten und sich mit den Göttern vor Ort arrangierten?
Damals war es normal, dass man für jeden Lebensbereich einen eigenen Gott hatte: Für die Landwirtschaft einen Gott, der für Fruchtbarkeit sorgte, und für Kriegssituationen Kriegsgötter. So teilte man sein Leben in Bereiche auf, und für jeden Bereich gab es eigene Götter.
Aus dieser Situation entstanden viele Fragen, die man Josua stellte: Muss unser Glaube nicht dem Lebensgefühl der sesshaften Landwirte entsprechen? Müssen wir uns in einem neuen Land nicht auch religiös neu orientieren? Sollten wir uns nicht mit den religiösen Erfahrungen der einheimischen Landwirte auseinandersetzen?
Der Gott, an den wir bisher glaubten, war für die Wüste ganz okay. Er hat sich im Kampf mit anderen Völkern bewährt und kennt sich mit Befreiungskämpfen und Eroberungszügen aus. Aber kennt sich dieser Gott auch mit Landwirtschaft aus?
Das war die ernste Frage, die die Menschen damals bewegte: Kennt er sich mit Fruchtbarkeit und Ackerbau aus? Wir müssen uns jetzt auf dieses neue Leben einstellen. Können wir mit diesem Gott weitermachen, oder sollten wir nicht die Götter der Einheimischen, wie Baal und Astarte, annehmen?
Diese Götter kannten sich mit Fruchtbarkeit aus. Sollten wir uns nicht an den Sitten des Landes orientieren und auch ihre Götter aufnehmen?
Das waren die Ausgangsfragen damals.
Die Frage nach der Anpassung des Glaubens an neue Lebensbedingungen
Und vielleicht kennt ihr diese Fragen ja. Ich kenne sie jedenfalls in Hülle und Fülle. Können wir heute noch an dieses uralte Buch glauben? Meine Güte, zweitausend Jahre sind vergangen, und wir lesen immer noch in alten Schriften. Können wir es uns in einer modernen Zeit, in der ständig neue Messen gefeiert werden, noch leisten, uns mit solchen alten Büchern zu beschäftigen?
Man kann es auch radikaler formulieren: Können wir es uns heute noch leisten, an einen blutrünstigen Gott zu glauben, der seinen Sohn opfert? In der antiken Welt, okay, da waren die Menschen vielleicht noch etwas beschränkt, für sie war dieser Gedanke wichtig. Auch im Mittelalter hat das noch gepasst. Aber gilt das heute noch für uns?
Können wir es uns heute noch leisten, Lebensregeln zu befolgen, die zwei- oder dreitausend Jahre alt sind? Wertvorstellungen, die uralt sind – sollten wir uns nicht vielmehr dem Lebensgefühl einer modernen Gesellschaft anpassen? Wer kann es sich heute noch leisten, ein Versprechen abzugeben, das bis zum Tod gilt? Und überhaupt: Kann denn Liebe Sünde sein?
Diese ganzen Fragen, die mit „Können wir heute noch…“ beginnen, tragen immer den Anspruch mit sich, dass veränderte Umstände einen veränderten Glauben erfordern. Das ist die Ausgangslage bei diesem Landtag zu Sichem. Und das ist auch unsere Ausgangslage bei allen Fragen, die uns im Wandel der Zeit immer wieder begegnen.
Jetzt will ich einmal in diese drei Verse hineinhören: Was hat Josua getan? Wie ist Josua diesen Ansprüchen und Anfragen begegnet? Wie begegnet er dem Anspruch eines veränderten Glaubens in veränderter Zeit?
Drei Prinzipien für das Kurshalten in bewegten Zeiten
Ich möchte drei Punkte nennen.
1. Gottes Kurs kennen als Grundlage für Orientierung
Erstens: Um den Kurs zu halten, muss ich wissen, was Gottes Kurs ist. Ich muss den Kurs Gottes kennen, um meinen eigenen Kurs zu bestimmen.
In den ersten dreizehn Versen rezitiert Josua noch einmal die gesamte Geschichte, die Gott mit seinem Volk Israel gemacht hat. Er erzählt alles, was sie mit Gott erlebt haben, und erklärt, wie sich Gott machtvoll in diesem Volk erwiesen hat. Alles, was Israel ist, hat Gott geschenkt. Israel lebt von der Güte Gottes; er hat alles geschenkt.
Das ist ein ganz entscheidender Punkt. Josua macht das nicht nur der Form halber. Er macht klar: Wir bleiben nur dann auf Kurs, wenn wir zurückblicken und uns fragen, was der Kurs unseres Gottes mit uns war. Was hat Gott für uns, mit uns für eine Geschichte gemacht? Wer ist dieser Gott, mit dem wir unterwegs sind? Nur wenn ich zurückblicke, finde ich den Weg nach vorne.
Nur wenn ich weiß, wie sich dieser Gott in der Geschichte mit seinem Volk erwiesen hat, nur wenn ich weiß, wie sich dieser Gott in Jesus Christus mit uns eingelassen hat, finde ich meinen Kurs nach vorne. Unser Glaube lebt elementar von der Erinnerung an das, was Gott getan hat.
Ich weiß nicht, ob ihr euer Glaubensbekenntnis noch auswendig kennt, das apostolische Glaubensbekenntnis. Dort geht es von vorne bis hinten darum, was Gott getan hat. Es wird Geschichte erzählt: Jesus Christus, empfangen vom Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus. Es geht um Geschichte.
Wenn man wissen will, wie man in die Zukunft startet, muss man wissen, was Gott mit uns schon getan hat, worauf unser Glaube ruht und worauf wir bauen können. Wenn in eurem Jugendkreis immer wieder neu eine Kursbestimmung vorgenommen wird, dann muss man zurückblicken, um den Weg nach vorne zu finden.
Man muss sich mit Gott und seiner Geschichte, mit uns Menschen, beschäftigen, um den Kurs zu verstehen, den Gott mit uns geht. Lebendiges Christsein gibt es immer nur auf der Basis von biblischem Wissen. Gewissheit im Glauben gibt es immer nur mit einem Wissen um den Glauben. In dem Wort „Gewissheit“ steckt ja das Wort „Wissen“ drin.
Ich muss wissen, wer Gott ist und welchen Weg er mit seinen Menschen geht, um Gewissheit für das eigene Leben zu empfangen. Ich muss Gottes Kurs kennen, um meinen Weg durch die Strömungen der Zeit zu finden.
Das Problem ist, dass wir Menschen so unglaublich vergesslich sind. Die größte Bedrohung unseres Glaubens ist nicht die Verfolgung. Die größte Bedrohung ist auch nicht die Versuchung. Die größte Bedrohung ist auch nicht die Verführung. Die größte Bedrohung ist am Anfang immer die Vergesslichkeit.
Wenn wir den Kurs Gottes vergessen, wenn wir Gott und seine Güte vergessen, werden wir anfällig für Verfolgung, Versuchung und Verführung.
Wir leben heute sehr erfahrungsbezogen. Das ist okay und gut, nicht negativ. Es ist gut, wenn man Erfahrungen mit Gott macht. Schließlich glauben wir an einen Gott, der lebt, an einen Gott, der in Jesus Christus den Tod besiegt hat, der auferstanden ist und der heute in diesem Raum ist, der mit uns eine Geschichte macht und mit uns einen Weg durchs Leben geht.
Man kann mit ihm reden, und Gott erhört Gebet. Man kann Erfahrungen mit Gott machen. Aber ich muss den Kurs Gottes kennen, um zu begreifen, was Erfahrungen mit Gott sind und was nur Einbildungen meiner Fantasie sind.
Ich muss den Kurs Gottes kennen, um die Erfahrungen, die Gott mir schenkt, von denen zu unterscheiden, die nur aus meiner Fantasie heraus entstehen, von den Illusionen meines eigenen Ichs.
Ich muss Gott kennen, um zu wissen, was von Gott kommt und was nicht von Gott kommt. Wer erklärt mir eigentlich meine Erfahrungen? Wer sagt mir, wie ich mein Leben verstehen kann? Ich brauche jemanden, der mir einen Maßstab gibt, damit das Leben und die vielen irritierenden Erfahrungen meines Lebens für mich verständlich werden und ich den Weg finde.
Deshalb muss ich den Kurs Gottes kennen, um meinen Kurs zu finden.
Wer heute aufhört, sich mit der Bibel zu beschäftigen, wer heute aufhört, sich mit dem Kurs Gottes zu beschäftigen, der ist morgen allein mit seinen Erfahrungen.
Ich finde es so toll, dass wir eine Band haben, die mit uns Lieder singt, und wir haben neue Lieder, das ist gut. Aber bei manchem Lied frage ich mich schon, was wir da eigentlich singen.
Es gibt seit ein paar Jahren dieses flotte Lied, das mir von der Melodie her sehr gut gefällt: „Freude, die von innen kommt.“ Es beginnt so: „Etwas in mir macht mich ganz gewiss, dass es dich gibt.“ Ich habe mich immer gefragt, wenn ich dieses Lied singe: Was ist eigentlich dieses Etwas in mir? Was ist dieses Etwas, das mich gewiss macht, dass es Gott gibt? Sind es meine inneren Erfahrungen, meine Erlebnisse?
Dann stellt sich die nächste Frage: Kommt eigentlich die Freude Gottes wirklich von innen? Wenn man ein bisschen nachdenkt, wenn man Lieder singt, glaube ich offen gesagt, dass es genau umgekehrt ist.
Was mir Gewissheit gibt in meinem Leben, kommt von außen. Was mir Gewissheit schenkt, ist dieser Kursgott, dieses Wort Gottes, das den Kurs vorgibt. Was mir Gewissheit gibt, ist der Heilige Geist.
Wenn wir uns darauf verständigen könnten, dass dieses „Etwas in mir“ der Heilige Geist ist, dann könnten wir uns auch mit der etwas lapidaren Formulierung „Etwas in mir“ arrangieren. Ich spreche lieber vom Heiligen Geist.
Auch die Freude Gottes kommt bei mir jedenfalls nicht von innen, sondern immer von außen. Das wird übrigens in der Weihnachtsgeschichte ganz deutlich. Die Hirten auf dem Feld bekamen ihre Freude nicht vom Schafehüten in einer arschkalten Nacht, sondern von den himmlischen Heerscharen, die ihnen eine Freude von außen verkündeten. Diese Freude ließ sie in dieser Nacht nicht mehr los.
Was wir brauchen, um den Kurs für unser Leben, für unseren Jugendkreis, für unsere Gemeinde und für eine weltweite Missionsarbeit zu finden, ist immer der Rückblick, die Erinnerung an den Kurs Gottes, den er mit seinem Volk und den er in Jesus Christus mit seiner Gemeinde schon eingeschlagen und vorgegeben hat.
Was wir brauchen, um es auf den Punkt zu bringen, ist biblische Lehre. Martin Luther hat es am Ende seines Lebens auf den Punkt gebracht. Er sagte: „Es ist mir alles, alles um die Lehre zu tun. Wo die Lehre recht ist, da ist alles Recht: Glaube, Werke, Leben, Leiden und so weiter. Wo die Lehre nicht recht ist, da ist alles umsonst, alles verloren und alles gänzlich verdammt.“
Übertragen könnte man sagen: Es ist mir alles um den Kurs zu tun. Das war das Thema bei Josua: Es ist mir alles um den Kurs zu tun, den ihr als Volk Israel geht.
Wo der Kurs recht ist, da ist alles richtig, auch wenn euch die Leute davonlaufen. Bei Gott muss immer der Kurs stimmen, nicht der Erfolg und auch nicht unbedingt die Zahlen.
Das ist der große Unterschied zu den Strömungen der Zeit. Dort sind wir oft beeindruckt von den Zahlen. Dann sagen Menschen: Wenn die Zahlen stimmen, wenn die Zahlen groß sind, wenn der Erfolg da ist, dann muss das ja stimmen.
Bei Gott ist es völlig anders. Bei Gott heißt es: Der Kurs muss stimmen, und alles andere regelt sich von selbst. Die Zahlen können sein, wie sie wollen, auf den Kurs kommt es an.
2. Die Notwendigkeit entschiedener Menschen
Ein zweites Mal: Um den Kurs zu halten, brauche ich entschiedene Menschen. Ein Kapitän kann ein großes Schiff kommandieren, doch wenn seine Mannschaft nicht mitmacht, wird das Schiff seinen Zielhafen nicht erreichen. Der Kapitän kann Manöver so oft kommandieren und befehlen, wie er will – es wird nichts passieren, wenn die Mannschaft bei jedem Kommando erst diskutiert und fragt: „Machen wir das jetzt?“
Ob das Steuer nun rübergezogen oder andersherum gedreht wird – ohne klare Zusammenarbeit kann die Seereise vergessen werden. Wenn jeder macht, was er will, ist das immer der Anfang vom Ende. Das wusste auch Joshua. Deshalb fordert er seine Mannschaft, sein Volk, zu einer Entscheidung auf: Wollt ihr diesem Herrn noch dienen? Wollt ihr auf diesem Kurs weiterlaufen oder nicht?
Joshua stellt seinem Volk eine klare Wahl: Wollt ihr Gott folgen oder den fremden Göttern, die in dieser Region verehrt werden? Lebendiger Glaube entsteht immer nur auf der Basis klarer Entscheidungen. Er entsteht nie aus einem diffusen „Weiß nicht so genau“. Wir kommen nur voran, wenn Menschen – ich und andere – eine klare Entscheidung treffen und sagen: „Jawohl, wir haben uns festgelegt. Das ist der Kurs, den wir gehen wollen.“
Lebendiger Glaube basiert auf klaren Entscheidungen. Das gilt ganz persönlich für dein und mein Leben. Wir kommen nur voran und erlangen Tiefe sowie geistliche Reife, wenn wir Entscheidungen treffen. Es geht um Grundentscheidungen, aber auch immer wieder um klare Richtungsentscheidungen: Wie halten wir es hier oder dort?
Bemerkenswert ist, dass Joshua die Entscheidungsfrage völlig offen formuliert. Die Menschen durften wirklich frei wählen: „Wählt heute, wem ihr dienen wollt!“ Ihr könntet auch sagen: „Der Baal hier ist so nett, wir machen es lieber mit ihm.“ Oder: „Die Astarte sieht so hübsch aus in den Figuren, die man schnitzt, also machen wir es mit ihr.“ Ihr könnt wählen!
Das ist in der antiken Welt etwas völlig Einzigartiges. Ein Volk erhält hier die Freiheit, den Glauben zu wechseln. Es erhält die Freiheit, die Beziehung zu Gott zu beenden und eine neue einzugehen. Das ist ein Urbild der Idee der Religionsfreiheit. Gleichzeitig zeigt es, dass diese Freiheit eine elementare Grundlage des biblischen Glaubens ist.
Unser Glaube beruht auf einer Entscheidung Gottes und dann auf unserer Entscheidung. Er basiert immer wieder auf der Freiheit Gottes, sich uns zuzuwenden, und auf unserer Freiheit, Ja oder Nein zu sagen.
Um es kurz zu machen: Da brauche ich entschiedene Menschen. Unser Glaube braucht immer wieder Erneuerungspunkte und Entscheidungspunkte, an denen wir sagen: „Jawohl, das, was ich einmal angefangen habe, will ich heute und in einer neuen Zeit weitermachen.“
Der biblische Glaube braucht Entscheidungen und Freiheit. Er ist ein Glaube, bei dem man auch wieder gehen kann. Das ist einzigartig im christlichen Glauben. Das findet man nicht im Islam, nicht im Hinduismus und in keiner anderen Religion: dass man frei wieder gehen darf.
Nur im Neuen Testament gibt es Geschichten wie die vom verlorenen Sohn. Ein Sohn darf gehen, obwohl er dem Vater das Erbe abgeschwatzt hat. Der Vater weiß genau, wie die Geschichte mit seinem Sohn weitergeht, wie dieser seine Freiheit in der Fremde vergeuden wird. Und doch lässt er ihn gehen.
Wenn Gott seine Kinder gehen lässt, müssen auch wir das können. Denn die Freiheit, die der Vater dem Sohn lässt, ist die Grundlage dafür, dass der Sohn später wieder nach Hause kommt.
Im Neuen Testament gibt es auch die Geschichte vom reichen Jüngling, der mit großer Leidenschaft zu Jesus kommt und fragt: „Was muss ich tun, um das ewige Leben zu bekommen?“ Es entwickelt sich ein tiefes Gespräch, in dem Jesus am Ende die steile Forderung stellt: „Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib es den Armen.“
Dann tritt Stille ein. Der junge Mann zählt sein Vermögen und geht traurig davon. Vielleicht ist euch aufgefallen: Jesus lässt ihn gehen. Ein Topmitarbeiter, der die richtige Frage stellt – und Jesus lässt ihn gehen. Das ist Religionsfreiheit.
Genau das eröffnet Joshua seinem Volk über tausend Jahre zuvor: „Wählt, wem ihr dienen wollt, aber trefft eine Entscheidung!“ Ohne Entscheidung wird es nichts in diesem Land. Ohne immer wieder neue Entscheidungen können wir den Kurs nicht halten oder finden.
Wir brauchen Entscheidungen, denn es gibt keinen geistlichen Hohlraum in unserem Leben. Wenn wir unser Leben nicht geistlich bei Gott festmachen, werden andere Mächte und Kräfte unser Leben besetzen. Diese fragen nicht, ob wir wollen oder nicht.
Freiheit gibt es nur bei dem Gott, der uns fragt: „Willst du auch?“ Alle anderen Mächte, Götter und Götzen dieser Welt kommen als Hausbesetzer, als Einbrecher. Gott ist der Gott, der wissen will: „Willst du auch?“ und deine Antwort möchte.
Es gibt nur eine Alternative: Gott oder die Mächte. Dazwischen gibt es nichts. Auch wenn wir manchmal glauben, wir könnten uns einen Graubereich freihalten und ohne Entscheidung leben – das geht nicht. Wir müssen immer wieder Entscheidungen treffen, besonders im geistlichen Bereich.
Nur Menschen, die verantwortliche Entscheidungen für ihr Leben treffen, können auch verantwortliche Entscheidungen für einen Jugendkreis oder eine Gemeinde treffen. Wer entscheidungsfähig ist, hat eine gute Chance, sein Leben zu bewältigen. Wer das nicht kann, wird am Leben und an Gott scheitern.
Ich wünsche dir den Mut, Entscheidungen für dein Leben zu treffen – für die Frage nach Gott, nach Nachfolge, aber auch ganz praktisch für Partnerschaft, Ehe, Kinder und so weiter. Alles, was in unserem Leben wachsen und gelingen soll, gründet auf einer Entscheidung.
Wenn du nicht bereit bist, Entscheidungen zu treffen, wird nichts wachsen – weder in deiner Gottesbeziehung noch in deinen Lebensbeziehungen.
Um den Kurs zu halten, brauche ich entschiedene Menschen. Bete darum, dass du den Mut findest, nötige Entscheidungen zu treffen.
Und noch ein drittes Mal: Um den Kurs zu halten, brauche ich Vorbilder.
3. Vorbilder als Orientierungspunkte
Um den Kurs zu halten, brauche ich Vorbilder. Joshua hat dem Volk ganz klar eröffnet, worum es geht: Entscheidet euch! Doch er lässt sie nicht allein mit dieser Frage. Er sagt: „Ich und mein Haus wollen dem Herrn dienen.“ Ihr könnt machen, was ihr wollt, aber ich sage euch: Ich und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen.
Was Joshua hier tut, ist von großer Bedeutung. Er bietet sich als Vorbild an. Hört mal her: Ich gehe diesen Kurs. Joshua ist eine orientierende Persönlichkeit. Eine Persönlichkeit, die mit ihrem Leben Orientierung für andere schenkt.
Joshua weiß genau: Diese theologischen Fragen sind uns manchmal zu schwer, zu hoch, zu groß. Und wir treffen unsere Entscheidungen nicht nur mit dem Kopf, also nicht nur durch Denken, sondern vor allem über Beziehungen. Einen Menschen, dem ich vertraue, dem folge ich auch, dem schenke ich mein Ohr und dem bin ich bereit zu folgen.
Wir Menschen brauchen Vorbilder – auch im Glauben. Joshua bietet sich seinem Volk als ein solches Vorbild an. Das sehen wir auch aktuell in der oft schwierigen Debatte um jugendliche Straftäter. In allen Berichten wird immer wieder deutlich: Das waren junge Menschen, die keine Vorbilder hatten oder nur schlechte. Niemand in Familie oder Freundeskreis zeigte ihnen einen positiven Weg.
Wir brauchen positive, gute Vorbilder. Nicht vollkommene Helden, sondern Menschen, die ehrlich und offen über ihren Weg mit Gott erzählen. Menschen, die so wie Joshua sagen: „Ich und mein Haus wollen dem Herrn dienen.“ Trotz aller Schwächen, Kümmernisse, Pleiten, Pech und Pannen, die es im Leben gibt – wir wollen dem Herrn dienen.
Das ist mein Gebet für euch und für mich. Ich bin Seminardirektor in Bad Liebensrell, und mein Gebet ist, dass ich ein Vorbild sein darf – trotz aller Bedingtheiten meines Lebens. Ich bin überhaupt nicht vollkommen, manchmal kümmerlich, manchmal zweifelnd, manchmal angstvoll. Aber ich will meinen Studierenden sagen: „Ich und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen.“ Und ich lade euch ein, zu schauen, wie wir es machen. Wenn es euch nicht abschreckt, macht es genauso. Wir sind gut damit gefahren.
Mein Gebet ist, dass ihr orientierende Persönlichkeiten werdet. Dass ihr den Mut findet, Entscheidungen zu treffen – Grundentscheidungen, aber auch immer wieder kleine. Und dass ihr dann den Mut habt, anderen zu sagen: „Hört mal her, ich und mein Haus, ich und die Menschen in meiner Umgebung, wir wollen dem Herrn dienen.“ Ich mache euch das große Angebot: Schaut in mein Leben hinein, ich lasse euch hineingucken. Wenn ihr dann sagt: „Okay, so würde ich es mir auch wünschen“, dann macht es genauso, dann nehmt Maß an mir.
Unser Leben ist immer eine Predigt. Und noch eins: Unser Leben ist eine lautere Predigt als jede Predigt, die wir mit unserer Stimme halten könnten. Mein Leben ist mir sehr klar eine lautere Predigt als die, die ich heute Morgen über alle verstärkenden Mikrofone halten kann.
Darauf tragen wir eine große Verantwortung – ihr auch. Wir können mit unserem Leben unsere Predigten lächerlich machen. Wir können unseren Predigten die Vollmacht nehmen – oder nennen wir es Zeugnis. Nicht jeder muss hier herumpredigen. Aber wir können mit unserem Leben den Worten, die wir sagen, die Vollmacht nehmen und sie lächerlich machen. Oder wir können unseren Worten doppelte Kraft verleihen, indem wir das leben, was wir sagen, indem wir das tun, wovon wir überzeugt sind.
Das muss gar nicht groß passieren. Es kann ganz schlicht sein. Ich denke an Karl Käsebohrer. Ihr kennt vielleicht die Käsebohrer-Fahrzeuge von Käsebohrer Ulm. Der alte Seniorchef Karl Käsebohrer war eine authentische Persönlichkeit, der große Chef des Unternehmens. Man erzählt, dass er nach einer großen Sitzung zur Mittagspause in die Kantine ging und sich hinten anstellte in die Reihe seiner Arbeiter. Vor ihm standen ausschließlich Arbeiter, die in seinem Lohn und Brot standen.
Ihm gehörte die ganze Firma, er beschäftigte alle Arbeiter. Und er stellte sich hinten an mit seinem Tablett. Als er dran war, merkte er, dass er das Essensmärkchen vergessen hatte. Was machte der Chef? Er ging zurück in den Sitzungssaal, holte sein kleines Essensmärkchen und stellte sich wieder hinten an.
Dass er das getan hat und dass zweitausend Arbeiter das gesehen haben, gab ihm die Vollmacht, bei der Betriebsversammlung zu sagen, dass alles, was er ist, hat und geworden ist, er der Güte und Gnade des Herrn Jesus Christus verdankt. Und das haben sie ihm abgenommen. Das ist Vorbild.
Oder Johann Albrecht Bengel, Vater des württembergischen Pietismus. Er wartete dreißig Jahre lang darauf, Professor in Tübingen zu werden. Jedes Mal, wenn eine Stelle besetzt wurde, wurde er übergangen. Man wollte ihn nicht. Dreißig Jahre lang beschäftigte er sich mit 14-, 15-, 16-jährigen Jungen in der Pubertät. Er hat sich mit ihnen abgegeben und ist an ihnen verzweifelt.
Doch in diesen dreißig Jahren, also in zwei Generationen, haben diese Jungen das Land Württemberg verändert. Denn dort war ein Lehrer mit ganzer Leidenschaft und großer Liebe, der diesen Jungen begegnete – in einer Zeit, in der man noch mit Stock und Rute erzog.
Vorher, in Einheit I, war ich bei einer jungen Krankenschwester in Ruanda, die einfach mit Liebe Menschen gepflegt hat. Sie hatte große Schwierigkeiten mit einem Pfleger. Zum Abschied sagte sie zu ihm: „Ich gebe dir einen neuen Namen in Ruandisch: ‚Die, die die Liebe hat‘.“ Wow, nach drei Jahren so einen Namen zu bekommen.
Orientierende Persönlichkeiten – Jesus möchte dich zu so einer machen, damit andere den Kurs finden in den Strömungen der Zeit. Damit andere sich an dir orientieren und dir nachleben, was du vorlebst.
Lasst uns darum beten, dass Gott uns solche Menschen schenkt und dass Gott uns solche Menschen macht, die tun, was sie sagen, die leben, was sie predigen, und die dadurch zu Kursorientierungsbestimmern für andere werden.
Schlussgebet
Barmherziger Gott und Vater,
wir sind immer wieder herausgefordert durch viele Strömungen und viele Fragen: Was sollen wir glauben? Wie sollen wir glauben? Worauf können wir uns verlassen? Wie können wir leben? Was ist gut und was ist schlecht?
Wir wollen dich bitten für die vielen jungen Menschen in unserem Land, die diesen Kurs nicht finden, weil ihnen noch nie jemand einen Weg gezeigt hat. Wir wollen dich bitten für die vielen jungen Menschen, die keine Vorbilder haben oder nur schlechte Vorbilder.
Wir wollen dich aber auch herzlich bitten, dass du uns zu Menschen machst, die anderen Orientierung geben können. Wir wollen dich bitten, dass du uns den Mut schenkst, Entscheidungen zu treffen in unserem Leben, damit wir weiterkommen und etwas in unserem Leben wächst.
Wir wollen dich bitten, dass aus unseren Gemeinden und Jugendarbeiten Menschen erwachsen, die zu einer lebendigen Predigt von dir, dem Gekreuzigten, werden.
Danke, dass du alles schenken kannst. Wir warten auf dich. In deinem Namen, Amen.